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Lapplands Sonne

Monster-WG
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10.09.2014
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Lapplands Sonne

Als Erik Södersen sein Haus gestrichen hatte, strotzte dieses Rot wie er selbst in jenen Jahren vor Kraft und Optimismus. Nicht grell wie Rebellion oder Revolte, sondern warm und stark – eine Farbe des Vertrauens und der Zuversicht. Drei sorgfältig aufgetragene Farbschichten sollten das Holz gegen die raue Witterung schützen.

Einst leuchtend rot wie Ebereschensaft, hat die Farbe nun ihren Glanz verloren; ermüdet und verbraucht wirkt sie und blättert ab. Besonders schlimm an der Wetterseite.
Dort lugt aus der Zeit seiner Kindheit wieder bürgerlich vornehmes Taubenblau hervor, die Lieblingsfarbe seiner Eltern – und an vielen Stellen auch das graue Weiß seiner ihm unbekannten Großeltern, die dieses schöne Haus vor rund hundert Jahren erbauen ließen.

Der alte Erik mag diesen bedauerlichen Zustand nicht beachten, er will da nicht hinschauen.
Nur widerwillig musste er sich an den langsamen Niedergang gewöhnen – als letzter Bewohner des einst schmucken Weilers.
Eine Dachrinne hat den Halt verloren, Teile der hölzernen Terrasse müssten ausgetauscht werden und die Bohlentreppe hat zwei arg morsche Stufen, die ihn dazu zwingen, über sie hinwegzusteigen. Das kostet Kraft, mehr als es scheint, denn zu seiner eigenen Gebrechlichkeit kommt noch diejenige des eichenen Geländers, auf das er sich nun gar nicht mehr verlassen kann.

Der kurze Sommer ist schon dahingegangen, fast spröde und unpersönlich in den letzten Jahren.
Früher, mit den Kindern, als seine Frau noch lebte, da haben sie ihn gefeiert, haben ihn hochleben lassen, hätten liebend gern die hellen Nächte durchgetanzt statt zu schlafen. Doch seit er allein ist, scheint ihm, dass sich Sommer und Sonne viel lieber im Süden aufhalten und hier oben eher unwillig einer auferlegten Pflicht Genüge tun.

Der Kamin ist so alt wie das Haus, war immer ein zuverlässiger Freund, leider ein sehr gefräßiger. Jetzt braucht er wieder eine ordentliche Füllung, auch die Asche muss ausgeräumt werden. Früher ging es Erik leicht von der Hand, aber in den letzten Jahren fällt es ihm schwer, alles so zu richten, wie es sein muss: Um die dicken Blöcke herum, die oft noch einen feuchten Kern haben, schichtet er trockene Knüppel. Darunter und zu beiden Seiten muss dürres, aufgesammeltes Holz die erste Hitze geben. Das ist lebensnotwendig, doch diese Anstrengung ist fast zu viel für ihn. Ihn überkommt eine sonderbare Stimmung, ein ungewohntes Gefühl von Angst und Schwäche.
Er sollte sich ein wenig auf die altgediente Couch legen.
Zwischen Morgen und Abend entstehen dort oft die einzigen zufriedenen Momente. Beim wohligen Augenblick des Entspannens entfährt ihm ein kräftiger Seufzer der Behaglichkeit. Und gleich darauf ein zweiter, wenn er dann wirklich liegt, die Beine gern etwas höher auf der Filzrolle, und sich dabei die Anspannungen wie durch Zauberei auflösen, von einem Moment zum anderen wie mit der Opiumpfeife weggeblasen. Dieses genießerische Schnaufen wird umgehend beantwortet von der Couch, die bis ins hohe Alter ihre prinzessinnenhaften Allüren beibehalten hat und sich stets jede Annäherung, geschweige denn tatsächliche Beanspruchung verbittet mit dem schrillen Quietschen ihrer rostigen Stahlfedern und dem Knarzen des alten Holzes.
Doch diesmal erliegt er nicht der Versuchung, seinen müden Körper auszustrecken und vielleicht ein bisschen einzuschlummern.
Nein, heute nicht! Er kann es sich nicht erklären, doch wie zum Trotz will er noch einmal hinaus in die wunderbar wärmende Nachmittagssonne dieses Septembertages, nur für eine Viertelstunde; gegen alle Vernunft, vielleicht gesteuert von düsteren oder auch wohlmeinenden Mächten, oder gar befohlen von einem sich alles unterordnenden Gesetz.

Eine Viertelstunde in der Herbstsonne? Seine schmalen Lippen formen ein wehmütiges Lächeln. Was bin ich doch für ein wunderlicher Kauz, denkt er und überlegt, wann er zuletzt von einer viertel, halben oder ganzen Stunde gesprochen hat.
Denn hier in der Heimat der Schneekristalle spielt Zeit keine Rolle. Zwar gibt es die Uhr am Türmchen der Holzkirche in Sottalla, die verschnörkelte Schreibtischuhr im damaligen Büro des Notars, und seine, immerzu von Generation zu Generation weitergereichte Taschenuhr mit Goldauflage. Doch machen Uhren keinen Sinn in einer Welt, die Lichtjahre entfernt ist von der Hast des Südens.
Und er, Erik Södersen, rechnet heute tatsächlich in Minuten und Viertelstunden? Das ist unbegreiflich, denn mehr Zeit hatte er nie.

Herbsttage im Alter haben Melancholie, herb wie wilde Beeren, oft untermalt von Traurigkeit, weil ein funktionierendes Hirn jedes Detail registriert. Erik kennt Tage in allen Schattierungen, der heutige scheint ein besonderer zu sein. Mit einem flatternden, diffusen Gefühl, doch wach mit allen Sinnen, meistert er die gefährliche Treppe. Dann lässt er sich in seinen Lehnsessel, nein, nicht wie gewöhnlich nieder – heute nimmt er Platz. Wie ein Opernbesucher der Scala sitzt er aufrecht und ist voller Erwartung. Allerdings registriert er mit leichter Beunruhigung, dass die untreue Sonne während seiner kurzen Abwesenheit ein deutliches Stück gesunken ist.

Es ist still, feierlich still. Erik denkt an seine Frau, manchmal spricht er mit ihr.
Dann wandern seine Gedanken in den Süden, zu seinen Kindern. Er weiß, wie sie leben und dass es ihnen gut geht – dort im Land der großen Freizügigkeit, der Leichtlebigkeit, in dem der Ernst des Lebens einfach weggelächelt wird – und wo es laut ist, unerträglich laut.
Manchmal sieht er abends ein wenig fern, meist aber liest er. Er genießt dieses Innehalten, um den Text auf sich wirken zu lassen, das ruhige Voranarbeiten von Satz zu Satz, die Möglichkeit, schöne Absätze mehrmals zu lesen, ohne befürchten zu müssen, den Anschluss an die fortlaufende Geschichte zu verpassen. Manchmal erheitert ihn der Gedanke, dass der Autor dieses Buch nur für ihn geschrieben habe. Gern würde er ihm sagen, welche Gefühle und Erinnerungen seine Worte in ihm auslösen, wie sehr ihn die Worte berühren – doch das wird ein Wunsch bleiben.
Das Lesen hat ihm viel gegeben. Es hat ihm nicht nur die Augen geöffnet, sondern seinen Blick geschärft, und seinen Verstand. Fernweh kennt er nicht, allen Strapazen zum Trotze hat er sich hier immer gut gefühlt, auch wenn das Leben im Süden vielleicht einfacher gewesen wäre.

