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Lisboa

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10.09.2014
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Lisboa

Ich bin Autor und sitze im Nachtzug nach Lissabon.
Jaja, das gab’s schon mal, ich weiß – aber ich bin keiner, der Ideen klaut. Es entspricht der Wahrheit und deshalb kann ich nicht schreiben, dass ich im Frühzug nach Paris sitze.
Außerdem kann ich’s beweisen: Fahrkarte und Platzreservierung bewahre ich vorsichtshalber in meiner Brieftasche.
Die trage ich immer am Herzen. Besonders jetzt, denn meine Reise nach Lissabon ist eine Herzensangelegenheit.
Lissabon oder Lisboa? Nie kann ich mich entscheiden. An gewissen Tagen gefällt mir Lisboa besser, an anderen Tagen Lissabon. Vielleicht sind es die Tage mit oder ohne ‚r’. Aber wenn ich es recht überlege, dann ist es wohl wie mit Hedwig und Anja.
Hedwig steht am Bahnsteig, zuverlässig wie immer, hilft mir beim Gepäckschleppen und fährt mich in selbstloser Weise zu meiner Adresse. Klingt komisch, aber bei ihr will ich nicht logieren – sie hat es schon so oft angeboten.
Ich schlafe lieber bei Anja. Die steht nie am Bahnsteig.

Der Grund für diese Reise ist sentimentaler Natur.
Eventuell - bei Lust und Laune - will ich einen Text über die Stadt schreiben, wie sie mir heute erscheint. Vielleicht geht’s auch nur darum, statt Venedig noch einmal Lissabon zu sehen und dann zu sterben.
Aber das ist doch Blödsinn! So schnell stirbt man nicht in Lissabon. Hier ist man lieber lange traurig als schnell tot. Der prall gefüllte Raum zwischen Leben und Tod verwischt, fast unmerklich gehen die beiden Extreme ineinander über. Ein Traum ist in dieser merkwürdigen Atmosphäre keine Halluzination, sondern steht gleichberechtigt neben der Realität - die hier oft weniger real erscheint als anderswo. Aber vielleicht werde ich das selbst erfahren?

Ich möchte noch einmal dort sein, wo ich mich früher herumgetrieben habe - an den zugigen Haltestellen der Aufzüge, bei den Docks und den schwarzen Mädchen, an den endlosen Treppen im geheimnisvollen Licht. Will mich an Ort und Stelle erinnern an bemerkenswerte Momente - ganz besonders an ‚mein’ heiß geliebtes Kaffeehaus. Wie hieß das doch?
Irgendwas mit ‚Gloria’.
Aber egal, es ist abgerissen worden, wie das restliche Barockviertel. Bald wird sich die Welt auch nicht mehr an meinen Namen erinnern. Was macht das schon?
Und doch kommt leises Sehnen auf, fast höre ich die Geburtswehen der adlergekrönten Kaffeemaschine, wenn sie meinen kleinen Schwarzen, die Bica, mit Keuchen und Schnaufen aus sich herauspresste.

Eine leichte Melancholie kommt über mich, einer dieser Lissabonner Momente, in denen man allein ist, auch keine Gesellschaft braucht, nur etwas Alkohol. Und wie durch Zauber stehe ich einen Augenblick später an der Liliput-Theke von „A Ginjinha“ im Zentrum des Zentrums, so zentral gelegen, dass es schon wieder ein Geheimtipp ist, aber das hängt mit der Winzigkeit des Lädchens und des Angebots zusammen: Auch wer keinen Kirschlikör mag, muss ihn hier trinken – oder wieder gehen, denn es gibt nur den. Aber gut ist er, dafür leg’ ich meine Hand ins Feuer. In meinem Fall beschert mir dieses kleine Stimulans noch ein amüsantes Wiedersehen, denn mir fällt die Rua do Loureiro ein. Ja, da will ich noch mal hin!

Nach unvorstellbar langer Zeit betrete ich diesen Antiquitätenladen, in dem ich bei meinem ersten Lissabon-Besuch eine faszinierende Waage sah – ein prächtiges Stück, wie es in Apotheken stand - ehrfurchtheischend mit Mahagonisockel, zwei blinkenden Messingschalen und einem kunstvollen Zünglein in der Mitte des Waagebalkens.
Ich musste es beim Anschauen belassen, hatte weder genügend Geld noch eine Transportmöglichkeit. Als Trost kaufte ich mir eine hübsche Briefwaage.
Der junge Verkäufer, blass, mit Moustache, einem Berg schwarzer Locken und kessem Blick, sagte beim Einwickeln meines Lissabonner Souvenirs: „Da haben sie etwas Gutes gekauft. Das ist Qualität aus Deutschland“, und zeigte mir das gravierte D.R.P.

Jedenfalls hat es mich noch mal hierher gezogen. Ein freundlicher Mann legt sein Buch zur Seite, steht auf und sagt: „Guten Tag, der Herr. Womit kann ich dienen?“
„Guten Tag, darf ich mich ein bisschen umsehen bei Ihnen?“
„Aber selbstverständlich doch. Bitte sehr.“ Er macht eine weit ausholende Geste, als würde er mir die ganze Welt zu Füßen legen, hält abrupt inne, der ausgestreckte Arm bleibt wie bei einer Statue steif in der Luft stehen. Ist er plötzlich versteinert? Er macht große Augen und findet dann die passenden Worte: „ Ich hab’s gewusst, dass Sie zurückkommen. Ich hab’s gewusst! Sie haben damals Tiagos Waage gekauft!“
Ich verstehe nicht so recht und muss mich sammeln: „Eine Briefwaage – ja, das stimmt. Aber woher wussten Sie, dass ich zurückkommen würde?“
„Von meinem Vater. Der sagte immer: ‚Jeder kommt irgendwann zurück nach Lisboa.’ Und natürlich – je jünger einer ist, desto sicherer ist das.
Oh, Verzeihung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt - Nuno Carvalho.“
„Freut mich. Klaus Lorenz - aber ich kann nicht glauben, dass Sie sich an mich erinnern! Das sind doch locker an die zwanzig Jahre?“
„Mais o menos, kommt so ungefähr hin. Die meisten Gesichter vergisst man nach einiger Zeit, aber Ihres habe ich mir eingeprägt wegen Tiagos Heft. Und einprägsam ist ja auch Ihre Körpergröße.“
So langsam erkenne ich meinen Verkäufer wieder. Moustache und Lockengebirge sind grau geworden. Es ist kein vornehmes Grau, kein nobles Platin, es ist eher die Farbe schmelzender Gletscher. Sein Blick jedoch hat nichts an lustiger Wachheit eingebüßt.
Erst einmal will ich etwas klären: „Wer ist Tiago?“
„Ach, das ist ein alter Bekannter, ein ehemaliger Seemann, der hier in der Nähe gewohnt hat und ein paar Mitbringsel aus Übersee verkaufen wollte. Aber das waren Sachen fürs Kuriositätenkabinett - Antiquitäten waren keine dabei, bis auf Ihre Briefwaage. Für die hab ich ihm einen Preis gemacht und er hat sie hier gelassen.“
Er durchsucht eine Schublade und wird fündig: „Dieses Heft hat er dazugelegt und mir einen Eid abgenommen, diese beiden Sachen nur zusammen zu verkaufen.“

Er reicht mir ein blau eingebundenes Schulheft.
„Als Sie hier waren“, fährt er fort, „hatte ich das Geschäft gerade von meinem Vater übernommen. Ich habe Ihnen die Waage versehentlich ohne das Heft gegeben. Mein Fehler. Ob Sie damit wirklich etwas anfangen können, kann ich mir nicht vorstellen, aber jetzt hat ja alles seine Ordnung“.
Ich bedanke mich und frage: „ Aber wieso gehört das Heft zur Waage?“
„Das war Tiagos Idee: Der Käufer seiner Waage könnte viel mit Schriftlichem zu tun
haben“, erklärt Nuno Carvalho. „Beim Lesen würde der vielleicht Tiagos Gedanken verstehen, seinen Freunden davon erzählen, sie möglicherweise sogar veröffentlichen. Tiago litt unter der Angst, umsonst gelebt zu haben. Er wollte etwas hinterlassen, müssen Sie wissen.“
„Das versteh’ ich. Haben Sie mal einen Blick hineingeworfen?“
„Ja, hab ich.“
„Und?“, bohre ich weiter.
„Na ja, ist schon interessant. Vieles hab ich nicht verstanden, aber einiges hat mir gut gefallen. Der Tiago war ein Philosoph. Bisschen eigenbrötlerisch, ja, und ziemlich ernsthaft.“ Er holt viel Luft, wie vor dem Tauchgang: „Seine Worte haben etwas Drängendes, ich verspüre beim Lesen ein Unbehagen – als wenn man die Schminke vom Leben kratzt.“
Wir tauschen noch einige Höflichkeiten aus und ich stehe in der Nachmittagssonne. Carvalhos Worte hallen nach. Die Zugabe zu meiner Waage ist wohl mehr als ein Poesiealbum.

