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Lucia

BRM

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22.01.2015
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Lucia

Freetown, 14. Mai 2014

Eine Hand packte mich von hinten an der Schulter.
"Achthundert Euro, du musst mir achthundert Euro bezahlen."
Die schwarze, schweißüberzogene Haut glänzte in der Mittagssonne. Mit zugespitztem Mund und starrem Blick versuchte er seiner Forderung noch mehr Nachdruck zu verleihen.
"Ich werde dir gar nichts bezahlen, verstanden? Gar nichts!"
Genervt drückte ich seine Hand von meiner Schulter. Mrs. Ann, mein Passagier, hatte mich davor gewarnt. Sie kannte sich in dieser Gegend gut aus und war schon sehr oft in Sierra Leone gewesen. Korruption wohin auch man sah.
Er ließ nicht locker, folgte mir auf jeden Schritt und murmelte immer wieder "Captain, Captain, achthundert Euro, sonst kann ich euch nicht rüberbringen."
Die Gepäcklader waren gerade damit beschäftigt, alle Koffer und Kisten auf Pickups zu verladen, als mitten aus dem Gewirr Mrs. Ann hervorsprang.
"Was willst du? Geld? Schämt ihr euch nicht, jetzt kennt ihr mich schon seit so vielen Jahren und versucht es immer wieder" schrie sie den kleinen, rundgesichtigen Afrikaner an.
"Es ist alles bezahlt. Im Voraus, wie von euch verlangt! Ihr bekommt keinen Cent mehr. Ich investiere Millionen in dieses Land und ihr versucht mich ständig zu betrügen, schämt ihr euch denn gar nicht?" Drohend hob sie ihre Hand, als wollte sie ihm jeden Moment eine Ohrfeige geben.
Es war unglaublich, mit welcher Energie diese 1,65 m große Frau mit ihren fast 78 Jahren auftrat. Sie hatte alles und jeden dermaßen unter Kontrolle, dass selbst ich stillstand und mich ihrer Führung unterordnete.
"Geh zum Hafen und organisiere ein Boot" befahl sie in einem Ton, als würde sie einen kleinen Jungen zurechtweisen. Ohne zu zögern lief Bamka in Richtung Bootsanlegestelle.

Als alles im Boot verstaut war, stellte sich Mrs. Ann auf ein kleines Holzpodest. In einer Hand hielt sie ein Bündel Banknoten, mit der anderen wehrte sie unentwegt alle Hände ab, die sich ihr entgegenstreckten.
"Nein, nein, nein, so geht das nicht. Einer nach dem anderen. In einer Reihe aufstellen und jeder bekommt etwas."
Es wurde geschubst und gerempelt, jeder wollte der erste sein, bis endlich alle in einer Reihe standen. Mrs. Ann begann das Geld zu verteilen. Ein Schein für jeden. Ein besonders Schlauer lief, nachdem er seinen Geldschein erhalten hatte, in einem großen Bogen hinter Mrs. Ann vorbei, um sich gleich danach wieder hinten anzustellen.
"Du warst doch schon hier. Du hast doch gerade etwas bekommen, weg weg" winkte sie mit ihrer Hand und konnte sich dabei das Lachen nicht Verhalten.
Nach unserer Überfahrt vom Flughafen zur Stadt über ein völlig vermülltes Meer, ließ ich mich mit meiner Crew zum Hotel fahren. Auf lehmigen Pisten, übersät von Schlaglöchern, quälte sich unser Range Rover den steilen Hügel hinauf zum Stadtzentrum. Das Klimpern und Klirren aus unserer Metallbox, in der das Geschirr vom Flugzeug verstaut war, ließ Schlimmes befürchten.
"Ich glaube das Abwaschen ... hat sich ... soeben erübrigt" stammelte ich, während ich im Wagen von ein einer Seite zur anderen fiel. Ich versuchte mich mit Händen und Füßen abzustützen, um nicht durch den ganzen Wagen geschleudert zu werden. Unser Fahrer schien sich mehr am Lenkrad festzuhalten, als aktiv den Wagen damit zu steuern. Dazu gab er pausenlos Erklärungen ab.
"Wir haben hier so viele Moskitos, dass es kein Europäer lange aushält. Sogar unsere Kolonialmacht, die Briten, sind von alleine wieder abgezogen", er kicherte.
Anja, unsere Flugbegleiterin, krallte sich mit beiden Händen am Sitz fest und brach somit ihren ersten Vorsatz, in diesem Land nichts anzufassen.
"Du kannst meinen Mückenspray haben. Diese Moskitos werden ohnehin erst mit Einbruch der Dunkelheit aktiv. Zu der Zeit sind wir längst im Hotel".
Anjas Blicke, ihre weit geöffneten Augen und zusammengepresste Lippen zeigten mir allerdings, dass mein Angebot nicht zu ihrer Beruhigung beigetragen hatte.

Es war ein reges Treiben in der Stadt. Kinder liefen neben uns her, lachten und winkten uns zu. Frauen, die ihre Einkäufe am Kopf nach Hause trugen. Männer, die die Straße entlang schlenderten oder in kleinen Gruppen am Straßenrand saßen. Auf einer Baustelle mischten sie mit bloßen Händen Beton und gossen Ziegel daraus. Alles schien doch irgendwie seine Ordnung zu haben in diesem scheinbarem Chaos. Nur wir passten hier nicht her, in unseren blitze blanken Uniformen und dem Ungetüm von Range Rover, der sich wie ein Monster von einem fremden Stern durch die Straßen schlängelte.

