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Mondschein für die Milchstraße

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13.06.2017
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Mondschein für die Milchstraße

(Rechtschreibung korrigiert)

Träge und bräunlich fließt das Wasser an meinem Grundstück vorbei. Trotz des heißen Sommers lädt es nicht zum Baden ein. Nichts für mich und leider auch nichts für leckere Forellen oder gar einen köstlichen Lachs. Ein abgebrochener Ast treibt langsam vorbei, ein Kormoran hockt darauf wie ein Jäger auf dem Hochstand. Plötzlich stürzt er sich mit angelegten Flügeln ins Wasser. Mit einem wild zappelnden Fisch im Schnabel taucht er wieder auf. Er darf noch jagen.

Vor ein paar Jahren fing ich selbst mit einer primitiven Angel einen fetten Graskarpfen. Damit verstieß ich gegen das Verbot, Tiere zu töten. Falls ich erwischt worden wäre, hätte ich aber mildernde Umstände bekommen, schließlich gehöre ich zu den wenigen, die noch nicht genetisch befriedet, ich frotzele immer, sediert sind. Vor rund fünfzig Jahren wurde mit diesem Programm weltweit eine ‚friedliche‘ männliche Bevölkerung geschaffen. Dem Y-Chromosom wurde ein viertes Beinchen angezüchtet, es wurde eine Art kleines X. Gerade so viel, dass die Jungs keinen Busen bekamen und den Schwanz behielten. Aber viel los ist mit ihnen nicht mehr.

Ich dagegen will richtiges Fleisch kosten, wild und in freier Natur aufgewachsen, von mir selbst gefangen und getötet. Denn obwohl es gut schmeckt, erzeugt das synthetische Essen bei mir einen gewissen Widerwillen. Der Graskarpfen schmeckte damals nicht schlecht, aber die vielen Gräten störten den Genuss. Damit hat man bei den modernen Mahlzeiten keine Probleme mehr. Ein Kaninchen konnte ich trotz mehrfacher Versuche nicht fangen, und für größere Tiere fehlt mir ein Gewehr. Der Bestand des Wildes wird heute durch Jagdroboter kontrolliert. Das erspart dem neuen Menschen den Akt der Tötung.

Mein Butler James reißt mich mit einem gekünstelten Räuspern aus den Gedanken.
»Ihr Besuch ist da. Sie hatten mit Miss Emily Johnson einen Termin vereinbart. Sie wartet im Wohnzimmer.«
Miss Johnson hatte ich total vergessen, man wird nicht jünger. Sie hatte mich vor ein paar Tagen morgens früh angerufen und um ein Interview gebeten. Ich verstehe zwar nicht, wieso ich für das Emanzenportal „Woman in Front“ von Interesse bin, aber Miss Johnson war einfach zu hübsch, um ihr einen Korb zu geben. Natürlich war mir klar, dass es reine Berechnung von ihr war, ihren Bildkanal stehen zu lassen, obwohl die Höflichkeit erfordert hätte, ihn so wie meinen auf anonym zu stellen, schließlich lag ich noch im Bett und bot keinen so attraktiven Anblick.

Trotz meines Alters betrete ich vor James, dieser lahmen Blechkiste, das Wohnzimmer. Er ist ein älteres Modell und hat Probleme mit dem ungepflegten und holperigen Rasen. Er beschwert sich häufig darüber und fordert mich immer wieder auf, einen neuen und besseren Gartenroboter zu kaufen. Aber mich stört der Zustand des Rasens nicht, wenn ich Golf spielen will, fahre ich zum Country Club.

Miss Johnson sitzt mit elegant übergeschlagenem Bein auf der Couch. Ein erfreulicher Anblick für mich alten Mann und ich bereue nicht, sie eingeladen zu haben. James, der Dussel, hätte mich allerdings vorwarnen und mir ein gebügeltes Hemd rauslegen sollen. Und über die Grasflecken in der Hose und den Zustand meiner nackten Füße in den Gartensandalen schweigt des Sängers Höflichkeit.
»Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich haben, Mister Brewster.«
»Ihr Anblick im Visaphon machte mir eine Absage wirklich unmöglich. Ich wette, Sie haben das einkalkuliert?«
Ihr Mund kann ein leichtes Lächeln nicht verbergen und bestätigt meinen Verdacht.
»Die Realität übertrifft meine Erwartungen. Sie sind das hübscheste Mädchen, das mir seit langer Zeit Gesellschaft leistet. Ihre Figur ist …«, heftiges Piepsen unterbricht mein Schwärmen. Auch Miss Johnson ist für einen Augenblick überrascht und verwirrt. Dann greift sie nach ihrer voluminösen Handtasche und zieht einen überdimensionalen Kommunikator hervor, der sofort einen längeren Monolog startet.
»Es wurde ein Verstoß gegen § 153 Absatz 15 der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsverordnung festgestellt. Sie, Mister Brewster, haben Miss Johnson mit einem intimen Kompliment belästigt, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Spontane Komplimente sind nur zwischen Menschen gleichen Geschlechts in nicht sexuellem Kontext gemäß der Gender Norm Vier erlaubt. Dies ist eine kostenfreie Verwarnung. Beim nächsten Verstoß oder einer Anzeige von Miss Johnson droht ein Bußgeld. Ende.«
Es dauert einige Zeit, bis ich mich von meiner Verblüffung erhole.
»Was ist denn das für eine Quasselkiste. Spinnt die total?« Ich bin wirklich sauer. »Schalten Sie das Ding sofort ab!«
»Das ist mein Bodyguard. Er zeichnet alles auf und holt im Notfall Hilfe. Sie wurden als gefährlicher und unberechenbar atavistisch veranlagter Mann eingestuft, da sie vor der genetischen Befriedung geboren wurden.« Sie blickt mich gekonnt entschuldigend aus ihren blauen Augen an und ich werde wieder friedlich. »Abschalten kann ich ihn nicht, ich brauche die Mitschnitte für die Reportage. Hercule«, sie wendet sich an ihren Bodyguard, »dies ist eine private Unterhaltung!«
»Verstanden.«
»Hercule wird Sie nicht weiter belästigen.«
Nur mühsam kann ich ein Grinsen unterdrücken ‒ total emanzipiert, aber der Bodyguard ist männlich.
»Was ist nun genau der Zweck Ihres Besuches, Emily. Ich darf Sie doch Emily nennen? Bitte nennen Sie mich David.«
»Gerne. Wie Sie vielleicht wissen, David, wird unser Portal hauptsächlich von jungen, erfolgreichen Frauen besucht, für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts kein Thema mehr ist. Trotzdem, oder gerade deswegen, planen wir eine Dokumentation „150 Jahre Emanzipation - Geschichte und Erfolge“. Unsere Leserinnen genießen die Vorteile, aber manche fangen an zu zweifeln, eben, weil sie nicht wissen, in welcher schrecklichen Lage sich ihre Geschlechtsgenossinnen früher befunden haben.«
»Ja wirklich, den Frauen ging es früher schlecht«, pflichte ich pflichtschuldig aber mit wenig Überzeugung bei, »und ich soll jetzt den Hannibal Lecter geben, der die Frauen wieder das Fürchten lehrt?«
»Hannibal Lecter, ist das ein bekannter Schauspieler?«
»Das war vor Ihrer Zeit, vergessen Sie es. Meine Frauen und ich waren zusammen immer glücklich und zufrieden, zumindest meistens.«
»Mir geht es um sachliche Information für unsere Leserinnen«, Emily setzt sich gerade auf und blickt mich mit geschäftsmäßig an. »Sie sind einer der letzten Protagonisten aus der Zeit vor der Befriedung und haben einen abwechslungsreichen Lebenslauf, gestartet als Reporter, mehrfach verhaftet wegen Schwarzbrennerei, ein Jahr im Bundesgefängnis, angeblich von Aliens entführt und nach ihrer Rückkehr reich geworden. Und Sie sehen mit Ihren einhundert Jahren noch bemerkenswert rüstig und gut aus. Es gab ja Zweifel, ob Sie nicht in Wirklichkeit der Sohn von David Brewster sind, der sich für den Vater ausgibt. In dieser Gegend sind Sie eine Legende. Das wird unsere Leserinnen sicherlich interessieren.«
»Und sie werden schnell merken, welche Waschlappen heute neben ihnen im Bett liegen!«
»Das glaube ich weniger, sie werden im Gegenteil die neue, rücksichtsvolle Männlichkeit noch mehr schätzen lernen.«
Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen und lenke ab. »Ich bin unhöflich, was darf ich Ihnen anbieten?«
Die Minuten, in denen wir auf die Getränke warten, schweigen wir. Was will sie von mir? Was soll ich erzählen? Endlich erscheint James und unterbricht unser Schweigen. Er serviert ihr eine eisgekühlte Limonade, ich bekomme Mineralwasser mit Geschmack.
»Nun warten wir, also meine Leserinnen und ich, ungeduldig auf Ihre Geschichte. Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter.«

Womit sollte ich beginnen? Am besten mit dem Anfang. Ich hatte damals nach meinem Studium den ersten Job, zwar bei einem Provinzblatt im Süden, aber immerhin. Meine damalige Lebensgefährtin sah das natürlich vollkommen anders.
»Okay, ich lege mal los. Emily, Hercule zeichnet alles auf?«

***​
Es war an einem Sommerabend, das Jahr weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall verdammt lange her. Das erste Jahr meiner Tätigkeit für den Topeka Observer brachte für mich noch nicht den Durchbruch und, viel schlimmer, keine Gehaltserhöhung. Meine damalige Lebensgefährtin Catherine hatte deshalb die Konsequenzen gezogen und sich in Richtung Florida abgesetzt.