Wie auch immer – er ist weit über achtzig, er ist hier geboren, hier ist seine Welt und hier wird er sterben. So ist das nun einmal.
Die Großartigkeit der Natur ist überwältigend, heute aber auch bedrückend; Erik verspürt sein Verlorensein in dieser Einsamkeit.
Er ist etwas verunsichert, doch hat er keine Bange. Alles ist ihm vertraut, andrerseits spürt er etwas Ungewohntes. Er schließt die Augen und öffnet sie dann wieder, und es ist unmöglich zu sagen, ob auf sein Geheiß oder auf himmlisches Kommando ein großer Festakt beginnt. Die goldenen Ränge der Scala hängen wie mit feiner Patina umhüllt am blassblauen Himmel und die völlige Stille empfindet er als erhabene Musik. Erik Södersen ist der Gala-Gast.

Er sitzt im strahlenden Sonnenlicht, wenn auch die Schatten schon länger werden. Es ist, als ob die Luft leuchten würde, ein feierliches Flirren liegt auf den Hügeln mit ihrem scharf geschnittenen Kranz aus blauschwarzem Fichtenwald.
Obwohl ihm dieser Anblick ein Leben lang vertraut ist, empfindet er ihn heute als kolossale Kulisse für etwas Bedeutungsvolles.
Beinahe unmerklich lässt das Strahlen nach, das Licht wird mild und sanft. Dieses Schauspiel fasziniert ihn.
Die Herbstsonnenfee mit den Mandelaugen und Erik mit dem Platinhaar haben die gleiche Wellenlänge, sie mögen sich, sehr sogar. Zwar zieht sie sich jetzt von seinen Füßen, von seinen Beinen spürbar zurück, doch hat das nicht die geringste Bedeutung. Umso mehr wärmt sie sein Gesicht; ihre Lippen streifen seine Stirn, seine Ohren, seinen Hals. Sie scheint überall zu sein, auch in ihm.
Eine milde Glut erfüllt ihn, eine fast betäubende Zufriedenheit. Seit unvorstellbar langer Zeit hat er sich nicht mehr so gut gefühlt. Er spürt Füße und Beine nicht, doch es ist ihm gleich. Nur noch eines ist wichtig: dieses so lang vermisste Gefühl von Geborgensein und Liebe.
Erik Södersen spürt ein merkwürdiges Zucken in den Augen- und Mundwinkeln. Er weint – nicht hemmungslos, nur soviel, wie er nicht zurückhalten kann.
Die Tränen befreien ihn schnell und heftig von allem Ballast, von den immer wiederkehrenden Grübeleien und Sorgen. Sie rinnen ihm hinunter in die scharf geschnittenen Mundwinkel; ihr ungewohnter Geschmack verwundert ihn. Es sind nicht viele, doch ihre süße Salzigkeit und Wärme schaffen noch für die letzten Momente den Ausgleich zur zunehmenden Kälte.
Er verspürt ein völlig unbekanntes Lösen und Lassen, eine den ganzen Brustkorb einnehmende Dankbarkeit. Aber nein, um dankbar zu sein, hätte er nicht die Entbehrungen und Härten seines Lebens ertragen müssen. Und wem gegenüber? Der Welt? Dem lieben Gott?
Nein, es ist Versöhnlichkeit. Letztlich hat alles seine Ordnung. Die Decke in seinem Rücken wird zu Watte, alles verliert seine Schwere.

Die Sonnenkugel wird aufgespalten von den Fichtenspitzen, in die sie hineintaucht und sich hoffentlich nicht verletzt, denn sie muss weiter wandern, um anderen Licht und Wärme zu schenken.
Die Fee hat sich zurückgezogen, das Licht verliert seine warmen Rottöne. Es wird bleich und kalt, bis es dann ganz erlischt.
Der Kamin wird noch die ganze Nacht Wärme spenden, doch wird Erik sie nicht mehr spüren.

 

Diese Geschichte wurde von einem Autor geschrieben, der hier im Forum angemeldet ist, es für diese Geschichte aber bevorzugt hat, eine Maske zu tragen.
Der Text kann, wie jeder andere Text im Forum, kommentiert werden, nach zehn Tagen wird die Identität des Autors enthüllt.

Als Kritiker kann man bis dahin Vermutungen über die Identität des Autors anstellen. Damit man anderen mit einem schlüssigen Rateversuch nicht den Spaß raubt, sind Spekulationen und Vermutungen bitte in Spoiler-Tags zu setzen.

*Beispiel *

Ich vermute, dass der Autor der Geschichte Rumpelstilzchen ist. Der schreibt doch auch immer von güldenem Haar und benutzt so viele Ausrufezeichen!

Schreibweise:
[spoiler]Ich vermute, dass der Autor der Geschichte ... [/Spoiler]
Die eckigen Klammern setzt ihr mit der Tastenkombination Alt-gr+8 bzw. Alt-gr+9.

Da dies jedoch kein Ratespiel ist, sind Beiträge ohne Textarbeit, also reine „Vermutungen“, nicht erwünscht.

Viel Spaß beim Kommentieren und Raten!

---
Alles weitere rund um den Maskenball findet ihr hier.

 
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Hey Maske,

wenn es um Lappland geht, bin ich natürlich sofort dabei :).

Ich kann total verstehen, was einen Autor an einem solchen Text reizt. Ich sehe aber auch, wie verdammt schwierig es ist, diese Aufgabe umzusetzen und für mein Empfinden, sind die Ansätze zwar gut gewählt, jedoch so richtig hat mich der Text nicht überzeugt. Klar braucht so ein Text unbedingt Ruhe, er lebt nicht vom Drama, sondern vom Gegenteil. Und wo wenig Drama, da wenig Spannung, da muss was anderes greifen. Atmosphäre nämlich. Als Leser muss ich sprichwörtlich in diesem Text versinken können. Mich mit dem alten Mann einkuscheln. Das finde ich alles in Ansätzen im Text und auch das Ende, doch, es wirkt friedlich auf mich. Wenn Du das beabsichtigt hast, dann funktioniert das, zumindest bei mir.