Ein chinesisches Hotel in Sierra Leone war so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte. Rote Lampions hingen von der Decke und ein paar afrikanische Holzfiguren schmückten die Empfangshalle. An der Wand ein großer Getränkekühlschrank, dessen Brummen und Scheppern zumindest die Hoffnung auf ein gekühltes Bier wieder aufleben ließ. Ein feucht modriger Geruch zog sich durch meine Nase. Ich war genervt. Es war jedes Mal das Gleiche. Nach einer durchgeflogenen Nacht schalte ich auf 'Notbetrieb'. Ich reagiere kaum mehr auf äußere Einflüsse und lasse alle Prozeduren, wie des Einchecken ins Hotel, über mich ergehen. Immer wieder kam es für einige Minuten zum Stromausfall und jedesmal stoppte das Einchecken erneut. Es war, als würde ich nicht zu dem Treiben um mich herum gehören. In einer Ecke saßen Männer, rauchten und unterhielten sich sehr angeregt. Über ihnen ein Fernsehapparat, der - von niemandem beachtet - alleine mit seiner Lautstärke um Aufmerksamkeit kämpfte. Gekrönte Häupter aus aller Herren Länder flitzten über die Bildfläche. Es dauerte wieder einmal eine Ewigkeit, bis wir unsere Zimmerschlüssel bekamen. Andrea, mein First Officer, beantwortete brav alle Fragen des Rezeptionisten und hielt jeden Stress von mir fern. Sie war schließlich auch für alle administrativen Angelegenheiten wie Rechnungen bezahlen oder Belege verwalten zuständig. Ich stand am Pult, die Hand ausgestreckt, um meinen Schlüssel entgegenzunehmen, während Anja vergeblich versuchte, ihr Handy mit dem Internet zu verbinden. Sie sah einfach süß aus, mit ihren hohen Stöckelschuhen, langen Fingernägeln und immer hervorragend gestylten langen schwarzen Haaren. Nur leider völlig unpassend für diesen Teil der Welt. Endlich, ein Schlüssel mit schwerem metallenem Anhänger, auf dem die Zimmernummer 312 vermerkt war.
"Wir sehen uns. Vielleicht auch erst morgen, ich bin total müde und werde erst mal schlafen."
Der Weg führte aus dem Gebäude einen Holzsteg entlang durch einen tropischen Garten. Wunderbarer Duft löste endlich diesen modrigen Gestank der Hotelhalle ab. Überall von Flechten überzogene Bäume und exotische Blüten in all erdenklichen Farben. Dieses feuchtwarme Klima war ein Paradies für Pflanzen und Tiere. Letztere konnte ich sogar in meinem Zimmer wiederfinden, in das ich, die Türe war schon offen, mehr stolperte als lief. Ich war völlig übermüdet und wollte nur noch schlafen. Vorhang zu, raus aus der Uniform und rein ins Bett. Das Aufschlagen auf der Matratze und Einschlafen mussten zum selben Zeitpunkt stattgefunden haben. Ich fiel in einen langen und tiefen Schlaf.

Lautes Hämmern aus einem der Zimmer von nebenan schreckte mich aus meinen Träumen. Sonnenstrahlen drangen vereinzelt durch den geschlossenen Vorhang. Ich hatte jegliches Gefühl für Raum und Zeit verloren. Wo bin ich? schoss mir durch den Kopf. Mein Körper war schweißgebadet. Ein karg ausgestatteter Raum. Mein Koffer, an dem sich gerade mühsam eine Schabe entlang kämpfte, stand neben mir. Modriger Gestank. Das Chinesen Hotel, dämmerte es mir. Im Hintergrund die Schreie der Stummelaffen. Das Kreischen der Vögel wurde immer lauter. Es war brütend heiß. Die Klimaanlage brummte vor sich hin, ohne auch nur ein bisschen Kälte zu erzeugen. Es war zehn Uhr Vormittag, ich musste raus zum Frühstück. Schnell auf, Zähne putzen und ... nein, nicht mit diesem Wasser. Es stank ekelhaft nach Verfaultem und Vermodertem. Eine Toilette gab es zwar im Zimmer, allerdings ohne Spülung. Den Spülkasten dürfte jemand abmontiert und mitgenommen haben. Also kurz die Zähne mit Mineralwasser geputzt, in die Dusche gepinkelt und raus aus der Bude. Beim Versuch, die Zimmertüre zu öffnen, prallte ich mit vollem Schwung dagegen. Abgeschlossen? Hatte ich echt gestern abgeschlossen? Wo ist nur der Schlüssel? Ah, da drüben auf dem Bett. Langer großer Anhänger mit der Aufschrift 312. Irgendwie passte das Ding nicht. Das kann doch jetzt nicht sein, ich kann hier nicht mehr raus. Mit beiden Fäusten hämmerte ich gegen die Türe, wartete auf eine Reaktion von außen und hämmerte weiter. Vergebens, keiner da, nur das laute Brüllen der Affen. Durch den Türspion konnte ich den Weg erkennen, der mich am Vortag von der Hotellobby zu meinem Zimmer geführt hatte. So oft ich es auch versuchte, der Schlüssel passte nicht rein ins Loch. Peinlich dachte ich mir. Ich muss Anja um Hilfe bitten. Sie kann jemanden vom Hotel schicken, um mich hier raus zu holen".
"Hallo Anja, irgendwie komm ich nicht mehr aus meinem Zimmer, ich bin eingesperrt. Könntest du jemand holen der mich befreit?" Tippte ich aufgeregt in mein Telefon.
Ein "Hahahah ich komme gleich" folgte prompt.
Durch den Spion konnte ich beobachten, was sich vor meiner Türe abspielte. Nach wenigen Minuten sah ich Anja den Weg entlang kommen. Das ging aber schnell. Ich wartete kurz und klopfte abermals an die Türe. Will die mich verarschen? Ich hämmerte mit voller Kraft gegen die Türe. Vergebens, niemand kam.
"Manfred wo bist du?"
war auf dem Display zu lesen.
"Verdammt, in meinem Zimmer, aber wo bist du???"
"Ich stehe vor deinem Zimmer, wir haben es geöffnet aber da ist niemand drinnen".
Mir lief es kalt über den Rücken. Wo war ich nur? Was läuft hier ab?
"Anja, ich hab dich gesehen, als du den Weg durch den Garten entlang gegangen bist. Geh zurück und lauf den selben Weg noch einmal. Ich mache Lärm sowie du an meiner Türe vorbeikommst."
Meine Finger zitterten beim Tippen. Immer wieder musste ich von vorne beginnen, um die von meinem iPhone vorgeschlagenen, allerdings völlig unpassenden Wörter auszubessern.
"ok :-)".
Und da war sie. Gemütlich schlenderte sie den Weg entlang, als würde sie die Szene für einen Film ein zweites Mal spielen. Ich trommelte wie wild mit beiden Fäusten gegen die Türe.
"Anja, Anja hier bin ich."
Ich rief aus voller Kehle.
"Manfred, was machst du hier? Das ist doch nicht dein Zimmer! Warte, ich hole Hilfe."
Wenige Minuten später stand Anja mit einem passenden Schlüssel vor meiner Türe und sperrte auf.
"Da schau, 312, das ist meine Zimmernummer" ich zeigte auf das Schild an meiner Türe.
"Ja aber hier steht Block C und unser Zimmer ist in Block D. Du bist einfach im falschen Block gelandet".
Als ich letzte Nacht hinein kam, stand die Türe schon offen. Anscheinend wurde sie später, als ich bereits schlief, von jemandem abgeschlossen. Natürlich konnte hier mein Schlüssel nicht passen. Ich hatte jedenfalls Glück, dass niemand anderer in dieses Zimmer eingebucht wurde, ansonsten hätte ich mitten in der Nacht Besuch bekommen.

