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Laufen

Bas

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16.09.2018
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Laufen

Oben in der Zimmerecke sitzt die Spinne mit den sieben Beinen. Eines habe ich ihr ausgerissen, aus Versehen. Als ich sie einfangen und aussetzen wollte und dann brachte ich es nicht mehr übers Herz.
Sonst sehe ich kaum jemanden. Den Job in der Fabrik habe ich gekündigt. Zu viel für zu wenig und der Kopf fast geplatzt. Keinen Kontakt zur Familie und auch Freunde habe ich keine, und um mich davon abzulenken, davon und von den schrumpfenden Rücklagen, vor allem wohl, um bei Sinnen zu bleiben, habe ich mit dem Laufen angefangen, auch wenn das Knie streikt. Ich bemerke ja selbst, dass das nicht gut klingt: Vor Problemen weglaufen. Und trotzdem.

Früher habe ich mal Antidepressiva genommen. Und dazu gekifft. Oder andersrum, in erster Linie habe ich gekifft und das Kiffen mit Antidepressiva kombiniert, jedenfalls fällt es deshalb schwer zu sagen, was davon wofür verantwortlich war, was für die Hochstimmungen und was für die Paranoia. Und ob das jetzt Nachwirkungen sind, diese ständige Angst vor dem Sterben und die Zeitgleich-Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod. Ein bisschen laufe ich jetzt also wohl auch vor den Fragen davon. Renne davor weg, je nachdem.

Meine Runden sind Begegnungen. Mit mir selbst. Mit der Natur, auch mit anderen. Heute mit dem zottelig-lockigen Hund, der ein Stück weit mitlief und mit seinem Frauchen, das ihn dann wieder zurückrief. Auch mit der Zeit. Mit der Zeit auf meiner Smartwatch, die mir anzeigt, ob ich es gut mache, zwei Schritte Vorsprung, ha, aber vor allem mit der Zeit an sich, auch mit den Jahreszeiten, fällt mir auf.

Als ich ein Kind war, machte die Familie an Ostern Urlaub. Auf dem Bauernhof auf dem M.-Berg. Der Vater fuhr das Auto, den Renault, war noch am Leben und noch Teil der Familie. Die Streitereien mit der Mutter noch nicht so häufig, noch nicht Normalität. Die erhobene Faust gegen mich selbst, Jahre später, als ich da stand, in der Wohnung in der J.M.-Straße, an die raue Struktur der wachsgelben Wand gepresst und geblendet von der Lampe an der Decke, der hölzernen, in Form eines Flugzeugs, das schwere Schnaufen meines Vaters und das Zittern und das Wissen um meine Mutter, die im Wohnzimmer auf dem grauen Sofa saß, stumm, die Knie an die Brust gezogen und darüber die Decke, die olivgrüne mit den Seehunden drauf und den Bällen, die sie auf der spitzen Schnauze balancierten, der Wunsch, dass die Faust endlich mein Gesicht traf, meine Nase zertrümmerte, das Jochbein, der endgültige Beweis für den Hass, der Schlusspunkt, der Wendepunkt, der es dann auch war, wenn auch anders, all das war noch Zukunft, konnte noch warten.

Denn jetzt war es Ostern. Jetzt standen schöne Zeiten bevor. Morgens die Decke wegstrampeln, wenn draußen der Hahn krähte. Die frisch aufgebackenen, dampfenden Brötchen mit glühenden Fingerspitzen aufschneiden, den Teigkloß aus der Mitte zupfen und unzerkaut herunterschlucken. Keine Zeit, die schmelzende Butter zu verstreichen, Salami drauf, Klappe auf, zu und dann weg. Raus in die Welt.

Im Wald hinter der Kuhweide gibt es Blindschleichen, echte Schlangen. Wenn die Schafe rufen, klingt es wie gefangene Menschen. Der Wind macht das Gesicht rot und lässt die Rotze laufen, egal, Zungenspitze schleck-weg-weiter, die Pferde treten aus und die Schweine grunzen und der Esel hat einen Pimmel, der fast bis zum Boden reicht. Jonas hat auch einen Pimmel und ich auch und wir pissen gegen den Wind und der Bauer fährt auf dem Traktor vorbei und hupt und wir schämen uns, liegen später mit Fernglashänden auf dem Bauch und beobachten, wie er mit den Eltern spricht und wie sie lachen. Dann ist wohl alles gut. Dann also weiter. Verschwitzt durch den April und über Pfützen und durch die Wolken bricht die Sonne, jetzt ist es goldgrau bis weißgelb und als wir vom M.-Berg zurückkommen ist alles grün, bemerkt meine Mutter. Guckt mal, wie grün es jetzt ist. Vor zwei Wochen war doch noch alles kahl. Aber der Vater will nichts wissen, ihm tut das Knie weh, von der Fahrt, vom langen Sitzen. Setzt bloß den Blinker, biegt in die Siedlung, sieht zum Kamin der Fabrik.

Und jetzt ist es genau andersrum. Letzten Monat, als ich anfing zu laufen, war noch alles grün. Wurde dann nach und nach gelb. Wurde dann gelbrot bis braungelb, wurde ocker bis matschbraun. Die Wege wurden nass und rutschig und ich sprang über Pfützen. Das erste Mal seit ewig. Und überall Nacktschnecken, überall Krähen, die ihre Schnäbel in das weiche Fleisch bohren und harte Nüsse, die aus Schnäbeln fallen und über den Asphalt rollen. Und ich würde ja gerne helfen: Lass mich deine Nuss knacken mit meinen gedämpften, matschbesprenkelten Laufschuhen, lass mich für dich da sein, geh nicht weg wie mein zottelig-lockiger Kumpel, aber Krähe und Nuss sind schon auf und davon.

Vor einem Monat konnte ich einen Kilometer laufen und hatte dann Schmerzen. Weniger, als erwartet. Vor einem Monat dachte ich, meine Knie würden wieder streiken, wie früher, mit vierzehn, als ich aus dem Bus aussteigen musste. Weil ich Panik bekam. Weil ich schwitzte. Oder schwitzte ich, weil ich Panik bekam, ich weiß es nicht, aber ich musste raus, ich drückte auf den roten Knopf und spürte die Blicke der anderen Menschen und muss hier raus aber der Bus bleibt stehen, irgendwas stimmt nicht, vielleicht nur eine rote Ampel. Aber irgendwas stimmt nicht, mein Herz schlägt zu schnell oder zu langsam und ich schwitze zu viel und mein Kopf ist zu leicht und zu schwer und ich platze gleich, wenn der Bus nicht gleich losfährt, wenn der Mann mit den haarigen Ohren mir noch näher kommt, wenn jetzt nichts passiert und auch wenn doch, ich platze, egal wie, ich kann nicht, krieg keine Luft mehr, fahr weiter, lass mich raus, von mir aus gleich hier auf einer Brücke von der ich springe ganz egal ich will tot sein und endlich lässt der Bus Luft ab. Zischt und senkt sich. Und ich laufe. Will nur nach Hause. Was viel zu weit ist. Und was erwartet mich schon zuhause, jetzt sind die Eltern ja geschieden, jetzt hat der Opa ja auch Demenz und jetzt ist der Onkel ja in der Klinik, ich werde schneller, das Knie blockiert, ich fühl mich falsch und allein.