Nun ist aber auch so, dass der Text für mich das viel zu gradlinig tut. Die vielen Wiederholungen inhaltlich gleicher Aussagen, die ziehen den Text wie Kaugummi, aber der Charme bleibt für mich auf der Strecke. Lappland - toll - aber so richtig kamen bei mir keine Bilder auf, ich habe sie ja im Kopf, auf Fotos hier, aber dein Text hat mich nicht dazu verführt sie abzurufen. Ich war nicht in der Einsamkeit mit Dir unterwegs. Im Text ist alles nur alt, verfallen, morbide, da ist nix Schönes, außer die letzte Herbstsonne. Und vor allem dreht sich alles nur ums Haus. Das finde ich schade. Alles kaputt, alles stirbt so vor sich hin, aber so ist es ja nicht. Klar, wenn da erst mal alles weiß draußen ist, aber auch dann ... die Rentierherden zum Beispiel und ich habe nirgends so viele Huskies erlebt, wie dort oben. Das Heulen nachts, wo Wölfe und Hunde einander einstimmen, der Nebel morgens, der aus dem nichts kommt und wirklich alles für eine kurze Zeit einhüllt und dann wieder verschwindet, das gehört doch dazu. Das ist doch schön. Das wären Brüche, die mir in diesem Text sehr fehlen und die dann eben auch die Atmosphäre es Textes konkreter fassbar machen würden. So ist eben alles nur ... alt. Klar, wenn der Mann stirbt, stirbt dieses Haus und der Hof mit ihm und in ein paar Jahren ist nichts mehr da. Gar nichts mehr. Die Einsamkeit der Gegend da oben, noch ein bisschen mehr einsam.

... nur für eine Viertelstunde; gegen alle Vernunft, vielleicht gesteuert von düsteren oder auch wohlmeinenden Mächten, oder gar befohlen von einem sich alles unterordnenden Gesetz.

passt für mich nicht zum Rest des Textes - auch nicht zu diesem Mann. Ich kauf nicht, dass der so Gedanken hat.

... doch ihre süße Salzigkeit und Wärme schaffen noch für die letzten Momente den Ausgleich zur zunehmenden Kälte.

süße Salzigkeit ist irgendwie nicht schön. Das süße Salz gefiele mir besser.

Und mandeläugige Sonnenfee mag ich übrigens auch nicht. Das ist mir irgendwie zu kitschig. Und Kitsch passt so gar nicht zum Thema.

Wie gesagt, ich finde hier gute Ansätze, ich versteh die Faszination an der Aufgabe für den Autor, aber für den Leser, ist es eben ein Dahinplätschern und wenn da nicht wirklich was plätschert, was mich mitnimmt, was in mir eine Behaglichkeit erzeugt in die ich mich fallen lasse, dann bleibt bei einem solchen Text kaum etwas, was mich als Leser triggern könnte. Inhaltlich ist da ja nicht viel.

Das war mein Senf. Keine Ahnung, wer hier hinter der Maske steckt. Mein Gefühl sagt mir zu 60% weiblich, mehr sagt es aber nicht.

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Maskierte/r,

ich habe deine Geschichte angeklickt, weil ich selbst in Lappland gewesen bin. Das ist schon eine ganz besondere Gegend, die Fichtenwälder mit ihren kurzen, kerzengeradenen Bäumen, dieses Flüsse und Seen, die klare Luft und der blaue Himmel - Lappland bietet auf jeden Fall Stoff für vielerlei Geschichten.

Du erzählst die Geschichte vom alten Erik und seinem dahinschwinden, du erzählst sehr bildhaft, ausführlich und lieferst dadurch viele Eindrücke. Selbst für mich ist das manchmal schon zu viel, denn wirklich viel passiert ja nicht. Du beschreibst hier, zugegeben sehr wortgewaltig, eine Szene, seine letzte Szene. Aber richtig eingefunden habe ich nicht in diese Geschichte. Ich hätte gerne mehr über Erik erfahren, über sein Leben, seine Frau, welche du kurz anschneidest, worauf du aber nicht näher eingehst. Das finde ich etwas schade.

Insgesamt kann ich nicht mehr schreiben, weil ich keine Verbesserungsvorschläge habe, außer den, dass ich eben gerne mehr über Erik erfahren hätte. So wirkt das für mich sehr Szenenhaft, aber das ist wohl auch ok. Eine netter,kleiner Text mit einem angemessen, teils melancholischen teils nostalgischen Grundton. Gefällt mir alles in allem, wird es aber wohl nicht in mein Langzeitgedächtnis schaffen.

Gar nicht einfach. Ich habe an vier Autoren gedacht. Kanji, jobär und wieselmaus waren in der engeren Auswahl. Letztendlich glaube ich, es verbirgt sich hinter der Geschichte wieselmaus. Denn eigentlich habe ich immer dieselben 'Probleme' mit ihrem Stil habe und finde die Geschichten nie schlecht, aber auch nie begeisternd. Rein von der Sprache könnte ich mir aber auch josefelipe vorstellen. Jedoch gibt es keine Frau in dieser Geschichte, weshalb mein Tipp folgender ist: wieselmaus

Beste Grüße,

Sonne

 

Hola, schöne unbekannte Maske!

Bei der Wahl der weiblichen Form bin ich mir ziemlich sicher, ich meine dem Schreibstil einige weibliche Attribute entnehmen zu können. Ich finde Deine Geschichte sehr hübsch – und einleuchtend. Ich habe mal eine ähnliche gelesen, die handelte von einem Dorf weit oben im Norden, das einen Erdgasanschluss erhalten sollte – nur brach das Projekt zusammen, weil auch dort die Landflucht einsetzte.
Dein Erik Södersen sollte von seinen Kindern sicherlich überredet werden, mit ihnen in den Süden zu ziehen, aber einen alten Baum ...
Du hast die Erzählung ansprechend aufgebaut, sie ist angenehm zu lesen und wegen ihrer Entschleunigungs-Wirkung die ideale Sonntagslektüre.

Mir hat’s gefallen. Viele Grüße!

José

p.s.: Wir haben so viele talentierte Damen im Forum, dass es schwer ist, sich festzulegen – aber ich riskier’s:

Eine der Tinten-Damen (-fass oder -fisch), oder peregrina.

pp. ss.: schwarze sonne! Gerade beim Einstellen meines Komms sehe ich, dass Du mich zum Kreis der Verdächtigen zählst. Sehr freundlich, aber Lappland? Nee, da muss ich leider passen.