Am Tag darauf wurden wir von Mrs. Ann eingeladen, ihr Hospital zu besichtigen. Sie investierte seit Jahren in Afrika für wohltätige Zwecke, indem sie Spitäler und Waisenhäuser errichtete. In Freetown baute sie ein Krankenhaus für Frauen. Anja lehnte dankend ab. Ihr war die Welt da draußen doch nicht so recht geheuer und sie zog es lieber vor, den ganzen Tag am Bett sitzend im Zimmer zu verbringen. Andrea dagegen hatte keine Berührungsängste und wir machten uns auf auf den Weg.

Direkt vor unserem Hotel stand ein großer Affenbrotbaum, dessen Duft den ganzen Hügel einzunehmen schien. Ein roter, lehmiger Weg führte uns hinunter ins Stadtzentrum. Es war trocken. Es hatte heute noch nicht geregnet. Nur einige wenige Pfützen am Straßenrand zeugten von den monsunartigen Regenfällen, die jede Nacht über das Land zogen. Mädchen saßen am Straßenrand zusammen und flochten ihre Haare, während Frauen damit beschäftigt waren, die kleinen Wellblechhütten sauber zu halten. Mit gebundenen Reisigbesen kehrten sie die Hütten aus. Überall Rauchsäulen von den unzähligen Straßenküchen und in der Luft der Geruch von gegrilltem Fleisch. Es war Mittag. Schon von weitem sahen wir die blau gestrichenen Gebäude des Spitals. 'Women medical care center' stand in großen roten Buchstaben auf einer weißen Tafel. Ein breites schweres Eisentor öffnete sich und bewaffnete Sicherheitskräfte musterten uns misstrauisch. Nach kurzen Erklärungen unter Mithilfe eines Angestellten des Spitals, der Englisch sprach, wurden wir in einen Raum begleitet und ersucht, auf Mrs. Ann zu warten.

"Hallo Mr. Manfred" hallte es wenige Minuten später durch den Gang.
Mr. Ann flitzte, in Begleitung einer jungen Dame, flotten Schrittes auf uns zu.
"Schön euch hier zu sehen. Ich muss leider gleich wieder in in eine Besprechung, aber Fräulein Sabine wird euch durch das Haus führen und alles zeigen. Wir sehen uns später bei Kuchen und Kaffee" Ann zwinkerte uns zu, drehte sich um und war auch schon wieder verschwunden.
Karg ausgestattete Zimmer, Eisenbetten auf Linoleumboden und an der Wand ein kleines Waschbecken. Auf den Betten hockten junge Frauen mit ihren Babys.
"Wir können hier nicht viel bieten außer Hygiene und einfachste medizinische Versorgung" erzählte uns Sabine, während wir durch die Station spazierten.
"Sabine, bitte ... Creme ..." ein Mädchen zeigte auf ihr Baby, das sie in einer Hand hielt. Mit nur einem Finger massierte sie vorsichtig den Bauch. Es war nicht viel größer als ihre Handfläche und wog weniger als tausend Gramm.
"Wie alt ist es?" fragte ich etwas schüchtern.
"Acht Wochen" sie lächelte und schob ihre Decke zur Seite.
"Und das ist Ihre Zwillingsschwester."
Andrea stand mit offenem Mund neben mir und starrte auf das Bett. Ein weiteres, für das Alter viel zu kleines Baby, kam unter der Decke zum Vorschein.
"Wird es überleben? Ah, ich meine die Zwillinge. Werden Sie überleben?" flüsterte Andrea zu Sabine.
"Jaja, das sieht gut aus. Die Zwillinge da drüben sind auch in solch einem Zustand zu uns gekommen und jetzt haben sie schon normales Gewicht. Shalia stand eines Morgens vor unserer Tür und fragte nach sauberen Tüchern und einer Creme. Sie darf bei uns bleiben, bis die Kleinen kräftig genug sind."
Aus ihrer Manteltasche holte sie eine kleine weiße Tube.
"Hab ich nicht vergessen" zwinkerte sie Shalia zu und reichte ihr die Salbe.

