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Little shop of Horror

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01.09.2002
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Little shop of Horror

Ein Traum in Silber, 4 Räder, um die 12 kg schwer, angetrieben von knapp 0,5 Pferdestärken. Vor mir die Piste...auf den ersten Blick eine anspruchslose Strecke, auf den ersten Blick...Die lange Gerade nimmt mir die Sicht auf die erste Linkskurve, eine Passage die Mut erfordert. Doch ich kenne die Strecke aus dem eff efff...Meine schweißigen Hände umklammern das rote Plastik, ich blicke nach rechts. Meine Frau schaut irgendwie abwesend und trotzdem hochkonzentriert, sie ist Profi. Während anderen Wagen an uns vorbeiziehen, bleiben wir cool; meditativ ins uns gekehrt gehen wir gedanklich noch einmal die Strecke durch.
Urplötzlich erfolgt dann der Start und keine zehn Sekunden später sind wir durch das Drehkreutz...Ich nehme Fahrt auf, links und rechts flitzen Toaster und elektrische Zahnbürsten an mir vorbei. Ich sehe den Tisch mit den Videocassetten, das ist der Bremspunkt zur Linkskurve. Kein wirkliches Problem für mich, der Einkaufswagen ist noch leer und leicht zu steuern. Als ich aus der Kurve hinaus beschleunige, sticht mir das satte Grün des Kopfsalat direkt ins Auge. Unser erster Stop, die Obst und Gemüseabteilung.
"Hast du keinen Werbeprospekt mitgenommen...?"
Die Frage trifft mich unvorbereitet und klingt auch eigentlich mehr wie ein Vorwurf. Noch bevor ich antworten kann, erhalte ich Order.
"Geh noch mal zur Information zurück und hol einen Handzettel"
Ich zucke mit den Schultern und eile zum Informationsschalter zurück. Hier scheint alles perfekt organisiert, auf einem kleinen Tischchen liegen fein in Stapeln sortiert die bunten Werbeblättchen. Fast automatisch werfe ich einen Blick auf das Prospekt.
"Unverschämt günstig..." mit drei dicken Ausrufezeichen, kann ich da lesen. Das macht neugierig. 1kg Schweinenackenkotlett für 3.99 Euro. So, so...und 500gr Genießer Kaffee für 3.29 Euro. Hmmm...ich bin nicht wirklich beeindruckt. Bevor ich mich weiter mit der Faszination diese Angebots auseinander setze, beschließe ich dann doch den Weg zurück in die Obstabteilung zu suchen.
In unserem Wagen liegt bereits ein Kopfsalat. Wo ist Ute...Da mir riesige Aufbauten von Südfrüchten die Sicht nehmen, muß ich weiter in das Innere der Abteilung dringen. Ich sehe meine Frau nicht bei den Zitronen und auch die Box mit den Kartoffeln ist ziemlich verwaist. Einen Gang weiter werden zwar einige Weintrauben unter den Einkaufswagen eiliger Kunden zerquetscht, meine Frau beteiligt sich daran jedoch nicht. Denk nach...denk nach...
Wir wollten hier doch nur einen Salat, aber der liegt ja bereits im Wagen...Ich drehe mich im Kreis...
"Wo bleibst du denn...?"
Ihre Stimme direkt hinter mir und ich zucke etwas zusammen, was mich ärgert, nimmt es mir doch etwas von meiner Souveränität.
"Wo warst du denn...?" konter ich schlagfertig.
"Drüben bei den Gewürzen, ich habe noch Salatkräuter geholt."
In ihrer Stimme ist kein Ton von Rechtfertigung.
"Fast zwei Euro für so eine kleine Tüte" antworte ich bockig und anklagend. Sie ignoriert mich. Tomaten und Radischen finden den Weg in den Einkaufswagen. Bei all der Pracht bekomme ich spontan Lust auf Äpfel.
"Schatz, ich nehme noch ein paar Äpfel mit."
"Gut, aber nimm Süße, die ißt Thorsten auch..."
Die Auslage ist beeindruckend, grüne, rote, große, kleine Äpfel, aber wo sind die Süßen...
Also verlaße ich mich auf meine Instinkte und lasse 3 große, grüne Äpfel in einer dünnen Plastiktüte verschwinden.
Ich blicke auf die Uhr, wir liegen gut in der Zeit, Thorsten kommt erst gegen 12 von der Schule. Ich nehme wieder Fahrt auf, Ute steht schon an der Fleischtheke, der zweifellos längsten Fleischtheke der Welt. Fleisch in allen Variationen, gepöckelt, geräuchert, mit Knochen, ohne Knochen, als Wurst, am Stück, in Scheiben...Fleischkauf ist Vertrauenssache, das weiß ich aus dem Fernsehn. Ute auch...Sie wühlt und wühlt und wühlt. Ein Paket sieht nicht wirklich frisch aus, ein Paket hat zu viel fett, ein Paket ist eigentlich optimal, aber eher für einen 12 Personen Haushalt geeignet. Ein paar Meter vor mir sehe ich Sven und seine Frau an der Wursttheke. Während Sven`s Frau mit der Verkäuferin kommuniziert, umklammert der arme Kerl seinen Einkaufswagen wie eine Gehhilfe für Senioren. Bedienungstheken, der Alptraum schlechthin, hier wird jediglicher Urtrieb des Homo Sapiens kastriert.