 

Hallo Maske,

ist schön geschrieben, aber mir passiert hier einfach zu wenig.
Da schleppt sich ein alter Mann auf seinen Sessel, sehr träge und müde, und dort stirbt er dann. Genau so hat sich auch dein Text gelesen - träge und schleppend. Ich will nicht sagen, dass das schlechte Sprache oder schlechter Stil wäre. Ist es nicht. Aber da ist kaum ein Konflikt, kaum Anreize in deinen Absätze, wieso ich weiterlesen sollte. Mir fehlt es hier auch an Figur. Das ausufernde Erzählen, das Dahinschleppen und Sterben, das könnte schon funktionieren, wenn du deine Figuren ausbauen würdest, finde ich. Erzähle doch mal, wer dein Prot wirklich ist - was hat er früher gemacht, was waren seine prägenden Erlebnisse, was bereut er, auf was ist er stolz? Ich erfahre bloß, dass er liest und und Kinder im Süden hat, an die er manchmal denkt, und seine Frau ist auch schon gestorben. Das ist mir viel zu wenig für so einen Text. Du könntest einen Konflikt mit den Kindern einbauen (an den er dann denkt), oder anders den Figuren in deinem Text Gesicht geben, sie für mich interessant machen. So hat sich das für mich nach einem Drittel wirklich gezogen, muss ich dir leider ehrlich sagen.
Mir ist das hier einfach zu wenig, ich leide auch nicht mit, wenn er schließlich stirbt, weil ich ihn als Leser eigentlich gar nicht kenne. Wenn du ihm ein wirkliches Gesicht und ein Leben und eine Persönlichkeit und eine Vergangenheit geben würdest, könntest du das ändern. Dann könntest du mich emotional richtig packen, mit dem Ende.
Ich denke, du könntest aus diesem Text noch viel rausholen. Ein Gefühl für Sprache hast du ja allemal.

Viele Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Obwohl ich mehr als drei Jahrzehnte älter als zigga bin, also schon rein altersmäßig viel mehr von der Thematik der Geschichte betroffen sein sollte, ging’s mir beim Lesen ähnlich wie ihm: Ich fragte mich die ganze Zeit: Wo ist da die Story?
Klar, da sind wirklich schöne Bilder drin, diese quasi allegorische Aufgeladenheit all der Dinge - das von Generation zu Generation weitervererbte Haus, die wackelige Treppe, die Sonne, das alte Sofa - und auch das geografisch und klimatisch extravagante Setting, Lappland und so, also das hat natürlich schon einen gewissen Reiz, ist stellenweise auch wirklich ganz großartig formuliert, aber … nun ja, gleichzeitig ist’s halt in seiner Beschaulichkeit und Ereignislosigkeit einfach nur … äh, vorwiegend beschaulich und ereignislos halt.
Noch einmal, das ist im Grunde ein wirklich schöner Text, aber ich frage mich gleichzeitig, ob er ohne das … nennen wir‘s mal exotische Flair von Lappland funktionieren würde. Ob er nur halb so lesenswert wäre, wenn er z.B. unter Baden-Württembergs oder unter Graubündens oder was weiß ich wessen Sonne spielte, wenn er also auf seine reine Aussage reduziert wäre. Die im Grunde eine Plattitüde ist: Wir Menschen werden alt und sterben irgendwann. So what?

Tja, ein schön geschriebener Text, aber eben nicht mehr. Und weil ich darüber hinaus nichts Positiveres dazu sagen kann, will ich mich auch gar nicht drauf einlassen, ihn irgendjemandem zuzuschreiben.

 

Hallo Maske,

mir hat es sehr gefallen, wie Du immer wieder den Zerfall des Hauses mit dem zu Ende gehenden Leben des alten Mannes gleichgestellt hast. Sind dabei schöne Bilder in meinem Kopf entstanden, denn Du kannst das gut, dieses anschauliche, verständliche Schreiben.

Doch auch mir hat etwas gefehlt. Am Ende stirbt ein Mensch und ich bin nicht bekümmert darüber, denn ich habe ihn nicht richtig kennengelernt. Warum hat er Geborgenheit und Liebe so lange vermisst? Weil Frau und Kinder schon lange tot bzw. weg sind? Da hätte ich mir gewünscht, mehr darüber zu erfahren.

Also nicht dass du denkst, der Text hätte keine Gefühle bei mir ausgelöst. Doch, die gibt es schon. Ich freue mich für ihn, dass er loslassen kann, Zufriedenheit und Versöhnlichkeit spürt. Und ich gönne es ihm, dass er friedlich einschläft. Das ist schön für ihn – aber für eine Geschichte ... ?

Ein bissel mehr hätte ich mir schon gewünscht. Etwas, das mich am Ende traurig werden lässt, weil ich nicht will, dass er stirbt. Vielleicht, weil es noch etwas zu erledigen, auszusprechen gibt? Nicht den großen Konflikt. Nein, der würde hier, wie ich finde nicht passen. Etwas anderes, was Kleineres, das zwischen den Zeilen steht. Vielleicht einen Kummer den Erik hat, seine Enkel nie gesehen zu haben. Oder eine große Liebe/ein amuröses Abenteuer, das es ganz früher mal gab, an das er sich jetzt erinnert. Keine Ahnung. Ich bin nicht sehr gut darin, mir Handlungen auszudenken. Gerade auch dann, wenn schon etwas vorgegebenen ist.
Aber soviel weiß ich, ein Ende, bei dem ich denke: "Der alte Södersen – sie mal einer an", würde mir hier nicht gefallen. Nein, das Leise, Unterschwellige passt besser zu der Stimmung Deiner Geschichte.

Wirklich super geschrieben. Viele tolle Sätze die stimmungsvolle Bilder in mir geweckt haben, doch leider hat mich die Handlung im Ganzen nicht mitgerissen.

Lieber Gruß
Tintenfass

Habe keine Ahnung, wer hinter der Maske verborgen ist – kann nicht mal sagen ob männlich oder weiblich. Ich weiß nur, dass es kein talentierter Neuling oder ein wenig Aktiver sein kann. Laut Regeln sind mind. hundert Beiträge bzw. dreimonatige Zugehörigkeit Voraussetzung.
Bin schon sehr gespannt auf die Auflösung. Wird 'ne harte Zeit.