Im nächsten Raum war nur eines der Betten belegt. Mit einer schweren braunen Decke bis zum Hals zugedeckt, lag ein Mädchen und starrte uns an. An ihrer Seite saß Kate, eine der Krankenschwestern, und las aus einem Kinderbuch vor.
"Hallo Lucia, das sind Freunde von Mrs. Ann" stellte uns Sabine vor und tätschelte ihre Hand.
"Sie ist zwölf und hatte einen Autounfall. Wahrscheinlich wurde sie überfahren und anschließend vor unserer Türe abgelegt."
"War die Frau Doktor schon bei euch?"
"Gerade eben." Kate schlug das Buch zu und fixierte Sabine mit ernster Mine.
"Kann ich dich kurz sprechen?"
"Jaja, lass uns rüber gehen."
Kate stand auf, streichelte Lucia über die Wange, richtete ihr abermals die Decke und folgte uns aus dem Zimmer.
"Ich glaube, wir sollten jetzt wieder gehen."
Ich streckte meine Hand aus, um mich von Sabine und Kate zu verabschieden.
"Nein nein, auf keinen Fall. Ihr kommt mit uns rüber in den Besprechungsraum. Da gibt's noch Kaffee und Kuchen" zwinkerte uns Sabine zu.
Wir gingen in ein Zimmer am Ende des Ganges. Im Raum stand ein kleiner, alter Campingtisch mit einer Plastiktischdecke. Ein Strauß Blumen in der Mitte sorgte für eine freundliche Atmosphäre. In einem offenen Kasten an der Wand zischte eine alte, konservative Kaffeemaschine vor sich hin und spuckte Tropfen für Tropfen in die darunter stehende Kanne. Ein angenehmer Kaffeduft durchzog den Raum. Ich setzte mich auf einen, für Erwachsene viel zu kleinen, Sessel und beobachtete durchs Fenster, wie einige Frauen zusammen mit einer Gruppe Kinder bastelten.
"Sie arbeiten an einer Dekoration für unser Fest, das diese Woche stattfindet" erzählte uns Sabine.
"Es wird hier fast alles selber gemacht. Obst und Gemüse wird in dem hauseigenen Garten angepflanzt. Kleider werden genäht und Möbel gezimmert. Zu kaufen gibt es wenig und für das Wenige fehlte meist das Geld."
Sabine schloss die Türe und setzte sich zu uns, während Andrea noch immer die Bilder an der Wand bewunderte.
"Alles Zeichnungen von ehemaligen Patientinnen."
Kate griff nach einer leeren Tasse, schenkte sich Kaffee ein und setzte sich ebenfalls.
"Es sieht nicht gut aus" die Sorgenfalten auf ihrer Stirn wirkten beunruhigend.
Sie rührte den Kaffee und ihre Augen fixierten die Tasse.
"Lucia hat ein gebrochenes Becken und gebrochene Wirbel. Wir können hier nicht viel für sie tun. Frau Dr. Callahan ist gerade bei Ann, um sie darüber zu informieren."
Sabine presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, als könnte, als wollte sie nicht glauben, was sie gerade hörte.
"Dr. Callahan ist Internistin. Ann konnte sie über die Britische Botschaft ausfindig machen, da sie derzeit mit ihrem Freund auf Urlaub in Sierra Leone ist. Sie hat sofort zugesagt, vorbeizuschauen und Lucia zu untersuchen."
Die Türe ging auf und Mrs. Ann betrat, in Begleitung von Dr. Callahan, das Besprechungszimmer.
"Wir können hier nicht tatenlos zusehen" legte Ann sofort los.
Mit einer einladenden Geste wies sie Dr. Callahan einen Sessel zu und setze sich ebenfalls an den Tisch.
"Wenn wir Lucia nicht helfen, wird sie, sofern sie das überhaupt überlebt, für immer querschnittgelähmt bleiben. Ich bringe sie nach England."
Ihrer Entschlossenheit war nichts entgegenzusetzen.
Kate und Sabine sahen sich ungläubig an.
"Wie soll das gehen? Sie ist doch nicht mal richtig transportfähig! Wir können doch nicht einfach ... "
"Nicht können, sondern wir müssen" fiel Ann ins Wort und drehte sich zu Sabine.
"Sabine, ich möchte bitte den Britischen Botschafter sprechen. Wir brauchen Papiere für Lucia. Vielleicht könnten sie gleich ..."
"Ja ja, ich werde sofort versuchen, jemanden in der Botschaft zu erreichen" unterbrach Sabine, stand auf und verließ eilig den Raum.
"Manfred, wie können wir Lucia ins Flugzeug bringen?"
"Können wir sie bewegen? Der Druck in der Kabine sinkt ab auf circa zweitausend Höhenmeter. Vielleicht gibt es da Probleme mit der Sauerstoffversorgung."
"Haben Sie Sauerstoff an Bord"?
fragte Dr. Callahan und legte ihren Stift neben den Notizblock, in den sie eben noch ihre Vermerke notierte.
"Ja, wir haben zwei Flaschen Sauerstoff an Bord."
"Das dürfte reichen. Wir können Lucia nur liegend transportieren und sie muss auf jeden Fall auch im Flugzeug flach liegen".
"Das Problem wird sein, Lucia in die Kabine zu bekommen. Die Eingangstüre ist sehr eng und gleich danach müssen wir mit ihr in einem Winkel von neunzig Grad rechts weg. Ich hatte schon öfters liegende Patienten, aber die konnten mit etwas Unterstützung selbst einsteigen. Einmal wurde der Patient sogar in eine Decke gewickelt und dann in die Kabine getragen. Dabei muss man den Patienten allerdings bewegen."
"Das geht auf keinen Fall. Wir können Lucia nicht bewegen" wehrte Dr. Callahan mit heftigen Handbewegungen ab.
"Und wer übernimmt die medizinische Betreuung auf dem Flug?"
Anns Blicke wanderten Richtung Dr. Callahan, die wieder mit ihren Notizen beschäftigt war. Sie blickte über ihre viel zu tief sitzende Lesebrille, nickte und presste ihre Lippen zusammen.
"Ich werde mitkommen."
"Und ihr Freund?"
Mrs. Ann runzelte die Stirn.
"Der bleibt hier. Ich kann nicht einfach zusehen, wie Lucia leidet, obwohl ich weiß, dass ich ihr helfen kann. Lucia wird nicht überleben, wenn wir sie nicht nach England bringen. In meiner Klinik können wir sie operieren. Sie wird gesund und aller Wahrscheinlichkeit nach auch wieder gehen können."
Dr. Callahan nahm die Brille ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und nickte, so als würde sie ihrer soeben getroffenen Entscheidung abermals zustimmen.
Es war still im Raum. Nur das Brüllen der Affen drang durch die offenen Fenster. Mit einem letzten Fauchen erklärte die Kaffeemaschine ihre Arbeit für beendet. Weit weg, Schreie von Babys.
"Manfred, sagen Sie mir, was Sie brauchen und ich besorge es" brach Ann das Schweigen.
"Wir könnten sie auf eine Bahre binden. So festbinden, dass wir die Bahre drehen können, ohne dass sie dabei herunterfällt oder verrutscht. Wenn wir die Bahre hochstellen und drehen könnte es funktionieren."
"Ok, Kate, kümmern Sie sich bitte um eine Bahre. Ich werde inzwischen Papiere für Lucia besorgen. Planen wir den Abflug für morgen Abend."
Die Türe öffnete sich und Sabine streckte ihren Kopf durch den Spalt.
"Der Herr Botschafter ist am Apparat."
Ann nickte und stand auf.
"Wir sehen uns im Später. Dann besprechen alle Details" sagte sie zu Dr. Callahan, bevor sie den Raum verließ.