Die Redaktionskonferenz zog sich in Länge. Es fehlten noch einige Seiten für die nächste Woche. Vielen Dank, Sommerloch. Unser Chefredakteur, George der Unbarmherzige, knöpfte sich das Team vor, methodisch im Uhrzeigersinn. Glücklicherweise hatte ich einen Platz rechts von ihm erwischt. Belinda, Andreas und Fred schützen mich noch vor der Blamage. Denn selbst die fünfzehn Tassen Kaffee, die ich im Laufe des Tages geschlürft hatte, brachten mir bis jetzt nicht die notwendige Erleuchtung.
»Belinda, was hast du anzubieten?« Georges schneidende Stimme riss mich aus den Gedanken.
Belinda antwortete prompt. »Die Farmer im Umland haben Probleme mit der Wasserversorgung. Der Ausbau kommt nur schleppend voran. Und der Verbrauch in der Industrie nimmt zu.«
»Ein wichtiges Thema, aber berichte bitte sachlich. Und nimm Rücksicht auf die Firmen. Wir brauchen die Anzeigen.«
Auch Andreas und Fred hatten eine passende Idee. Nun fixierte mich George mit seinem gnadenlosen Blick. Nach einigem Zögern rettet mich ein Geistesblitz.
»Wie wäre es mit einer Story über die angeblichen Sichtungen von Ufos im Westen der Stadt? Es haben schon einige Leser bei uns angerufen.« George blieb ruhig, das war schon mal gut. Nach kurzer Pause nickte er. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Die Sonne küsste den Horizont und tauchte die Straße in rötliches Licht, als ich müde und ausgelaugt die Redaktion verließ. Seit mich Catherine verlassen hatte, trieb mich nichts mehr nach Hause, denn dort küsste mich niemand. Ich wusste, Farmer aus dem Umland trafen sich in einer Bar im Westend. Dort wollte ich mit meiner Recherche beginnen. Und ein oder zwei Pints kühles Bier, auf Spesen selbstverständlich, sollten dabei helfen.

Der Schankraum war gut besucht. Die meisten hatten den Umweg durch die Dusche vermieden. Staubige Stetsons und schmutzige Stiefel beherrschten die Szene und aus den verschwitzten Hemdsärmeln quollen Arme, braun und knorrig wie Eichenäste. Ich würde mich benehmen müssen. Aus der Musikbox dudelte Country Musik. Schnell auf den freien Hocker an der Theke geklemmt und die Hand gehoben. Mit leisem Zischen lief das Bier in den eisgekühlten Krug. Der Raureif auf dem Glas bekam kaum die Chance zu tauen, zu schnell rann das Bier zart prickelnd über meine Zunge. Ein gekonnter Schupser und das Glas wurde nachgefüllt. Das war Service. Noch ein frischer Schluck, ein kräftiger Rülpser und ich war bereit für die Arbeit.

***​
Ich mache eine Pause und träume von vergangenen Zeiten. Das damals ausgeschenkte Bier schmeckte besser als die gesundheitsoptimierte Fassbrause, die heutzutage angeboten wird.
»Ihre Schilderung lässt meinen Leserinnen sicherlich das Blut in den Adern gefrieren.« Unsanft holt mich die Reporterin in die Wirklichkeit zurück. »Die Frauen damals waren zu bedauern. Wenn ich dagegen an meinen letzten Besuch in der Disko zurückdenke. Die schicken Jungs, enge Hosen, die Hemden körperbetont und durchscheinend, eingehüllt in eine Wolke Blumenduft. Traumhaft.«
»Schreiben Sie halt eine Sicherheitswarnung in die Fußnote. Minderjährige und Schwangere und so weiter. Aber jetzt lassen Sie mich weiter erzählen, sonst werden wir nie fertig.« Wo war ich? Ach ja, bei der Recherche.
***​
Ich fragte den Barkeeper, ob er etwas von Ufosichtungen gehört hätte.
»Sie sind Reporter?« Er machte eine vertraute Handbewegung. Zehn Dollar wechselten den Besitzer und die Hand deutete lässig auf einen alten Krauter, der sicherlich schon mit Wild Bill Hickok gegen die Indianer gekämpft hatte.
»Sprechen Sie mit Anthony.«
Ich griff mein Glas und schlenderte lässig zu dem kleinen Tisch in der Ecke. Mein kurzes Klopfen auf das mit Glasrändern und Ketchupflecken verzierte Holz schreckte ihn auf.
»Hallo, Sie sind Anthony?« Er nickte.
»Ich bin Reporter des Topeka Observers. Ich möchte mit Ihnen über die Ufosichtungen sprechen. Haben Sie Zeit? Ich bin David.«
»Endlich meldet sich mal einer von euch Pappnasen von der Zeitung. Interessiert euch das denn nicht?«
»Sie müssen bitte entschuldigen, ich bin beim Observer der Experte für Astronomie und Weltraumfahrt. Der Kongress in Paris hat leider länger gedauert.« Klappern gehört zum Handwerk und zeigte sofort Wirkung. Ein Schimmer von Ehrfurcht tilgte den Ärger in Anthonys Gesicht.
»Also, es geht um meinen Nachbarn Abraham, Abraham Finch. Unsere gemeinsame Grenze ist fast eine Meile lang und es gibt dauernd Ärger mit dem Saufkopp. Ich schufte den ganzen Tag und er sitzt faul vor seinem Haus. Er lässt seine Felder vergammeln und ich habe das ganze Unkraut in der Saat. Trotzdem hat er Geld wie Heu. Erst letzten Monat hat er sich ein neues Auto gekauft, Luxusklasse. Da hockt er sich mit seinen dreckigen Hosen rein. Unglaublich! Und das liegt an den Ufos. Alle Nasen lang landet eines vor seiner großen Scheune. Und wird sofort versteckt. Meine Kühe haben Angst und geben jetzt weniger Milch. Selbst mein Stier ist unfruchtbar geworden. Chemtrails, Sie verstehen?«
»Und Sie sind sicher, dass es Ufos sind?«
»Klar, die Aliens kommen damit senkrecht runter, mit einem Affenzahn, in so einer abgeflachten Halbkugel, um die zehn Yards groß. Die glimmt und schillert und macht sonderbare Geräusche, unheimlich.«
Es fiel mir immer schwerer, ihm zu glauben.
»Wenn das Ufo gelandet ist, kommen die kleinen grünen Männchen raus, besuchen Ihren Nachbarn und tanzen Polka?«
»Von wegen, kleine Männchen. Es ist nur eines, sechs Fuß groß und im Gesicht eher bläulich. Mit einer Art Uniform, fast wie ein Footballspieler. Sieht gefährlich aus. Kleine Wägelchen, die von selber laufen, laden dann irgendwas aus der Scheune in das Raumschiff. Wenn sie fertig sind, verschwinden die beiden in seiner Bude und gießen sich mit seinem selbst gebrannten Fusel einen auf die Lampe. Die halbe Nacht singen und grölen sie rum. Am nächsten Morgen ist das Ufo weg. Aber jedes Mal bringt er danach einen Goldbarren zu der kleinen Bank, die Timothy Witherspoon gehört. Die nehmen noch ungemünztes Gold.«
»Das klingt ja sehr interessant, was Sie mir da erzählen. Ich brauche noch die Adresse von diesem Abraham Finch.«
»Erzählen Sie ihm nur nicht, von wem Sie diese Information haben. Abraham ist mit allen Wassern gewaschen. Der Deputy Chief versucht schon seit Jahren, ihn wegen der Schwarzbrennerei dran zu kriegen. Vergeblich. Also Vorsicht, wenn Sie ihm auf die Pelle rücken. Der versteht keinen Spaß.«
»Ich werde vorsichtig sein, und Sie brauchen keine Angst zu haben, meine Quellen sind mir heilig.« Als kleines Dankeschön übernahm ich seine nicht ganz kleine Rechnung. George würde toben. Mittlerweile war es dunkel und da der Ufonaut nach Auskunft meiner Quelle ‒ keine Namen, klar ‒ nachtaktiv sein sollte, war jetzt die richtige Zeit für einen Besuch. Ich legte einen 400-ASA-Film ein und machte mich auf den Weg. Für diesen Abend würde ich James Bond imitieren und verdeckt ermitteln.
***​
»Na ja, Sie als James Bond?«, mein Besuch mustert mich von oben bis unten und kichert.
»Damals war ich jung und fit, in jeder Beziehung.« Ich gebe ihr den Blick, aber leider scheint er nicht zu zünden. »Woher kennen Sie überhaupt James Bond. Diese Filme stehen doch auf dem Index?«
»Eine meiner Freundinnen hat eine Quelle im Dark Net. So ab und zu, bei einem Mädelsabend, lassen wir es krachen. Letzte Woche stand „Shades of Grey“ auf dem Programm, ein Horrorfilm aus dem letzten Jahrhundert.« Sie bemerkt meine leicht abschätzige Mine. »Natürlich als Motivation und Vorbereitung für das heutige Interview.«
»Ich muss Sie leider enttäuschen. Meinen Folterkeller hat der Verein für gute und saubere Nachbarschaft abgeräumt und entsorgt, als ich auf Urlaub war, sozusagen. Soll ich jetzt weiter erzählen?«
»Ja bitte, ich werde Sie nicht mehr unterbrechen.«
***​
Als ich in die Nähe der Finch Farm kam, schaltete ich die Scheinwerfer aus und parkte das Auto in der Einmündung eines Feldweges, durch mageres Gebüsch nur notdürftig getarnt. Zum Glück war der Himmel klar und ein fast voller Mond sorgte für gutes Büchsenlicht. Ich verdrängte den Gedanken, dass dies nicht nur für meine Kamera galt. Wer in dunkler Nacht Weidezäune überklettert, hatte sein Leben verwirkt, zumindest galt diese Regel damals überall in den USA. Nach einem kurzen Fußmarsch ohne Überraschungen konnte ich die Umrisse der Farm gegen den Nachthimmel erkennen. Auf der Rückseite des Wohngebäudes, in Richtung der großen Scheune, brannte Licht. Ich näherte mich weiter auf der Straße. Falls Hunde anschlugen, war ich noch nicht verdächtig. Aber alles blieb ruhig. Die Gegend schien wie ausgestorben, abgesehen von den Mücken, die sich über das Abendessen freuten. Vorsichtig ging ich über die Einfahrt und schlich mich gebückt am Haus entlang. Hatte sich die Zeit im Feriencamp bei den Pfadfindern doch gelohnt.
Endlich erreichte ich das Fenster, dessen sanfter Schein Gemütlichkeit versprach. Die Stimmen einer regen Unterhaltung drangen nach draußen. Verstehen konnte ich nichts, aber ich bemerkte bei der lauteren einen stark gutturalen, fremdländischen Akzent. Wie nicht anders zu erwarten, musste ich mein sauberes Taschentuch und ordentlich Spucke opfern, um der fast blinden Fensterscheibe ein kleines Guckloch abzutrotzen. Links saß ein Farmer, der auch Anthony hätte sein können. Wohl der alte Finch. Seine Füße mit den derben Stiefeln lagen auf einem Tisch, dessen Dekoration mit Flaschen und Bierdosen deutlich zeigte: Das traute Beisammensein dauerte schon eine Weile. Sein Gegenüber war durch mein Guckloch nur schlecht zu sehen. Es war der mit der gutturalen Stimme. Selbst im Sitzen wurde seine Größe deutlich. Seine Kleidung erinnerte mich an die Filmfigur des Judge Dredd. Er strahlte eine gewisse Brutalität aus. Ungern wäre ich ihm im Dunkeln begegnet. Scheiße, ich begegnete ihm ja gerade und dunkel war es auch. Fast hätte man glauben können, er wäre vom letzten Halloween übriggeblieben, wenn die deutliche blaue Färbung seines Gesichts nicht gewesen wäre. Und statt der Haare zog sich eine massiv wirkende Rippe von seiner Stirn über den kahlen Kopf. Die wirkte sehr echt. Das musste der Fremde sein, den Anthony beschrieben hatte. Er hatte also nicht gesponnen. Jetzt ein Foto und ich wäre der King, Pulitzer ich komme. Die Ernüchterung kam sofort. Ein Foto wie dieses konnte man auf jeder Star Trek Fan Convention machen. Ich brauchte mehr. Die Scheune, die versteckte, fliegende Untertasse.