 

Wo ich hier die Kommentare mitlese, ich bin irgendwie total davon ausgegangen, dass der Leser am Ende eben nicht traurig sein soll, das es dem Autor darum ging, dass es für den Leser - wie für den alten Mann - ein friedliches, schönes Ende ist. Kann sein, ich irre mich, aber ich fand die Idee als Herausforderung schon interessant. Jetzt lese ich aber, dass ihr alle traurig sein wollt, und wenn der Autor das auch wollte, ja, dann braucht es viel mehr Persönlichkeit.
Ansonsten bräuchte es aus meiner Sicht eben nur ein paar Brüche (ob Landschaft oder Familie oder Charakter), damit das nicht so linear daherkommt. Aber was weiß ich schon, was der Autor will :D

 

Wo ich hier die Kommentare mitlese, ich bin irgendwie total davon ausgegangen, dass der Leser am Ende eben nicht traurig sein soll, das es dem Autor darum ging, dass es für den Leser - wie für den alten Mann - ein friedliches, schönes Ende ist. Kann sein, ich irre mich, aber ich fand die Idee als Herausforderung schon interessant. Jetzt lese ich aber, dass ihr alle traurig sein wollt, und wenn der Autor das auch wollte, ja, dann braucht es viel mehr Persönlichkeit.
Ansonsten bräuchte es aus meiner Sicht eben nur ein paar Brüche (ob Landschaft oder Familie oder Charakter), damit das nicht so linear daherkommt. Aber was weiß ich schon, was der Autor will :D

Na Fliege,

irgendwas fühlen will ich doch, wenn ich eine solche Geschichte lese? Es muss ja keine grenzenlose trauer sein, sondern kann auch "einfach nur" das beruhigende, tröstende Gefühl sein, dass der Mensch sich mit allem irgendwann abfinden kann - sogar seinem eigenen Tod. Aber dazu ist (m.E. und ich wiederhole mich gerne) mehr Tiefe und Vergangenheit notwendig - mehr Nostalgie, mehr Leben, welches ja dahinschwindet. Aber gerade schwindet einfach nur der alte Erik dahin, welcher (Für den Leser) nicht mehr hat als ein Haus, eine tote Frau und irgendwo im Süden Kinder. Lässt mich persönlich ziemlich gleichgültig zurück, was eben schade ist, weil es sehr bildgewaltig und sprachlich schön geschrieben ist.

Grüße,

Sonne

 
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schwarze sonne schrieb:
Es muss ja keine grenzenlose trauer sein, sondern kann auch "einfach nur" das beruhigende, tröstende Gefühl sein, dass der Mensch sich mit allem irgendwann abfinden kann - sogar seinem eigenen Tod.

Für mich funktioniert genau das. Und wenn ich den Text auch nicht perfekt finde, aber der Tod des Alten hat für mich etwas sehr friedliches, beruhigendes, fast Schönes. Und den Tod "schön" zu machen, muss man erst mal hinbekommen. Vielleicht kann ich es aber auch nur so empfinden, gerade weil ich eben persönliche Bindung aufgebaut habe ... Ich weiß es nicht. Aber es ist eine nicht uninteressante Frage.

 

Liebe Maske,

ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Sie verströmt Ruhe und Frieden, eben und auch weil sie sehr handlungsarm ist. Ein alter Mensch stirbt und wir begleiten ihn in seiner letzten Stunde. Sprachlich hat mir das gut gefallen, obwohl sich manches sicher noch griffiger gestalten ließe.

Doch von einer Stelle war ich dann eher enttäuscht:

Die goldenen Ränge der Scala hängen wie mit feiner Patina umhüllt am blassblauen Himmel und die völlige Stille empfindet er als erhabene Musik. Er ist der Gala-Gast.

Für sich genommen eine sehr schöne Stelle. Aber dabei bleibt es. Du versetzt mich als Leser in eine Erwartungshaltung, lässt mich neben Södersen Platz nehmen in Erwartung des kommenden Himmelstheaters. Ich habe keine Ahnung, wie der lappländische Himmel aussehen kann, aber in deiner sehr bildhaften Geschichte fehlen mir gerade hier die schönen und kräftigen Bilder einer die Natur färbenden untergehenden Sonne.

Die Skizzierung des alten Södersen war mir eigentlich genug, damit hatte ich kein Problem. Aber an dieser Stelle hättest du für einen Moment dieses langsame Sterben unterbrechen und innehalten können, um die Großartigkeit und Erhabenheit der Natur als Kontrapunkt, als etwas Bleibendes und den Menschen Überdauerndes darzustellen. Das hätte dem Text möglicherweise seinen Höhepunkt gegeben und das Sterbethema vertiefen können.

Das ist nur so eine Idee und natürlich ist das sprachlich nicht ganz leicht zu bewerkstelligen, doch einen Versuch wäre es wohl wert.


Liebe Grüße
barnhelm

Bildhaftigkeit der Sprache. Ich glaube, dass ich den Autor kenne, bin mir aber nicht sicher.

 

Nun will ich mal mein neues Hobby pflegen und versuchen, den Autor hinter der Maske zu erkennen.

Hallo Maskierter,
deine Geschichte mag ich gerne, weil sie so leise und unspektakulär über eine Angelegenheit erzählt, die keinem von uns erspart bleiben wird.
Und ich mag die Quintessenz der Geschichte, dass es gar nicht so schwer ist, das Leben loszulassen, wenn man seinen Frieden mit sich und der Welt gemacht hat.

So wie der alte Erik Abschied vom Leben nimmt, ohne Verbitterung, ohne Bereuen, genauso denke ich, wünschen sich viele Menschen gehen zu können.

Wortgewandt und bildreich lässt du uns teilhaben an den letzten Stunden eines einsamen Mannes, dabei erzählst du ernsthaft und poetisch zugleich. Zugegeben, etwas ausufernd, aber mich stört das kein bisschen. Ich brauche auch nicht mehr Informationen zur Person, will keine berauschenden Naturschauspiele beschrieben haben (obwohl die Anregung von barnhelm eine schöne Herausforderung für dich sein könnte), ich bin rundum zufrieden mit meinen gewonnenen Erkenntnissen aus dem melancholischen Text.

Liebe Grüße,
peregrina

Bin mir ziemlich sicher, dass mein Kampfgefährte josefelipe die Maske trägt. Mir ist niemand anderer bisher im Forum begegnet, der den Mut hätte, acht Zeilen über aufgetragene Farbe zu fabulieren. Außerdem bilde ich mir ein, viele Parallelen zu seinen anderen Kurzgeschichten zu erkennen: Schauplätze sind oftmals ferne Länder und die Gedanken und Ansichten seiner Protagonisten zeugen stets von viel Lebensweisheit.

 

Hej, du bist ein sehr mutiger Autor/in und dir deiner Schreibsicherheit bewusst.

Ja, ich finde es grundsätzlich sehr mutig, Gefühle zu verbalisieren, vor allem welche, die man nicht selbst erfahren hat.
Dennoch bin ich dem alten Mann sehr gerne gefolgt und seinem letzten Tag.

Es ist ziemlich schlau, Rudimentäres einer einfachen Sprache (die skandinavische Sprache eignet sich sehr schön dafür :)) einem einfachen Protagonisten zuzuordnen. Einem alten Einwohner Lapplands nehme ich es ab, dass er den Tod erkennt, ihm ohne große Angst und tragischen Gefühle begegnet, zulässt, zurückblickt und sich gelassen hingibt.

Deine benutzte bildhafte Sprache lässt viele mögliche Assoziationen übrig und so wünschte ich mir nur, noch explizierter bezeichnet erfahren zu haben, was in ihm vorgegangen sein könnte, außer dem, was ich mir selbst vorstellen könnte, schon gelesen habe.