Am darauffolgenden Tag bereiteten wir im Flugzeug alles vor, um Lucia mitsamt Bare befördern zu können. Andrea kümmerte sich um die Flugplanung und alle Vorbereitungen im Cockpit, während Anja die Betten vorbereitete. Es gab keine große Auswahl an Catering in Freetown, aber Mrs. Ann gab sich ohnehin meist mit wenigen Sandwiches zufrieden. Sie nutzte den Privatjet nur als Mittel zum Zweck und nicht als Prestigeobjekt. Das Personal vom Handling war meist nicht zu finden, wenn man es brauchte. Wurden sie allerdings nicht benötigt, waren sie lästig wie die Fliegen, krochen überall hinein und standen im Weg.
"Captain, wir haben Probleme. Wir können ihre Passagiere nicht zum Flugzeug bringen"
rief jemand von draußen ins Flugzeug.
"Was soll das heißen?" fragte ich und lief die Treppe hinunter. Vor mir stand Momka, der kleine rundgesichtige Handlingsagent.
"Wieso könnt ihr die Passagiere nicht bringen? Sind schon alle hier?"
"Ja, aber das Mädchen darf mit der Bahre nicht herein" erklärte er mit ernster Mine.
"Seid ihr nun völlig verrückt" schrie ich Momka an. "Bring mich sofort zu meinen Passagieren."
In der Abflughalle sah ich schon von weitem Mrs. Ann, wie sie wütend gestikulierte. Rund um sie eine Gruppe Männer, in deren Mitte Lucia lag, festgeschnallt auf ihrer Bahre.
"Diese Idioten wollen uns nicht durchlassen mit Lucia" schrie sie, als sie mich sah.
"Wir müssen Lucia auf eine Bahre vom Flughafen legen. Allerdings hilft uns hier niemand. Sie wollen keine kranken Personen anfassen" fauchte Mrs Ann vor Wut.
Dr. Callahan war gerade damit beschäftigt, die andere Bahre, welche vom Flughafen zur Verfügung gestellt wurde, vorzubereiten.
"Wir versuchen es zusammen. Aber wir müssen darauf achten, dass wir sie gleichmäßig anheben. Ihr Rücken darf keinesfalls durchhängen. Sabine, halten sie ihren Kopf. Wir werden sie beim Becken hochheben und sie halten ihre Beine" wies mich Dr. Callahan ein.
Lucia war unglaublich tapfer. Sie lag auf ihrer Bahre, starrte zur Decke und ließ alles regungslos über sich ergehen. Nur eine kleine Träne, die an ihrer Wange entlang kullerte, gab Auskunft über die Schmerzen, die sie zu ertragen hatte.