Ah, der Tejo! Der große Spiegel, der meistens funkelt und glitzert und auch über und neben sich alles aufwertet, fast veredelt. Der Himmel glänzt, die Stadt glänzt.
Die glänzt mehr, als sie wert ist.
Wer weit über den Strom schaut, das andere Ufer zu erfassen versucht, versteht mit einem Mal die großen Seefahrer. Der Fluss selbst ist schon Meer in seiner Mächtigkeit, fasziniert die Unzufriedenen, Chancenlosen und Verzweifelten. Schiebt und drückt alles hinaus aus dem engen, kleinkarierten Land in die Unwägbarkeit - hinaus ins Ungewisse, aber Mögliche.

Tiagos blaues Heft nehme ich überallhin mit, nutze jeden Augenblick, darin zu blättern. Seine Bildhauerschrift trifft mich mit Intensität und Wucht. Sein Text beeindruckt mich nicht nur, nein – er fesselt mich.
Ich wollte von Lissabon schreiben, von dieser alten Kuh mit den Triefaugen. Aber daraus wird nichts, denn Tiagos Leben wird meine Geschichte füllen. Ich muss von ihm schreiben, von einem Mann berichten, der sagt, was er denkt – und weil er Portugiese ist, sagt, was er empfindet.

Ich lese: ‚Ich kann hier nicht bleiben. Die ganze Welt lebt nach ihren Plänen und Zielen, aber ich kenne so etwas nicht.
Was sollte ich denn planen und worauf zielen, mit schiefen Absätzen und ohne Geld? Ich muss fort.
Denn bliebe ich hier, müsste ich mir im Alter sagen, dass ich mein Glück in der Ferne nicht gesucht und damit nicht gefunden habe. Ich habe gar keine andere Wahl als wegzugehen.’

Jede Nacht piesacken ihn Träume von einer schöneren Welt - weit weg von hier. Er würde reich sein, reich und glücklich.
Hundertmal größere Ländereien würde er haben als Don Vincente, mit Dienern, einem Koch, Gärtnern und einem weißen Bentley.

Tiagos Hände reißen auf, vom Salzwasser genässte Taue vervielfachen den Schmerz seiner Wunden. Der Fraß aus der Kombüse ist fürchterlich.
Das gelobte Land entdeckt er nicht.
Wohin er kommt, ist alles schon verteilt, besetzt, reserviert.

Eleanora, seine große Liebe, beachtet ihn nicht – und kann bei seiner Ungeschicklichkeit auch gar nicht wissen, was er für sie empfindet. Er verzehrt sich immerzu nach ihr, träumt von ihr, tagsüber und nachts, träumt, dass sie am Hafen steht, wenn er heimkommt, wie die Frauen der anderen, träumt, dass sie ihm über den Kopf streicht und ihn küsst.

Je länger er auf den Schiffen schuftet, desto realistischer wird sein Weltbild. Dem Land entfremdet er sich immer mehr, doch sein Leben auf den Schiffen ist ebenfalls freudlos.
Wie schnell so ein Menschenleben vorbei ist! Wie lange liegt das zurück, als er noch dachte, unbegrenzt Zeit zu haben, um all seine Wünsche und geheimen Vorstellungen zu leben.

Mir ist, als wäre ich dabei gewesen. Tiago hatte nur die Wahl zwischen Enttäuschungen. Ich wäre zerbrochen.

Er nicht. Er ist Portugiese! Für ihn scheint über einem ungerechten Planeten mild ein Stern mit tröstenden Strahlen. Die tasten über seine Seele und massieren sanft sein Herz. Langsam lösen sich die Verkrampfungen und die Verbitterung.
‚Saudade’ heißt das Zauberwort - eine milde Betäubung, die sich barmherzig auf den Leidenden senkt und ihn zwischen ihren Brüsten wärmt und liebkost.

Geräuschlos lässt sich Tiago neben mir nieder. Es überrascht mich nicht. Anstandshalber rücke ich ein wenig zur Seite.
Er sagt: „Danke“.
Ich weiß nichts zu sagen.
Wir schweigen.

Ein feiner Sprühregen geht nieder. Aus einer Tür in Rot und Grün quillt ein schwermütiger Fado. Er winkt ab, sein Leben ist ihm Fado genug. Schwaden dieser sentimentalen Musik verfangen sich in unseren Kleidern. Wir wollen uns befreien von dieser Traurigkeit und stehen wieder bei „Ginjinha“.
Kirschen und Alkohol gehen mit unserem Blut eine innige Verbindung ein.

Melancholische Stadt an Fluss und Meer.
Liegt sein Schiff in Lisboa, geht Tiago von Bord, streicht durch die Straßen, durch die Bars. Fremde Leute rempeln ihn an, grässlich geschminkte Frauen zeigen mit kalten Augen ihre Zähne und Brüste.
Er hofft, der Abschiedsschmerz beim Hinausfahren werde aufgewogen durch das Glücksgefühl bei der Rückkehr. Doch die Stadt kümmert sich nicht um ihn, hat für Gefühle keinen Sinn, geht lieber ihren Geschäften nach.
Ha – seine Stadt! Wie sie ihn verwöhnen will mit der gemauerten Symbolik der Größe. Wie sie versucht, ihn zu korrumpieren mit der Großartigkeit ihrer Avenues, mit der Aufeinanderfolge der beeindruckenden Plätze. Ein Pappmachétheater für die kleinen Leute.
Seine Stadt? Aber nein, das ist sie schon lange nicht mehr. Trotz der vielen gemeinsamen Jahre haben sie sich auseinander gelebt. Er ist die meiste Zeit auf See, sie gefällt sich in Erinnerungen an eine mondäne Zeit. Beflissen versucht sie, ihre Schäbigkeit zu verbergen, will Verfall als pittoresk verkaufen. Tiago kennt sie genau.

Oberhalb der Alfama finden wir ein billiges Lokal.
Er kramt einige Münzen aus seiner Tasche, nimmt eine Bica und einen Schnaps. Ich entscheide mich für einen eiskalten Rosé.
Die Sonne bricht durchs Gewölk und wir treten hinaus auf die kleine Terrasse.

In der Kurve hinter uns quietscht die alte Tram, unter uns staffeln sich die Dächer der Altstadt. Ein Irrgarten von krummen Gassen. Gemurmel wie Meeresrauschen dringt herauf, verzerrte Musik, der Gestank gegrillter Sardinen. Der breite Fluss ist kein Magnet mehr. Der hat nur enttäuscht. Gibt vor, den Weg zum Glück zu kennen und lässt uns dann im Stich. Daran ändert auch sein Aufscheinen im Glanz der durchbrechenden Sonne nichts. Diese silbernen Blitze – einfach lächerlich.
Tiago stellt die Getränke auf die Mauer, es stehen ein paar Stühle herum. Über die Tische ist eine hässliche Plane gezurrt. Ich greife zu meinem Schreibzeug. Er zieht begierig an seiner Zigarette.

Das Meer und Du und ich und auch sonst das ganze Leben –
das alles ist so hoch und tief und weit und breit.
Und niemand weiß rein gar nichts und kann’s auch gar nicht wissen.
Nicht einmal ich selbst weiß,
wer ich bin oder war.“

Ich bin Tiago etwas schuldig. Meine Macht als Autor wird mir plötzlich bewusst.
Zwar kann ich sein Leben nicht mehr ändern, aber ich werde ihm ein Denkmal setzen.
Er soll nicht umsonst gelebt haben. Die Welt wird sich an ihn erinnern. Bessere Zeiten werden kommen.
In den Lokalen des Bairro Alto werden Frauen mit schwarzer Stola und durchdringender Stimme von seiner unglücklichen Liebe, seinen Entbehrungen und Sehnsüchten singen – begleitet von der guitarra portuguesa, die unnachahmlich jedes Gefühl verstärken kann.
Die Zuhörer werden sich öffnen, mit feuchten Augen jedes Wort auf sich wirken lassen. Sie werden ergriffen sein von seiner Entschlossenheit, der Misere zu widerstehen, sich zu behaupten, den Kopf hoch zu tragen.
Seine Verehrer werden ihn San Tiago nennen. Auch die Fremden werden, ohne portugiesisch zu sprechen, seine Botschaft verstehen und mit in ihre Länder nehmen: Lass Dich nicht unterkriegen!

Zum Schluss wird er von seiner rosafarbenen Wolke noch einmal herunterschauen auf seine große Liebe – nicht auf Lisboa, auf Eleonora!

Gerade bereitet sie für ihre Enkel das Abendessen: fette Kohlsuppe und warmes Maisbrot.

 

Der logisch und nüchtern denkende Leser möge berücksichtigen, dass Lissabon die Hauptstadt Portugals ist und nicht die Metropole der Realität.
Viel Spaß!
José

 
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Hallo José, dein Text liegt vor mir, schon ganze Stunde lang. Ich hab ihn mir ausgedruckt und ihn mit meinem Stift in der Hand durchforste. Da gibt es jede Menge an Wörtern und Sätzen, die meinem Stift zum Opfer gefallen sind.