Das ist aber (wieder einmal) mein und nicht das Problem des Autors. ;)

Ein netter Ausflug an das Ende eines Lebens.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

... ich wage es fast nicht zu sagen, und ich möchte auch niemanden verärgern: Ich bin’s nur – José.
Das wollt’ ich doch mal ausprobieren, ob das mir oft gesagte
‚Deinen Text würde ich unter hundert anderen erkennen’
wirklich stimmt. Denn das wäre schlimm und könnte dazu führen, dass beim Auftauchen einer neuen Geschichte von mir die meisten abwinken. Doch trotz Verzicht auf Essbares und Frauen konnte ich mich wohl doch nicht hundertprozentig verstellen. Sei’s drum.

Ich habe ein paar Unebenheiten geglättet und stelle die endgültige Version ein, wenn ich freigeschaltet bin.

José

 

Hola, all Ihr Teuren: Fliege, schwarze sonne, Bea Milana, zigga, ernst offshore, maria.meerhaba, Tintenfass, barnhelm, peregrina, Kanji!

Meinen allerherzlichsten Dank für Eure Stellungsnahmen zum Maskentext. So grundverschieden empfand ich Eure Meinungen gar nicht.
Die größte Übereinstimmung betraf die Tatsache, dass sich nichts bewegt, nichts knistert – eben beinahe nichts passiert. Stimmt.
Lustigerweise lese ich in Flieges Kommentar unter einer anderen Geschichte:

Mal gucken was passiert und manchmal passiert da eben gar nix, außer eine schöne Erinnerung an ein paar schöne Stunden. Und manchmal ist auch gut, dass es dabei bleibt.

Aber nein - ich will diesen Text auf gar keinen Fall verteidigen, denn dass er Mängel hat, ist ganz klar. Das habt Ihr deutlich genug aufgezeigt.

Ich weiß selbst nicht mehr, wie ich auf die Idee kam, nach Lappl... – doch, jetzt weiß ich’s wieder: Ich wollte eine Geschichte über ein Mittsommerfest schreiben (ob die irgendwann mal fertig wird?), weil mir das sehr imponiert. Ganz gleich, wie wild die jungen Leute schwofen und dann in den Büschen verschwinden – sie pflegen einen tollen Umgang mit den Älteren. Wenn die zusammen singen, da geht einem das Herz auf. Nähe und Kontrast – das pralle Leben neben dem gelebten. Deutlicher als bei diesem Fest kann man es nicht empfinden. Ein Feuerwerk von Emotionen, nie wiederkehrende Glücksmomente, Besinnlichkeit, Vergänglichkeit; alles, was ein Gärtner übers Jahr empfindet, hat er hier in geballter Erkenntnis (oder Bestätigung).
Da ich aber nicht mehr hinter den Büschen verschwinde, zumindest nicht wegen Liebesdingen, bekam ich wenigstens philosophische Anwandlungen.
Also habe ich meinem Alter entsprechend den passiven Teil genommen, wohl auch, weil ich wie Erik Södersen sterben möchte:D – und dann wollte ich mal ausprobieren, ob der manchmal erwähnte Joséfelipe-Schriebs tatsächlich erkennbar ist.
Nur das noch zum Text: Weil die Mittsommer-Geschichte viel Raum benötigen würde, habe ich mich (vorerst) nur auf eine Szene in nördlichen Gefilden beschränkt – eben auf die letzten Stunden eines alten Mannes. Eine Rundreise durch Lappland hatte ich nicht im Sinn.

In einigen Komms lese ich, dass man gern mehr erfahren hätte über Erik Södersens Vorleben, von seinen Ängsten und vielleicht geheimen Leidenschaften, over syn Fru un Kinner, aber mir ging’s mehr um die Stunde der Wahrheit, denn ob der Dahingehende treu war oder ein Mistkerl, Zimmermann oder Friseur – was ändert sich dadurch beim Ableben? Nein, mein Fokus war ziemlich starr.

Weil ich nun zehn Tage Stillhaltegebot hatte, fing ich schon mal an, Euch im einzelnen zu antworten:
Fliege

...wenn es um Lappland geht, bin ich natürlich sofort dabei
Lappland ist also Dein Ding, beschleunigt Deinen Puls – tja, da hab ich schon verloren. Keine Huskys oder Wolfsgeheul, auch keine Rentierherden, nichts. Aber Du sprichst davon:
Das Heulen nachts, wo Wölfe und Hunde einander einstimmen, der Nebel morgens, der aus dem nichts kommt und wirklich alles für eine kurze Zeit einhüllt und dann wieder verschwindet, das gehört doch dazu.
Ich finde nicht, dass das zu meiner Geschichte gehört. Wie oft lese ich, dass der Autor dem Leser Freiheiten einräumen soll, damit er sein eigenes Bild entwirft.
Aber in unserem Fall geschieht das Bisschen nachmittags, also ohne nächtliches Heulen oder morgendliche Nebel.
Ich war nicht in der Einsamkeit mit Dir unterwegs.
Ähm, pardon – das hatte ich auch nicht vor; außer im Haus und auf der Terrasse sind wir nirgendwo.

Das wären Brüche, die mir in diesem Text sehr fehlen und die dann eben auch die Atmosphäre es Textes konkreter fassbar machen würden.
Na ja, ich verstehe Dich schon – die Geschichte war auch viel länger. Vielleicht habe ich zu viel gekürzt und gestrichen. In Tabula-rasa-Stimmung bildet sich der Autor ein, dass sich alles Erklärende und vermeintlich Ausschweifende der Leser eigentlich selbst denken kann – also weg damit. Und im Forum wird ja auch häufig, manchmal vielleicht zu häufig gefordert, zu reduzieren und zu reduzieren.
Ob das Fette allerdings so stimmt, wage ich zu bezweifeln.

Klar, wenn der Mann stirbt, stirbt dieses Haus und der Hof mit ihm und in ein paar Jahren ist nichts mehr da. Gar nichts mehr.
Du sagst es – das ist meine Geschichte. Wenn man keine Wahl hat, muss man den Dingen ihren Lauf lassen.
Die Einsamkeit der Gegend da oben, noch ein bisschen mehr einsam.
Wäre das die Steigerung von einsam;)?

... nur für eine Viertelstunde; gegen alle Vernunft, vielleicht gesteuert von düsteren oder auch wohlmeinenden Mächten, oder gar befohlen von einem sich alles unterordnenden Gesetz.
passt für mich nicht zum Rest des Textes - auch nicht zu diesem Mann. Ich kauf nicht, dass der so Gedanken hat.
Aber wer redet denn von kaufen? Ich weiß nicht, wieso Du annimmst, das wären seine Gedanken. Und der soll auch gar nicht so denken; schließlich geschieht ihm etwas. Das ist doch eher auktorial – oder nicht?
... doch ihre süße Salzigkeit und Wärme schaffen noch für die letzten Momente den Ausgleich zur zunehmenden Kälte.
.. süße Salzigkeit ist irgendwie nicht schön. Das süße Salz gefiele mir besser.
Süßes Salz klingt besser als süße Salzigkeit? Das wird niemand widerlegen können. Vielleicht sind wir uns einig, dass Salzkaramell der absolute Hammer ist (mit Vanilleeis:)).

