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Merry christmas, Carola!

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16.11.2001
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Merry christmas, Carola!

Merry Christmas, Carola!

Ich steckte in einem riesigen Durcheinander aus Geschenkpapier, Bändern, Schleifen und Weihnachtskarten. Irgendetwas piekste mich in den Oberschenkel. Ich saß auf der Schere. Aha, da war sie also. Ich hatte sie bereits vermisst. Den Überblick hatte ich längst verloren, und ich hoffte nur noch, dass der ganze Trubel bald vorbei sein würde. Da klingelte das Telefon. Ich befreite mich vom Tesafilm, der mich mit dem Teppichboden verband, griff nach dem Hörer und grüßte mit „Hallo, wer will da was von mir?“ Ziemlich unfreundlich, ich weiß, aber ich war genervt.

„Ja ich, meine Kleine!“

Wärme und Ruhe krochen mit diesen Worten durch die Leitung. Ich spürte, wie die Hektik aus meinem Körper verschwand, wie wohlige Entspannung und Freude die Herrschaft übernahmen. Plötzlich war ich zufrieden und glücklich. Philipps Stimme entzog mich dem vorweihnachtlichen Chaos im Wohnzimmer.

„Was ist denn los bei Dir? Bist wohl im Stress?“ „Jetzt nicht mehr, Süßer!“

In Philipps Sprache liegt eine einmalige Melodik. Es ist beinahe, als würde er jedes Wort singen. Der Samtbelag seiner Stimme ist weich und harmonisch. Ein Satz von ihm und die Welt ist wieder in Ordnung.

„Dann ist‘s ja gut, Schatz! Weihnachtsvorbereitungen, was?“ „Hm. Geschenke einpacken und so. Ich hatte mich gerade im Klebeband verheddert.“

Doch das hatte ich längst vergessen. Es war mir egal, ob es im Wohnzimmer aussah wie nach einem Tornado-Einschlag, und es war auch völlig wurscht, ob Oma Papas Überraschungseier oder Mama das Computerspiel kriegte, das eigentlich für meinen Bruder bestimmt war. Philipp war wichtiger als alles andere. Er lachte, und es klang wie „Ja, ja, kleine Maus. Du hast mal wieder alles vollkommen im Griff!“ Normalerweise würde ich stinksauer reagieren, wenn mir jemand die Kompetenz für irgendetwas absprechen will, selbst, wenn es sich um solch lapidaren Schitt handelt. Bei Philipp aber konnte ich mir sicher sein, dass er mich nur aufziehen wollte.

„Wir werden erst nach den Feiertagen wieder telefonieren können, wahrscheinlich gar erst nach Neujahr.“ „Ich weiß. Deshalb freue ich mich ja so, dass Du heute noch angerufen hast. So ganz ohne – das hätte mich wohl ziemlich traurig gemacht.“ „Mich auch. Wenn‘s nur schon vorbei wäre!“

Eigentlich gab es gar keinen Grund, so gefühlsduselig daher zu reden. Was war denn schon dabei, mal eine Woche lang nicht miteinander zu reden? Wir hatten das schließlich schon öfter überstanden. Aber Weihnachten… Da wäre ich schon lieber bei ihm gewesen.

„Du wirst aber nicht etwa alleine sein, oder?“

Philipp klang beunruhigt. Er ahnte vermutlich, dass ich ziemlich tränenreich darüber sinnieren würde, womit ich es wohl verdient habe, schon wieder ein einsames Weihnachten verleben zu müssen. Doch so schlimm ist das gar nicht. Es ist mir allemal lieber, als zwischen der Verwandtschaft zu sitzen, Gänsebraten in sich rein zu stopfen, und verstecken zu müssen, dass ich mich vor Traurigkeit am liebsten verkriechen würde. Einsamkeit hat den Vorteil, tun und lassen zu können, was man will. Und wenn ich Heilig Abend heulen möchte, weil Philipp im Kreise seiner Familie Weihnachtslieder singt und offenbar kein Problem damit hat, dass ein Teil seiner Gedanken bei mir ist, dann bitte schön! Warum auch nicht? Außerdem war es nicht unser erstes nicht-gemeinsames Weihnachtsfest.

„Mach Dir keine Sorgen. Ich werde es überleben. Denk immer mal an mich, dann bin ich schon zufrieden.“ „Das werd‘ ich ganz bestimmt. Ich denke doch immer an Dich!“ „Auch, wenn Du mir ihr schläfst?“ „Hm.“

Wir lachten, denn dieses „Hm.“ hieß übersetzt „Ja!“ Doch es ist ein irres Spiel, das wir da seit Jahren mit Inbrunst zelebrieren. Im Prinzip geht es darum, Philipps Ehe zu retten. Ich, seine Geliebte, sorge dafür, dass seine Frau einen glücklichen Mann an ihrer Seite hat. Wahnwitzig! Die pure Folter! Doch ich kann die Finger nicht von ihm lassen. Irgendwie ist er inzwischen auch „mein“ Mann geworden. Ohne ihn, das ginge einfach nicht. Allerdings beschleicht mich immer mal wieder die Angst, dass es auch mit ihm nicht geht. Er braucht seine Familie. Dort sind seine Wurzeln. Was zu mir gewachsen ist, waren nur ein paar unbeherrschte Triebe, die man versäumt hat zu stutzen, als sie noch jung und biegsam waren. Heute sind daraus kräftige Äste geworden, ohne die der Baum – Philipp – sein Gleichgewicht verlieren würde. Sicher möchte ich ihn gerne für mich alleine haben. Er ist ein Traum.