Doch zu Beginn eine Frage. Du schreibst: "Meine Macht als Autor wird mir plötzlich bewusst."
Was will uns der Autor sagen? Was so Weltbewegendes steht in diesem blauen Heft? Alles was du schreibst sind Weisheiten, die sich längst herumgesprochen haben.

Gut der Satz im Gedicht: "Und niemand weiß rein gar nichts und kann´s auch gar nicht wissen..."

Dies zum Inhalt, der sich mir nicht erschließen will.
Und jetzt zum Text.

Der Einstieg ist total langweilig. Streichen, ist mein Vorschlag. Beginne mit: "Hedwig steht am Bahnsteig."
Doch wer ist Hedwig, wer ist Anja und schließlich wer ist Eleonora?

"Der Grund für diese Reise ist sentimentaler Natur. Ich möchte noch einmal dort sein, wo ..."

Den ganze Absatz davor solltest du streichen. Zum Fortgang der Handlung sind diese Überlegungen nicht nötig.

Und wieder ein paar unnötige Satze: "Und doch kommt leises Sehen auf .... " schwulstig!


Etwas weiter im Text: "Mir ist, als wäre ich dabei gewesen." Der anschließende Text liest sich seltsam.
" er hatte nur die Wahl zwischen Enttäuschungen. ...." Auch die nächsten Sätze lassen ein Gefühl von Unbehagen in mir aufsteigen. " Eine sanfte Betäubung ...... usw. " Muss das sein? Ich denke Nein!

"Melancholische Stadt an Fluss und Meer. .... grässlich geschminkte Frauen zeigen ihre Zähne und ..." aufpassen: "Brüste mit kalten Augen."

Der Text geht weiter, es passiert nichts. Doch Tiago taucht auf aus dem Nichts. Ich werde unsicher, habe ich etwas überlesen. Gehe den Text zurück. Keine Information. Wo kommt Tiago her?

Das Ende sind ein paar hin gekritzelte Sätze. Enttäuschend. Ein kurzer offener Schluss muss gefunden werden. Und : Wer ist Eleonora?

Das war es erst einmal von mir. So richtig glücklich macht mich deine Geschichte leider nicht.

Ich wünsche dir weiterhin viel Freude beim Texten.
Amelie

 
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Hola Amelie,

rumms – das war ein Schlag ins Kontor! Ich dachte nicht, dass ich eine solch geharnischte Kritik einfangen würde. Aber ich verstehe Deinen Standpunkt.

Viel Arbeit hast Du Dir gemacht, dafür danke ich Dir.

Ich versuche mal, verschiedene Sachen in die Reihe zu bringen:
Meine letzte KG „Marianna’s Taifun-Sauce“ kam gut an, obwohl sie ziemlich schräg und skurill geschrieben war. Derart ermutigt, wollte ich bei „Lisboa“ ebenfalls die allzu große Ernsthaftigkeit vermeiden.
Der Leser konnte schon anfangs erfahren, dass in dieser Stadt die Dinge etwas anders liegen.
Um sicher zu gehen, habe ich noch eine Erklärung gepostet und ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass dort die Realität nicht zu Hause ist.
In meinem Profil sage ich, dass der Leser meine Geschichten mit Vergnügen lesen möge.
Von hohem literarischen Anspruch ist nie die Rede.
Und schließlich und endlich hat mein Tag “Seltsam“ ja auch eine Aussage. Möglicherweise hast Du den übersehen.
Es ist wohl eine Unmöglichkeit, eine ausgewiesene „Seltsam-Geschichte“ mit normalen Maßstäben zu messen (was den Inhalt, die Handlung betrifft).

Dass Du in anderen Punkten recht hast / recht haben könntest, müssten wir herausfinden:

Da gibt es jede Menge an Wörtern und Sätzen, die meinem Stift zum Opfer gefallen sind.

Ich habe keine Angst. Noch nicht.

Alles was du schreibst sind Weisheiten, die sich längst herumgesprochen haben.

So ist das auf der Welt. Alles schon mal dagewesen. Wie ist das bei Dir?

Der Einstieg ist total langweilig.

Das tut mir leid.

Beginne mit: "Hedwig steht am Bahnsteig."
Doch wer ist Hedwig, wer ist Anja

Hedwig steht für Lissabon, deutsche Namen für Zuverlässigkeit und Funktionalität.
Anja steht für Lisboa – etwas versponnen, gefühlsbetont, verträumt.

und schließlich wer ist Eleonora?

Laut Text ist sie eine Frau, in die sich Tiago verliebt hat, sich ihr aber wegen seiner Schüchternheit und seines Ungeschicks nicht zu nähern vermag.

Ich möchte noch einmal dort sein, wo ..."
Den ganze Absatz davor solltest du streichen. Zum Fortgang der Handlung sind diese Überlegungen nicht nötig.

Sanfter Einspruch, bitte! ‚Zum Fortgang der Handlung’ unnötig, das stimmt.
Aber wenn ich von Lissabon schreibe, versuche ich, eine bestimmte Atmosphäre aufzubauen (Ob mir das gelungen ist, steht auf einem anderen Blatt).

Und wieder ein paar unnötige Satze: "Und doch kommt leises Sehen auf .... " schwulstig!

Sehnen kommt auf ... schwulstig stimmt – die weiße Stadt mit den goldenen Kuppeln!
Ob ich die von Dir erachteten ‚unnötigen Sätze’ nur hingeschrieben habe, um Zeilen zu füllen, glaube ich nicht – ich habe drei Monate an diesem Text herumhantiert. Da gibt es keinen Wildwuchs. Jeder Satz und jedes Wort steht genau so im Text, wie ich es wollte.

Etwas weiter im Text: "Mir ist, als wäre ich dabei gewesen." Der anschließende Text liest sich seltsam.
Das ist korrekt, der Tag sagt’s ja: SELTSAM.

Deinen Einwand ‚

Nach unvorstellbar langer Zeit betrete ich ...: Hier musst du in der Vergangenheit schreiben: betrat ich ...’
hast Du ja inzwischen gelöscht, denn auch hier wäre ich nicht Deiner Meinung gewesen.

" Eine sanfte Betäubung ...... usw. " Muss das sein? Ich denke Nein!

Okay – Du denkst so, ich denke anders. Betäubung und Religion kommen aus einer Spritze. Und wo es den Leuten am beschissensten geht, da sind die Betäubungsmittel am raffiniertesten. Saudade ist das allerraffinierteste – kannste mir glauben, ich kenn mich da aus.

Ich höre hier auf, sonst wird es zu kleinkariert (siehe Text).

Deine wiederholte Frage zum Schluss ...

Das Ende sind ein paar hin gekritzelte Sätze. Enttäuschend. Ein kurzer offener Schluss muss gefunden werden. Und : Wer ist Eleonora?

... habe ich weiter oben schon beantwortet. Einmal reicht.

Amelie, auch wenn wir heute leicht konträr ausgerichtet waren, soll uns das nicht den Spaß am Schreiben vergällen.
Schöne Grüße von

José

 

Hallo José,

Ich bin erleichtert, du hast meine Kritik als das aufgenommen, was sie sein wollte, eine ganz persönliche Meinung zu deinem Text. Tatsächlich gab ich mir große Mühe, das beweist schon die Tatsache, dass ich im Nachhinein meinen eigenen Fehler, den mit der Zeit, entdeckt habe.

Jetzt bleibt es abzuwarten, ob sich noch ein Kritiker findet, der deine Geschichte vielleicht besser versteht und den Text mit Freude liest. Ich wünsche es dir und das meine ich ehrlich.

Ich kenne das Gefühl, wenn man eine Geschichte einstellt in der Hoffnung, dass die Leser begreifen was man sagen will. Kommt dann ein Verriss ist man enttäuscht. Du hast eine andere Geschichte erwähnt, die du geschrieben hast. Du hast mich neugierig gemacht, da werde ich mal vorbeikommen.

Bleib am Ball!
Grüße von Amelie

 

Jetzt bleibt es abzuwarten, ob sich noch ein Kritiker findet, der deine Geschichte vielleicht besser versteht und den Text mit Freude liest. Ich wünsche es dir und das meine ich ehrlich.

Hola! Hier! Gefunden! Nagut, dass ich sie besser verstehe, will ich jetzt mal nicht behaupten, aber

lieber José

mir hat das Lesen deiner Geschichte viel Freude bereitet. Sie ist sicher nicht perfekt (die Kritikpunkte kommen natürlich auch noch), doch du erschaffst mit deinen Worten eine wunderbare Stimmung, in die ich gern eingetaucht bin und die sicher noch schöner ist, wenn man schon mal in Lissabon/Lisboa war.

Ich kann diese ständige Kürzungswut eh nicht verstehen. Natürlich gibt es Texte in denen der Autor hunderte schöne, aber sinnlose Formulierungen verwendet, um zu zeigen, wie gut er mit Worten umgehen kann. Das Gefühl habe ich bei dir aber nicht. Würde man alles rausstreichen, das für die Handlung überflüssig ist, würde man die Stimmung sicher zerstören.