Kaum gedacht, schlich ich in Richtung des großen Gebäudes. Trotz der sogar bei dem schlechten Licht erkennbaren Spuren des Verfalls ging eine Drohung von ihm aus. Blasses, leicht bläuliches Leuchten drang durch viele Ritzen und Spalten. Alles war ruhig. Das Glück war mir hold, endlich. Ich quetschte mich durch den Spalt, den das schlecht schließende Tor offenließ. Und da stand sie: Die fliegende Untertasse, das Ufo, das Raumschiff. Die Beschreibung, die Anthony mir gegeben hatte, stimmte. Eine große, abgeflachte Halbkugel. Die Hülle wirkte metallisch. Am unteren Rand zog sich ein irisierendes Leuchtband entlang. Es tauchte das Innere der Scheune in ein geisterhaftes bläuliches Licht. Ich legte die Hand auf die Oberfläche des Ufos. Sie war warm, schien irgendwie zu pulsieren, zu leben. Eine unheimliche, ruhende Kraft ging von dem Fahrzeug aus. Das war sicherlich keine Kulisse für Star Trek. Der untere Rand endete einen Fuß über dem Boden. Wie schaffte man das Teil, das sicherlich viele Tonnen wog, in die Scheune? Ich bückte mich, um mir das Fahrgestell anzusehen und sah ‒ nichts. Endlich, das war der Beweis. Das Ufo schwebte, völlig losgelöst, still und ruhig. Fassungslos umrundete ich das Fahrzeug mehrmals und schoss eine Reihe von Fotos.