Aber jetzt nicht mehr. Jetzt kann ich laufen, jetzt laufe ich zum ersten Mal fünf Kilometer und hänge noch einen dran und gestern hätte mein Vater Geburtstag gehabt. Ich schrieb ein Gedicht, das erste seit langem, und da fiel es mir auf. Ich schrieb […] zumindest saufen / tu ich nicht / hab einen Blick / für das Schöne / für die Krähe mit der Nuss / und hab noch Lust und gerade heute / gerade jetzt fällt mir auf / hätte mein Vater Geburtstag / also dann Prost / alles Gute, und ich gespannt, was mich erwartet, auf jeder Runde, vielleicht ein Drachen, das würde reichen. Das wäre Material für den Tag, würde mich ablenken von vielem und noch einigem sonst. Vielleicht sagt jemand hallo. Ein Mann mit Hund. Guten Morgen, eine Frau am Rollator. Jemand, von dem ich es nicht erwarte, denn oft sieht man den Menschen an, ob sie reden wollen oder nicht.
Mein Opa wollte nicht reden. Er war schüchtern auf seine Art, sprach mit Augen und Worten zu den Möbeln statt zu den Menschen. Besonders am Ende, als er die Worte nicht mehr fand, aber auch schon davor.

Und auch ich will oft nicht reden. Ich habe nichts zu erzählen, sage ich mir dann, und gehe dem Leben mit Absicht aus dem Weg. Komme außer Form. Die Zunge liegt da wie erwürgt.
Und ich sollte nie wieder schreiben, denn wen interessiert dieses Kreisen um mich selbst in der hundertundsiebten Variation, wen das Kaleidoskop meiner vertrackten, zerdachten Innenwelt.

Mich interessiert die Spinne mit den sieben Beinen und ob sie von dem fehlenden Bein weiß. Mich interessiert die Nachbarin drei Häuser weiter, sie ist alt, sie läuft im rechten Winkel, der Oberkörper steht vom Rumpf waagrecht ab und deshalb habe ich ihr Gesicht noch nie gesehen, sie schaut auf den Boden und wenn man sie umstößt liegt sie da wie ein L. Dann lege ich mich daneben und schaue ihr endlich ins Gesicht, ich I. Dann sind wir LI. Und wir warten, was noch kommt.

Bei meinem Opa kam nichts mehr nach dem Wasser in der Lunge und bei seinem Sohn nach der Depression und den Tabletten und dem Rest. Bei meinem Vater nach den Metastasen in fast sämtlichen Organen und schon deshalb laufe ich weg vor den Fragen, auf die ich die Antwort schon weiß.

Doch ich möchte nicht nur laufen, sondern auch schreiben, aber was soll man schreiben, wenn man in Gesichtern nur den Schädel sieht, den freiliegenden Knochen, schon den Wind hört, der durch die Augenhöhlen rauscht, dumpf pfeifend, wenn da keine Rotze mehr ist und keine Nase, durch die die Rotze dann tropft, nur ein Loch, man denkt nicht nach, man rennt weg, aber ich denk doch noch mal zurück an den M.-Berg und an Jonas, an das Turnier auf der Weide, an die Erwachsenen und die Kinder und an meinen Vater, der in vollem Tempo rannte, auf der furchigen Wiese, direkt auf das Tor zu mit dem Ball und wie alle jubelten und kreischten und schauten auf den Stier, breites Kreuz, kaputtes Knie und wie er trotzdem so rannte, als hänge etwas Großes davon ab, etwas, das er selbst nicht verstand, aber spürte und er wusste, jetzt, genau jetzt, muss ich rennen, denn guck doch, wie sie schauen und wie sie kreischen und wie sie jubeln und irgendetwas tief in mir treibt mich an und gibt mir Kraft, vielleicht mein Sohn und meine Frau, mit der ich streite, ganz bestimmt, in der Zukunft, viel zu heftig, und worüber, aber jetzt, jetzt muss ich rennen denn zuhause ist wieder Arbeit in der Fabrik und mein Knie ist jetzt egal und dass ich tot bin in fünfzehn Jahren, davon weiß ich ja jetzt nichts und da im Tor steht ein Kind, gerade mal zehn und alles vor sich und hier renne ich und dort laufe ich, Jahre später, als mein Vater schon lange tot ist und sehe vor mir, wie er rennt, mit breitem Kreuz und der Glatze und dem Knie und ich weiß nicht, ob er traf oder nicht, aber ich weiß noch, wie er lief, immer weiter und wie er sprang über den Zaun von der Weide, auf dem wahrscheinlich noch Strom war, für die Kühe, und er sprang und in meinen Gedanken springt er hoch wie ein Baum und schlägt dann Saltos und Schrauben und rollt sich ab auf dem braungrünen Gras und läuft dann weiter, immer weiter, dass man die Tränen nicht sieht.

Wie man meine nicht sah, als er starb. Weil es keine gab. Weil ich nicht glaubte, dass er damals rannte, weil da eine göttliche Kraft war, mein Vater war kein Heiliger, er rannte weg vor Problemen und ich bin der Sohn meines Vaters und bin ich selbst, woran ich denke, während ich laufe, wovon ich schreibe, immer im Kreis, Schritt für Schritt, Satz für Satz, so lange ich kann.

 

Moin @Bas ,
das ist jetzt ein Fall für Ene, mene muh, ... Ich kann mich nach wie vor nicht entscheiden, ob der Text von @jimmysalaryman oder Deiner mir schwer fällt beim kommentieren und ich wollte mit dem schwereren anfangen. Für mich ist es wohl Deiner! Warum ich das so erwähne? Gefühlt laufen/fahren in euren beiden, so extrem unterschiedlichen Texten die Protagonisten vor etwas weg oder hinterher, sehnen sich und hoffen. Ich empfinde die beiden Texte als sehr nahe vom Thema her und erfreue mich daher umso mehr der Umsetzungen. Nur tue ich mich als Leserin halt schwer, ich dicke so völlig anders, will mich aber sehr gerne darauf einlassen.

Oben in der Zimmerecke sitzt die Spinne mit den sieben Beinen. Eines hat er ihr ausgerissen, aus Versehen. Als er sie einfangen und aussetzen wollte und dann brachte er es nicht mehr übers Herz.
Ich mag den Einstieg! Der charakterisiert schon ganz viel über eine alltägliche und doch besondere Szene. Da ich gerade mit positiv oder negativ wirkenden Charakteren hadere, merke ich mir das mal als gute Variante: ich mag Deinen Protagonisten fürs Erste.

Sonst sieht er kaum jemanden. Den Job in der Fabrik hat er gekündigt. Zu viel für zu wenig und der Kopf fast geplatzt. Die Familie trifft er selten, Freunde hat er keine und um sich davon abzulenken, davon und von den schrumpfenden Rücklagen, vor allem wohl, um bei Sinnen zu bleiben, hat er mit dem Laufen angefangen. Er bemerkt ja selbst, dass das nicht gut klingt: Vor Problemen weglaufen. Und trotzdem.
Ich hadere in Deiner Geschichte diesmal mit Deinem Sound, mit den Sätzen irgendwie. Es wirkt uneinheitlich! Jetzt, beim schreiben, überlege ich, ob das seinen springenden, uneinheitlichen Gefühlen, dem inneren Chaos geschuldet ist. Dann wäre das sowas wie spiegeln.
In dem hier zitierten Absatz, verkürzt Du, da fehlen gefühlt sogar Worte, auch wenn es aufgeht. Nur gut das ich Dank der Spinne positiv eingestellt bin, denn hier möchte ich ihn nehemn und schütteln. Woher kommt nur diese negative Haltung? Das Laufen ist was tolles, gesund, glücklich machend, Gesellschaft ... und er benennt es als weglaufen. Ich glaube, das ist etwas, was der Text mir (vielleicht nur mir) nicht einlöst - warum ist er so geworden?