Das Einladen in den Flieger gestaltete sich nicht besonders schwierig. Angebunden und von drei Leuten festgehalten, konnten wir Lucia fast uneingeschränkt drehen. Als Lucia endlich im Flugzeug war, sah ich noch einmal kurz nach ihr. Sie lächelte, streckte mir ihre Hand entgegen und spreizte die Finger für "give me five". Es war einfach unglaublich, wie stark dieses kleine Mädchen war. Ich ließ sie sicherheitshalber auf der Bahre festgeschnallt, für den Fall, dass es turbulent werden sollte.
"Captain, Captain" hörte ich abermals jemanden rufen.
"Wo ist die Bahre? Das war unsere Bahre."
"Die habe ich bereits deinem Freund da drüben gegeben" antwortete ich ohne zu zögern und zeigte auf Männer, die in der Nähe des Abfertigungsbebäudes standen. Er drehte sich um und marschierte langsam in deren Richtung.
Das dauert. Bis der zurück ist, sind wir schon lange weg. Wir werden Lucia jedenfalls nicht noch mal umbetten. Ich war gerade dabei, die Türe zu schließen, als abermals einige Männer auf uns zukamen.
"Wir bekommen noch 60 Dollar pro Person für die Personenabfertigung und Sicherheitskontrolle" forderte der Älteste der Gruppe.
"Ihr bekommt gar nichts! Es wurde alles bezahlt. Könnt ihr denn nie aufhören, Geld zu fordern?"
Mrs. Ann hörte unseren Streit und stellte sich sofort dazwischen. Sie begann mit einer Schimpftirade, dass sogar die groß gewachsenen Security Leute zurückwichen.
"Wenn ich keine Unterschrift von denen habe, kann ich euch nicht zum Abflug freigeben" erklärte uns Momka.
"Wieviel wollt ihr? Hier, ist das genug?"
Sie hielt ein Bündel Geld in der Hand und übergab es dem Anführer der Gruppe.
"So, und jetzt unterschreib, los, unterschreib!"
Er nahm das Bündel Geld und setzte seine Unterschrift auf das Papier.
"Captain, Captain" ich konnte es nicht glauben, was wollte denn der schon wieder?
"Die haben keine Bahre. Die muss noch im Flugzeug sein, wurde mir gesagt."
"Wer sagt das?"
"Die Männer da drüben" er zeigte auf die Gruppe, zu der ich ihn geschickt hatte.
"Nicht DIE haben die Bahre, sondern DIE dort drüben, dort hinter dem Hangar" schrie ich ihn an und zeigte in die gegengesetzte Richtung als zuvor.
"Geh und hol sie dir, ich hab keine Bahre im Flugzeug."
Er drehte sich um und ging. Im selben Moment schnappe Mrs. Ann nach dem Geld, das der Sicherheitsbeauftragte locker in der Hand gehalten hatte und rannte damit ins Flugzeug. Völlig überrascht und überfordert von der schnellen Aktion starrten sich alle an. Ich nutze die Gelegenheit, sprang in den Flieger und schloss die Türe.
"Ab geht's."

Lucia hatte den größten Teil des Fluges geschlafen. Nur einmal musste sie von Dr. Callahan für kurze Zeit mit Sauerstoff versorgt werden. Es war allerdings nur zur Vorsorge, wie mir versichert wurde. In Schottland war alles für unsere Ankunft vorbereitet und Lucia sollte noch am gleichen Tag operiert werden. Wir erreichten Glasgow um 04:00 Uhr morgens. Schon von weitem konnte ich das Blinken der Blaulichter erkennen. Polizei, Rettung und einige Fahrzeuge der Sicherheit erwarteten uns bereits am Flughafen. Die Polizisten waren sehr nett. Zur Passkontrolle kamen sie ins Flugzeug und Lucia zeigte voller Stolz ihren neu erworbenen Reisepass. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich selbst auf einem Foto sehen konnte.
"Willkommen in Schottland" begrüßte einer der Polizisten Lucia, während er ihren Pass überprüfte.

Das Unglaubliche war vollbracht. Ein kleines Mädchen, das eben noch in einer Wellblechhütte in Afrika gelebt hatte, flog mit einem Privat-Jet nach Schottland und wurde behandelt, als wäre sie eine Prinzessin. Es war ein Strahlen in ihren Augen. Ein Strahlen, das mir für immer in Erinnerung bleiben wird. Diesmal war es ausgebildetes Personal, das Lucia vom Flugzeug in den Krankenwagen hievte. Die Türe wurde geschlossen und sie fuhren ab. Das Blinken der Blaulichter verschwand am Horizont. Es regnete.

 
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Hallo BRM,

ich finde deine Geschichte gut und sie hat mich berührt. Die Beschreibung der widrigen Zustände in dem Hotel sind sicher für die Zeichnung des Gesamtbildes vonnöten. Es hat mich aber ein wenig von der eigentlichen Geschichte abgelenkt. Die Geschichte um die Rettung und Behandlung von Lucia hast du richtig gut geschrieben. Was mich allerdings ein wenig gestört hat, sind die Bemerkungen im letzten Abschnitt, dass nämlich Lucia in Glasgow von ausgebildetem Personal ausgeladen und in den Krankenwagen verfrachtet wurde. Ich finde, hier stellst du das Licht der Helfer unter den Scheffel. Sie haben doch Großartiges geleistet. Aber ansonsten finde ich die Geschichte richtig gut geschrieben.
Es sind mir einige Kleinigkeiten aufgefallen. Ich hatte mir beim Lesen keine Notizen gemacht und finde sie jetzt in der Schnelle nicht wieder. Ich denke aber, die findest du, wenn du dir es noch mal durchliest, selbst.

Gern gelesen!

khnebel

 
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Hallo Khnebel,

danke, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast.