***​
»Ich wollte ein ernsthaftes Interview führen. Aber Sie veranstalten eine Märchenstunde«, unterbricht mich Emily erneut. »Wenn ich das meinen Leserinnen präsentiere, halten die mich für bescheuert. Haben Sie denn irgendwelche Beweise? Steht das Ufo noch in Ihrer Scheune? Oder gibt es Fotos davon?«
»Hören Sie mir weiter zu und Sie werden es erfahren.«
***​
Mir war klar, Fotos von außen würden kaum reichen. Ich musste hinein. Leider waren keinerlei Hinweise auf eine Luke oder Tür auf der Außenhaut zu erkennen. Die Oberfläche war makellos glatt. Erst versuchte ich, mit flachen Händen Schalter, Fugen oder Vertiefungen zu ertasten. Klopfen und Hämmern half ebenso wenig. Ich wurde nervös und ärgerlich. Ein paar kräftige Tritte würden zwar nicht helfen, aber sie entspannten mich ungemein.
»Hören Sie endlich auf, mich mit Ihren ungeschickten Eingeborenenfingern zu befingern!«
Erschrocken drehte ich mich um, aber ich war allein. Egal, noch ein kräftiger Tritt.
»Sofort aufhören. Ich bin ein hochentwickeltes und sensibles Raumfahrzeug. Dies ist die letzte Warnung, bei Nichtbefolgung greife ich zu erzieherischen Maßnahmen.«
So ein Haufen Blech wollte mich maßregeln? Das ging zu weit. Mein Urgroßvater war Wallone und das entschuldigt zum Teil meine Neigung zu spontanen Wutanfällen. Die Spitzhacke in der Ecke der Scheune kam mir gerade recht.
»Halt. Subaria wird damit nicht einverstanden sein. Und ich auch nicht.«
Diesmal kam die Stimme wirklich von hinten. Ich drehte mich um. Der Versprengte von der Star Trek Convention stand hinter mir. Das Teil, dass er auf meinen Bauch richtete, hatte verdammt viel Ähnlichkeit mit einer Kill-O-Matic. In einem billigen Sci-Fi Streifen hatte ich ähnliches gesehen. Ich wurde vorsichtig und ließ die Hacke fallen.
»Du bist auf Privatbesitz. Unerlaubt eingedrungen. Und Fotos sind sowieso verboten. Gib mir die Kamera.« Seine tiefe Stimme mit dem gutturalen Akzent ließ keinen Zweifel aufkommen. Er meinte es ernst. Widerstrebend übergab ich meine wertvollen Fotos samt Aufnahmegerät. Mit einem eleganten Schwung warf er die edle Agfa Spiegelreflex in die Höhe und riss die Waffe hoch. Ein lautloser Blitz, Krümel und Ascheteilchen sanken zu Boden. Nun wurde ich wirklich vorsichtig.
»Ist die Maus zu neugierig, wird die Katze satt. Ihr habt viele schlaue Sprüche hier auf der Erde. Ihr solltet euch daran halten. Wir gehen jetzt zu Abraham und entscheiden, wie es weitergeht.«
Heute war offensichtlich doch nicht mein Tag. Erst drohte mir ein Haufen Blech Schläge an und dann musste ich mir weise Sprüche von einem Alien mit Hahnenkamm auf dem Kopf anhören.
»Sieh da, ein Schnüffler. Bist du ein Cop?« Abraham schien bester Laune zu sein. »Hole dir den Stuhl aus der Ecke und setz dich zu uns. Also, schickt dich der Sheriff?«
»Nein, ich bin Reporter vom Topeka Observer. Ich wollte über die Sichtungen von Ufos berichten.« Ich machte eine Kunstpause. »Leider konnte ich die Berichte nicht bestätigen. Äh, ich meine natürlich, ich werde die Berichte nicht bestätigen können.«
»Darauf kannst du wetten.« Der Hahnenkammträger ließ sich nicht überzeugen.
Eisiges Schweigen. Trotzdem rann mir der Schweiß in den Kragen und das lag nicht nur an der überhitzten Bude.
»Tja, Jungchen.« Das Schweigen wurde ein paar Grad kälter. Abraham wandte sich an seinen Kumpel. »Hat er Fotos machen können, Urdock?«
»Ja, aber das habe ich geklärt.« Er klopfte stolz auf seine Kill-O-Matic.
»Dann ist ja alles OK. Willst du einen Schluck zum Abschied, Jungchen?« Mein Blick wanderte fragend zwischen den beiden hin und her. Auch Urdock schien überrascht.
»Abraham, bist du sicher? Eigentlich wollte ich mit ihm einen Spaziergang im Meer der Ruhe unternehmen.«
»Ich bin aber nicht Jesus und kann nicht auf dem Wasser laufen.« Urdock quittiert meinen zaghaften Einwand mit einem hämischen Grinsen. »Keine Angst, dort ist kein Wasser, aber auch keine Luft. Deshalb ist es dort so ruhig. Leider habe ich für dich keinen passenden Raumanzug.«
Abraham wiegelt ab. »Was soll er schon ausplaudern? Spinner mit Geschichten über Ufos gibt’s wie Sand am Meer. So ohne Beweise kann er viel erzählen. Hier, trinken wir auf unsere neue Bekanntschaft.« Ich war verdutzt und nahm ohne nachzudenken einen kräftigen Schluck aus dem schmuddeligen Glas, das er mir reichte. Man, war das ein Rachenputzer. Ich hatte ja im Leben schon einiges gekostet, aber das Zeug toppte alles. Abraham grinste mich an. »Jetzt bist du sprachlos, und ich hoffe mal, das bleibt so. Hier, für deine Kamera, und dann Tschüss.« Er drückte mir ein Stück Metall in die Hand und schob mich aus der Tür.

Die Straße wirkte immer noch wie ausgestorben. Langsam ließ das Brennen in der Kehle nach. Wie in Trance ging ich zurück zu meinem Auto. Hatte ich das gerade wirklich erlebt? Nach einer halben Stunde Fahrt schreckten mich schrille Sirenentöne und blaue Blinklichter auf. Ich hielt auf dem Seitenstreifen und ließ die Kolonne der Streifenwagen passieren. Eine Razzia? Sollte der Deputy Chief doch noch erfolgreich sein? Das geschähe Abraham recht, ein kräftiger Polizeitritt in seinen Hintern. Die Schwarzbrennerei würde aufgedeckt und die Aliens gefangen. Und endlich würde die Öffentlichkeit erfahren, dass es… Scheiße, das war doch mein Job, das mit der Aufklärung und so weiter. Ich musste Abraham warnen. Sonst war es Essig mit meinem Artikel. Ich rief ihn an. Zuerst war er erstaunt, bedankte sich dann aber für den Tipp.

Am nächsten Morgen war ich früh in der Redaktion und studierte den Ticker. Klasse, keine Meldung über eine erfolgreiche Razzia. Ich konnte die Story doch noch schreiben.

***​
»Ihre Märchenstunde hat mich hungrig gemacht.« Emily unterbricht meinen Redefluss, steht auf und reckt sich. »Gibt es ein Lokal in der Nähe? Ich lade Sie ein.«
»Sie meinen so ein Lokal mit Speiseautomaten, die kaloriengerechte Mahlzeiten servieren? Ein verlockendes Angebot, Emily, aber John, mein Roboter, hat schon alles vorbereitet. Er kocht hervorragend. Gehen wir hinüber ins Speisezimmer.« John hat sorgfältig gedeckt und serviert uns Fischfilets mit Kartoffeln und Gemüse. Dazu einen milden Weißwein.
»Der Wein schmeckt gut«, Emily sieht mir in die Augen, »aber er ist nicht alkoholfrei. Wenn Hercule das wüsste, würde er sofort Hilfe holen.«
»Mein Glück, er liegt im anderen Zimmer.«
Nach dem Essen gehen wir in den Garten. Die Nacht ist inzwischen hereingebrochen. Zikaden musizieren in den Büschen, Glühwürmchen konkurrieren mit den Sternen am mondlosen Himmel. Lange betrachtet Emily das Himmelszelt.
»Und sie wollen mir wirklich weismachen, dass Ufos existieren. Das alles ist doch nur Spinnerei. Obwohl, wenn es möglich wäre?« Sie stockt.
»Wenn Sie könnten, würden Sie mitfliegen?« Ich bekomme keine Antwort. Wir schweigen und hängen unseren Gedanken nach. Eine gewisse romantische Stimmung, eigentlich untypisch für mich, greift nach mir und ich denke daran, nach Emily zu greifen. Doch daraus wird nichts. Einer der Sterne (welcher genau, weiß ist nicht, ich bin ja kein Astronom) wird plötzlich heller und heller. Er scheint näher zu kommen. Jetzt blendet er uns, wir müssen die Augen schließen. Eine Sternschnuppe? Ich will mir etwas wünschen, stattdessen überkommt mich Panik. Soll ich so enden wie die Saurier vor mir? Aber es würde passen. Für die heutige Zeit bin ich ein Saurier. Brausen und Tosen gesellt sich zu dem Leuchten, ein plötzlicher Windstoß fegt die Gläser von Tisch. Wir ducken uns auf der Gartenbank, jetzt bin ich Emily nahe wie nie, doch wieder habe ich nichts davon. Krachen und Bersten vor dem Haus, das Leuchten verglimmt. Vorsichtig richten wir uns wieder auf. Die Türklingel schrillt, wieder und wieder.
»Erwarten Sie noch Besuch?« Emily sieht mich fragend an.
Erneutes Krachen kündet davon, dass mein Robo-Butler nicht schnell genug war und vom Ende einer Haustür. Eine Antwort auf die Frage von Emily erübrigt sich.
»David!« Das röhrende Organ von Urdock ist nicht zu überhören. »Uns bleiben noch neun Minuten.« Er stürmt in den Garten, einen großen Beutel, der an einen Leichensack erinnert, trägt er über der Schulter und schmeißt ihn lässig auf den Rasen. Er öffnet den Reißverschluss und mein Blick fällt fassungslos auf mich. Emily blickt erstarrt auf den unerwarteten Besuch. Endlich kann sie ihren Blick von Urdocks martialischer Gestalt losreißen, sie blickt mich an und dann mich (im Frischhaltebeutel), verdreht die Augen und wird ohnmächtig.
»Das Kartell ist sauer über deine Konkurrenz. Es hat ein Hyper-Missile springen lassen. Ich konnte es knapp überholen. Es ist bald hier.«
»Aber …«
»Es wird deinen Dummy vernichten und wir haben eine Weile Ruhe.«
»Aber …«
Er schubst mich von der Bank und platziert meinen Doppelgänger neben Emily. »Los jetzt, komm mit.«
»Aber was wird mit Emily?«
Statt einer Antwort wirft er sie wie eine Puppe über die Schulter und dampft ab. Was bleibt mir übrig? Ich schnappe mir Emilys voluminöse Tasche, stecke im Wohnzimmer Hercule hinein und folge Urdock. Abschließen lohnt jetzt nicht mehr und ich klettere sofort in das kleine Raumschiff, das in den Resten meines Vorgartens parkt.
»Tut mir leid, ich musste eine Gewaltlandung hinlegen.« Als wenn es ihm je etwas leid täte. Ich schnalle Emily in den Sitz und kralle mich in meinem fest. Urdock hat es eilig. Als wir einige Meilen in der Luft sind, kann ich sehen, wie mein geliebtes Heim und 500 Gallonen bester Moonshiner mit einem grellen Blitz zu Rauch und Asche werden.