Es gibt gute, erfolgreiche Autoren, die sich bis zu zweihundert Seiten lang seltsam lesen, bis man den Fluss ihrer Sprache nachfühlt. Mit deinem Stil kommt man (oder komme zumindest ich) dann doch verhältnismäßig schnell zurecht.

Jetzt im Detail:

Eine leichte Melancholie kommt über mich
-> Du beginnst den Absatz, indem du das Gefühl schlicht nennst. Wenn du es nennen willst, würde ich eher dahin führen. Noch besser würde es mir gefallen, wenn du es nicht nennen würdest und ich trotzdem an Melancholie denken muss. Sprachlich bekommst du das auf jeden Fall hin.

Bis dahin habe ich übrigens nichts zu meckern. Und bloß nichts streichen. Du ziehst mich kaum merklich immer weiter in die Stadt und zu deiner Figur.

Der sehr junge Verkäufer.
-> Hier würde ich in die Beschreibung lieber aufnehmen, warum er jung aussieht. Ob er das ist, kann der personale Erzähler ja gar nicht wissen.

Die Beschreibung der Waage könnte man tatsächlich kürzen. Oder sie ist eine Metapher, die sich mir momentan noch nicht 100% erschließt.

Ein freundlicher Mann
-> Ich würde nicht wörtlich erwähnen, dass er freundlich ist.

Der Dialog ist noch etwas ruckelig. Den könntest du noch ein wenig überarbeiten. Aber da kann ich ganz sicher keine Tipps geben.
Die (für die Handlung total überflüssige) Beschreibung des Tejo finde athmospherisch wieder sehr gut gelungen. Ich würde mir fast mehr davon und weniger Dialog wünschen. :D

Bildhauerschrift
-> Da kann ich mir leider nichts drunter vorstellen.

Jede Nacht piesacken ihn Träume von einer schöneren Welt
-> Piesackten? Tiagos Buch ist zur Haupt-Handlung ja vorzeitig, oder sehe ich das falsch?

Insgesamt enthält der Abschnitt über Tiago für meinen Geschmack zu viel Wiedergabe. Ich hätte zitierte Ausschnitte aus dem Tagebuch schöner gefunden. Du verlierst an dieser Stelle ein wenig meine Aufmerksamkeit, weil es mir zu monoton wirkt.

Er nicht. Er ist Portugiese! Für ihn scheint über einem ungerechten Planeten mild ein Stern mit tröstenden Strahlen. Die tasten über seine Seele und massieren sanft sein Herz ... eine sanfte Betäubung, die sich barmherzig auf den Leidenden senkt und ihn zwischen ihren Brüsten wärmt und liebkost.
-> Sehr schöne, stimmungsvolle Bilder fangen meine so eben entflohene Aufmerksamkeit sofort wieder ein.

Er kramt einige Münzen aus seiner Tasche, nimmt eine Bica und einen Schnaps. Ich entscheide mich für einen eiskalten Rosé.
-> Ich dachte es gibt nur Kirschschnaps und alle, die den nicht mögen, müssen gehen. Jetzt gibts auch Wein? Da musst du deine vorherige Formulierung nochmal überdenken. Oder ist hier nach dem Absatz ein Ortswechsel? Dann bitte auch deutlich machen.

Dem Gedicht hätte ein konsequentes Versmaß gut getan. Auch finde ich das hoch und tief und weit und breit ein bisschen billig.

Meine Macht als Autor wird mir plötzlich bewusst.
-> Für mich ist das ziemlich offensichtlich. Autoren können Zeugnisse schaffen und so Vergessen verhindern. Allerdings hätte ich mir über einen Absatz gefreut, in dem du hinterfragst, wer denn für dich oder deinen Protagonisten ein Autor ist. Das würde die Botschaft genauer definieren.

Das Ende reißt mich aus dem Kontext, das hätte ich weggelassen. Was ist seine Bedeutung?


Jetzt bleiben mir eigentlich nur noch zwei Dinge zu tun: Mariannas Taifun-Sauce lesen und noch viel wichtiger: Lissabon auf meine Städte-Reise-Liste setzen.
Danke für deine Geschichte

Liebe Grüße
blackfyre

 
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Lieber Josefelipe,

Lissabon, okay, das muss ich lesen, dachte ich mir. Denn, obwohl die Stadt mir beim zweiten Besuch in Gestalt zweier Diebstähle (und noch zunehmender Armut durch EU) die Zähne gezeigt hat, hat es den Zauber des ersten Besuchs nicht verloren. Und diesen Zauber, diese Zuneigung zu einer recht ambivalenten Stadt, das zeigst du auf jeden Fall. Atmosphäre, Sprache, Thema und Herangehensweise. Ich mag das.
Ich mag auch das Ende, weil die gestandene Kohlsuppe mit dem warmen Maisbrot was Tröstliches hat, und der Geschichte um den suchenden Tiago und seinen Verkünder etwas Rundes verleiht.
Dass die Ereignisse seltsam sind, das finde ich schön, es passt zu spanischer, lateinamerikanischer oder portugiesischer Literatur, da wird oft Realität mit magischem Denken verflochten und da kann es natürlich sein, dass so ein Tiago plötzlich aus den Heftseiten tritt und ein Gläschen Kirschlikör mit dem Erzähler zu sich nimmt.
Ich mochte auch die Idee, dass der Autor (ich mein jetzt den Icherzähler, nicht dich) dem Tiago zu einem späten Recht verhilft. Aber ich finde auch, dass du da zu knapp geworden bist. Rein inhaltlich.
Woran es aus meiner Sicht im Text gehapert hat, das sind ein paar Punkte, aber die könnt man beheben, das ist nichts, Aufregendes.
Einmal sollen ja Sprache und Philosophie Tiagos so beeindruckend sein, dass sie den Icherzähler zu Taten treibt, aber auch den Antiquitätenbesitzer ein wenig fasziniert. Sagt er ja auch. Und da lässt du der (behaupteten) Sprachgewalt eines Tiago so wenig Raum? Ich hätte ein wenig mehr "zitiert" aus seinem Heft, statt es zusammenzufassen. Die Haupthandlung ist ja schließlich das Geschehen um den Erzähler und Tiago, auch wenn ich es richtig finde, die Atmosphäre Lissabons so zu beschreiben, dass man begreift, warum Tiago von Lissabon so fasziniert ist, dass die Stadt ihn enttäuschen und korrumpieren, aber auch anziehen kann. Trotzdem solltest du darauf achten, dass Atmosphäre und Handlung nicht in ein Ungleichgewicht geraten. Im Moment tun sie das.
Zweiter Punkt, der Icherzähler will dem Tiago ein Denkmal setzen. Okay, aber wie? An der Stelle nimmt der Erzähler ein bisschen den Mund zu voll. Wenn er eine ergreifende Geschichte schreibt über Tiago oder einen wunderschönen Fado, warum erfährt der Leser das dann nicht? Es wär ja nicht viel, was du machen müsstest, nur eben diesen Punkt aufklären und ihm ein wenig Stoff geben.
Und der allerletzte Punkt. Die Eleonora, die große Liebe Tiagos, die kommt ein bisschen spät. Die hätte schon mal vorher in Tiagos Geschichte reingehört.

Und jetzt noch bisserl Detail:

Ich bin Autor und sitze im Nachtzug nach Lissabon.
Jaja, das gab’s schon mal, ich weiß – aber ich bin keiner, der Ideen klaut. Es entspricht der Wahrheit und deshalb kann ich nicht schreiben, dass ich im Frühzug nach Paris sitze.
Außerdem kann ich’s beweisen: Fahrkarte und Platzreservierung bewahre ich vorsichtshalber in meiner Brieftasche.
Cool. Okay, ein bisschen selbstverliebt vielleicht und mit der literarischen Bildung spielend, aber ich musste trotzdem total lachen, wie du das Buch hernimmst, um dein Spielchen damit zu treiben.

Aber wenn ich es recht überlege, dann ist es wohl wie mit Hedwig und Anja.
Hedwig steht am Bahnsteig, zuverlässig wie immer, hilft mir beim Gepäckschleppen und fährt mich in selbstloser Weise zu meiner Adresse. Klingt komisch, aber bei ihr will ich nicht logieren – sie hat es schon so oft angeboten.
Ich schlafe lieber bei Anja. Die steht nie am Bahnsteig.
Das ist schön.
Gut, da habe ich für einen Moment gedacht, es geht um zwei wirkliche Frauen. Wenn dir mal ein Thema fehlt, dann machst du einfach was aus den beiden. Ich hab erst später, als die beiden nie mehr auftauchten, kapiert, dass es Synonyme für die unterschiedlichen Seiten der Stadt sind. Aber wenn man ehrlich sein will, eigentlich schreibst dus auch so.

So schnell stirbt man nicht in Lissabon. Hier ist man lieber lange traurig als schnell tot.
Schön.

