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Konsumenten

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17.01.2019
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Konsumenten

Der Bahnhof war voll. Voll mit Menschen; Pendler auf dem Weg zu ihrem Gleis, Schüler die laut und aufgedreht, in kleinen Gruppen, aus der Vorhalle strömten. Abseits des Trubels, unbeachtet, wenn dann mit einem Anflug von Ekel oder Verachtung, rappelten sich die untersten der Gesellschaft auf, qualvoll langsam und träge in Aussicht auf einen weiteren Tag im Dreck, auf der Suche nach einem kurzen Ausflug aus der tristen Realität.

Die Kioske und Geschäfte, vornehmlich Bäcker und andere Snacks verkaufende Läden, waren schon längst geöffnet und wurden mit dem täglichen Warenstrom versorgt. Gelangweilt von der Routine bestückten Aushilfen die leeren Regale vom Vortag und sortierten ihr Angebot für die zahlenden Konsumenten. Das Angebot wurde bereitwillig angenommen, wie an jedem Tag. Kippen, Tageszeitungen, mal bessere mal schlechtere Brötchen und Coffee-to-go waren die begehrtesten Dinge, die verlangt wurden. Ein paar schlurfende Kunden kauften bereits ihre erste Dosis Dosenbier um wenigstens den Morgen halbwegs benebelt zu beginnen. Allerdings war das im Vergleich eher eine Ausnahme am Morgen, Brötchen und Kaffee liefen deutlich besser.

All das hatte sie nicht nötig. Hunger hatte sie keinen, das Hungergefühl war zwar meistens da, aber andere Verlangen waren größer. Durst zum Beispiel. Durst hatte sie. Und noch knapp ein Drittel vom billigen Korn, den sie gestern Abend auftreiben konnte. Fluppen waren da, wenn man wusste wo, auch wenn das bedeutete zu schnorren oder Stummel vom Boden zu rauchen. Ihr war es egal, Hauptsache befriedigt für den Moment. Außerdem war sie genügsam; das turbulente und hektische Treiben der Massen tangierte sie nicht, war ihr auch zu wider. Ständig getrieben, ständig auf der Jagd nach noch mehr ohne tiefere Befriedigung zu finden.

Das wollte sie nicht. Konsum, so wie der Rest in als unbewusstes Ziel hatte, deckte sich nicht mit ihrem Verlangen nach Konsum. Bescheiden wie sie war, beschränkte sich ihr Konsum lediglich auf diverse Suchtmittel die sie bekommen konnte. Das reichte ihr um, wenigstens temporär, eine Befriedigung zu erlangen.

 

Hallo Herr Schönwald,

und herzlich Willkommen hier bei den Wortkriegern.

Hmmm, dein kurzer Text wirkt auf mich extrem distanziert. Ich kann da keinerlei Emotion zu der Protagonistin aufbauen: kein Mitleid, keine Wut, keine Empathie. Gar nichts.
Was war denn deine Intention, so sachlich zu schreiben? Da bleibt bei mir leider gar nichts hängen.

Viele Grüße
bernadette

 

Hallo Herr Schönwald,

und herzlich Willkommen hier bei den Wortkriegern.

Hmmm, dein kurzer Text wirkt auf mich extrem distanziert. Ich kann da keinerlei Emotion zu der Protagonistin aufbauen: kein Mitleid, keine Wut, keine Empathie. Gar nichts.
Was war denn deine Intention, so sachlich zu schreiben? Da bleibt bei mir leider gar nichts hängen.

Viele Grüße
bernadette


Hallo bernadette,
danke für dein Feedback.

Ich wollte bewusst einen eher sachlichen, nüchternen Text schreiben, ohne dabei einzelne Personen detailliert zu charakterisieren. Auch sollten keine Gefühle für sie entwickelt werden, sondern lediglich ein kurzer Blick auf die Situation.

Das ist meine erster Text, denn ich aus einer spontanen Eingebung verfasst habe. Vielleicht ist er deshalb nicht ganz ausgefeilt ...

Deiner Kritik nehme ich mir gerne an, versuche Charaktere ggf. geschickter zu charakterisieren und sie dem Stil und der Intention des Texts anzupassen.

 

Hi @Hr.Schönewald

willkommen im Forum. :)

Hmmh, man merkt leider, dass du den Text ziemlich schnell und ohne große Überlegungen geschrieben hast. Auch wenn die Distanziertheit deine Intension hinter dem Text war, kann ich auch mit dem Inhalt nicht viel anfangen.