Endlich sind wir im Weltraum. Urdock drosselt den Schub und die Absorber können wieder vernünftig arbeiten. Emily ist weiter bewusstlos, atmet aber regelmäßig. Ich fühle ihre Hand, sie ist eiskalt.
»Urdock, dreh die Heizung etwas höher, Emily friert.«
»Typisch für euch terranischen Weicheier.«
»Und hast du Riechsalz?«, frage ich ihn. Urdock sieht mich herablassend an.
»Bei uns ist das Mittelalter schon seit Jahrtausenden vorbei.« Er tippt auf seinen großen Bildschirm. Wieselflink schlüpft ein zierlicher Roboter aus einer Klappe und kümmert sich um Emily. Als er einige Spritzen zückt, drehe ich mich weg und betrachte die Erde, die wie ein blaugrüner Smaragd auf schwarzem Samt in der Unendlichkeit ruht. Wunderschön und unersetzlich. Scheinbar muss man einige Jahre auf einem öden Gefängnisplaneten verbracht haben, um das zu kapieren.

Im Sessel regt sich was. »Verdammt, wo bin ich? Was soll der Scheiß?« Ist das die Emily, die ich kenne? Hercules Belehrungen über die Vermeidung von Schimpfworten werden zum Glück durch die Tasche gedämpft. Sie blickt mich wütend an. »Du sagst mir jetzt sofort, was hier los ist. Schluss mit diesem Theater. Hast du mir etwas in den Wein getan? Ich hätte es wissen müssen. Männer!« Endlich sind wir beim Du. Schön, auch wenn die Situation dafür etwas ungünstig ist.
»Komm zum Fenster, bitte.« Ich löse ihre Gurte. Sie ist etwas wackelig auf den Beinen und ich muss sie stützen. Als sie ihre hübsche Nase am Fenster plattdrückt, ist erst mal Ruhe.
»Vielen Dank für unsere Rettung, Urdock. Aber wo soll ich jetzt hin?«
»Zurück zur Erde kannst du im Augenblick nicht. Das Syndikat wird wachsam sein. Wir fliegen zu meinem Schiff. Wenn du willst, kannst du dich einkaufen, ich habe ein paar gute Geschäfte in Aussicht.«
Die Rettung wird nicht billig, das wird mir langsam klar. Entweder kaufe ich mich bei Urdock ein. Das würde meine stille Reserve arg schmälern. Oder ich bleibe als Gast. Leider ist sein ‚Hotel‘ ebenfalls teuer.

»Und was wird aus mir?« Emily hatte ich fast vergessen. »Ich habe morgen einen Termin beim Zahnarzt und am Freitag ist Redaktionskonferenz.«
Es dauert eine Weile, bis ich ihr klargemacht habe, dass unser Alarmstart und die nachfolgende Explosion alle Geheimdienste der Welt alarmiert haben. Bei einer Rückkehr wäre unser Lebensabend gesichert, in der Area 51. Wenn Blicke töten könnten. Und schon wieder schweigen wir uns an. Unsere Beziehung sollte langsam in eine etwas kommunikativere Phase eintreten. Leider scheinen die Umstände dagegen zu sein.
Ich will gerade zu einer sorgfältig überlegten ‚Kriech zu Kreuz, ist ja nicht so schlimm und am anderen Ende der Galaxis ist ja auch was los‘ Entschuldigungsrede ansetzen, da schrillt eine mir seltsam vertraut klingende Melodie durch die Kommandokabine. Wieso muss ich dabei an Girl Groups in seltsamen blauen Uniformen denken, die zu Weihnachten vor den Einkaufszentren stehen und für Witwen und Waisen sammeln?
»Scheiße, wir sind erledigt.« Urdock schlägt wütend auf das Kommandopult, das mit Knirschen und Flackern reagiert. »Wir werden aufgebracht. So ein Mist.«
»Vom den Kakerlaken des Syndikats?«
»Schlimmer!«
»Etwa die beschränkten Sturmtruppen des Imperators?«
»Schlimmer!«
»Was kann schlimmer sein als die Sturmtruppen oder das Syndikat?« Selten habe ich Urdock so aufgeregt gesehen.
»Es ist ein Schiff der LFSA«, und als er meinen fragenden Blick bemerkt, »der Liga für Feminismus, Sauberkeit und Abstinenz. Möge ein schwarzes Loch sie verschlingen.« Mein Retter ist mächtig in Fahrt. »Und muss dieser schwachsinnige Automat immer seinen Senf dazu geben?« Hercule hat sich ob der vielen Schimpfworte in einen wahren Verwarnungstaumel gesteigert. Blitzschnell knallt Urdock den treuen Begleiter Emilys auf den Boden und trampelt wütend darauf herum. Die Reste wirft er zurück in ihre Tasche.

»Hier ist Patrouillenschiff LFSA 1953. Gehen Sie auf Parallelkurs, Distanz 300 und stoppen Sie alle Maschinen. Wir holen Sie mit Traktorstrahl ein. Halten Sie sich bereit für das Prisenkommando. Gegenwehr ist sinnlos.« Die Mimik des grünen Gesichts mit vier Augen kann ich nicht deuten, aber sie scheint Entschlossenheit auszudrücken, denn Urdock ist still und folgt den Anweisungen.
»Werden wir verhaftet? Weswegen?« Emily ist kaum erschreckt und scheint verstanden zu haben, was der Grünling angeordnet hat. Meine Hoffnung wird zerstört, ihr Entsetzen tröstend zu mildern. » Emily, hat du verstanden, was gesagt wurde? Es hat doch Galakto gesprochen.« Urdock mischt sich ein.
»Der Medobot hat Emily mit den Beruhigungsmitteln auch gleich den Reiseführer ‚Auf Tour durch die Galaxis‘ gespritzt. Sie weiß jetzt alles, was nötig ist.«

Unser kleines Fahrzeug ruckt heftig. Langsam, aber dafür um so sicherer, werden wir in Richtung des fremden Raumschiffes gezogen. Obwohl am Hauptbildschirm die maximale Vergrößerung gewählt ist, ist es anfangs nur ein verwaschener kleiner Fleck auf dem samtschwarzen Hintergrund des Kosmos. Aber es wird schnell größer. Die Umrisse des Schiffs, die sich mehr und mehr offenbaren, sind alles andere als elegant. Der Luftwiderstand spielt ja im All keine Rolle. Offensichtlich wurden Form und Montageort der einzelnen Komponenten allein durch Zweckmäßigkeit diktiert. Die einzige Inkonsequenz bei der Anwendung der Regel ‚Form folgt Funktion‘ ist die Farbe. Das Raumschiff ist rosa! Mit einem heftigen Schlag setzen wir im Inneren eines großen Hangars des Barbie Raumschiffes auf. Ein deutlicher Hinweis für uns, wo der Hammer hängt. Das sympathische Vierauge erscheint erneut auf dem Bildschirm.
»Neutralatomsphäre ist hergestellt. Bitte öffnen Sie den Schott. Das Prisenkommando kommt an Bord.«
Ein Blick auf die Bildschirme zeigt mir die schnelle Eingreiftruppe, die vor unserem kleinen Beiboot Stellung bezogen hat. Der Anblick der doch recht unterschiedlichen Gestalten wird durch ihre Uniformen nur mangelhaft homogenisiert. Ich vermute, dass alle dem eher weiblichen Geschlecht angehören, nur bei der zweiten von links bin ich sicher. Leider stört die Kill-O-Matic in ihrer Armbeuge den äußerst angenehmen Eindruck, denn eigentlich stehe ich auf Frauen in Uniform. Man, oder vielmehr Frau traut uns wohl eine hohe kriminelle Energie zu. Die Artillerie in Form eines tonnenförmigen Roboters ist aufgefahren. Gerade richtet er sein gefährlich aussehendes Rohr auf unseren Eingangsbereich aus. Aber vielleicht ist es auch nur eine Feuerspritze.