Und ob das jetzt Nachwirkungen sind, diese ständige Angst vor dem Sterben und die Zeit-gleich-gültigkeit gegenüber dem Tod, seines eigenen und dem der Männer, die mal waren: Opa, Onkel, Vater. Ein bisschen läuft er jetzt also wohl auch vor den Fragen davon und vor dem Tod. Rennt vor ihm weg, je nachdem.
Mal was anderes! Oft sind die Männer stark auf die Frauen Ihrer Familein geprägt, hier ein reiner Männerreigen, der ihn nicht loslässt, irgendwie in eine Rolle zwingt, die nicht für ihn passt. Warum? Vielleicht hinterfrage ich das auch wirklich nur, weil ich abgrundtief positiv bin, ich kann so gar nicht denken. das macht mich neugierig, aber auch zum teil ratlos.
Ah, ich vergaß: Ich würde die Zeitgleichgültigkeit als eine Wortschöpfung schreiben, so zerreißt es.

Seine Runden sind Begegnungen. Mit sich selbst. Mit der Natur, auch mit anderen.
Das ist doch mal positiv erlebt, das müsste ihn doch weiter bringen. Aber irgendwie klappt es nicht. Er bleibt in seiner Rolle gefangen.

Mit der Zeit auf seiner Uhr, die anzeigt, wenn er sich verbessert, zwei Schritte Vorsprung, ha, aber vor allem mit der Zeit an sich, auch mit den Jahreszeiten, fällt ihm auf.
Ich komme nicht dahinter warum, aber der Satz geht für mich nicht rund oder schlüssig auf. Denn eigentlich bezog sich ja auch mit der Zeit auf - es sind Begegnungen! Da kriege ich den Einschub der Verbesserung nicht unter.

Als er ein Kind war, machte seine Familie an Ostern Urlaub auf dem Bauernhof auf dem M.-Berg. Der Vater Vater fuhr das Auto, den Renault, war noch am Leben und noch Teil der Familie. Die Streitereien mit der Mutter noch nicht so häufig, noch nicht Normalität. Die erhobene Faust gegen ihn selbst, Jahre später, als er da stand, in der Wohnung in der J.M.-Straße, an die raue Struktur der wachsgelben Wand gepresst und geblendet von der Lampe an der Decke, der hölzernen, in Form eines Flugzeugs, das schwere Schnaufen seines Vaters und das Zittern und das Wissen um seine Mutter, die im Wohnzimmer auf dem grauen Sofa saß, stumm, die Knie an die Brust gezogen und darüber die Decke, die olivgrüne mit den Seehunden drauf und den Bällen, die sie auf der spitzen Schnauze balancierten, der Wunsch, dass die Faust endlich sein Gesicht traf, seine Nase zertrümmerte, das Jochbein, der endgültige Beweis für den Hass, der Schlusspunkt, der Wendepunkt, der es dann auch war, wenn auch anders, all das war noch Zukunft, konnte noch warten.
Und hier das Kontrastprogramm zu den Verkürzungen, knappen, fast umgangsprachlichen Sätzen. Verstehe mich bite nicht falsch. Natürlich ist das korrekt, aber es liest sich diesmal für meine Lesart nicht flüssig, nicht als eine Erzählstimme.
In dem fetten Satz liegt wahrscheinlich Dein angelegtes Motiv für seinen Kummer, sein Verhalten, seinen Lebensstil. Aber dadurch, das es hier so im Rattenschanz angehängt getellt wird, nimmt es mich nicht mir, sorry.

Jetzt standen schöne Zeiten bevor. Morgens die Decke wegstrampeln
Hier habe ich mich zweimal iritieren lassen, erst beim dritten Lesen ist mir klar geworden, das er immer noch in der Vergangenheit ist. Das "Jetzt" habe ich als Gegenwartsmarker gelesen und wollte mich wirklich über das "Strampel" als zu kindlich beschweren. Wahrscheinlich stehe da nur ich auf dm Schlauch, warten bitte ab.

Der Wind macht das Gesicht rot und lässt die Rotze laufen, egal, Zungenspitze schleck-weg-weiter, die Pferde treten aus und die Schweine grunzen und der Esel hat einen Pimmel, der fast bis zum Boden reicht.
Ich mag diesen Sound (in Ermangelung eines besseren Wortes). So viele gute Beobachtungen, Bilder malend und mich mitziehend.

Dann also weiter. Verschwitzt durch den April und über Pfützen und durch die Wolken bricht die Sonne, jetzt ist es goldgrau bis weißgelb und als wir vom M.-Berg zurückkommen ist alles grün, bemerkt meine Mutter.
Das Dann am Satzanfang klingt für mich immer wie eine Aufzählung. Wofür steht der Satz hier?

Und ich würde ja gerne helfen: Lass mich deine Nuss knacken mit meinen gedämpften, matschbesprenkelten Laufschuhen, lass mich für dich da sein, geh nicht weg wie mein zottelig-lockiger Kumpel, aber Krähe und Nuss sind schon auf und davon.
Das hier ist aus meiner Lesart ein großer Schritt für ihn, er kommt aus seiner Ich-Betrachtung raus und will helfen (ich hatte grinsen düberlegt, ob er auch beim Schnecken matschen helfen würde), gestet sich ein, das er die anderen gerne länger um sich hätte ...

Ich hätte auch euch gerne geholfen, die ihr jetzt weg seid. Opa und Onkel und Vater.
Hier bin ich zwiegespalten. Nach meiner Lesart hätte er die Männer seines Lebens also auch gerne um sich behalten (wie die meisten von uns). Aber warum verlangt er von sich so übermenschlich viel? Gegen nichts/bei nichts der aufgezählten Probleme wäre Hilfe seinerseits möglich gewesen. Was treibt ihn an?

Was, wenn man in Gesichtern nur noch den Schädel sieht, den freiliegenden Knochen, schon den Wind hört, der durch die Augenhöhlen rauscht, dumpf pfeifend, wenn da keine Rotze mehr ist und keine Nase, durch die die Rotze dann tropft, nur ein Loch. Man denkt nicht nach und läuft weg.
Der Satz ist gut, aber ich komme nicht dahinter, was er mir sagt. Wann und warum hat er die Männer seiner Familie so gesehen?

Weil ich nicht mehr konnte, aber die Erleichterung setzt noch immer nicht ein, ich werde verfolgt, von den haarigen Ohren oder dem hupenden Bauern oder irgendwem sonst, ich werde schneller, das Knie blockiert, das Schienbein schreit, ich wäre so gerne tot.
Puh, das geht für mich zu schnell. Von der Panikattake im engen Raum oder zu viel Menschen zum Todeswunsch. Wie alt soll ich mir den Protagonisten hier denken? Für einen sehr jungen Menschen/Pupertät könnte ich mir dieses extreme Denken vorstellen, für einen Erwachsenen nicht so wirklich.
Für mich kommt es hier aus dem Nichts, da es ja nur eine Erinnerung ohne zeitliche Verortung ist.

Aber jetzt nicht mehr. Jetzt kann ich laufen, jetzt laufe ich das erste Mal fünf Kilometer und hänge noch einen dran und gestern hätte mein Vater Geburtstag gehabt.
Ja, er schafft es, er arbeitete dran, findet eine Weg für sich.

Das würde reichen. Das wäre Material für den restlichen Tag, würde mich ablenken von vielem und noch einigem sonst. Vielleicht sagt jemand hallo
Gefühlt ist hier der "Sound" schon wieder anders. Aber damit ist es dann wohl wirklich der Spiegel seiner Stimmungen? Das liest sich unheimlich traurig, einsam und so allmählich verliere ich den Glauebn an ihn.