Lucia in Glasgow von ausgebildetem Personal ausgeladen

Ich wollte natürlich keinenfalls urteilen über Gut und Böse oder Richtig und Falsch. Den Ausdruck hatte ich verwendet um den Unterschied zwischen diesen Welten nochmals hervorzuheben. Ich kenne Afrika inzwischen sehr gut und weiß genau, dass man hier keine Vergleiche zwischen den Gesellschaften anstellen darf. Trotzdem sollten die Unterschiede aufgezeigt werden. Auf den Epilog, der der Original Geschichte angefügt wurde, habe ich hier ohnehin verzichtet, da er Literarisch nichts zur Sache tut.

LG
BRM

 
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Hey BRM,

wo fange ich an ... vielleicht damit, dass mir die Geschichte sehr echt vorkam, so sehr, dass ich zu Teilen dachte, wenn da mal nicht viel Autobiographie drin steckt. Ich weiß nicht, ob Du eine solche Situation so oder ähnlich selbst erlebt hast oder ob Du eine Doku gesehen hast, aber ein authentisches Gefühl hast Du auf jeden Fall rübergebracht.

Jetzt kommt allerdings der Haken, an dem sich das Ganze auch aufhängt. Als autobiographische Geschichte mag das durchaus durchgehen, als literarische hat sie es schon sehr viel schwerer bei mir. Und da kommen einige Punkte zusammen. Ich beschränke mich auf drei, okay :).

Am einfachsten und schnellsten geht das hier: www.wörtlicherede.de/ Studieren und nachbessern ;)

Punkt Zwei geht auch relativ flott. Ich empfehle Dir den Tag: Spannung wieder zu entfernen. Das kannst Du (sofern Du willst) unter der Geschichte selbst machen. Die Tags sind ein Versprechen an den Leser. Wenn da Horror steht, muss Horror drin sein, wenn da Liebe steht, muss Liebe drin sein und bei Humor will ich wenigstens mal schmunzeln können. Erfüllt der Text die Erwartung nicht, sinkt er automatisch in der Gunst. Der Leser fühlt sich betrogen. Und eine gewisse Grundspannung muss eh jede Geschichte haben, sonst taugt sie nicht. Deshalb sind aber nicht alle Geschichten gleich Spannungsgeschichten. Hier im Forum meint Spannung eher Thriller, da muss ordentlich Gefahr in Verzug sein, bis sich die Erwartung des Lesers erfüllt. Klar geht es bei Dir zwar auch um Leben und Tod in gewissen Weise, aber doch sehr in Moll, sehr ruhig und auf keinen Fall mit Gänsehaut.

Punkt drei und damit zum eigentlichen Handwerk. Ich könnt jetzt was zu den Figuren, zum Aufbau, zu Kill your Darlings, zum Stil, zu eigentlich allem etwas sagen. Alles ist Ansätzen gut, bei allem geht noch ein bisschen mehr, meiner Meinung nach. Ich habe mich für die Perspektive entschieden. Und auch dafür, dass Du eine Kurzgeschichte geschrieben hast und keine Biographische. Wobei Kurzgeschichte biographische Einflüsse nicht ausschließt, verfolgt aber andere Ziele und befolgt somit auch andere Regeln.

Wer ist deine Hauptfigur? Das ist doch Mrs. Ann. Als weitere wichtige Figur kommen Lucia und Frau Dr. Callahan ins Spiel. (Die drei sind ja die Handelnden.) Dein Protagonist ist eine eher ziemlich uninteressante Nebenfigur. Der ist halt so da. Aber er treibt die Handlung weder voran, noch tut er sonst irgendwas. Er pennt im falschen Zimmer, so what? Was interessiert mich, ob er im falschen Zimmer schläft, wenn es da so eine taffe, kleine, alte Frau gibt, die die Afrikaner im Zaum hält. Die Ziele, Illusionen hat, die kämpft, die mehr macht, als müde sein. Verstehste. Du nimmst die langweiligsten aller Personen und wenn er wenigsten über die Spannendste erzählte, nein, er redet über sich. Warum tut er das?
Ergo, ich würde den Fokus von ihm weg, auf Mrs. Ann legen. An ihr dran bleiben, die Beziehung der beiden mehr durchleuchten: Wie ist er zu dem Job gekommen? Wie oft fliegen die zusammen nach Afrika, ... also eher so etwas. Und Frau schottische Doktor ist mir zu sehr Mutter Teresa. Ich will nicht abstreiten, dass es solche Menschen gibt und es ist gut so, aber wir sind hier in der Literatur: Glatt ist langweilig, eckig und kantig ist spannend.

Und der Konflikt als solches ist hier ein Äußerer. Umstände gegen Mrs. Ann. Wir hatten hier mal eine ziemlich lange Diskussion, in weit sich Umstände überhaupt als Antagonist eignen. Soweit ich mich erinnere, gingen die Meinungen auseinander. Wäre gut, da noch einen Nebenkonflikt zu legen, keine Ahnung, wie der Erzähler an Magen-Darm leidet oder so. Der Möglichkeiten gibt es Tausende. Liebeskummer, eine Romanze mit der Co, einen Streit mit Mrs. Ann, ...

Ich hoffe, du kannst mit meinem Kommentar irgendwas anfangen und irgendwas davon auch verstehen. Ich kann es grad nicht besser ausdrücken/erklären. Falls Fragen sind, frag.
Auf jeden Fall bleibt es aber an Dir zu entscheiden, wer und wie die Geschichte erzählt werden soll ;).