Urdock öffnet die Schleuse und eine Schwester von Vierauge setzt sich in Bewegung. Und ja, ‚Lovely Rita, Meter Maid‘, meine schicke Uniformträgerin, schließt sich an. Als beide im Schiff sind, erhält meine Begeisterung einen Dämpfer. Mit gut sechs Fuß überragt sie mich um fast einen Kopf. Beide mustern uns mit einer gewissen Arroganz, und als Rita, ich nenne sie einfach so, näher tritt, verzieht sie das Gesicht. Frauen sind wohl überall gleich. Schuldbewusst schnüffele ich kurz unter meiner Achsel. John, du verdammte Blechdose, warum hast du mir kein frisches Hemd rausgelegt.
Vierauge tritt einen Schritt an uns heran und stellt sich vor. »Chief Agentin Prohibita. Sie werden verdächtigt, hochmolekulare Kohlenwasserstoffe mit halluzinogener Wirkung illegal herzustellen und zu vertreiben.« Es dauert eine Weile, bis ich kapiere, dass sie unseren Fusel meint. »Und hier sind intergalaktischer Haftbefehl und Durchsuchungsbeschluss.« Sie wirft Urdock einen kleinen Würfel zu, den er in der Konsole verschwinden lässt. Die entsprechenden Dokumente erscheinen auf dem Hauptschirm. Wo haben die bloß dieses schlechte Foto von mir her?
»Und wer sind Sie?«, wendet sich die Chief Agentin an Emily.
»Sie ist nur ein zufälliger Gast und hat mit der ganzen Sache nichts zu tun.« Ich als edler Ritter, der sich opfert. Diese Seite an mir ist mir neu. Emily beginnt mit einer etwas genaueren Erklärung. Als sie den verständnislosen Blick der Chief Agentin bemerkt, wechselt sie in fast flüssiges Galakto. Diese Lernspritzen sind der Hammer. Der jetzt folgenden angeregten Unterhaltung zwischen Emily und Vierauge höre ich nur mit halbem Ohr zu. Schließlich kenne ich die Story. Gegen Ende des Palavers wedelt sie Prohibita wie zur Bestätigung mit dem letzten Heft von ‚Woman in Front‘ vor der nicht vorhandenen Nase herum. Diese scheint interessiert zu sein. Als die Explosion zur Sprache kommt, blickt sie uns an.
»Da haben Sie ja mehr Glück als Verstand gehabt. Schade. Aber so spare ich immerhin einen Torpedo, um die illegale Fabrik zu vernichten.« Dann gibt sie Rita ein Zeichen und diese scheucht uns mit ihrer Knarre im Anschlag aus dem Schiff. Und was ist mit Emily? Warum werden wir getrennt?
»Emily, keine Angst, ich werde dich retten!«, schreie ich ihr hinterher, als sie sich, in angeregte Unterhaltung vertieft, mit Prohibita in ein kleines Wägelchen setzt und davonbraust. Sie beachtet mich gar nicht. Verräterin, verdammte. Ich schaue ihr hinterher und bin tief verletzt. Wie lautete die Zeile aus dem Klassiker „ihr Herz ist ein finsteres Loch“? Damals bezog sie sich auf die Männer. Emanzipation ändert halt alles.

Wir werden zu einer recht komfortablen Unterkunft geführt, deren Tür von innen leider glatt und fugenlos ist und keinerlei Mechanismen zur Öffnung aufweist. Statt eines Abschiedskusses deutet Rita mit ihrer Kill-O-Matic auf einen Bildschirm mit einer Reihe von Anweisungen, wohl die Hausordnung dieses Etablissements. Dann schließt sich das Schott. Ich lasse mich in einen Sessel fallen. Urdock läuft wie ein gereizter Tiger hin und her. Nachdem er wortlos gefühlte tausend Yards abgespult hat, bleibt er vor der Ausgangstür stehen. Er klopft, ruft, klopft wieder. Als sich niemand meldet, verpasst er der Tür einen kräftigen Tritt. Und sitzt auf dem Boden. Scheinbar ist die Automatik nicht so höflich wie Subaria, so nennt er zärtlich sein kleines Raumschiff, mit dessen Bordcomputer ich früher schon Bekanntschaft gemacht hatte.
»Mussten die gleich einen Schocker einsetzen!« Sicherheitshalber verkneift er sich weiteres Fluchen und erhebt sich stöhnend. Ich gehe zu dem großen Bildschirm.
»Hier ist die Anklageschrift, sehr ausführlich, aber egal.« Ich scrolle weiter. Es folgen die Hinweise zur Gerichtsverhandlung, die bald stattfinden soll.
»Wir werden als Grad zwei kontaminiert eingestuft und sollen uns vorher desinfizieren, reinigen und frische Klamotten anziehen. Was bleibt uns anderes übrig?« Ich warte nicht auf eine Antwort von Urdock und betrete eine der deutlich gekennzeichneten Waschräume. Nach einer halben Stunde komme ich blitzblank, duftend, lebenslang onduliert und mit neuester Haut Couture ausgestattet zurück in den Aufenthaltsraum. Disko, wir kommen. Urdock ist schon fertig und grinst breit.
»Du siehst auch nicht besser aus.«
Scheinbar hat man nur gewartet bis wir fertig sind. Die Tür öffnet sich. Rita soll uns zum Gerichtssaal führen. Ihr anerkennender Blick entschädigt mich fast dafür, aufgeputzt wie ein Pfingstochse herumzulaufen. Wenn ich jetzt Plateausohlen hätte, würde mich der Größenunterschied vielleicht doch nicht so stören. Sie läuft voraus und geht wohl davon aus, dass wir brav folgen. Der Weg führt durch Gänge, Türen und Aufzüge. Ich nutze die Gelegenheit, Ritas Rückseite zu bewundern und fange wieder an zu träumen. Leider achte ich kaum noch darauf, wohin wir gehen und verliere jegliche Orientierung.
»Die Bewachung hat viel von ihrer früheren Strenge eingebüßt.« Urdock stößt mich an der Schulter und weckt mich aus meinen Phantasien. Er spricht Englisch in der Hoffnung, dass Rita uns nicht verstände. »Wenn wir jetzt zusammen … Und dann ab zum Schiff?«
»Findest du den Weg zurück zum Hangar?«
Er sieht mich schuldbewusst an. »Ich war wohl etwas abgelenkt. Hast du ihn dir nicht gemerkt?« Er sieht mich an und deutet meine Miene richtig. »Scheiße, du auch nicht.« So traben wir brav hinter Rita her, bis wir vor einer Tür halten. Sie meldet unsere Ankunft und wir treten ein. Der Raum ist nicht besonders groß oder eindrucksvoll. Ein langer Tisch, dessen Oberfläche ein Bildschirm zu sein scheint, teilt ihn in zwei Hälften, eine fürs Gericht mit voluminösen und wohl auch bequemen Sesseln, auf der gegenüberliegenden Seite eher ein Armsünderbänkchen. Ich fürchte, dieser unbequeme Sitz ist für uns reserviert. Wir nehmen Platz und harren der Dinge. Ein melodisches Signal soll wohl das Erscheinen des Gerichts ankündigen, denn Rita fordert uns mit einem Wink der Kill-O-Matic zum Aufstehen auf. Ihre Wortkargheit bedrückt mich. Meine Probleme bei der Kommunikation mit dem weiblichen Geschlecht scheinen sich zu verfestigen. Und leider nicht nur bei der Kommunikation. Der Einmarsch des Gerichts wird angeführt von einem fast menschlich wirkenden Wesen. Allerdings wallen ihre (ich nehme an, sie ist auch weiblich) Umrisse amöbenartigen bei jeder Bewegung. Sie schillert halb transparent und fließt fast auf ihren Sessel. Noch mitten in dieser Bewegung zaubert sie von irgendwoher eine Flasche und stellt sie auf den Tisch. Nun bin ich wirklich überrascht. Old Iron Scotch Whiskey von 1950. Diese noble Geste hätte ich nicht erwartet, nur wo sind die Gläser? Egal, fünfzig Prozent, das desinfiziert mit hoher Sicherheit. Ich reiße mich von diesem erfreulichen Anblick los. Chief Agentin Prohibita hat schon Platz genommen und wer sitzt da neben ihr?
»Hallo Emily, was machst du den hier?« Ich bin wirklich überrascht.
»Ruhe bitte, antworten Sie nur, wenn Sie gefragt werden.« Rita hat ihre Stimme wiedergefunden. Sollte mich das freuen?