Mein Opa wollte nicht reden. Er war schüchtern auf seine Art, sprach mit Augen und Worten zu den Möbeln statt zu den Menschen. Besonders am Ende, als er die Worte nicht mehr fand, aber auch schon davor. Er hat viel erlebt, hatte viel zu erzählen, doch wozu.
Ich bin wohl einfach die falsche Leserin. Opa wollte nicht reden/schüchtern: kann ich akzeptieren, wir sind alle verschieden
Aber dann kommt: hatte viel zu erzählen/erlebt - wozu erzählen? Das geht aber direkt gegen potenzielle Zuhörer? Es lohnt nicht ihne etwas zu erzählen? oder wie soll ich das lesen?

Manchmal denke ich, ich habe nichts zu erzählen und wie auch, ich gehe dem Leben mit Absicht aus dem Weg, bin außer Form, meine Zunge liegt da wie tot, denn wer hört mir zu? Ich sollte nie wieder schreiben, denn wen interessiert dieses Kreisen um mich selbst in der hundertundsiebten Variation, wen das Kaleidoskop meiner vertrackten, zerdachten Innenwelt.
Und hier hat der Protagonist aus meiner Lesart das selbe Problem: Er hat ganz viel im Kopf, denkt, variert und will schreiben und beschneidet sich selbst. Vertrackt, ja!

Mich interessiert die Spinne mit den sieben Beinen und ob sie von dem fehlenden Bein weiß. Mich interessiert die Nachbarin drei Häuser weiter, sie ist alt, sie läuft im rechten Winkel, der Oberkörper steht vom Rumpf waagrecht ab und deshalb habe ich ihr Gesicht noch nie gesehen, sie schaut auf den Boden und wenn man sie umstößt liegt sie da wie ein L
Dann ist er ja doch zu einer Erkenntnis gekommen, wenn leider auch wieder sehr ich-bezogen. Er erkennt, was ihn interessiert! Leider spricht er allen anderen dieses Interesse ab. Warum? Ich würde ihn so gerne verstehen, erahnen, wo seine Denke herkommt, aber da sehe ich hier einfach nicht die Hinweise.

Doch ich möchte nicht nur laufen, sondern auch schreiben, aber was soll man schreiben ohne Gedanken und deshalb denke ich noch mal zurück an den Bauernhof
Nimmt er sich selbst nicht für voll oder legt er an sich weiterhin einen sooo hohen Maßstab?

Weil ich nicht glaubte, dass er damals rannte, weil er irgendeine göttliche Kraft spürte, mein Vater war kein Heiliger, er rannte weg vor seinen Problemen und ich weiß, dass er uns deshalb verließ.
Hier bin ich unsicher? Meinst Du den Lauf zum Tot oder ein symbolisches Laufen während der Krankheit?

Und ich laufe und ich atme, ob auf zwei Beinen oder sieben, ob als I oder L oder X im Quadrat. Ob es Sinn macht oder nicht und ob es irgendwo hinführt, verrat’s mir gerne, würd’s gern wissen, würd mir helfen, ganz bestimmt.
Tja, Glück gehabt! (oder auch nicht) der Satz hätte mich zum Abbrechen der Geschichte gebracht.
Ich sehe in dieser direkten Anrede des Lesers hier wirklich eine Bruch. Es macht mich unzufrieden, denn ich kann ihm nicht antworten (mal davon ab, das ich ihm eh lieber einen Kaffee und eine Stunde Zeit hinhalten würde)
Das ist aus meiner Sicht eine tieftraurige Geschichte, die mich zum nachdenken bringt und darin bestärkt noch offener für Menschen zu sein, die mir alleine begegnen. Ich bin gespannt auf andere Kommentare und Deine Antworten, denn sicher binn ich meiner Lesart überhaupt nicht.
Auch wenn es sich vielleicht so liest, eigentlich hatte ich nichts zu meckern.
Liebe Grüße
witch

 

Hey @greenwitch,

vielen Dank für deinen wertvollen Kommentar. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, nicht sehnsüchtig auf eine Rückmeldung gewartet zu haben :shy:

Gleich vorab: Ich habe mir deine Worte direkt zu Herzen genommen und den Text überarbeitet.

Ich kann mich nach wie vor nicht entscheiden, ob der Text von @jimmysalaryman oder Deiner mir schwer fällt beim kommentieren und ich wollte mit dem schwereren anfangen. Für mich ist es wohl Deiner! Warum ich das so erwähne? Gefühlt laufen/fahren in euren beiden, so extrem unterschiedlichen Texten die Protagonisten vor etwas weg oder hinterher, sehnen sich und hoffen. Ich empfinde die beiden Texte als sehr nahe vom Thema her und erfreue mich daher umso mehr der Umsetzungen.
Spannend, dass du das sagst, ich hatte nämlich ein ganz ähnliches Gefühl, als ich Jimmys Text gelesen habe.

Ich hadere in Deiner Geschichte diesmal mit Deinem Sound, mit den Sätzen irgendwie. Es wirkt uneinheitlich! Jetzt, beim schreiben, überlege ich, ob das seinen springenden, uneinheitlichen Gefühlen, dem inneren Chaos geschuldet ist. Dann wäre das sowas wie spiegeln.
Und auch spannend, dass du das sagst, denn wenn ich bei einer Sache ein gutes Gefühl hatte, dann war es der Sound :D Aber gut, umso wichtiger, seine Sachen zu teilen und so zu erfahren, wie Wahrnehmungen sich da unterscheiden können.

Ah, ich vergaß: Ich würde die Zeitgleichgültigkeit als eine Wortschöpfung schreiben, so zerreißt es.
Gekauft, hatte ich zuerst auch so drin und mich dann im letzten Moment umentschieden.

Ich komme nicht dahinter warum, aber der Satz geht für mich nicht rund oder schlüssig auf. Denn eigentlich bezog sich ja auch mit der Zeit auf - es sind Begegnungen! Da kriege ich den Einschub der Verbesserung nicht unter.
Hm, das ist nur eine Kleinigkeit, aber ich habe jetzt eine Smartwatch aus der Uhr gemacht. Ob das deine Unschlüssigkeit ein wenig behebt?

Und hier das Kontrastprogramm zu den Verkürzungen, knappen, fast umgangsprachlichen Sätzen. Verstehe mich bite nicht falsch. Natürlich ist das korrekt, aber es liest sich diesmal für meine Lesart nicht flüssig, nicht als eine Erzählstimme.
In dem fetten Satz liegt wahrscheinlich Dein angelegtes Motiv für seinen Kummer, sein Verhalten, seinen Lebensstil. Aber dadurch, das es hier so im Rattenschanz angehängt getellt wird, nimmt es mich nicht mir, sorry.
Muss dir nicht leid tun, aber gut zu wissen. Ich weiß jetzt auch gar nicht, ob ich die Hoffnung hatte, dass das potenzielle Leserinnen mitnimmt ... Es sollte wohl in erster Linie eine Einordnung sein, ganz kühl.

Hier habe ich mich zweimal iritieren lassen, erst beim dritten Lesen ist mir klar geworden, das er immer noch in der Vergangenheit ist. Das "Jetzt" habe ich als Gegenwartsmarker gelesen und wollte mich wirklich über das "Strampel" als zu kindlich beschweren. Wahrscheinlich stehe da nur ich auf dm Schlauch, warten bitte ab.
Die Stelle habe ich überarbeitet, jetzt sollte es (hoffentlich) deutlich sein.