Viel Freude Dir noch im Forum. Aber wie mir scheint, hast Du die bereits :).
Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Fliege,

der Grund, warum ich diese Geschichte hochgeladen habe war, dass ich nicht mehr weiter wusste. Dass Grundgerüst hatte ich schnell mal niedergeschrieben, war ja mehr oder weniger nur eine Gedächtnisnotiz. Danach begann ich daran herumzubasteln und versuchte eine Geschichte daraus zu machen.
Natürlich ist es ein autobiographischer Bericht. Letztlich ist es eine chronologische Abhandlung über drei meiner Arbeitstage. Ich wollte allerdings keine Autobiographie schreiben, ich wollte eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die ich selbst erlebt hatte.

Deine Anregungen sind sehr hilfreich für mich. Ich weiß nun, wo ich ansetzten muss. Natürlich ist Mrs. Ann der Protagonist und eine kleine Beziehung oder Beziehungskrise innerhalb der Crew würde allem mehr Volumen geben, bisher scheute ich mich allerdings solch eine Story einzubauen. Würde ja immerhin mich betreffen ;-)

Ich muss die Geschichte distanzierter sehen und völlig neutral behandeln, als wäre ich nicht dabei gewesen. So könnte es vielleicht gehen.

Nochmals vielen Dank für deine Hilfe, ich freu mich schon auf das 'Neuschreiben' ;-)

LG
BRM

 

Hey BRM,

ich nochmal :).

Ich wollte allerdings keine Autobiographie schreiben, ich wollte eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die ich selbst erlebt hatte.

Keine leichte Aufgabe die Du Dir da vorgenommen hast. Weil die Figuren ja Ecken und Kanten haben müssen und man sich selbst so ungern Kanten gibt. Eine Erfahrung, die ich hier am Anfang auch machen durfte. Und nachdem ich es nicht gebacken bekomme habe, habe ich nur noch mit fiktiven Personen gearbeitet.

... und eine kleine Beziehung oder Beziehungskrise innerhalb der Crew würde allem mehr Volumen geben, ...

Aber aufpassen, dass die Liebesgeschichte sich nicht in den Vordergrund drängt. Die Gefahr ist groß. Ich fände ja einen Streit mit Ann viel spannender. Liebe ist doch immer ;).

Ich muss die Geschichte distanzierter sehen und völlig neutral behandeln, als wäre ich nicht dabei gewesen. So könnte es vielleicht gehen.

In der Tat. Das ist das Rezept. Nur ist es einfacher gesagt, als getan. Nimm Dich raus. Erzähl Deine Geschichte mit anderen Figuren. Nimm eine Dir unbekannte Figur als Piloten. Dann kommst Du zwar nicht mehr drin vor, aber der Geschichte tut es gut. Und die Geschichte wie sie jetzt ist, die kannst Du ja für deine Enkelkinder aufheben.

ich freu mich schon auf das 'Neuschreiben' ;-)

Cool :)

Lieben Gruß, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo BRM,

Ich habe die Geschichte gern gelesen und konnte mir vieles lebhaft vorstellen.
Verwirrt haben mich die vielen verschiedenen Namen. Es dauerte seine Zeit, bis ich z.B. herausgefunden habe, wer Manfred ist.
Auch ich hätte gerne mehr über Mrs. Ann erfahren. Wer diese kleine, alte Frau ist, die soviel Rückgrat hat, woher sie kommt, und wie sie dazu kommt, soviel Geld in Afrika zu investieren.

Imponiert hat mir auch Frau Dr. Callahan, die ihre Ferien abbricht, ihren Freund zurücklässt und wie selbstverständlich Lucia begleitet.
Fliege sagt: Frau Doktor ist mir zu sehr Mutter Teresa. In der Literatur ist glatt = langweilig; eckig und kantig = spannend.
Wenn das so ist in der Literatur, frage ich mich, wo sind wir hingekommen?


Danke für die Geschichte.
Alles Gute wünscht Dir
Marai

 

Marai schrieb:
Imponiert hat mir auch Frau Dr. Callahan, die ihre Ferien abbricht, ihren Freund zurücklässt und wie selbstverständlich Lucia begleitet.
Fliege sagt: Frau Doktor ist mir zu sehr Mutter Teresa. In der Literatur ist glatt = langweilig; eckig und kantig = spannend.
Wenn das so ist in der Literatur, frage ich mich, wo sind wir hingekommen?

Ich glaub, Marai, da hast Du mich missverstanden. Frau Doktor hat in der Geschichte die Funktion eines deus ex machina. Darin lag meine Kritik. Nicht darin, dass die Literatur keine "Gutmenschen" erträgt.

 

Hallo Marai,

Danke für deine Anmerkungen,

Auch ich hätte gerne mehr über Mrs. Ann erfahren. Wer diese kleine, alte Frau ist, die soviel Rückgrat hat, woher sie kommt, und wie sie dazu kommt, soviel Geld in Afrika zu investieren
Leider habe ich zu wenig Augenmerk auf den Protagonisten, Mrs. Ann gelegt. Natürlich muss da viel mehr Information rein. Wird auch kommen, bei meiner neuen Version ;-)
Die Geschichte selbst, und das ist sicher nicht mir zuzuschreiben, hat meiner Meinung nach sehr großes Potenzial. Mit all den Informationen die ich dazu habe, könnte das locker ein ganzer Roman werden. Leider bin ich noch weit davon entfernt einen Roman zu schreiben, deshalb auch der Weg über die Kurzgeschichte.
Frau Doktor hat in der Geschichte die Funktion eines deus ex machina
Hat sie nur, weil ich es verabsäumt habe, ihren Charakter genauer zu beschreiben. Ich habe sie und Mrs. Ann vernachlässigt zugunsten des Captain Manfred, der ja in Wirklichkeit nur eine unbedeutende Neberolle spielt. Das muss ich neu Aufbauen.

Danke nochmals und natürlich freut es mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat ;-)

 

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