In einer sehr formellen und langweiligen Rede hält uns Prohibita unsere Verfehlungen vor. Herstellung und Vertrieb von illegal produzierten halluzinogenen Kohlenwasserstoffen sowie Steuerhinterziehung. Ich versuche, ein schuldbewusstes Gesicht zu machen. Manchmal hilft es, Reue zu heucheln. Urdock dagegen kann sich nur mühsam beherrschen. In einem unbeobachteten Augenblick zwinkert uns Emily zu und mahnt uns damit zur Ruhe. Inzwischen hat die Amöbe das Wort ergriffen. Sie ist die leitende Ermittlerin in unserem Fall. Nun kommt auch die Flasche Whiskey zur Sprache. Sie wurde auf dem Schiff von Urdock gefunden und ist ein Beweismittel. Leider das einzige, wie sie zugeben muss. Die Amöbe wirkt dabei sehr zerknirscht, alles andere ist durch das Hyper-Missile gründlich vernichtet worden.
»Und du wolltest sie wohl alleine saufen, Gierschlund«, zische ich Urdock ins Ohr. Vorsichtshalber in Englisch. Rita ermahnt mich erneut, ruhig zu sein. Damit ist die Beweisaufnahme beendet. Emily ergreift nun das Wort. Sie hat den Part der Verteidigung übernommen.
»Hohes Gericht. Die Vorwürfe gegen meine Mandanten sind haltlos und beruhen auf einem Missverständnis. Nach ihrer Verurteilung vor rund fünfzig Jahren und der Verbüßung ihrer Strafen haben meine Mandanten Besserung gelobt und sich nichts zu Schulden kommen lassen. Mein Mandant David Brewster hat sich an mich in meiner Eigenschaft als Journalistin gewandt, um ausführlich über seine früheren Verfehlungen zu berichten und so andere Menschen davon abzuhalten, straffällig zu werden. Der unnötige Angriff des Kartells hat ihm seinen Lebensmittelpunkt geraubt und verdammt ihn damit zur Heimatlosigkeit. Auch mein Mandant Urdock Tiraydon zeigt alle Anzeichen einer dauerhaften Besserung. Bei seinem Besuch in Mister Brewsters Haus hat er die fragliche Flasche mit dem giftigen Inhalt entdeckt. Es ist auf der Erde ein altertümliches Mittel gegen allerlei Erkrankungen. Er hat nicht gezögert, die Flasche zu konfiszieren um sie den Behörden zur kontrollierten Vernichtung zu übergeben. Ich verlange daher, meine Mandanten von allen Vorwürfen freizusprechen. Danke, hohes Gericht.«
Bravo, Emily. Nur mühsam kann ich mich beherrschen, aufzuspringen und zu applaudieren. Die Fläche des Tisches, zuerst ein gleichmäßiges Purpurrot, leuchtet inzwischen in einem satten Grün.
»Der Richter ist bereit für das Urteil.« Prohibita steht auf und bedeutet uns, es ihr gleich zu tun.
»Und wer ist der Richter?« Mein zaghafter Einwand wird zugelassen.
»Eine Instanz der Zentralen Justiz-KI, Level sieben.« Wir warten gespannt. Endlich ertönt ein melodisches Signal und dann folgt das Urteil. Wir werden freigesprochen, die Kosten des Verfahrens trägt die LFSA.

›Darauf trinken wir einen!‹, will ich ausrufen, kann mich aber im letzten Augenblick beherrschen und bedanke mich höflich, bei wem auch immer.
»Es wird etwas dauern, bis Ihre Unterlagen ausgefertigt sind.« Prohibita wirkt kleinlaut. »Leider befinden wir uns im Outback der Galaxis. Die Datenrate ist lausig hier draußen. Nehmen Sie solange in der Cafeteria Platz.«
»Äh …«
»Ich führe euch hin.« Emily hat sich offensichtlich bestens integriert. Zielsicher führt sie uns durch die Gänge des Raumschiffes.

»Eigentlich wollte ich dir für diese Entführung die Augen auskratzen.« Emily lächelt mich an. »Aber jetzt bin ich dir fast dankbar. Deshalb war ich auch bereit, dich zu verteidigen. Die Crew hier auf dem Schiff ist klasse, wir verstehen uns prächtig. Und es warten gigantische Aufgaben auf uns. Die Galaxis ist ein riesiger Stall voller Machos. Ich werde mithelfen, ihn gründlich auszumisten.« Der Kampfgeist lässt ihre Wangen erglühen. Emily, ich liebe dich. Der Arschtritt meines Über-Ichs ist heftig und ich komme wieder zur Besinnung.
Wir erreichen die Cafeteria. Emily hat nicht übertrieben. Einige der Damen sind in die Lektüre der aktuellen Ausgabe von „Women in Front“ vertieft. Der Übersetzer hat flott gearbeitet, Respekt. Als Antwort auf Emilys Gruß recken sich einige Daumen, oder Äquivalente davon, in die Höhe. Wir haben Glück und finden einen freien Tisch am Panoramafenster. Saturn schwebt vor uns in der Dunkelheit. Die leichte Farbigkeit der Ringe ist faszinierend. Einer seiner Monde wirft einen scharf begrenzten Schatten auf die Oberfläche des Wolkenmeeres. Eigentlich bin ich eher der häusliche Typ, aber nun ergreift mich eine seltsame Unruhe. Sollte ich Urdocks Angebot annehmen?
»Du hörst mir gar nicht zu.« Emily ist sauer. »Typisch, wenn wir Frauen Karriere machen wollen, dann blockt ihr Machos ab. Aber damit ist Schluss! Ich fliege mit Prohibita zu ihrem Heimatplaneten. Nach einem Traineeprogramm auf Emanzia übernehme ich das Generalkonsulat der LFSA auf der Erde.«
»Und was wird mit uns? Mit dem Interview? Ich wollte dir noch so viel erzählen. Wie ich das Erbe von Abraham Finch antrat. Meine Zeit auf dem Strafplaneten. Wie ich …«
»Ich habe jetzt wichtigere Aufgaben. Du musst das verstehen.«
Was soll ich antworten? Früher war das eigentlich immer unser Text.

»Hier sind Ihre Unterlagen.« Prohibita ist unbemerkt an unseren Tisch getreten und gibt jedem von uns einen kleinen Speicherkristall. »Wir starten in Kürze. Bitte begeben Sie sich zu Ihrem Schiff. Gute Emanzipation.« Sie salutiert lässig, dreht sich um und überlässt uns Ritas Fürsorge. Diese winkt ungeduldig mit der Kill-O-Matic. Wir haben verstanden.

Der Abschied wird kurz und kühl.
Rita führt uns zurück zum Hangar.
»Wo fliegen wir hin?«, frage ich Urdock.
»Zu meinem Heimatplaneten. Es wird dir dort gefallen. Wir haben immer viel Spaß.«
»Wie heißt er denn? Nein, lass mich raten. „Da, wo die wilden Kerle wohnen“?«
»Genau, woher weißt du das?«

 

Hi @kioto

Ich konnte schmunzeln! Mit der quasi Zwangs-Eunuchisierung (Y -> X) der Männer und dem allgegenwärtigen Gleichstellungsterror im technologisch aufgerüsteten feministischen Überwachungsstaat, den Du hier ins absurde extrapolierst, konnte ich was anfangen. Ich habe deine Geschichte deshalb bis zum Ende gelesen. Grober Unfug! (positiv gemeint)

Muss allerdings sagen, dass ich Sie für zu lang halte. Um das Satzgenau zu analysieren bin ich nicht der Richtige, aber vielleicht nimmst du die Kritik ja trotzdem an.

Gruß
ViertelVorKebap

 

Hallo ViertelVorKebap

Vielen Dank fürs Lesen und deine Antwort. Ich mag SF, bin aber der ewigen Dystopien, Weltenrettungen oder Raumschlachten müde. Ich liebe Autoren wie Lem, Lukianenko, Glen Cook, Pratchett, Adams.
Die Story sollte das Verhältnis der Geschlechter ironisch und liebevoll durch den Kakao ziehen und keinerlei Kritik an Gleichstellung und Antidiskriminierung darstellen, allenfalls das die wichtige Diskussion heute so vollkommen humorbefreit geführt wird . Ich hoffe, dies kam so rüber.

Gruß Werner

 

Hallo @kioto

deine Geschichte hat definitiv mehr Kommentare verdient. Ich hab sie gerne gelesen, bzw. den Teil den ich las. In der Mitte fing ich an zu überpringen und las dann nur noch den Schluss. Du steigt gut ein, dann wird es langatmig. Daher kürzen kürzen kürzen, denn ...

Die Story sollte das Verhältnis der Geschlechter ironisch und liebevoll durch den Kakao ziehen und keinerlei Kritik an Gleichstellung und Antidiskriminierung darstellen, allenfalls das die wichtige Diskussion heute so vollkommen humorbefreit geführt wird . Ich hoffe, dies kam so rüber.

... ja es kam rüber :)! Und deshalb ist es schade, dass deine Geschichte langatmig ist und du dadurch vermutlich viele Leser verlierst.

Dem Y Chromosom wurde ein viertes Beinchen angezüchtet, es wurde eine Art kleines X. Gerade soviel, das die Jungs keinen Busen bekamen und den Schwanz behielten. Aber viel los ist mit ihnen nicht mehr.

Klasse ausgedrückt :thumbsup:.