Mich stört eher, dass die Details aus dem täglichen Leben ziemlich gängige Klischees sind, die nicht wirklich überraschen. Hier mal ein paar Details, damit du verstehst, was ich meine:

Der Bahnhof war voll.

Es ist wirklich immer ein Bahnhof. ;)


auf der Suche nach einem kurzen Ausflug aus der tristen Realität.

Und immer die triste Realität, alternativ auch "hart".

Gelangweilt von der Routine

Alle sind immer gelangweilt von ihrer Routine, typische Handy- und Arbeitszombies.

mal bessere mal schlechtere Brötchen und Coffee-to-go

Typisch für diese Art Geschichte ist auch immer der pessimistische Blick auf das "normale Leben". Schlechte Brötchen, mieser Kaffee ...

Ein paar schlurfende Kunden

... Kunden, die nur halbwach zur Arbeit fahren, in graue Büros mit grauen Wänden ...

halbwegs benebelt

... die sich selbst nicht leiden können und sich daher wegballern, bevor der Tag begonnen hat.

Und noch knapp ein Drittel vom billigen Korn,

Auch typisch: der billige Korn. Warum immer Korn? Ich meine, mal gelesen zu haben, das Alkoholiker auch sehr gern süßen Wein trinken, weil der schneller in den Kopf geht. ;) Tut mir leid, wenn ich das so harsch aufliste, das dient nur dazu, zu zeigen, dass diese Bilder relativ abgestanden sind und nicht mehr wirklich irgendwelche Gefühle hervorbringen.

Dann noch inhaltlich eine Anmerkung:

Außerdem war sie genügsam; das turbulente und hektische Treiben der Massen tangierte sie nicht, war ihr auch zu wider. Ständig getrieben, ständig auf der Jagd nach noch mehr ohne tiefere Befriedigung zu finden.

Das wollte sie nicht. Konsum, so wie der Rest in als unbewusstes Ziel hatte, deckte sich nicht mit ihrem Verlangen nach Konsum. Bescheiden wie sie war, beschränkte sich ihr Konsum lediglich auf diverse Suchtmittel die sie bekommen konnte. Das reichte ihr um, wenigstens temporär, eine Befriedigung zu erlangen.


Das ist aber eine erstaunlich wache, alkoholkranke Obdachlose! ;) Das sind ihre Gedanken, wenn sie morgens den Rest der Bevölkerung sieht? Tut mir leid, nicht böse sein, aber das ist kitschig. Dieses Bild gibt es so oft: Ein Obdachloser, der die hohlen Massen an arbeitenden Menschen beobachtet und sie für ihre Gier und ihren leeren Eifer verabscheut.

Ich denke eher, das die meisten Obdachlosen ihre Arbeit vermissen. In Japan gibt es eine ganze Bevölkerungsschicht an jungen Männern, die morgens so tun, als würden sie zur Arbeit fahren und dann den Tag in Bars verbringen, weil sie sich so sehr schämen, kein Teil mehr der Arbeiterklasse zu sein. Entweder, sie vermissen ihr altes Leben oder haben sich schon so benebelt, dass sie eh kaum noch etwas davon mitkriegen. Das hat dann auch nichts mit Bescheidenheit zu tun. Deine Protagonistin wird zur Bescheidenheit gezwungen, daran ist nichts heroisches. Oder ist die freiwillig obdachlos?

Das war jetzt ne Menge, ich hoffe, du verstehst meinen Ansatz. ;) Klar, du wolltest einen spontanen Text über eine Situation schreiben ... aber auch der muss mir was Neues zeigen. Ein echtes Stück Leben, einen authentischen Blick auf die Wahrheit. Oder er sollte mich unterhalten.

Danke dir und viele liebe Grüße, PP

 