Das jedoch werde ich selbst erfahren.
Verrat nicht soviel vorweg. Ist auch keine inhaltliche Ankündigung, sondern so eine formelle. Würd ich nicht machen.

Aber egal, es ist abgerissen worden, wie das restliche Barockviertel. Bald wird sich die Welt auch nicht mehr an meinen Namens erinnern.
an meinen Namen
oder meines Namens. Klingt aber eitel. So nach dem Motto: Ich kann Genitiv, was kannst du?

Dazwischen stimmt es macnhmal nicht mit der Zeilenforamtierung, da bricht der Satz mitten drin ab und rutscht in die nächste Zeile. Irritiert beim Lesen.

Es ist kein vornehmes Grau, kein nobles Platin, es ist eher die Farbe schmelzender Gletscher. Sein Blick jedoch hat nichts an lustiger Wachheit eingebüßt.
Der Gletscher ist schön, kann mir die Bartfarbe gut vorstellen. So schwärzliche Krissel sind da drin.

„Das war Tiagos Idee: Der Käufer seiner Waage könnte viel mit Schriftlichem zu tun
haben“, erklärt Nuno Carvalho. „Beim Lesen würde der vielleicht Tiagos Gedanken verstehen, seinen Freunden davon erzählen, sie möglicherweise sogar veröffentlichen.
Tiago litt unter der Angst, umsonst gelebt zu haben. Er wollte etwas hinterlassen, müssen Sie wissen.“
Das Kursive ist mir zu lang und zu verwaschen formuliert. Das, was du ausdrücken willst, das wird durch die anderen Zeilen aus meiner Sicht viel viel stärker betont. Bei den kursiven Zeilen hat man das Gefühl, du willst dem Leser erklären, erklären, erklären. Aber wenn man sagt, er litt unter der Angst, umsonst gelebt zu haben. Und Er wollte ead hinterlassen, dann reimt sich ein jeder das Passende dazu.

So, bis hierhin hab ich Zeit, jetzt mach ich wieder was anders.
Viel Spaß noch mit dem Geschichtchen.
Viele Grüße von Novak

 
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Hola blackfyre,

dank Amelies seherischen Fähigkeiten und Deiner Opferbereitschaft bekomme ich doch noch nette Post.
Ich danke Dir.

du erschaffst mit deinen Worten eine wunderbare Stimmung, in die ich gern eingetaucht bin

Da lese ich viel Erfreuliches.
In der Tat hechelt man nach anerkennenden Worten, wenn man eine Geschichte neu eingestellt hat. Aber das hält uns auf Trab. Jedoch:

Sie ist sicher nicht perfekt

Doch, ist sie. Du bist nur zu kritisch.

Ich kann diese ständige Kürzungswut eh nicht verstehen ... Würde man alles rausstreichen, das für die Handlung überflüssig ist, würde man die Stimmung sicher zerstören.

Du triffst den Nagel auf den Kopf! Wozu unser Wortreichtum, wenn wir ihn nicht nutzen (dürfen)?

Bis dahin habe ich übrigens nichts zu meckern. Und bloß nichts streichen. Du ziehst mich kaum merklich immer weiter in die Stadt und zu deiner Figur.

Verlass Dich auf mich – ich streiche nichts!

Der sehr junge Verkäufer.
Hier würde ich in die Beschreibung lieber aufnehmen, warum er jung aussieht. Ob er das ist, kann der personale Erzähler ja gar nicht wissen.

Stimmt. Ich bin ganz Deiner Meinung. Das ‚sehr’ war blöd und ich hab’s gestrichen. Wenn ich’s aber detaillierter beschriebe – würde das nicht zu wortreich?

Die Beschreibung der Waage könnte man tatsächlich kürzen. Oder sie ist eine Metapher, die sich mir momentan noch nicht 100% erschließt.

Eine Metapher ist sie nicht, aber das ist eine großartige Idee!

Bildhauerschrift ... Da kann ich mir leider nichts drunter vorstellen.

Kann ich mir denken. Dieses geniale Wort ist ja auch meine Schöpfung!
Jetzt im Ernst: Ich sah mal eine Schrift, bei der der Schreiber nur Großbuchstaben verwendete. Vielleicht dachte er an die Keilschrift der Babylonier, jedenfalls wirkte jeder Buchstabe wie gemeißelt.
In unserem Fall wollte ich Tiagos Schrift als ungelenk und bäurisch darstellen.

Jede Nacht piesacken ihn Träume von einer schöneren Welt
-> Piesackten? Tiagos Buch ist zur Haupt-Handlung ja vorzeitig, oder sehe ich das falsch?

Das, was Tiago in sein Heft geschrieben hat, gebe ich insgesamt im Präsens wieder, weil es mir ja als etwas Gegenwärtiges vorliegt.

Insgesamt enthält der Abschnitt über Tiago für meinen Geschmack zu viel Wiedergabe. Ich hätte zitierte Ausschnitte aus dem Tagebuch schöner gefunden. Du verlierst an dieser Stelle ein wenig meine Aufmerksamkeit, weil es mir zu monoton wirkt.

Das ist wirklich eine Schwachstelle. Novak bemängelt ebenfalls diesen Punkt. Mein Problem ist, dass ich kein Material habe, das ich zitieren könnte. Ich müsste erst mal Hausaufgaben machen und Tiagos Heft schreiben.

-> Sehr schöne, stimmungsvolle Bilder fangen meine so eben entflohene Aufmerksamkeit sofort wieder ein.

Gerettet!!

Insgesamt enthält der Abschnitt über Tiago für meinen Geschmack zu viel Wiedergabe. Ich hätte zitierte Ausschnitte aus dem Tagebuch schöner gefunden.
Er kramt einige Münzen aus seiner Tasche, nimmt eine Bica und einen Schnaps. Ich entscheide mich für einen eiskalten Rosé.
Ich dachte es gibt nur Kirschschnaps und alle, die den nicht mögen, müssen gehen. Jetzt gibts auch Wein? Da musst du deine vorherige Formulierung nochmal überdenken. Oder ist hier nach dem Absatz ein Ortswechsel? Dann bitte auch deutlich machen.

Ja, hab’ ich gemacht: Oberhalb der Alfama finden wir ein billiges Lokal.

Dem Gedicht hätte ein konsequentes Versmaß gut getan.

Ich könnte versuchen, mich mit der Bemerkung rauszureden, für Tiagos Dichtkunst nicht zuständig zu sein, aber das ist nicht in Ordnung. Interessant finde ich Deinen Einwand:

Auch finde ich das hoch und tief und weit und breit ein bisschen billig.

Gerade hier dachte ich, Tiagos Schlichtheit darstellen zu können, die ja für meinen Geschmack auch ihre Qualitäten hat. Das hat wohl nicht hingehauen.

Meine Macht als Autor wird mir plötzlich bewusst.
Für mich ist das ziemlich offensichtlich. Autoren können Zeugnisse schaffen und so Vergessen verhindern.

Menschenskind blackfyre! Du bist siebzehn! Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich Leute wie Dich bewundere. Wenn ich bedenke, was ich für ein Heini mit siebzehn war!
Aber damals war das wurscht.
Jetzt nicht mehr, Leute wie Du müssen die Welt retten!
Nee, nicht für die Senioren – für Euch.

Das Ende reißt mich aus dem Kontext, das hätte ich weggelassen. Was ist seine Bedeutung?

Das ist für heute das letzte Mal, dass ich Dir recht gebe – deshalb habe ich es auch flugs gestrichen. (Der kindische Gedanke war, dass sich der Kreis von Anja am Anfang mit Anja am Ende zu schließen habe - wie sich das zumindest theoretisch gehört.) Danke für den Tipp!

Jetzt bleiben mir eigentlich nur noch zwei Dinge zu tun: Mariannas Taifun-Sauce lesen und noch viel wichtiger: Lissabon auf meine Städte-Reise-Liste setzen.
Wenn Dir die Saucen-Geschichte zu schräg ist, empfehle ich „Winterspaziergang“, obwohl der nun wirklich nicht in die Jahreszeit passt – aber da war ich ernsthaft ernsthaft.
Und von einer Lissabonreise in Deinem Alter würde ich abraten: Die Sensoren für Lissabons Macken wachsen erst nach dem vierzigsten Geburtstag – quasi nach der zweiten Scheidung.

Blackfyre – Du hast mir imponiert.

José

 

Oha, ein neues Werk von meinem Amigo josefelipe, da dachte ich mir, ran ans Werk ...

Diesmal Lissabon, die Stadt, die noch darauf wartet, von mir entdeckt zu werden. Gut, heute schon einmal einen Vorgeschmack über diese Stadt, besser, in ihr vorherreschendes Lebensgefühl, erhalten zu haben.

Tja, ich schreibe meinen Kommentar unter dem Eindruck des einmaligen Lesens der Geschichte. Die anderen Kommentare lese ich mir später durch; Unvoreingenommenheit ist des Kommentators erste Bürgerpflicht!

Mein erster Eindruck: Eine atmosphärische Geschichte, die nicht zu den einfacheren Sachen des josefelipe gehört.