„Du spinnst! Bitte verarsche mich nicht!“ „Das ist die Wahrheit, Kleines! So idiotisch das klingt, aber Carola profitiert in dieser Hinsicht davon, dass es Dich gibt.“ „Blödsinn! Wenn Sie wüsste, dass Du sie seit Jahren betrügst, würde sie Dich ganz bestimmt nicht mehr ran lassen. Raus schmeißen würde sie Dich, hochkantig!“

Würde ich ihn in die Wüste schicken, wäre ich in Carolas Situation? Würde ich alles aufgeben, was bisher mein Leben ausgemacht hat, nur, weil ich in meinem Stolz verletzt wurde? In dem Moment, wo das Fortbestehen meiner Liebe in Frage gestellt wird, erkenne ich doch erst, wie tief diese Liebe tatsächlich ist, wie wichtig sie für mich ist. Ich glaube, ich würde lieber teilen, als sie ganz zu verlieren.

„Ach was. Dafür liebt sie mich viel zu sehr. Und Du weißt, ich liebe sie auch. Aber anders als früher und ganz anders als Dich.“

Anders als mich… Philipp hat mir oft und viel von zu Hause erzählt. Und ich habe ihn gefragt, warum er diese Beziehung zu mir begonnen hat, obwohl er von harmonischem Miteinander, Vertrautsein, liebevollem Umgang sprach. Er wusste selbst keine Antwort. Er meinte, seit wir uns kennen, wäre er glücklicher, zufriedener, sein Leben wäre besser und reicher geworden. Doch statt sich diesem neuen Leben hinzugeben, hat er es einfach seiner bisherigen Existenz untergejubelt. So konnte er beides haben und ist glücklicher als jemals zuvor. Natürlich ist das egoistisch. Aber wer würde nicht nehmen, was er kriegen kann?

„Denkst Du an sie, wenn Du mit mir schläfst?“ „Manchmal. Kurz bevor wir es tun. Dann nicht mehr.“ „Und das Gewissen?“ „Welches Gewissen?“ „Oh, Mann! Kannst Du nicht einmal ernst bleiben? Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe und der Familie! Da habe ich nun mal solche Gedanken, und Du machst Dich lustig drüber.“

Manchmal konnte er einen wirklich aus der Fasson bringen. Ich möchte ernsthaft ein Problem klären, er reißt dämliche Witze. Ich möchte dann gar zu gerne wissen, was in seinem Kopf vorgeht. Er treibt mich bis kurz vor den Wahnsinn, dann nimmt er mich in den Arm, küsst mich, und dann lache ich auch. Am Telefon ist aber nichts mit Küssen und Festhalten, da gibts nur Reden oder Schweigen.

„Glaubst Du wirklich, ich schenke Deiner Frau einen glücklichen Ehemann?“ „Ja, Süße. Erst kürzlich war sie wieder sehr glücklich.“ „He?“ „Nach unserem Telefonat neulich. Ich war so aufgeregt, dass ich sie fast überfallen habe, als ich nach Hause kam.“

Das darf ja wohl nicht wahr sein. Jetzt erzählt er mir auch noch, dass er seine Frau gevögelt hat, nachdem ich ihn in Stimmung gebracht habe. So gesehen, profitiert sie ja tatsächlich von mir. Hipp, ich mache Ehefrauen glücklich, in dem ich mir ihre Männer angle! Au weia, es wäre zum tot lachen, wenn‘s nicht so hinterhältig wär‘ – wir aber lachten.

„Und dabei hast Du natürlich nur an sie gedacht…“ „Nee, nur an mich!“ „Pervers!“ „Kleines, das war ein Scherz. Niemals würde ich soetwas tun. Ich brauche Euch doch alle beide.“ „Ja, mich zum Ficken, sie für den Haushalt!“

Dieser Hieb musste jetzt einfach sein. Er war nicht ernst gemeint. Philipp würde weder mir noch Carola absichtlich weh tun. Er liebt uns tatsächlich beide, und er braucht uns auch beide. Ich lachte mich halb kaputt, während Philipp am anderen Ende der Leitung gefoppt zu toben begann. Wir tauschten noch ein paar dieser Sticheleien aus, und wäre er nicht am Telefon, sondern bei mir gewesen, hätte uns dieser Wortwechsel direkt ins Schlafzimmer geführt. Philipp war in Stimmung, und ich, ehrlich gesagt, auch.

„So, mein Geliebter! Ich widme mich jetzt wieder meinen Päckchen, und Du solltest Dich schleunigst auf den Heimweg begeben, damit Carola auch noch was von meinem Weihnachtsgeschenk hat, bevor es in sich zusammenfällt.“

Philipp kicherte. Er versprach, sich so bald wie möglich wieder bei mir zu melden. Ich schickte meine Gefühle mit ihm in die Weihnachtsferien.

 

Hallo Anonymus,

eine ganz witzig und locker formulierte Geschichte hast Du geschrieben. Ganz nett, um sie mal schnell zwischendurch zu lesen, aber nichts Tiefgründiges, das mich nachhaltig beeindruckt.

Es fehlt mir die Spannung. Das Telephongespräch der beiden plätschert so vor sich hin, kichernd und herumalbernd.

Als ich, als Leserin, erfuhr, wie dieser Phillip die Protagonistin be- und ausnutzt, erwartete ich ein spektakuläres Ende, irgendwie eine Entscheidung und ich war enttäuscht, dass sie am Ende einfach ihre "Gefühle mit ihm in die Ferien schickt".

Fazit: Locker formuliert, so dass ich bis zum Ende lesen mochte, aber inhaltlich etwas schwach.

Liebe Grüße
Barbara

 

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