Und mandeläugige Sonnenfee mag ich übrigens auch nicht. Das ist mir irgendwie zu kitschig.
Sei doch nicht so streng! Es gibt Eskimo- (neudeutsch Inuit-)Figuren mit Mandelaugen, und diese Augen findest Du bei allen Polarvölkern – die wiederum aus Asien einwanderten.

Liebe Fliege, Du hast mir einen tollen Kommentar geschickt und dafür danke ich Dir – auch wenn ich lesen muss:

Wie gesagt, ich finde hier gute Ansätze, ich versteh die Faszination an der Aufgabe für den Autor, aber für den Leser, ist es eben ein Dahinplätschern und wenn da nicht wirklich was plätschert, was mich mitnimmt, was in mir eine Behaglichkeit erzeugt in die ich mich fallen lasse, dann bleibt bei einem solchen Text kaum etwas, was mich als Leser triggern könnte. Inhaltlich ist da ja nicht viel.
Wo Du recht hast, hast Du recht. Ob das Triggern so unentbehrlich ist, lasse ich mal offen. Zu meinem Trost schreibst Du:
Das finde ich alles in Ansätzen im Text und auch das Ende, doch, es wirkt friedlich auf mich. Wenn Du das beabsichtigt hast, dann funktioniert das, zumindest bei mir.
Somit ist noch nicht alles verloren. Und glaube es oder auch nicht: Das, genau das habe ich beabsichtigt – und deshalb freut mich Dein Kommentar doppelt.
Beste Grüße, meine liebe – Fliege!

José

 

Hola@schwarze sonne,

ich hoffe, es geht Dir gut. Wenn Du mit den Mapuches nicht klarkommst – die meisten von ihnen sprechen neuerdings englisch:):
Bedanke mich für Deinen Komm und sehe, dass Dir der Ort der (sehr eingegrenzten) Handlung nicht fremd ist. Na, umso besser. Leider aber blieb doch einiges offen:

Aber richtig eingefunden habe ich nicht in diese Geschichte. Ich hätte gerne mehr über Erik erfahren, über sein Leben, seine Frau, welche du kurz anschneidest, worauf du aber nicht näher eingehst. Das finde ich etwas schade.
Da kann ich Dir folgen. Hab’s schon Fliege geschrieben: Die Geschichte war ursprünglich viel länger, aber eine KG muss eben kürzer sein.
Nur eines möchte ich entschieden zurückweisen:
..., seine Frau, welche du kurz anschneidest, ...
Da muss ich doch wirklich bitten! In keinster Weise hatte ich irgendwelche Intentionen in diese Richtung!
So wirkt das für mich sehr Szenenhaft, aber das ist wohl auch ok.
Passt! Für eine (Sterbe-)Szene (und mehr war nicht beabsichtigt) ist Dein ok. völlig okay. Danke schön.

Dir einen schönen Gruß nach Chile!
José

Hola Bea Milana,

vielen Dank für Deinen lobenden Kommentar. Lob in homöopathischer Dosierung erreicht mich nicht, aber Du bist ja sehr verschwenderisch damit umgegangen:

Ich las den Text mehrmals und fand nichts, das es anzumerken lohnt.
Das freut mich sehr, und ich hoffe, dass Deine Meinung so bleibt. Denn bei ‚Buonasera’ schriebst Du mir:
Ich kann nicht anders, als dir zu sagen, dass sie mir rundum, also 100 Prozent gefallen hat.
Bald danach hattest Du Deine Meinung gründlich revidiert und mir das Gegenteil geschrieben. Aber wer wird denn nachtragend sein? Ich doch nicht:D.
Ok, die "mandeläugige Sonnenfee" ist ein bißchen dicke, mit Mandelaugen verbinde ich eher ein Südwesen als ein Nordlicht.
Ganz klar. Fliege hatte da auch Bedenken:
Und mandeläugige Sonnenfee mag ich übrigens auch nicht. Das ist mir irgendwie zu kitschig.
Darauf schrieb ich ihr:
Sei doch nicht so streng! Es gibt Eskimo- (neudeutsch Inuit-)Figuren mit Mandelaugen, und diese Augen findest Du bei allen Polarvölkern, die wiederum aus Asien einwanderten.

Vielleicht hätte ich gerne mehr über den alten Mann dort oben im hohen Norden erfahren, der seit Generationen so verwurzelt ist mit allem, was ihn umgibt ...
Mein Problem mit jeder KG. Eigentlich bin ich beredt, und die Geschichte war auch um Seiten länger, bevor ich mich ihr mit der Schere näherte. Doch vielleicht ist das kein Fehler, weil dort oben, um den Polarkreis herum, auch in einem langen Leben nicht viel passiert – es sei denn, Erik wäre Jäger. Die haben immer viel zu erzählen.
Wie auch immer – ich wollte nur von seinen letzten Stunden schreiben, außerdem wollte ich herausfinden, ob ich einen solch ‚stillen Text’ hinkriege – da zählt jeder Kommentar.

Danke auch für Deinen!
José

 

Hola zigga,

ist schön geschrieben, aber mir passiert hier einfach zu wenig.
So ist es. Du bist in den stürmischen Jahren – da ist es noch zu früh für eine Sterbegeschichte. Und wenn dann noch so langweilig gestorben wird wie in dieser KG, dann gute Nacht, Marie.
... ich leide auch nicht mit, wenn er schließlich stirbt, ...
Um Gottes Willen! Wolltest Du denn das? Also – ich hab das nicht beabsichtigt.
Er soll nach einem gelebten Leben, in dem es immer stiller wurde, friedlich seinen letzten Schnaufer machen. Ich hab’s schon Bea geschrieben, dass ich mich auch mal testen wollte, ob mir so etwas gelingt. Resultat: siehe oben.
Wenn du ihm ein wirkliches Gesicht und ein Leben und eine Persönlichkeit und eine Vergangenheit geben würdest, könntest du das ändern.
Das ist ganz klar, nur beabsichtige ich das gar nicht. Ich wollte tatsächlich nicht von einem Mann hoch droben im Norden erzählen, weder von seinem Leben, noch etwas anderes.
Vom stillen Sterben wollte ich schreiben. Okay – vielleicht wär’s besser bei ‚Experimenten’ aufgehoben gewesen, aber nichtsdestotrotz ist mir doch gesagt worden, dass es mit meiner Schreiberei nicht ganz im Argen liegt. Und richtig Handlung wird in die nächste Geschichte gepackt.
Zigga, hab Dank für Deinen Post!