Hier bin ich zwiegespalten. Nach meiner Lesart hätte er die Männer seines Lebens also auch gerne um sich behalten (wie die meisten von uns). Aber warum verlangt er von sich so übermenschlich viel? Gegen nichts/bei nichts der aufgezählten Probleme wäre Hilfe seinerseits möglich gewesen. Was treibt ihn an?
Auch hier habe ich noch mal angesetzt. Habe allgemein versucht, den "Männerreigen", wie du das so treffend genannt hast, zu entschlacken, den Fokus mehr auf den Vater zu legen.

Der Satz ist gut, aber ich komme nicht dahinter, was er mir sagt. Wann und warum hat er die Männer seiner Familie so gesehen?
Ich habe den mal komplett gestrichen, auch, wenn es einer meiner Lieblinge war. Kill your darlings, hat ja mal jemand gesagt.

Puh, das geht für mich zu schnell. Von der Panikattake im engen Raum oder zu viel Menschen zum Todeswunsch. Wie alt soll ich mir den Protagonisten hier denken? Für einen sehr jungen Menschen/Pupertät könnte ich mir dieses extreme Denken vorstellen, für einen Erwachsenen nicht so wirklich.
Für mich kommt es hier aus dem Nichts, da es ja nur eine Erinnerung ohne zeitliche Verortung ist.
Auch hier habe ich noch mal rumgeschraubt und hoffe, dass die Verwirrung jetzt nicht mehr aufkommt.

Ich bin wohl einfach die falsche Leserin. Opa wollte nicht reden/schüchtern: kann ich akzeptieren, wir sind alle verschieden
Aber dann kommt: hatte viel zu erzählen/erlebt - wozu erzählen? Das geht aber direkt gegen potenzielle Zuhörer? Es lohnt nicht ihne etwas zu erzählen? oder wie soll ich das lesen?
Auch hier - weg. Bzw. deutlicher, hoffe ich.

Dann ist er ja doch zu einer Erkenntnis gekommen, wenn leider auch wieder sehr ich-bezogen. Er erkennt, was ihn interessiert! Leider spricht er allen anderen dieses Interesse ab. Warum? Ich würde ihn so gerne verstehen, erahnen, wo seine Denke herkommt, aber da sehe ich hier einfach nicht die Hinweise.
Das hat mich beschäftigt. Auch das davor, als du schreibst, du verlierst den Glauben an ihn. Ich habe auch hier die leise Hoffnung, dass der Text dir jetzt eine klarere Antwort gibt auf diese Frage.

Tja, Glück gehabt! (oder auch nicht) der Satz hätte mich zum Abbrechen der Geschichte gebracht.
Ich sehe in dieser direkten Anrede des Lesers hier wirklich eine Bruch. Es macht mich unzufrieden, denn ich kann ihm nicht antworten (mal davon ab, das ich ihm eh lieber einen Kaffee und eine Stunde Zeit hinhalten würde)
Und auch hier, gekillt, das war eine Notlösung, da ging mir wohl die Puste aus und zufrieden war ich damit nicht. Jetzt gefällt es mir schon besser und vor allem hoffe ich, dass dieses Urteil hier:

Das ist aus meiner Sicht eine tieftraurige Geschichte
jetzt vielleicht ein wenig rumgerissen wird. Ja, traurig sollte sie schon sein, aber nicht nur. Und zumindest für mich liest sie sich jetzt ein bisschen weniger schwarz.

Vielen, vielen Dank noch mal für deine Gedanken, war mir eine Freude :)

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Bas,

dein Text ist einer von den Texten, die ich loben will, weil sie originell sind, authentisch klingen, sprachlich stellenweise superstark sind. Und doch fängt er mich nicht ein, was in diesem Fall noch kein endgültiges Urteil sein muss. Es ließe sich gut daran arbeiten, denn im Großen und Ganzen ist mir der Text zu viel: Er ist mir zu voll, zu dicht, zu atemlos. Ich steige ein und werde schnell von Eindrücken und Ausdrücken überrannt. Mein Kopf, zugegeben gerade auch eher in der Defensive, macht dicht und dichter, vor allem, als die Zeitsprünge ins Spiel kommen und der Wechsel der Erzählperspektive von Er zu Ich. Ab diesem Punkt kann ich die Ereignisse gedanklich nicht mehr zusammenhalten und weil mir der Text kein Plateau gönnt, an dem ich mal durchschnaufen kann, muss ich die Runde abbrechen.

Ich meine mich zu erinnern, dass ich und andere schon einmal bei einem deiner Texte angekreidet haben, dass es zu viel "Elend" gibt. Das ist in meinen Augen auch hier so. Die Probleme sind absolut: Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, Existenzangst, körperliche Schmerzen, gewalttätiger Vater ... Das ist eine Menge für so einen kurzen Text. Für mich zu viel.

Formal, denke ich gerade, scheint es mir auch etwas ironisch zu sein, dass du einerseits das Laufen als Aufhänger und Ausgleich positionierst, dann aber das Laufen auch zum Ausgangspunkt für diese problematische Reflexion nimmst. Hebst du damit nicht deine eigene Hypothese auf? Ich meine, wenn das Laufen Flucht und Glücksspender ist, warum führt es dann thematisch in die Probleme rein und nicht davon weg?

Hier würde vielleicht eine Ummodellierung der Struktur helfen: Erst Stillstand in der Wohnung mit überbordenden Problemen, dann Laufen als Befreiung. So kämen Form und Inhalt in Harmonie. Besonders schön, wenn du hier auch noch stilistisch eingreifen würdest: Der stillstehende, bedrückende Wohnraum, der mit schweren, monotonen Sätzen gefasst wird, dann eine stete Beschleunigung des Rhythmus, vielleicht gesteigert bis zu einem euphorischen Endspurt. Und dann nach einer kurzen Phase des Runterkommens wieder Monotonie. In gewisser Weise versuchst du das schon mit dem vorletzten Absatz, aber der Kontrast zum Rest ist zu arm, die Variation zu gering.

Denn mir ist der Text stilistisch auch zu einheitlich. Das Tempo, der Stil variiert mir nicht genug, das ist auch ein Grund, warum mich der Text nicht bei der Stange hält. Er ist ja innerlich und experimentell, so gesehen plot- und spannungsarm. Um hier einen Kontrapunkt zu setzen, müsste stilistische Dramatik rein, mehr Bewegung im Schreiben selbst.

Um nicht so kritisch zu enden, hier drei Stellen, die mir sehr gut gefallen haben:

Und ob das jetzt Nachwirkungen sind, diese ständige Angst vor dem Sterben und die Zeitgleichgültigkeit gegenüber dem Tod.

Der Wind macht das Gesicht rot und lässt die Rotze laufen, egal, Zungenspitze schleck-weg-weiter, die Pferde treten aus und die Schweine grunzen und der Esel hat einen Pimmel, der fast bis zum Boden reicht.

Und auch ich will oft nicht reden. Ich habe nichts zu erzählen, sage ich mir dann, und gehe dem Leben mit Absicht aus dem Weg. Komme außer Form. Die Zunge liegt da wie erwürgt.
Und ich sollte nie wieder schreiben, denn wen interessiert dieses Kreisen um mich selbst in der hundertundsiebten Variation, wen das Kaleidoskop meiner vertrackten, zerdachten Innenwelt.

Wie gesagt, ich denke, man kann den Text sehr gut bearbeiten – vielleicht mit ein paar Wochen Abstand. Oder du gibst ihm jemandem vom Fach zum freien Redigieren. Gerade bei so assoziativen Stücken ist das meiner Erfahrung nach manchmal Gold wert, weil man selbst im ganzen Strudel längst blind für die Zwischentöne geworden ist und nicht mehr gut gewichten kann.

