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Mein Freund, der Dinosaurier
Mein Freund, der Dinosaurier
Flink verkroch sich Kim unter der steinernen Treppe, die zum Pausenhof führte. Hier war er sicher vor den großen Jungs der 3a. Wenn er lange genug wartete, würden sie vielleicht nach Hause gehen, ohne ihm noch länger aufzulauern. Seine Mutter würde zwar wütend sein, dass er mal wieder nicht rechtzeitig zum Essen erschien, aber das war ihm allemal lieber, als sich schon wieder von den Großen herumschubsen zu lassen.
Kim kauerte sich mucksmäuschenstill auf den kalten Steinfußboden und wartete ab. Mit seiner kleinen Hand fischte er in seiner Jackentasche herum und zog einen grünen Plastikdinosaurier heraus. Gefährlich sah er aus, mit seinem Riesenmaul und den messerscharfen Säbelzähnen, aber leider viel zu klein, um die blöden Jungs zu erschrecken.
Warum konnte sein Dinosaurier nicht echt sein? Echt und groß, wie damals in der Urzeit. Er hätte Kims Freund sein und ihn immer beschützen können. Genau! Das war eine gute Idee! Mit seinem Freund, dem grässlich-häßlichen-super-gefährlichen Dinosaurier an seiner Seite wäre Mama bestimmt immer nett zu ihm. Vielleicht dürfte er auch dann den ganzen Abend fernsehen.
Bestimmt würde sie ihn auch nicht mehr zwingen, täglich zweimal seine Zähne zu putzen. Das hasste Kim nämlich sehr.
Und auch Frau Lorenz würde Angst bekommen. Sie würde es nicht mehr wagen, ihn vor allen Kindern anzuschreien, wenn er seine Hausaufgaben vergessen hatte. Sie würde ihn vielleicht böse angucken, aber dann würde sein Freund, der Säbelzahn-Super-Dino durchs Klassenfenster blicken und noch viel böser als Frau Lorenz gucken. Sie würde keinen Ton mehr herausbringen. Die hatte ja schon vor klitzekleinen Mäusen einen Riesenbammel. Was würde sie nur sagen, wenn Kim einen Beschützer-Dino zum Freund hätte? Alle wären super nett zu ihm. Alle, auch die dummen Jungs aus der 3a. Sie würden ihn nicht mehr ärgern und hauen, weil er so klein war. Nein, auf gar keinen Fall. Sie hätten bestimmt große Angst, von Kims Monster-Dino-Freund gefressen zu werden. Sie würden schreiend weglaufen, zu ihren Mamis und weinen wie kleine Babys, wenn das große grüne Monster sein gefährliches Maul aufreißen und in einer ohrenbetäubenden Lautstärke: „Uuuuaaaaahhhhhhhhh!“ brüllen würde.
Im selben Augenblick sprang Kim, vertieft in sein Gedankenspiel, auf und brüllte, so laut er nur konnte.
Die Jungs der 3a, die schon Ausschau nach ihm gehalten hatten, kamen gerade die Treppe herunter. Da sie nicht mit Kim und erst recht nicht mit einem derartigen Kampfgeschrei gerechnet hatten, erschreckten sie sich fürchterlich. Einer von ihnen stolperte vor Schreck sogar über seine eigenen Füße und landete auf allen Vieren. Kim schaute sie einen Augenblick, in dem er vergaß, dass er viel kleiner und schwächer war als sie, dinosauriermäßig böse und gefährlich an und rannte dann davon.
Die Jungs der 3a guckten noch ganz verwirrt, als eine Schülergruppe der 4. vorbeikam. Von weitem hatten sie beobachtet, dass die drei Jungs sich von einem kleinen Erstklässler erschrecken lassen haben und brachen in lautes Gelächter aus.
Die drei starken Jungs verkrümelten sich kleinlaut. Von diesem Tag an machten sie um Kim immer einen großen Bogen.