Gut zu lesen, nicht ganz einfach zu verstehen.
Was ich verstanden habe: Ein Autor verbringt seine Zeit in Lissabon, kehrt zurück, möchte über die Stadt schreiben. Kehrt an Orte zurück, an denen er früher bereits einmal gewesen ist.
Eine Waage und eine dazugehörige alte Klatte eröffnet ihm das Leben des Seemanns Tiago, der von nun an als Schattenumriß neben ihm steht.
Realität und Phantasie fließen ineinander, richtig?
Letztlich die message, ohne die diese Geschichte nicht auskommen sollte: Du lebst nicht umsonst!

Steigen wir ein:

Und doch kommt leises Sehnen auf, fast höre ich die Geburtswehen der adlergekrönten Kaffeemaschine, wenn sie meinen kleinen Schwarzen, die Bica, mit Keuchen und Schnaufen aus sich herauspresste.

josefelipe at his best, so liebe ich ihn!

( ... ) steht man ( ... )

Muß es nicht heißen "stehe ich" ?

Ich lese: ‚Ich kann hier nicht bleiben. Die ganze Welt lebt nach ihren Plänen und Zielen, aber ich kenne so etwas nicht. ( ... )

Den ganzen nachfolgenden Teil habe ich so gedeutet, dass Tiago sozusagen im Schnelldurchgang vorgsetellt wird: Sein Leben, seine Wunden, seine Liebe und Sehnsüchte.

Gefällt mir gut, ist aber recht stark gestrafft; ich sage immer wieder, es gibt kaum Schwierigeres als erlebte und gelebte Zeit in einer KG zusammenzufassen, ohne das sie übermächtig wird. Meiner Meinung nach ist dir das ganz gut gelungen.

Geräuschlos lässt sich Tiago neben mir nieder. Es überrascht mich nicht. Anstandshalber rücke ich ein wenig zur Seite.
Er sagt: „Danke“.
Ich weiß nichts zu sagen.
Wir schweigen.

Dies habe ich so verstanden, dass Tiago nicht wirklich neben ihm sitzt, sondern in Phantasie, beflügelt durch das lesen der Klatte, oder?

Falls ich mit meiner Vermutung richtig liege, passt dies meiner Meinung nach nicht richtig:

Oberhalb der Alfama finden wir ein billiges Lokal.

Das ist mir zu gegenständlich für einen Tagtraum; genau wie das:


Er ist nicht gut drauf

Das passt weder zu dem Tagtraum noch zu den anderen, teilweise sehr schönen Beschreibungen.


Mehr, lieber josefelipe, fällt mir im Moment nicht ein. Bin auf der Arbeit, Mittagpause bei Wasser und Brot, woher soll da die Inspiration kommen?

Bis bald,

Freegrazer

 

Hallo josefelipe,

gerade habe ich gesehen, dass du deinen Text heute geändert hast. Die erste Fassung habe ich leider nicht gelesen.

Ich weiß nicht genau, ob ich deine Geschichte richtig verstanden habe. Dein Prot. ist Autor und fährt mit dem Zug nach Lissabon. Erinnerungen an einen früheren Besuch stimmen ihn erwartungsvoll und er besucht bekannte und beliebte Plätze und Läden. Unter anderem einen Antiquitätenladen, in dem er zwanzig Jahre zuvor eine Briefwaage erworben hatte. Der Verkäufer ist noch derselbe, wie damals und erkennt ihn wieder und händigt ihm das blaue Schulheft aus, das er auf Anweisung von Tiago nur zusammen mit der Waage verkaufen durfte, dies aber versäumt hat. Dann liest dein Prot. in dem Heft und ist von dem, was Tiago dort aufgeschrieben hatte, begeistert. Und dann erzählst du die Geschichte, die dein Prot. als Autor über Tiago schreiben will, um ihn bekannt zu machen und ihm ein Denkmal zu setzen. Habe ich das so richtig kapiert?
Ich hatte nämlich beim Lesen an dem Punkt, wo Tiago sich neben ihm niederlässt, einen kleinen Hänger, weil ich plötzlich nicht so richtig wusste, wo der herkam.

Also erst einmal ein Wort zum Text: Ich finde ihn gut geschrieben. Vielleicht ist er für Leser, die Lissabon (oder Lisboa) kennen, interessanter zu lesen. So ist es etwa wie Urlaubsbilder von und bei Freunden ansehen. Als dein Prot. im Laden ist, kommt bisschen Leben in die Geschichte, sonst ist es wie eine Reisebeschreibung zu lesen. Aber du malst schöne Bilder. Ja, und der Teil mit Tiago lässt mich ein bisschen seine Faszinierung des Textes im blauen Heft vermissen. Wie ich das lese, fühlt es sich an, als hätten die sich dort wirklich nur getroffen und Tiago erzählt ihm von seinem Fern- und Heimweh. Aber was macht Tiago aus, damit ihm ein Denkmal gesetzt werden muss? Das kam für mich nicht so richtig raus.

Fehler habe ich keine gefunden, der Text ist solide geschrieben, wie alles von dir.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hola Novak,

ich freue mich, dass Du meine Geschichte kommentierst – und dass Du Lissabon magst (trotz der bösen Buben).
Hab Dank für Deine Mühe. Ein solcher Kommentar nützt und ich schreibe mir einiges hinter die Ohren.
Was ohne großen Aufwand zu verbessern war, habe ich getan – bei anderen Punkten wäre es schwieriger. Ich habe bei Veränderungen im Text immer das Problem, dass sich die bearbeitete Stelle meist nicht nahtlos in den Kontext einfügt, wenn man nicht auch die Nachbarsätze der neuen Situation anpasst. Aber Deine Tipps kann ich auch gut für die nächsten Geschichten gebrauchen.

Cool. Okay, ein bisschen selbstverliebt vielleicht und mit der literarischen Bildung spielend,

Die lit. Bildung gibt es leider nicht. Dieser Aufhänger sollte lediglich die gleiche Funktion haben wie bei „Marianna’s Taifun-Sauce“ der falsche Apostroph.

Ich hätte ein wenig mehr "zitiert" aus seinem Heft, statt es zusammenzufassen.
blackfyre sagt das auch. Hier muss ich den Offenbarungseid leisten: Ich habe kein Material, aus dem ich „zitieren“ könnte, also müsste ich erst einmal Tiagos Heft schreiben. Das wäre ja wie eine zweite Geschichte?

„Das jedoch werde ich selbst erfahren.“
Verrat nicht soviel vorweg. Ist auch keine inhaltliche Ankündigung, sondern so eine formelle. Würd ich nicht machen.

Danke. Hab’s jetzt mit Fragezeichen versehen: „Aber vielleicht werde ich das selbst erfahren?“

Zweiter Punkt, der Icherzähler will dem Tiago ein Denkmal setzen. Okay, aber wie? An der Stelle nimmt der Erzähler ein bisschen den Mund zu voll. Wenn er eine ergreifende Geschichte schreibt über Tiago oder einen wunderschönen Fado, warum erfährt der Leser das dann nicht?

Oh, hier dachte ich, deutlich genug zu sein:

Zitat Joséfelipe:

Ich greife zu meinem Schreibzeug.
Ich bin Tiago etwas schuldig.
Meine Macht als Autor wird mir plötzlich bewusst.
... aber ich kann (verbessert: werde) ihm ein Denkmal setzen.


No problem. Alles wird gut. Hoffentlich schon in einer der nächsten Geschichten!

Beste Grüße an Dich!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Freegrazer,

Gut zu lesen, nicht ganz einfach zu verstehen.

Weil:

Realität und Phantasie fließen ineinander, richtig?

Absolut.

( ... ) steht man ( ... )
Muß es nicht heißen "stehe ich" ?

Hab ich geändert. Bin mir nicht sicher, ob das muss, weil der vorhergehende Satz lautet:

einer dieser Lissabonner Momente, in denen man allein ist, ...

Aber die Welt wird sich weiter drehen.

Gefällt mir gut, ist aber recht stark gestrafft; ...

Ja, die eigentliche Geschichte ist ein gutes Stück länger, da musste ich mit der Schere rangehen, um sie auf KG-Format zu stutzen. Das tat weh!:crying:

Zitat von josefelipe
Er ist nicht gut drauf ...
Zitat Freegrazer: Das passt weder zu dem Tagtraum noch zu den anderen, teilweise sehr schönen Beschreibungen.

Da hast Du so was von recht! Erst hab ich’s geändert, dann die ganze Zeile entfernt. Danke!

Tja, mein Lieber – da sind wir wieder mal durch. Ich danke Dir für’s Kommentieren und Korrigieren. Im Moment ist ganz schön action bei den Wortkriegern, ich kriege gar nicht alles mit. Da ist es gut zu wissen, dass im Internet nichts verloren geht.
Wenn der 3D-Guss ausgereift ist, will ich auch eine Kopie von mir machen – für die Nachwelt.
Aber bis dahin hören wir noch voneinander, hoffe ich. Bleib gesund!
José

Apropos Gesundheit: Wenn Du nur Wasser und Brot mittags zu Dir nimmst, musst Du Dich nicht wundern, dass die Inspiration ausbleibt. Probier mal Hefeweizen und sauren Hering!