Freundliche Grüsse

Henry

PS:

Lese gerade den anderen Kommentar und ich persönlich war enttäuscht über die Änderung der "Zeit-gleich-gültigkeit". Das war so geschrieben in meinen Augen viel besser, weil es das Wort aus dem Text formal herausgehoben hat und auch eine Metrik vorgegeben hat.

PPS:

"Was, wenn man in Gesichtern nur noch den Schädel sieht, den freiliegenden Knochen, schon den Wind hört, der durch die Augenhöhlen rauscht, dumpf pfeifend, wenn da keine Rotze mehr ist und keine Nase, durch die die Rotze dann tropft, nur ein Loch. Man denkt nicht nach und läuft weg."

Und den Satz habe ich beim zweiten Lesen auch vermisst. Konnte mich nicht mehr konkret an ihn erinnern, aber als ich meine Lieblinge herausgesucht habe, war mir, als müssten da mehr Sätze sein. Jetzt weiss ich: Der hier hat gefehlt. Das ist nämlich so eine Stelle, die ich 100 % nachvollziehen kann. Ich saß mal in einer Aula mit 1000 Leuten oder was und dachte irgendwann, dass wir alle nur Därme sind, durch die etwas durchrutscht. Dann saßen plötzlich überall Skelette mit vollen oder leeren Därmen um mich herum auf den Stühlen und keine Menschen mehr. Ich dachte mir, dass es doch evolutionär eigentlich so ist: Wir sind zum Fressen und Scheissen auf der Welt und dass wir noch ein komplexes Gehirn ausgebildet haben und nun Aufführungen in Aulas veranstalten und so weiter, ist völlig egal. Es soll nur etwas durch uns durchrutschen wie bei einem Panda oder einer Schlange oder einem Wal. Geht stark in die Richtung deiner Stelle, finde ich. Ich schaue auch oft auf Nachrichtensprecher oder solche Leute und denke, dass wir als Menschen völlig verrückt aussehen, eigentlich skurrile Gestalten sind wie Aliens in einem Science-Fiction-Film – was gerade durch Kleidung betont wird, die an sich schon kurios ist. Ärmel beispielsweise sind doch eigentlich seltsame Röhren, aus denen Hände herausgucken. Oder Hemden: Aus den wächst ein Hals mit einem Kopf heraus. Absolut bizarr eigentlich. Aber wir nehmen es durch Gewöhnung als normal hin, sehen diese erschreckende stoffliche Realität gar nicht. Auch Brüste von Frauen: Das sind ja buchstäblich mit Fett gefüllte Säcke. Aber wir Männer denken: "Geil, da will ich ran!" Männer wollen also Fett in den Händen halten, geben viel Geld aus, nur um diese Säcke voll Fett zu sehen; Frauen lassen sich andere Stoffe hineinoperieren, damit andere Leute denken, dass sie viel gelbes, glibberiges Fett vor sich hertragen. Völlig befremdlich eigentlich das alles, aber wir sehen die stofflichen Realitäten halt normalerweise nicht, sondern immer nur unsere Projektionen und Deutungen. Bei deinem Schädel ist es gleich: Der Tod ist immer präsent, weil wir körperliche Wesen sind, ein fragiler, in seiner Zusammensetzung zeitlich befristeter Stoffverbund. So gesehen ist es nicht makaber, sondern konsequent, keine Gesichter, sondern Schädel (und Haut und Haare und Speichel und, und, und) zu sehen.

Das erinnert mich gerade auch an Satre "Der Ekel", wo meiner Erinnerung nach der Protagonist irgendwann von der bloßen Existenz eines Baumes angeekelt wird. Denn das ist es doch: Die "reine" Existenz von Dingen wirklich zu erkennen, erzeugt keine Weisheit oder ein erhabenes Gefühl, sondern Ekel, Abscheu, Angst. Denn jeder Sinn, jeder Bezug zu unserem Denken und Fühlen wird weggerissen und die Dinge sind rohe Materien, Massen, Stoffe mit Form.

(Sorry, etwas abgedriftet, aber wann kann man schon mal über solche Themen sprechen? :-) Und es untermauert: Die Stelle muss wieder rein!)

 

Hey @H. Kopper,

freut mich, dich hier zu lesen!

dein Text ist einer von den Texten, die ich loben will, weil sie originell sind, authentisch klingen, sprachlich stellenweise superstark sind.
Auch das freut mich, danke.

Und doch fängt er mich nicht ein, was in diesem Fall noch kein endgültiges Urteil sein muss. Es ließe sich gut daran arbeiten, denn im Großen und Ganzen ist mir der Text zu viel: Er ist mir zu voll, zu dicht, zu atemlos. Ich steige ein und werde schnell von Eindrücken und Ausdrücken überrannt. Mein Kopf, zugegeben gerade auch eher in der Defensive, macht dicht und dichter, vor allem, als die Zeitsprünge ins Spiel kommen und der Wechsel der Erzählperspektive von Er zu Ich. Ab diesem Punkt kann ich die Ereignisse gedanklich nicht mehr zusammenhalten und weil mir der Text kein Plateau gönnt, an dem ich mal durchschnaufen kann, muss ich die Runde abbrechen.
Kann ich gut verstehen. Es ist auch superkomisch, ich schreibe Texte für Leser, sonst würde ich sie ja auch hier nicht veröffentlichen, und gestalte sie trotzdem immer wieder bewusst leserunfreundlich. Ich seh das nämlich alles wie du, du hast das gut formuliert.
Aber beim Schreiben überkommt es mich dann doch immer wieder, dann fühlt es sich einfach so an, als wäre genau das die Art, wie ich diese Dinge am besten ausdrücken kann. Ich werde weiter daran feilen und hoffe, dass die beiden Pole sich Stück für Stück annähern :shy:
Nach deinem Hinweis habe ich jetzt aber zumindest mal den Wechsel der Erzählperspektive über Bord geworfen und so für einen Verwirrfaktor weniger gesorgt.

Ich meine mich zu erinnern, dass ich und andere schon einmal bei einem deiner Texte angekreidet haben, dass es zu viel "Elend" gibt. Das ist in meinen Augen auch hier so. Die Probleme sind absolut: Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, Existenzangst, körperliche Schmerzen, gewalttätiger Vater ... Das ist eine Menge für so einen kurzen Text. Für mich zu viel.
Ja, hier genauso, ich sehe das und tu es trotzdem. Ich habe mittlerweile schon viele dieser "Episoden" gesammelt und im Idealfall läuft es darauf hinaus, dass daraus irgendwann ein großes Ganzes wird. Vielleicht gelingt es mir spätestens dann, das Elend zu entzerren, es weniger erschlagend wirken zu lassen.

Formal, denke ich gerade, scheint es mir auch etwas ironisch zu sein, dass du einerseits das Laufen als Aufhänger und Ausgleich positionierst, dann aber das Laufen auch zum Ausgangspunkt für diese problematische Reflexion nimmst. Hebst du damit nicht deine eigene Hypothese auf? Ich meine, wenn das Laufen Flucht und Glücksspender ist, warum führt es dann thematisch in die Probleme rein und nicht davon weg?
Gute Frage, und ich hatte gehofft, dass der Text darauf auch eine Antwort gibt. Denn im Grunde beschreibt er ja nichts anderes als eine Depression. Was ja keine kurzfristige Verstimmung ist, die Krux ist ja oft, dass die Denke einen da immer in dieselbe Richtung drückt, da kann die Sonne scheinen und man denk trotzdem bloß daran, dass es bald wieder regnen wird. Ja, befriedigender wäre im Kontext dieser Geschichte wohl, dass das Laufen der Gamechanger ist - was ich persönlich aber auch ein bisschen so lese, es setzt ja doch was in Bewegung, nur eben nicht in dieser absoluten Sonnenscheinform, die man sich erhofft. Es ist immer noch beschwerliche Arbeit, Schritt für Schritt.