Hey @Hr.Schönewald,
ich fühl mich schlecht. Weil mich deine Geschichte null berührt. Ich lebe in Berlin und sehe täglich das von dir beschriebene Bild. Und das lässt mich absolut nicht kalt! Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in deinem Text mehr über das Warenangebot der Bahnhofsläden erfahre, als über deine Protagonistin. Du könntest den kurzen Text für mich noch verdichten, indem du unnötige (Brötchen-) Details streichst und dafür tiefer in ihre Rolle gehst. Ich habe verstanden, dass du das „Konsumieren“ gegenüberstellst. Aber das funktioniert für mich nicht. Du hast den Text unter der Rubrik Flash Fiction hochgeladen, zeigst nur einen kurzen Ausschnitt, nur einen Morgen, kein Was-davor-geschah oder ihre Zukunftsaussichten. Um Emotionen beim Leser zu wecken – und das ist doch, was du erreichen willst, oder? - bräuchte es mMn z.B. einen Konflikt, krassere Lebenseinblicke (vlt. Richtung Beschaffungskriminalität), denn das ist mir – pardon – noch nicht Gosse genug, zeig ruhig den Dreck unter ihren Fingernägeln. Und auch sie ist mir zu beliebig und austauchbar. Was ich schade finde. Das als kleiner Leseeindruck.
Viele Grüße
wegen

 

Hallo Hr.Schönewald,
ich finde, Du beschreibst sehr schön und facettenreich das allmorgendliche Treiben an einem Bahnhof in einer Stadt.
Und dann tritt diese Obdachlose in Erscheinung und ich denke, nun beginnt die Geschichte.
Aber dann hörst Du einfach auf, in dem Moment, wo es eigentlich losgehen sollte. Ein schöner Anfang, ähnlich wie wenn ein Komponist die Einleitung eines Werkes komponiert hat und dann einfach die Feder zur Seite legt - und dann? - nichts mehr.
Ich würde einfach mal "drüber schlafen" und danach überlegen, wie es weitergeht mit diesem Menschen, der in die Szene geraten ist.
Ich denke, da könntest Du durchaus eine tolle Geschichte draus machen.
Viele Grüße
A.J.

 

Hey Leute,
danke für eure Anmerkungen und Kritiken.
Ich werde mir Gedanken dazu machen und auch bei meinen weiteren Texten beachten.
Sehr konstruktiv, wenn man weiß wie man sich der Sache annehmen muss.

Danke & Gruß!

 
Zuletzt bearbeitet:

Denn werden die Lebensbedingungen der Untertanen verbessert,
werden sich auch meine Einnahmen steigern.“

aus: Wallensteins Schlafzimmer, 5. Akt

Jetzt kütt auch noch‘n Diplomierter, der sich zu Zeiten eines Kanzlers Willi Brandt bereits mit den theoretischen Anfängen der gar bald alles beherrschenden Chicago School eines Milton Friedman und eines Friedrich August von Hayek – dem der Ruch anhing, in Wirtschaftsfragen Hitler beraten zu haben - an deutschen Hochschulen herumschlagen durfte, die sich mit dem neoliberalen Credo der unsichtbaren Hand des sich selbst regulierenden Marktes schmückte und das Ende des Sozial- und Wohlfahrtstaates der Freiburger Schule und Rheinischen Kapitalismus bedeutete, wie Neoliberale mit dem Dreigestirn Donald, pardon, Ronald Reagan, Iron Lady und Birne Kohl zur herrschenden Ideologie wuchsen - und das Bild passt, dass diese kleine Notiz liefert, die Reduktion auf Konsum um Überproduktion nicht nur der Abfallwirtschaft, ggfs. Afrika und die Weltmeere, zu überlassen - der brasilianische Regenwald wird ja gerade zu Davos verschachert und der Amazonas Indianer freut sich schon wahnsinnig aufs Internet, gelegentlich Spenden von Mr. B. und G. (Apple fällt mir der Name nicht ein) ...

Mich stören Klischees nicht unbedingt, gleich in welchem Text, nicht nur, weil Abklatsch, Standards und gleiche Erwartungen die Welt eher zusammenhalten als ein nackter Individualismus für jeden und alle. Z. B. ist die Aussage

Der Bahnhof war voll
alles andere als ein Klischee.

Man fahre einmal von D‘dorf aus in die Niederlande über den Bahnhof Sterkrade oder nach Norddeich und muss in Wanne-Eickel umsteigen. Da fehlte nur noch, dass Charles Bronson im modisch-chicken Staubmantel auf dem Bahnsteig Mundharmonika spielte … Nur zwo Spiegelbilder des Klischees Bahnhof … dank der gemehldorrten Umwandlung eines Staatsbetriebes (volkseigen ist was anderes) für den DAX, für den uns ja Meister Friedrich Merz gewinnen will (Spekulation statt Rentendebatte).