 

Apropos Gesundheit: Wenn Du nur Wasser und Brot mittags zu Dir nimmst, musst Du Dich nicht wundern, dass die Inspiration ausbleibt. Probier mal Hefeweizen und sauren Hering!

Hi josefelipe,

da will ich mal direkt drauf antworten, weils ein guten Tip war: Ja, das Hefeweizen ließe sich machen, obwohl bei mir auf der Arbeit (nee, im Dörfchen wo ich schaffen tu) traditionell eher Kölsch auf der Liste steht. Okay, das kriege ich schon irgendwie hin, aber Hering?

Brrr, nie mein Ding gewesen.

Hast aber sowas von recht: Inspiration gedeiht in einem gesunden Geiste, der in einem Körper wohnt, der ordentlich behandelt werden möchte; tja, Brot und Wasser gehen da gar nicht, stimmt! :)

Von mir Grüße runter an die Donau, bis bald, mon ami!

Freegrazer

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber blackfyre, wir sind uns hier noch nicht begegnet und ich weiß, das Folgende ist off-Topic, aber du hast mein Herz erreicht mit dem hier:

Ich kann diese ständige Kürzungswut eh nicht verstehen. Natürlich gibt es Texte in denen der Autor hunderte schöne, aber sinnlose Formulierungen verwendet, um zu zeigen, wie gut er mit Worten umgehen kann. Das Gefühl habe ich bei dir aber nicht. Würde man alles rausstreichen, das für die Handlung überflüssig ist, würde man die Stimmung sicher zerstören.

Das ist mein Hauptproblem beim Schreiben. Ich erzähle gerne Dinge neben der Handlung, schmücke aus und versuche, Atmosphäre wiederzugeben und bekomme dafür immer wieder Prügel: Das muß weg und das ist überflüssig und was soll das ... ich gerate soeben wieder in Rage.

Kommt mir vor, als würde unsere schnelllebige Zeit uns vorgeben, nur noch direkt auf den Punkt zuzusteuern. Josefelipe, mein lebenserfahrener Freund der Frauen, weiß, dass das in der Liebe oftmals kontraproduktiv ist und innige Moment zerstört, in der Literatur wird diese Forderung aber immer dominanter.

Wehrt euch!

Gruß, Freegrazer, (der mal ganz gerne ziellos rumschwafelt) :lol:

 

Hola Khnebel,

gerade habe ich gesehen, dass du deinen Text heute geändert hast. Die erste Fassung habe ich leider nicht gelesen.

Ich tappe im Dunklen; kann mich nicht erinnern, den Text geändert zu haben. Wohl habe ich Freegrazer geantwortet, dass ich eine Zeile entfernt habe – er hatte da etwas völlig zu Recht moniert. Aber wie dem auch sei – so richtig zufrieden bist Du mit der Lektüre nicht:

So ist es etwa wie Urlaubsbilder von und bei Freunden ansehen.

sonst ist es wie eine Reisebeschreibung zu lesen.


Ja, das ist schade, dass Du das so empfindest.
Nämlich genau das hatte ich auf gar keinen Fall gewollt, denn ich las mal im Forum „Die Seufzerbrücke“, eine KG über Venedig – und empfand diesen Text wie eine Stadtbesichtigung. Also nahm ich mir vor, auf keinen Fall typische Begriffe für Lissabon einzubauen.
Zugegeben, drei Sünden gibt es: „Mais o menos“ – für etwas Lokalkolorit, doch alle Sangria-Trinker kennen „Mas o menos“.
Alfama – die Altstadt. Aber für die Alhambra würde mir auch kein anderes Wort einfallen.
Und Bairro Alto – die Oberstadt mit ihren Fado-Lokalen.
Ich dachte, diese sparsame Dosierung verträgt der Text. Fazit: Ich irrte!

Aber du malst schöne Bilder.

Dieser Trost kommt gerade noch rechtzeitig. Ich hatte schon Schlimmes im Sinn.

Aber was macht Tiago aus, damit ihm ein Denkmal gesetzt werden muss? Das kam für mich nicht so richtig raus.

Tiago war ein Philosoph, ich leider nicht. Ich habe nicht genug Hirnwindungen für komplizierte Gedankengänge – und was wirklich in Tiagos blauem Heft stand, wird ein Notar erst nach meinem Tode bekannt geben. Bis dahin müssen wir spekulieren.
Ein Scherz, nur ein Scherz! Aber es soll ernsthaft weitergehen:
In meinem Privat-Weltbild sind die "großen Persönlichkeiten" immer weiter weggerückt.
Jetzt kann ich sie nicht mehr sehen – und ich will sie auch nicht mehr sehen!
Über die Jahre wurde mir immer klarer, dass die echten Helden die kleinen Leute sind. Mit all ihren Macken, über die die ganze Welt lacht – aber mit ihrer Zuverlässigkeit, Tag für Tag und Jahr für Jahr! Die halten den ganzen Laden in Schwung!!
Na ja – und Tiago war einer von ihnen. Somit schließt sich der Kreis, denn einem Helden muss man ein Denkmal errichten!

Fehler habe ich keine gefunden, der Text ist solide geschrieben, wie alles von dir.

Das passt. Dann stimmt wenigstens die Basis. Die Meisterschaft werde ich wohl in diesem Leben nicht erreichen, aber vielleicht klappt es später mal - nach der Wiedergeburt:dozey:

Khnebel, vielen Dank für Deinen Kommentar!

José

 

Hallo José,

Ich tappe im Dunklen; kann mich nicht erinnern, den Text geändert zu haben.

Sorry, ich hatte nur den Änderungsvermerk unten rechts gesehen, und vermutete eine Neufassung :)

Ja, das ist schade, dass Du das so empfindest.

Nein, nein, ich meine das in keinem Fall negativ. Ich habe mich vielleicht ein bisschen ungeschickt ausgedrückt. Du führst den Leser durch Lisboa. Ich kann auch deinem Prot. folgen, dass er einen Text über die Stadt schreiben will und deshalb noch einmal dorthin fährt und dann eben das noch fehlende Teil zu seiner Briefwaage bekommt, nämlich das Heft, und das den weiteren Fortgang deiner Geschichte bestimmt. Ich gehe nicht aus dem Zimmer, wenn wir bei Freunden Urlaubsbilder aussehen, wir zeigen doch selber gerne welche :).

Also, nicht traurig sein,
Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo josefelipe

Habe als Tourist vor einigen Jahren die Hauptstadt Portugals am Ufer des Tejo besucht, im Vorfeld dazu "Nachtzug nach Lissabon" gelesen und sogar den Film gesehen. Somit war deine Geschichte für mich ein Muss. Erinnerungen wurden wach, aber leider konntest du mich nicht ganz vom Bahnhof abholen. ;)

Zum einen dementierst du jeglichen Zusammenhang mit Pascal Merciers Roman, doch im weiteren Lesen werde ich an allen Ecken und Enden an die grossartige Geschichte des schrulligen Lehrers Raimund Gregorius erinnert, der in einem Berner Antiquariat auf ein Buch des Autors Almeida Prado stiess, der als Arzt und Philosoph zur Zeit der Salazar-Diktatur in Portugal lebte.
Gibt's bei Mercier dieses vergilbte Büchlein mit einer tragischen Lebensgeschichte, ist es bei dir das blaue Buch des Seemanns Tiago - (was mir Prados blaues Haus in Erinnerung rief). Ebenfalls zieht es deinen Prot in die Gedanken und Worte eines anderen Autors und nimmt ihn mit auf die Reise seiner eigenen Vergangenheit.

Doch ich will mich da jetzt gar nicht gross festbeissen, denn deine Erzählung über die "Heimkehr" deines Prots in sein geliebtes Lisboa, hat schon auch seine Wirkung erzielt bei mir. Deshalb sei hier gleich mal eine Perle angeführt:

Auch wer keinen Kirschlikör mag, muss ihn hier trinken – oder wieder gehen, denn es gibt nur den. Aber gut ist er, dafür leg’ ich meine Hand ins Feuer. In meinem Fall beschert mir diese kleine Stimulans noch ein amüsantes Wiedersehen, denn mir fällt die Rua do Loureiro ein. Ja, da will ich noch mal hin!
Ginjinha. Ich kenne ihn, aber auch wer ihn nicht kennt, kann erahnen, dass es sich da um ein richtig typisch lokales Getränk handelt, wird er doch an jeder Ecke touristisch vermarktet, mal als "echtes" Original, mal mit kleinen Probier-Gefässen aus Schokolade, aber eigentlich nur an diesem Ort "A Ginjinha" seine Magie entfaltend. Oder wenigstens die Magie der Geldvermehrung.:D

Was ich sagen will, es verträgt immer etwas Lokalkolorit, ohne dabei aus einem Reiseführer zu zitieren, es reicht, wenn du Ortsnamen und Bräuche einflechtest, ohne dass sie tragende Säulen deiner Geschichte bilden.