Hier würde vielleicht eine Ummodellierung der Struktur helfen: Erst Stillstand in der Wohnung mit überbordenden Problemen, dann Laufen als Befreiung. So kämen Form und Inhalt in Harmonie. Besonders schön, wenn du hier auch noch stilistisch eingreifen würdest: Der stillstehende, bedrückende Wohnraum, der mit schweren, monotonen Sätzen gefasst wird, dann eine stete Beschleunigung des Rhythmus, vielleicht gesteigert bis zu einem euphorischen Endspurt. Und dann nach einer kurzen Phase des Runterkommens wieder Monotonie. In gewisser Weise versuchst du das schon mit dem vorletzten Absatz, aber der Kontrast zum Rest ist zu arm, die Variation zu gering.
Da spezifizierst du das Problem ja noch mal und ja, ich denke da auf alle Fälle mal drüber nach. Das wäre nämlich mit Sicherheit die leserfreundlichere Variante, die befriedigendere, sinnvollere, weil es eine nachvollziehbare Entwicklung gibt.
Es würde dann aber halt auch ein Stück weit weichzeichnen, bilde ich mir ein. Deshalb bin ich mir noch unsicher.

Denn mir ist der Text stilistisch auch zu einheitlich. Das Tempo, der Stil variiert mir nicht genug, das ist auch ein Grund, warum mich der Text nicht bei der Stange hält. Er ist ja innerlich und experimentell, so gesehen plot- und spannungsarm. Um hier einen Kontrapunkt zu setzen, müsste stilistische Dramatik rein, mehr Bewegung im Schreiben selbst.
Hm, ja, ich gebe zu, da sehr in einen bestimmten Rhytmus verfallen zu sein, aus dem ich dann nicht mehr rausgekommen bin :shy: Schaue ich mir noch mal an, danke für den Hinweis!

Danke auch für dein PS und vor allem auch dein ausschweifend abdriftendes PPS :D Klar, das sind keine neuen Gedanken, das Leben ist absurd und der Mensch setzt dem noch mal die Krone auf mit seinem Gedärm und seinem Fett und wie er es schafft, das immer wieder auszublenden (zum Beispiel mithilfe seltsamer Röhren). Ja, manchmal macht es Spaß, darüber nachzudenken, ist ja auch witzig, so lässt es sich vielleicht am besten ertragen :shy:

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Es ist auch superkomisch, ich schreibe Texte für Leser, sonst würde ich sie ja auch hier nicht veröffentlichen, und gestalte sie trotzdem immer wieder bewusst leserunfreundlich.
Hallo @Bas ,

warum machst du denn sowas? Hörst du mal bitte wieder damit auf und schreibst wieder Texte für dich? :shy:
Es gibt doch schon 0815-Alltagsbetrachtungen wie Sand am Meer, dann muss doch nicht eine der letzten originellen, individualistischen Stimmen auch noch einknicken. *Leidenschaftliches Plädoyer herausschrei*

Ich hab mal in einem schlauen Buch [Dictionary of Narratology] gelesen, dass man gar nicht für "die Leser" *) schreiben könne, u.a. weil man sie und ihre Erwartungen nicht kennen / antizipieren kann. Auch, wenn man von einigen Rückmeldungen eine Idee bekommt, sind diese aber individuell und nicht hochzurechnen auf eben eine größere Leserschaft.

*) Dort ist die These, dass man stets für 5 verschiedene Leser schreibt:
- Sich selbst (wie man auch einen Fremdtext lesen wollte), ohne Kompromisse.
- Den idealen Leser (der alles so versteht und liebt wie man es meinte/plante, aber nicht identisch zu einem selbst ist - dass dieser nicht real existieren kann, tut nichts zur Sache).
- Den abstrakten, antizipierten Leser (Moden, Rezis, Presse, Literaturmarkt).
- Bestimmte Leser, die man kennt (Freunde, Herausgeber, andere Autoren etc.).
[- Hab ich grad vergessen, sorry, war noch was Abstraktes. Aber du siehst, worauf ich hinauswill.]

Die Idee, "für die Leser" zu schreiben, ist also nicht so gradlinig, wie es in deinem Komm klingt und bedeutet auch, dass sich der Autor mit seinen Vorlieben, Anlagen und Wünschen nicht herauszunehmen hat - weil es eben unmöglich ist.

Ja, Schreibende müssen sich auch mal ausprobieren und mein Wunsch ist vllt. so wie man Bands vorwirft, sich nach 20 Jahren von Album XY entfernt zu haben, das man doch so gern gehört hat. Kreative Menschen können und sollen nicht immer dasselbe machen. Grad bei dir war ich aber neugierig, wohin die Reise nach den "Hundstagen" gehen könnte, wenn ich das als eine Art Start nehme. Jetzt entfernst du dich immer weiter von etwas, das ich als extrem eigene Stimme wahrgenommen habe, zu etwas, das sich haufenweise in Blogs und Foren findet, und das ich zumindest nach 5 Min. wieder vergessen hab.

Ich schreibe das auch nur, weil du selbst sagst, du würdest beim Schreiben doch immer wieder einknicken und "leserunfreundlich" schreiben - naja, unfreundlich für die einen, freundlich für die anderen!

In dieser Form finde ich ist es nicht Fisch und nicht Fleisch. Keinen Plan wie es sich aus Alltagssicht liest, aber aus der weirden / experimentellen ist es halbherzig, zaghaft, lauwarm. Dabei kannst du ja anders (was ich wirklich sehr bewundere, weil mir das leider nicht liegt, so gern ich wollte).

Ganz nebenbei: Ich würde mich rasend freuen, deine "Hundstage" zu bekommen (einfache Abdruckrechte = nicht-exklusive Nutzung), näxtes Jahr stelle ich was zusammen für einen Wiener Verlag: 13.13. Spekulative Transgressionen. Ist nämlich nicht so einfach, da auch was formal Schräges zu finden, und ich möchte das breit fächern. Mehr, wenn ich damit weiter bin (sitze grad am Vorläuferband). Also das nur hier öffentlich, um zu zeigen, dass - Interesse des Schreibenden vorausgesetzt - solche Stile / Inhalte durchaus Gehör und einen kleinen, klassischen Markt finden.

Sorry, das ein ein mega Meta-Komm, aber bezieht sich ja auf dein Werk.

Alles Liebe aus der helsinkier Waschküche,
Katla

 

@Katla @Bas

Ich möchte kurz auf einen Aspekt hinweisen, den ich für immens wichtig halte, der hier aber nicht in Ansätzen am Horizont der sich anbahnenden (Meta)Diskussion erscheint: die kognitive Ebene. Jemandem wie mir zum Beispiel ist es schlichtweg kognitiv nicht möglich, meine eigenen Gedanken und die eines Autors zusammenzuhalten. Da kann ich offen sein für Experimente oder wollen, dass mir anderer Leuts Chaos gefällt (was es als Idee auch tut), in der Praxis bringt mir das nichts: Zu zerfastert Texte verlieren mich, weil ich eben schon bei konventionellen Texten bei jedem dritten Satz in eigene Gedanken abdrifte. Wenn nun ein Text zig Möglichkeiten aufmacht, die ich selbst mit zig eigenen Möglichkeiten weiterführe, wird alles exponentiell – und mein Kopf platzt.