Beim Einkaufen im Supermarkt lebt wenigstens rudimentär der Jagdtrieb aus der Steinzeit noch einmal auf, Rudeljagd im Sommerschlußverkauf z. B., aber Bedienungstheken...? "Am Stück oder in Scheiben, geräuchert oder frisch, fein oder grob..." Da wird man richtig vorgeführt, das ist so...entwürdigend. Noch entwürdigender ist es allerdings wenn man wie ein Trottel am Einkaufswagen klebt wärend die Frau die Verhandlugsgespräche über ein Viertel Aufschnitt führt. Sven sieht mich und winkt geqüalt herüber. Ich winke freundlich zurück, ich kann es förmlich riechen, er bettelt darum das ich zu ihm rüberkomme und ihn mit einem Gespräch über Fußball oder Computer befreie. Würde ich auch gerne, aber Ute wühlt sich immer noch durch die Fleischtruhe. Ich glaube, das ist so ein bißchen wie die Suche nach dem Stein der Weisen. Mir kommt ein Geistesblitz.
"Schatz, die haben Schweinekotletts im Angebot...nur 3.99 Euro. Ich finde, das ist unverschämt günstig..." Volltrefer, ewas überrascht blickt sie mich an um mir dann mit nur einem einzigen Wort in die Parade zu fahren.
"Wo..."
Also duchwühlen wir jetzt gemeinsam die Fleischtruhe. Ute übernimmt die Seite mit Rinderouladen und Bauchfleisch, ich versuche mein Glück bei Hackfleisch und Dicke Rippe. Ich entdecke schließlich den Bereich mit den Schweinekotletts. Ein riesiges Schild hängt darüber. "Sonderangebot" steht drauf, was meiner Meinung einen nicht gut zumachenden Fehler darstellt. Dieses Schild hat bei dem einen oder anderen nämlich ein derartiges Interesse an Schweinekotlett geweckt, das dieses Produkt bereits ausverkauft ist. Ich komme meiner Pflicht nach und informiere sofort Ute. Meine Frau ist nicht zu halten...
"Unverschämtheit, das ist ein Sonderangebot...es ist noch so früh und die haben schon keine Kotletts mehr, also das ist eine Unverschämtheit..."
Mir wird die Sache etwas peinlich, braucht es aber nicht, denn eine Kundin in unserer Nähe solidarisiert sich spontan mit meiner Frau. Sie hat auch nähere Informationen. Demnach ist das in dem Laden hier immer so, immer sind die Angebote direkt ausverkauft, das ist Bauernfängerei, jawohl...
Ich mag keine Schweinekotletts mehr, aber aus Prinzip und weil wir mündige Verbraucher sind, die ihre Recht kennen, verlangt meine Frau bei einer Verkäuferin jetzt nach dem Metzger. Ein letzter Versuch, Schatz, die Rouladen sehen aber auch gut aus, wird kompromisslos abgeschmettert, es geht um's Prinzip. Von soviel Tatkraft angesteckt folgen uns drei weitere Kunden zum Metzger, der nichtsahnend eine Truhe mit Fleisch auffüllt. Ich wünsche dem Ahnungslosen das er Schweinekotletts für 3.99 Euro nachfüllt. Er füllt keine Schweinekotletts nach und wird direkt mit der Sachlage konfrontiert. Wider Erwarten ist der Mann mit der blutigen Schürze aber rethorisch geschult, ein Profi und er verspricht das in nur wenigen Minuten die Truhe von untergeordnetem Personal bestückt wird. Na also, es geht doch...Da bleibt auch noch genug Zeit für einen Abstecher zu Tütensuppen und Teigwaren. Zwei Kilometer Nudeln ziehen sich endlos den Gang entlang, Fussili, Hörnchen, Spaghetti, Farfalle, Maccaroni...soviel Nudeln braucht kein Mensch. Ich nehme eine Tüte Nudeln aus dem Regal und studiere den Inhalt akribisch. Die Tüte knistert ein wenig als sie durch meine Hände gleitet und das gelbe Füllgut ändert jeweils seine Struktur. Das ist einer dieser Augenblicke, wo Gott mit mir spricht, wo sich die Wahrhaftigkeit des Herren mir offenbart und ich verstehe...
Im Kochtopf seid ihr alle gleich...
"Hast du was gesagt , Schatz...?"
Ich schrecke hoch, deute auf das heilige Relikt und stammle erleuchtet: " Ute, die Nudeln..."
"Ja...???" und ich blicke in ein irritiertes, aber auch neugieriges Gesicht. Sie würde die elementare und spirituelle Bedeutung dieser Nudeltüte nicht erkennen, also stelle ich das Paket in das Regal zurück.