José


Hola ernst offshore,

na, das fängt ja gut an:

... älter als zigga bin, also schon rein altersmäßig viel mehr von der Thematik der Geschichte betroffen sein sollte, ...
Wir können ja schon mal Probeliegen vereinba(h)ren. Aber ganz im Ernst, lieber ernst: Nimm Dir Zeit mit dem Betroffensein, bist noch längst nicht an der Reihe.
Wo ist da die Story?
Sorry, no story. Bitte überfliege mal meine Antworten auf die anderen Kommentare, denn ich müsste ständig dasselbe schreiben.
... nun ja, gleichzeitig ist’s halt in seiner Beschaulichkeit und Ereignislosigkeit einfach nur … äh, vorwiegend beschaulich und ereignislos halt.
Das bleibt unwidersprochen – so ist es.
... ich frage mich gleichzeitig, ob er ohne das … nennen wir‘s mal exotische Flair von Lappland funktionieren würde.
Soll das heißen, dass er funktioniert? Aber ich will nicht spitzfindig sein; jedoch:
... Ob er nur halb so lesenswert wäre ...
Bedeutet das, dass er – so wie er ist – doch lesenswert ist?
... wenn er z.B. unter Baden-Württembergs oder unter Graubündens oder was weiß ich wessen Sonne spielte, ...
Ich denke, dass BW und Graubünden (gerade die Berge!) eine viel beeindruckendere Kulisse böten als das dürre Lappland.
... wenn er also auf seine reine Aussage reduziert wäre. Die im Grunde eine Plattitüde ist: ...:
Auf die reine Aussage reduziert, wären auch große Dramen Plattitüden. Die größte Reduzierung ist nun mal der Tod.
Wir Menschen werden alt und sterben irgendwann.
Alt werden längst nicht alle – und wie sie dann sterben, das ist auch höchst unterschiedlich.
So what?
Nix ‚so what?’! Alle Fragen gewissenhaftigst beantwortet, und es hat Spaß gemacht!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola maria.meerhaba,

Wer wagt es, mitten im Thema-des-Monats-Monat sich hinter die Maske zu verstecken?
Bitte um Nachsicht, ich bin’s – José.
... ich bin schon seit Langem kein Fan von der bildreichen Sprache. Mir gefällt das persönlich nicht, weil ich mir lieber einen gefühlsreichen Text wünsche. Das hier ist so ein bildreicher Text.
Joi, des arme Mädel ist im falschen Film gelandet! Um das zu vermeiden, kann ein interessierter Gast die Speisekarte eines Lokals schon vorm Eintreten draußen an der Tür überfliegen – wie Du das mit jedem x-beliebigen Text auch machen könntest. Der Gast würde eventuell eintreten oder nicht – und Du könntest eine andere Geschichte zum Kommentieren wählen, schließlich kann ich nichts dafür, dass Du lieber Gefühle statt Bilder magst.

... aber für mich fehlt einfach die Substanz, die aus einem Text eine Kurzgeschichte macht.
Das haben fast alle auch so gesagt, und ich senke den Kopf reumütig und gelobe Besserung.

Und so ein Spoiler-Ding brauche ich auch nicht, weil ich absolut keinen blassen Schimmer habe, wer sich hinter der Maske aufhält.
Das ist absolut in Ordnung. Ich dachte schon, es gäbe technische Probleme.

Maria, Du teilst ja gut aus (nein, ich bin davon nicht betroffen), aber ich habe mal zehn Prozent retour geschickt. Aber ganz ohne Flachs: Bleib Dir treu, wir haben uns so an Dich gewöhnt!

José

Hola Tintenfass,

vielen Dank für die netten Worte!
Aber leider ist es auch so, wie Du sagst:

Doch auch mir hat etwas gefehlt.
Ich wüsste nicht, dass ich auf eine Geschichte schon einmal beinahe gleichlautende Kommentare erhalten hätte. Trotzdem ist das nicht krass, sondern durch den enggefassten Rahmen leicht zu erklären. Denn eigentlich ist es keine Geschichte, sondern nur eine Szene. Weiter oben habe ich schon geschrieben, dass ‚Experimente’ wohl besser gewählt wären als ‚Maskenball’ – je nun, es ist passiert.
Ein bissel mehr hätte ich mir schon gewünscht. Etwas, das mich am Ende traurig werden lässt ...
Ach, liebe Tintenfass – ich will doch gar nicht, dass Du traurig wirst! Denn wenn Du das willst, reichen die täglichen Nachrichten (gibt’s schon ein Smiley mit dem Trump-Konterfei?).

... , weil ich nicht will, dass er stirbt.
Wie kannst Du das nur (nicht) wollen? Lass ihn doch dahingehen durch ein Spalier von Rengeweihen. Er sollte seinen Frieden haben.
Vielleicht, weil es noch etwas zu erledigen, auszusprechen gibt?
Nein, gibt es nicht. Es ist alles gelaufen, gesagt, gelebt und gegessen. Der Mann ist fertig und sein gewohntes Umfeld ist peu à peu verschwunden. Was will er noch?
Denn genau das ist mein Thema: Auch ich habe mir vorgenommen, im entscheidenden Moment nicht zu klagen und zu jammern: Ach, wieso gerade ich, und nicht der oder die? Die Dinge geschehen lassen ist eine Einstellung, die ein bisschen aus der Mode gekommen ist.
Ich würde mir auch den besten Arzt suchen, wenn es sinnvoll wäre. Doch Erik hat sich bewusst für ein Bleiben am angestammten Ort entschieden, wohlwissend, dass im Süden Apparaturen und Technik für ihn bereitstünden, wenn ...

Du vermisst:

Etwas anderes, was Kleineres, das zwischen den Zeilen steht. Vielleicht einen Kummer den Erik hat, seine Enkel nie gesehen zu haben. Oder eine große Liebe/ein amuröses Abenteuer, das es ganz früher mal gab, an das er sich jetzt erinnert.
Also ganz ohne Häme: Ich hätte auch eine Familien-Saga schreiben können, aber das war nicht meine Absicht. Sicherlich hat er in besinnlichen Augenblicken auf der empfindsamen Couch an dies und jenes gedacht, doch bei der beschriebenen Szene hatte ich im Sinn, dass nicht er etwas tut, sondern dass mit ihm etwas geschieht.
Liebe Tintenfass, meine ungemein sympathische Bescheidenheit verbietet mir, Deine lobenden Worte noch einmal zu zitieren, aber ich danke Dir dafür
und grüße Dich!

p. s.:

Bin schon sehr gespannt auf die Auflösung. Wird 'ne harte Zeit.
Na, die hat ja jetzt ein Ende. Das Harren hat gelohnt: Ich bin es, der liebe José!

 

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