Jetzt mag man sagen: Gut, bist wohl ein Weirdo. Gekauft. Aber ich denke, viele Leser werden aus ganz unterschiedlichen Gründe auch ihre Mühe mit dem Zusammenhalten von "Chaos" haben (Ungeduld, Abnutzung von textlichen Reizen in der Mediengesellschaft, Gewöhnung an gängige Erzählmuster und dementsprechend enttäuschte Erwartungen, Zeitmangel, verlockende Konkurrenz leichter zugänglicher Unterhaltungsformen wie Netflix, die sofort dringend benötigtes Dopamin spenden, geringe kognitive oder sprachliche Fähigkeiten des Lesenden etc.).

Ich denke einfach, dass man sich das vor Augen halten muss: Konventionen, wiedererkennbare Muster, eine klare Sprache und dergleichen sind hochfunktional. Darum haben sie sich durchgesetzt. Und nicht immer entscheidet man sich aus Feigheit oder Ideenlosigkeit dafür, bei der Kreativität und der ungezügelten Form zurückzuschrauben. Oft ist es doch einfach, um überhaupt praktisch anschlussfähig zu werden und nicht nur für einen sehr beschränkten Kreis von Leuten mit den passenden kognitiven Fähigkeiten oder praktischen Rezeptionsmöglichkeiten zu schreiben.

Freundliche Grüsse

Henry

 
Zuletzt bearbeitet:

Das gute an diesem Forum ist, dass sich Kommentierende nicht einig sein müssen, @H. Kopper . Und ich denke ganz ehrlich, dass du besser damit fahren würdest, wenn du mal von deiner chronischen Männergrippe-Haltung wegkommen würdest.

Es gibt Leute, die schräge Literatur mögen, und andere - vermutlich die Mehrheit, weil es sie vllt. anstrengt oder sie sich da nicht gespiegelt / repräsentiert sehen - eben nicht. SFW?

Und nicht immer entscheidet man sich aus Feigheit oder Ideenlosigkeit dafür, bei der Kreativität und der ungezügelten Form zurückzuschrauben.
Zumindest ich hab das nicht behauptet. Dennoch nervt mich dieses ganze Anbiedern (nicht bei Bas jetzt, sondern allgemein in Lit-Foren bis ins SP hinein) an imaginierte oder reale Moden, Mainstream, Zeitgeist. Es hat sich in aktuellen Texten in- und außerhalb diesen Forums ein glattgebügelter Einheitsstil eingespielt, der mir die Tränen in die Augen treibt. Das sogar genreübergreifend.

Mit "Weirdo" hat das auch absolut nix zu tun, herrje, sondern nur mit der Fähigkeit, die Welt außerhalb der eigenen Person zu sehen. Das Nicht-Ich interessant zu finden. Daher ist es Latte, ob ein seltsamer / weirder Text (im Sinne des Genres Weird Fiction, falls das trotz 100 Jahren Existenz unbekannt war) irgendetwas mit der Persönlichkeit / Identität / Geschichte der jeweiligen Leser zu tun hat oder nicht.

anderer Leuts Chaos
--- zerfasert, usw. Der Witz ist ja, dass es - einen guten Text dieser Art vorausgesetzt, und Bas kann das, wie Jimmy auch - kein zerfasertes Chaos ist. Du siehst das nicht, okay. Aber dann musst du jetzt keine Nölereien anfangen um Netflix und hastnichjesehen, dann verbuch es eben unter 'andere Leute ticken halt anders'.

Mein Eindruck (soweit ich deine Komms noch lese): Du verstehst diese ganze Sache um Experimente und Innovation grandios miss. Und dann klingen deine richtungslosen Nörgeleien fast wie Rachekomms - nicht an dem jeweiligen Fadenersteller, sondern an der Leserwelt, die dein Genie verkennt. Oder wasauchimmer.

So, muss jetzt was anderes machen. Hier mögen zwei Leute verschiedene Dinge, wie das eben so ist. Muss jetzt nicht wieder der Faden drüber explodieren, oder? (Rhetorische Frage.)

Viele Grüße,
Katla

 

Muss jetzt nicht wieder der Faden drüber explodieren, oder?

Absolut nicht. Ich handhabe es sowieso seit Jahren so, dass ich hier nichts dazu sage, was ich von dir und deinen Kommentaren halte. Das behalte ich gerne bei. Muss ja nicht jeder so stillos sein und persönlich werden.

 

Hi @Katla,

und danke für dein leidenschaftliches Plädoyer. Das ich zu einem großen Teil auch so unterschreibe, auf keinen Fall sollte die "eigene Stimme" zugunsten der Massentauglichkeit auf der Strecke bleiben.

Ich bin da aber auch ganz bei @H. Kopper, wenn er sagt:

Und nicht immer entscheidet man sich aus Feigheit oder Ideenlosigkeit dafür, bei der Kreativität und der ungezügelten Form zurückzuschrauben. Oft ist es doch einfach, um überhaupt praktisch anschlussfähig zu werden und nicht nur für einen sehr beschränkten Kreis von Leuten mit den passenden kognitiven Fähigkeiten oder praktischen Rezeptionsmöglichkeiten zu schreiben.
Das meine ich, wenn ich sage, ich schreibe für einen "Leser". Klar wird es auch immer diesen speziellen Typ Leser geben, der die Muße hat, sich auf super "Abstraktes" einzulassen - ich selbst gehöre hin und wieder selbst dazu. Und ich schreibe so was auch gerne, hin und wieder. Aber die Realität ist auch, dass das Schreiben grundsätzlich mich meistens erschöpft. Wäre es also nur der Prozess selbst, hätte ich schon lange damit aufgehört. Kraft ziehe ich unter anderem aus der Hoffnung, jemanden damit zu erreichen, gerne den "speziellen Typ Leser", der Spaß daran hat, zu sehen, wie einfach das Abstrakte sein kann. Aber auch meine Mutter, die nur sehr wenig liest, und die sich dann nicht den Kopf verknoten muss, um meine Hieroglyphen zu entziffern.

Da überlappen sich unsere Ansichten ja wieder, wenn du sagst:

Es hat sich in aktuellen Texten in- und außerhalb diesen Forums ein glattgebügelter Einheitsstil eingespielt, der mir die Tränen in die Augen treibt. Das sogar genreübergreifend.
anderer Leuts Chaos
--- zerfasert, usw. Der Witz ist ja, dass es - einen guten Text dieser Art vorausgesetzt, und Bas kann das, wie Jimmy auch - kein zerfasertes Chaos ist.

Im Grunde sind das natürlich auch nur Gedanken, die ich mir jetzt und hier mache (worüber ich sehr dankbar bin - hier unter Gleichgesinnten zu sein und solche Fragen diskutieren zu können, weshalb ich es auch umso mehr bedauere, welch unnötig giftigen Verlauf die "Diskussion" hier genommen hat) und nicht beim Schreiben. Deshalb fühlt es sich auch nicht so an, als würde ich mich bewusst beschneiden oder es jemandem recht machen wollen. In erster Linie ist Schreiben für mich eine schrecklich egoistische Angelegenheit.

Aber zurück zum eigentlichen Text und der Erkenntnis, dass er dich nicht erreichen konnte. Das ist gut zu wissen, das deckt sich dann auch mit meiner eigenen Einschätzung nach einigen Tagen Abstand. Wenn du sagst, das ist ein Text, den du nach fünf Minuten wieder vergisst, der nicht Fisch und nicht Fleisch ist. Ja, irgendwo hab ich mich verrannt, und die bisherigen Kommentare, auch deiner, haben mir ganz gute Hinweise gegeben, wo genau das sein könnte. Deshalb vielen Dank für dein Feedback!

Bas

 

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