"Ach, nichts..."
Unser Einkaufswagen ist inzwischen gut gefüllt. Aber irgendwas fehlt, irgendwas...
"Irgendwas fehlt...", murmele ich nachdenklich. Es ist das Ambiente der Süßwarenabteilung das mich unruhig werden läßt. Ute ergeht es ähnlich. Weingummi, Schokoriegel, Salzstangen...Nein, das ist es nicht. Wir horchen tief in uns hinein, was verlangt der Körper von uns, nach was gieren unsere Geschmacksnerven. Meine Augen durstreifen die Verkaufsregale, vergeblich... und auch Gott spricht nicht mit mir in dieser schweren Krise. Ute ist ebenfalls keine große Hilfe, sie ist innerlich genauso aufgewühlt. Erdnußflips...nein, das ist es nicht. Ich bin frustriert, greife wahlos ins Regal und werfe trotzig ein Paket mit flämischen Waffeln in den Wagen. Aber der größte Härtetest steht uns noch bevor und wer diese Disziplin nicht beherscht sollte jeden Supermarkt meiden. Die Kasse...
Zuerst gilt es, die geeignete Kasse für uns zu finden. Anfänger würden jetzt die Kasse mit dem geringsten Kundenaufkommen wählen, ich auch...Ute weiß das zu verhindern, macht mich darauf aufmerksam, das an Kasse 6 zwar nur zwei Kunden stehen, deren Einkaufswagen aber derart gerammelt voll sind, das sich der Kassiervorgang auf jeden Fall bis in die frühen Abendstunden hinziehen wird. Kasse 9 macht einen guten Eindruck, vier Kunden, wenig befüllte Einkaufswagen. Der Haken hier ist, das die Kassiererin entsetzlich langsam ist. Ich studiere sie aufmerksam und tatsächlich bewegt sich sich manchmal, aber bei mir hat sie verspielt. Schließlich steuert Ute die Kasse 13 an, das scheint mir ein guter Kompromiss. Kurz darauf beginnen die Zweifel. Die Kassiererin muß die Bonrolle der Kasse wechseln.
"Da bist du völlig machtlos, flüstert Ute, das kann dir an jeder Kasse passieren..."
So ein Pech, anscheinend hat sie keine Bonrollen mehr und fragt ihre Kollegin an der Nebenkasse.
So ein Pech, auch die Kollegin hat keine Bonrollen mehr. Die Kassiererin schreit nach der Kassenaufsicht, Ute zuckt nur mit den Schultern und ich möchte gerne weinen, laß es raus...laß es raus..., halte mich dann aber doch zurück. Irgendwann hat die gute Frau dann ihre Bonrolle, aber von Routine keine Spur. Umständlich fingert und fummelt sie mit der Rolle in der Kasse herum. Die beiden Kunden von Kasse 6 ziehen an uns in Richtung Ausgang vorbei, schönen Tag noch...
Dann endlich geht es weiter. Die Oma vor uns möchte ihren Einkauf im Werte von 22,63 Euro unbedingt mit ihrem Kleingeld begleichen und pedantisch wandert eine Münze nach der anderen auf den Kassentisch. Huch, da fehlen ja noch 12,22 Euro. Sie holt ihr zweites Portemonnaie aus ihrer riesigen Einkaufstasche, dann ein drittes. Sie kommt trotz aller Mühe nur auf insgesamt 21,55 Euro und muß zwei Joghurt, Erdbeer/Vanille, zurücklassen. Ich jubele innerlich, denn das bedeutet...Storno. Wieder ertönt der Urschrei der Kassiererin nach der Kassenaufsicht. Ich blicke auf die Uhr, wir stehen unter Druck. Allen Widrigkeiten zum Trotz erreichen wir das Laufband der Kasse. Jetzt aber schnell...
Ute bewegt sich nicht mehr, denn gerade ist ihr eingefallen, wir haben die Schweinekotletts für unverschmämte 3,99 Euro vergessen.
Mit den Worten "Pack die Sache schon mal auf's Laufband, ich hole schnell das Fleisch", stürzt sie zurück in den Verkaufsraum.
Allein, ich bin allein...Unbarmherzig zieht das Laufband die Ware in Richtung Kassiererin und die Frau ist schnell, die Frau ist verdammt schnell. Wo ist Ute, sie hat das Geld und diese Tatsache macht sie hier eigentlich unabkömmlich. Der letzte Artikel, eine Dose Erbsen mit Möhren, läutert das finale Fiasko ein. Mit aller Gewalt halte ich an der Dose fest, aber die Kassiererin verfügt über erstaunliche körperliche Kräfte und entreißt mir dann doch die Dose. Die Kasse macht ein letztes Mal "Piep" und dann höre ich ihre scharfe, fordernde Stimme: " 56,75 Euro...bitte!!!"
Wo ist mein Geld, wo ist meine Frau...??? Ich blicke in die hasserfüllten Augen der anderen Kunden.
Ein paar Kassen weiter sehe ich Sven, er winkt und lächelt mir freundlich zu.
Arschloch...