Aber egal, es ist abgerissen worden, wie das restliche Barockviertel. Bald wird sich die Welt auch nicht mehr an meinen Namen erinnern. Was macht das schon?
Sehr viel. Ist es nicht genau das, was dein Prot mit der Reise nach Lisboa versucht festzuhalten? Seine Erinnerung an einen Lebensabschnitt über den Tod hinaus zu bewahren, und tatsächlich in den Worten des verzweifelten Tiagos eine noch grössere Leidenschaft für diese ambivalente Stadt voller Gegensätze und Schwermut zu entdecken mit dem festen Vorsatz, das wird mein und sein Vermächtnis.

Und doch kommt leises Sehnen auf, fast höre ich die Geburtswehen der adlergekrönten Kaffeemaschine, wenn sie meinen kleinen Schwarzen, die Bica, mit Keuchen und Schnaufen aus sich herauspresste.
Hier vermisse ich nur noch die "pastei de nata", ein omnipräsentes Blätterteigtörtchen, wie der Kirschlikör nicht aus Lissabon wegzudenken. ;)

Am Ende wirkt dein Text ein bisschen wie das Editorial zum Roman deines Autors, doch dadurch verliert meiner Meinung der Text an Gewicht. Ich hätte gerne im Text selber noch ein paar Stellen gelesen, die Gefühlswelt deines Protagonist mit den früheren Aufzeichnungen Tiagos verschmilt. Etwas mehr Geschichte in der Geschichte.

Aber trotzdem - mit klitzekleinen Abstrichen - wirklich gerne gelesen.
Gruss dot

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola dotslash,


aber leider konntest du mich nicht ganz vom Bahnhof abholen.

Perdão, ich hatte mich mit der Zeit vertan, und Hedwig war in Sintra, an diesem Tage also verhindert. Anja hätte einspringen können, aber auf die ist kein Verlass. Es ist immer wieder dasselbe. Und jetzt noch Dein Kommentar!
Das fängt ja gut an! Unversehens befinde ich mich in der schier unerträglichen Situation, Deine penetranten Plagiatsvorwürfe entkräften zu müssen!

Zum einen dementierst du jeglichen Zusammenhang mit Pascal Merciers Roman,
doch im weiteren Lesen werde ich an allen Ecken und Enden an die grossartige Geschichte des schrulligen Lehrers Raimund Gregorius erinnert, der in einem Berner Antiquariat auf ein Buch des Autors Almeida Prado stieß ...

Glaub’s oder glaube es nicht: Wie ich Deinen Komm las, blieb mir der Mund offen stehen.
Dann hab ich’s meiner Frau erzählt. „Das gibt’s doch nicht!“, sagt die.
„Wie Du siehst, wohl doch.“
Wie auch immer – es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder bin ich ein alter Abkupferer oder ein Ehrenmann.
Selbstverständlich bin ich letzteres::sconf: Als Plagiateur hätte ich wohl nicht den Zeilen von Albatros die Originalzeilen von Herbert Malecha gegenübergestellt.

Den Titel des Romans kenne ich aus einer Bestsellerliste. Oder aus einer Literatursendung. Lange her, doch so ein Titel prägt sich ein!
Aber den Namen des Autors kannte ich nicht – vom Inhalt ganz zu schweigen.

Diese Ähnlichkeit ist schon frappierend, beinahe überwältigend. Beweisen kann ich meine Lauterkeit nur mit fliegenden Blättern, die das Entstehen der Geschichte belegen (leider nicht datiert). Statt Tiago handelte es sich anfangs um eine Stewardess, wegen der ich Madeira verlassen hatte, um mit ihr eine unbestimmte Zeit in Lissabon zu verbringen. Später fiel mir ein Tiago ihrer Familie ein. Die Geschichte ist zur Hälfte autobiographisch, selbst die D.R.P.- Briefwaage steht hier neben meinem Rechner. Gekauft in den frühen Siebzigern, und als Maskottchen beim Schreiben der Geschichte unentbehrlich.

nur an diesem Ort "A Ginjinha" seine Magie entfaltend. Oder wenigstens die Magie der Geldvermehrung.

In diesem Mini-Ausschank hatte ich den etwas wortkargen Ausschenker durch einen Automaten ersetzt, der in zwölf Sprachen den Trinkenden ‚Prost’ zuruft, sich aber in der Portionierung vertut, sodass Tiago (früher die Stewardess) und ich bis zu den Knöcheln im Kirschlikör stehen. Aber dann überkamen mich doch Bedenken und ich hab’s gestrichen.

diese kleine Stimulans

Lt. Duden > Das Stimulans <. (Ich hätte ‚kleine Stimulanz’ geschrieben);)

Whatsoever, dotslash – ich habe mich sehr gefreut, dass Dein Name auf der Kommentatoren-Seite erschien, denn ich lese Deine Komms ja auch anderswo. Die sind jedes Mal ziemlich gut!

Am Ende wirkt dein Text ein bisschen wie das Editorial zum Roman deines Autors, doch dadurch verliert meiner Meinung der Text an Gewicht.

Da kann ich Dir nur recht geben; das ist leider so. Das wäre zu verbessern, aber nach einem Vierteljahr schreiben und streichen musste / wollte ich mal zum Ende kommen. Das war wohl ein Fehler – Du hast es bemerkt.

Ich hätte gerne im Text selber noch ein paar Stellen gelesen, die Gefühlswelt deines Protagonist mit den früheren Aufzeichnungen Tiagos verschmilt. Etwas mehr Geschichte in der Geschichte.

Ich eigentlich auch. Aber die „Ponte dei Sospiri“ von BlueNote war mir ein warnendes Beispiel. Deshalb gibt’s auch keine Rahmtörtchen.

Aber trotzdem - mit klitzekleinen Abstrichen - wirklich gerne gelesen.

Danke. Und ebenso gern geantwortet.
José

 

In diesem Mini-Ausschank hatte ich den etwas wortkargen Ausschenker durch einen Automaten ersetzt, der in zwölf Sprachen den Trinkenden ‚Prost’ zuruft, sich aber in der Portionierung vertut, sodass Tiago (früher die Stewardess) und ich bis zu den Knöcheln im Kirschlikör stehen. Aber dann überkamen mich doch Bedenken und ich hab’s gestrichen.
:lol:

Ich schmeiss mich weg, das wäre gesellschaftskritisch gesehen ein schöner Wurf gewesen, denn die Warteschlange zahlungswilliger Touris für das "Original" in diesem "heiligen Ausschank" war so lang, wie der Elevador de Santa Justa hoch. Gibt's den Kirsch doch an jedem Marktstand.

Unversehens befinde ich mich in der schier unerträglichen Situation, Deine penetranten Plagiatsvorwürfe entkräften zu müssen!
Aber nicht doch, verstehe meine Worte bitte nicht als Plagiatsvorwurf, ich dachte halt, du kennst den Roman von Mercier und hast dich deswegen so penetrant davon distanziert. :p
Eigentlich ist es sogar dieser Auftakt, der mich aufhorchen liess und ich dadurch Parallelen "entdeckte" (oder entdecken wollte?)
Und hei, Ehrensache: Ich glaube dir die Eigenständigkeit des Textes, denn es sind wirklich nur marginale Berührungspunkte. Ich für meinen Teil hätte das Dementi am Anfang einfach weggelassen ( - ok, Novak gefiel's, also lass es drin - ) und wäre direkt mit dieser inneren Zerrissenheit "Lissabon oder Lisboa? Nie kann ich mich entscheiden. " eingestiegen.

Liebe Grüsse,
dot

 

Lieber José

Das hat mir echt gut gefallen. Ich kannte den Nachtzug auch bereits, finde aber, dass das deinem Text nicht schadet, auch wenn er in einigen Punkten stark an Merciers Roman erinnert.
Ich muss mir diese Stadt unbedingt mal anschauen, die Atmosphäre muss unbeschreiblich sein, wenn Sie auf Autoren eine solche Wirkung hat. Echt, ich fand das gut, ich konnte mir die Stadt wirklich vorstellen und hab den Text gern gelesen.

Nur an den Dialogen kannst du noch etwas feilen, finde ich.

Hier ein Beispiel:

Ich habe Ihnen die Waage versehentlich ohne das Heft gegeben. Mein Fehler. Ob Sie damit wirklich etwas anfangen können, kann ich mir nicht vorstellen, aber jetzt hat ja alles seine Ordnung

Ich kann dir ehrlich gesagt nicht genau sagen, an was es liegt, aber das kommt unnatürlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der in der Situation wirklich "Mein Fehler." gesagt hat. Auch geht das zu schnell: Ich hab einen Fehler gemacht, keine Ahnung ob's was bringt und jetzt is alles in Ordnung. Zack zack zack. Verstehst du, was ich meine? Vielleicht seh ich das auch falsch, war nur mein Eindruck beim Lesen.

Lieber Gruss
Graziano

 

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