Aber was noch gar nicht bemängelt wurde, ist die Fehlerquote in einem solch kleinen Text, die – selbst wenn Du‘s so gewollt hast – mit dem Namen beginnt, denn üblicherweise ist zwischen dem nicht – und abgekürzten „Herrn“ (Ersparnis durch Abkürzung von „Herr“ exakt ein Zeichen, vier Buchstaben gegen zwo Buchstaben und ein Satzzeichen) ein Leerzeichen, Herr (Hr.) S. -

und damit herzlich willkommen hierorts,

Hr.[...]Schönewald!,

und direkt in eine überraschende Mini-Inflation von Kommas, die bis auf ein dafür fehlendes und zwingendes

..., Schüler[,] die laut und aufgedreht, in kleinen Gruppen, aus der Vorhalle strömten.
entbehrlich, denn der auf „Schüler“ folgende „Relativ“satz auf -

und eben diese Gruppe von Nebensätzen wird gemeinhin schon in der Grundschule trainiert (sofern nicht durchs unsinnige „schreiben durch hören“, also beherrscht ist).

Und die unnötige Inflation geht weiter und ich vermute mal, dass Du kein Dramatiker bist und deshalb unterm Schutz Heinrich von Kleist' stündest … Weg mit allen überflüssigen Satzzeichen oder die Begründung und da würd‘ ich dann eins draufsetzen und behaupten, nach dem „wenn“ und vorm „dann“ gehöre unbedingt eines …

Selber nachschauen,

Tipp: Im Netz kursieren PDFs mit den Kommaregeln, eine Deines Vertrauens runterladen, verknüpfen und bei Bedarf anklicken.
Am sichersten ist allerdings allemal Duden.de nicht nur für die Zeichenregeln, weil immer auch in der Rechtschreibung aktuell und mit Bedeutung, kleiner Etymologie und vor allem bei Präpositionen, die oft genug mehr als nur einen „Fall“ auslösen.
Gleichwohl noch ein besonderer Fall, wollte die Rechtschreibreform doch u. a. den Infinitiv vom Komma befreien und schuf Fußfallen, die man sich einfach merken muss, wie hier

... Kunden kauften bereits ihre erste Dosis Dosenbier[,] um wenigstens den Morgen halbwegs benebelt zu beginnen.
Wo das „um“ die Kommasetzung erzwingt (Begründung siehe „https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/komma“).
Bis vor wenigen Monaten hätt‘ ich Dir noch geraten, grundsätzlich ein Komma zu setzen – diese Variation war bis dahin noch nicht aufgeflogen. Seit einiger Zeit ist sie es, denn die Rechtschreibreform ist keineswegs zu Ende (gerade wurde erst das ß als Majuskel eingeführt, damit auch jeder seinen Namen in ordentlichen Großbuchstaben ausschreiben kann. Mit fällt dabei immer nur eine Biersorte ein, die ich aber aus werberechtlichen Gründen nicht bekannt gebe, aber vllt. trifft es auch manchen Schlosser).
Es gibt nun auch eine Anweisung, wann eine Infinitivgruppe eben kein Komma erlaubt (bei erweiterten Prädikaten nämlich, weil die eben sonst zerschlagen/auseinandergerissen werden, woran Du siehst, die Reformatoren wissen durchaus, was sie tun).

Und noch eine Anmerkung hierzu in diesem Abschnitt (den ich nicht gänzlich zitieren muss)

All das hatte sie nicht nötig. Hunger hatte sie keinen, das Hungergefühl war zwar meistens da, aber andere Verlangen waren größer. …
Haben und sein und damit eine eher schlichte Sprache regieren den Text, obwohl sich die zugehörigen Substantive verbalisieren ließen, etwa dass „sie nicht hungerte“ oder (auf höchstem Niveau) „keinen Hunger fühlte“ (es geht auch ohne Zusammensetzung, selbst wenn Mark Twain über ein Hungergefühl sich nicht amüsiert und den Kopf geschüttelt hätte wie über die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft oder den Hottentottentittentantenattentäter zu seiner Zeit).

Richtig trivialeres

..., war ihr auch zu wider.
„zuwider“, ein Wort!

Bescheiden[,] wie sie war, beschränkte sich ihr Konsum lediglich auf diverse Suchtmittel[,] die sie bekommen konnte. Das reichte ihr[,] um, wenigstens temporär, eine Befriedigung zu erlangen.

So hat der kleine Text auch noch einen besonderen Sinn erhalten, der eigentlich in jeder Erstveröffentlichung verborgen schlummert.

Ich hoffe, Du nimmst es gelassen, und bis bald

Friedel

 

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