 

Hallo Whistling Snake,

willkommen auf kurzgeschichte.de, sehe es ist deine erste Geschichte hier.
Tja, also gefallen hat mir deine Geschichte gut und wenn mein Mann sich auch mal herablassen würde, sich die Geschichten hier auf kg anzusehen, würde er sich bei deinem Text wohlverstanden finden und in dir einen Seelenverwandten erblicken können.
Ich schicke ihn übrigens gern des öfteren allein auf supermarktliche Kaperfahrt. :D

Wie auch immer, dein Schreibstil ist flott, flüssig und deine Geschichte ist hochamüsant verpackt. Also schreiben kannst du.
Das Thema selbst ist abgegriffen und ich wünschte, du würdest dich vielleicht in einer deiner nächsten Geschichten an einen etwas gewagteren Plot heranwagen, aber das ist nur ein Wunsch oder nehme es ruhig auch als Anregung.
Der satirische Gehalt deiner Geschichte ist eher zu vernachlässigen, weil du deine Darstellung sehr in der Realität, halt so wie es meistens ist, angesiedelt hast.
Besonders gut hat mir der Anfang gefallen, ich hab während ich allerdings weiterlas und die Auflösung dann erfuhr tatsächlich gegrübelt, was wohl vier Räder hat und ein Traum in Silber ist und obendrein nur 12 kg wiegt. Das war ein recht witziger Start von dir.

Etwas irritierend, weil für mich unklar fand ich die Episode die in der Süßwarenabteilung stattfindet. Wieso meinen deine beiden Protagonisten, sie hätten doch noch was vergessen, grübeln darüber und am Ende landet dann "nur" eine Packung Waffeln, die man vermutlich gar nicht wollte im Einkaufswagen? Oder hab ich da was überlesen?
Schön auch der spannend amüsante Schluß. Jeder, der schon mal in dieser wüsten Situation war, kurz bevor es ans Bezahlen geht von seinem Partner im Supermarkt verlassen worden zu sein und zwar mit samt der Kohle :D, wird hier geschmunzelt haben.
Was in deinem Text gar nicht auftaucht, ist die blöde Marotte der Supermärkte laufend die Waren umzustellen, wo heute der Kaffee und die Filtertüten standen, stehen jetzt die Windeln. Diese ewige Umräumerei, die uns Kunden die Freude am Suchen erhalten soll, die hätte hier auch noch gut reingepaßt.

Also: schön geschrieben, ich freue mich auf weitere Texte von dir.

Ach so, wenn du mit ein bisschen Abstand nochmals Korrektur liest, dann findest du noch ein paar versteckte Tippfehler.


Gruß lakita

 

Ich kann mich Lakita nur anschließen. Der Stil ist okay, ebenso sind die Personenbeschreibungen für eine Satire ausreichend. Auch schaffst du durch viele Details eine plastische Atmposphäre.
Was mich aber gestört hat, war das Fehlen einer Spannungskurve. Es gibt keinen Konflikt und somit keinen Höhepunkt, auf den die Geschichte zusteuert. Man weiß mithin nicht so recht, warum man weiterlesen soll.
Das scheint mir weniger am Thema, sondern mehr am Plot zu liegen.

mfg

Stefan

 

Tja, bei 56 € und noch was ist schon einiges im Wagerl gelandet. Ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Ob nun die Satirischen Elemente gut herausgearbeitet sin oder nicht, kann ich leider nicht festellen, weil ich nicht wirklich Spezialist darin bin. Aber eines kann ich sagen: Deine Geschichte hat mir mehr als nur ein Lächeln gekostet und ist besser als so manches, das sich hier finden lässt.
Auch den Titel finde ich gelungen gewählt, wenn er auch schon vergeben ist. *g*

Liebe Grüße
Babs

 

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