Beste Grüße
Kroko

 

Hallo Kroko,
vielen Dank für das Lesen der Geschichte und den Kommentar.
Zum Kürzen. Ich hatte die Geschichte für eine Anthologie vorgesehen und schon versucht, sie knapp zu halten, um im Zeichen Limit zu bleiben. Wurde leider abgelehnt. Kurzgeschichten werden bei mir immer zu lang. Leider reicht es nicht für einen Roman. Besonders interessiert hat mich, die Geschichte etwas verschachtelt zu erzählen und auch mit gewissen Sprüngen oder Auslassungen. Auch der alte Farmer Abraham Finch hat ja eine Vorgeschichte, die erzählen könnte, wie er in Kontakt mit den Aliens kommt. Geht natürlich nicht in einer Kurzgeschichte.
Den Prota hatte ich ein bisschen mein eigenes Lebensgefühl mitgegeben. "Too Old to Rock ’n’ Roll: Too Young to Die!", bin jetzt ja Rentner.
Für Kürzungen hatte ich eher den Anfang gedacht. Ich liebe Dialoge und hasse lange Einleitungen.
Aktuell versuche ich, das Thema KI und den moralischen und philosophischen Fragen und Problemen, die mit der Implementation solcher Systeme entstehen, in eine lesenswerte Geschichte zu verpacken.

Gruß Werner am NO Kanal

 
Zuletzt bearbeitet:

“...

Standing by a parking meter
When I caught a glimpse of Rita
Filling in the ticket in her little white book
In a cap she looked much older
And the bag across her shoulder
Made her look a little like a military man

...“
Paul McCartney „Lovely Rita“, Sgt. Pepper‘s … (1967)​


Als er einige Spritzen zückt, drehe ich mich weg und betrachte die Erde, die wie ein blaugrüner Smaragd auf schwarzem Samt in der Unendlichkeit ruht. Wunderschön und unersetzlich. Scheinbar muss man einige Jahre auf einem öden Gefängnisplaneten verbracht haben, um das zu kapieren
oder wie ein nicht einflussloser Teil der Reichen und Schönen ans ewige Leben – und sei‘s als Prothesengott - für sich zu glauben und sich andere Objekte der Begierde in den unendlichen Weiten des Raumes zur Ausbeutung zu erobern. Dabei verknüpfstu,

lieber kioto -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!,

die 1950-er Jahre (in der Hysterie über Unbekannte Flugobjekte – Ufos) mit einem möglichen Endpunkt der Bewegung, die mit den Suffragetten begann und in einer „befriedeten“ (oder vielleicht doch eher befriedelten) Welt enden kann.

Dabei hat es schon in der Antike Frauen gegeben, die, wie etwa Hatschepsut, sich ein Pharaonenbärtchen anklebten und die Politik ihrer Vorgänger fortsetzten. Und auch Mutter Theresa wird nicht nur eine Wohltäterin gewesen sein …

Dass natürlich einer, der wenig von SF hält und i. d. R. wie auch Horror und Fantasy weiträumig umgeht und darum umso mehr von Historie und Satire hält, noch das Raumschiff Orion und die Besatzung der Raumpatrouille weniger als „wissenschaftliche Fiktion“ denn als Parodie auf amerikanische SF-Filme ansieht, sich dieser ein wohltrainiertes Sitzfleisch erfordernden Geschichte annimmt, verdankstu allein der „Satire“ - fiktive Satire quasi - für die ich mir etwas mehr Biss gewünscht hätte. Aber auch merkt man, dass ab der Hälfte die eigene Konzentration beim Schreiben nachlässt (was jetzt gleich gar nicht mal auffallen muss, wird doch jeder Schnitzer nur einmal aufgezeigt und im Falle ähnlicher Vorkommnisse nur mit einem kurzen Hinweis versehen, auf dass Du selbst noch mal durchsehen solltest.

Dem Y Chromosom wurde ein viertes Beinchen angezüchtet, es wurde eine Art kleines X. Gerade so[...]viel, das die Jungs keinen Busen bekamen und den Schwanz behielten.
Potentielle Samenbanken für den geschlechtsverkehrneutralen Nachwuchs gibt‘s schon. Dafür – so kann ich mir vorstellen – werden kleine Kolonien, wildlebender abgebrochener x-Chromosonträger eingerichtet. -

Aber „so viel“ wird i. d. R. auseinander geschrieben, nur die Konjunktion „soviel“ zusammen. Soviel ich weiß, wird die Konjunktion wesentlich seltener verwendet als die unbestimmte Mengenangabe – mein Tipp – immer zusammen schreiben, die Wahrscheinlichkeit, falsch zu liegen reduziert sich von 0,9 auf 0,1

Ihre Figur ist[...]…«, heftiges Piepsen …
Auslassungspunkte – wie Du sie durchgängig verwendest – behaupten, ein Buchstabe fehle da am Wort. Was nicht der Fall ist und zudem wäre das die Ästhetik des Apostrophs reizvoller und vor allem rationeller. Besser, immer eine Leerstelle zwischen Wort und Auslassungspunkten (musstu hetzt selber schauen bis zum Ende …)

HIer

Dann greift sie nach ihrer voluminösen Handtasche und zieht einen überdimensionalen Kommunikator hervor, der sofort einen länglichen Monolog startet.
wählstu m. E. Das falsche Adjektiv. „Länglich“ ist etwa die andere Seite eines Quaders gegenüber seiner Breite. Der Kommunikator hält einen „langen“ oder „längeren“ Monolog

»Es wurde ein Verstoß gegen §[...]273 Absatz 15 der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsverordnung …
Leertaste zwischen Zeichen und Nummer

Flüchtigkeit nimmt merklich zu, hier zuerst beim einleitenden Gänsefüßchen

Hercule«, sie wendet sich an ihren Bodyguard, »dies ist eine private Unterhaltung!«
hier beim fehlenden Abschlusszeichen
»Verstanden«
(kommt öfters vor, also nachschauen!)

..., Emilie setzt sich gerade auf und blickt mich mit geschäftsmäßig an.
Entweder fehlt was oder das „mit“ ist zu viel!

»Ok, ich lege mal los. Emilie, Hercule zeichnet alles auf?«
Ich versteh den Sinn nicht … „Okay“ wird mit Punkten abgekürzt, also O. K. oder O. k. Oder o. k. - also ebenso viel Zeichen, als das ausgeschrieben „Okay/okay“ zählt, aber warum erwähnstu Oklahoma, das Ok abgekürzt wird … (taucht noch mal mit Großbuchstaben auf ...)

Der Raureif auf dem Glas bekam kaum die Chan[c]e zu tauen, zu schnell rann das kalte Bier zart prickelnd über meine Zunge.

Traumhaft. «
(Leerstelle weg!)

»Hallo, Sie sind Anthony?« Er nickt[e].
Klappern gehört zu[m] Handwerk und …
… und es gibt dauern[d] Ärger mit dem Saufkopp.

»Von wegen, kleine Männchen. Es ist nur einer, sechs Fuß groß und im Gesicht eher bläulich.
es/das Männxhen ist nur „eines“

Der versteht keinen Spass.«
Spaß – ich war sogar verunsichert, ob Du nicht eine angloamerikanische oder Schweizer Tastatr verwendest. Aber Du verwendest das „ß“

»Eine meiner Freundinnen hat eine Quelle im Dark-Net.
„Dark Net“ lt. Duden

Ungern wäre ich ihm im Dunkel[n] begegnet.
Die Scheune, die versteckte[,] fliegende Untertasse.
Habe[n] Sie den irgendwelche Beweise.
Seine tiefe Stimme mit dem gutturalen Akzent ließ keine[n] Zweifel aufkommen.
Also, schickt dich der S[...]heriff?«
Ich rief i[h]n an.

Und so was
»Und sie wollen mir wirklich weißmachen, dass Ufos existieren.
dürfte nun wirklich nicht passieren – ist fast wie der SuperGaU der schreibenden Zunft, das und dass zu verwechseln: Da wird nix geweißt, wenn „weismachen“ gemeint wird. Gleich folgt nochmals Vergleichbares … Liestu nicht selbst mal Korrektur?

»Und hast du Riechsalz?«[,] frage ich ihn.
»Vielen Dank für unsere[...] Rettung, Urdock.
Es dauert eine Weile, bis ich ihr klargemacht habe, dass unser Alarmstart und die nachfolgende Explosion alle Geheimdienst[e] der Welt alarmiert haben.
... stehen und für Witwen und W[a]isen sammeln?

Langsam[,] aber dafür um so sicherer[,] werden wir in Richtung des fremden Raumschiffes gezogen.
John, du verdammte Blechdose, warum hast du mir keine frischen Hemd[en] rausgelegt.
»Und wer sind Sie? , wendet sich die Chief Agentin an Emilie.
"«"?

er jetzt folgenden angeregten Unterhaltung zwischen Emilie und Vierauge höre ich nur mit halbe[m] Ohr zu.
Urdock läuft wie ein gereizter Tiger [h]in und her. Nachdem er wortlos gefühlte [t]ausend Yards abgespult hat, ...
Urdock stößt mich an der Schulter[,] weckt mich aus meinen Phantasien. Er spricht Englisch in der Hoffnung, Rita versteh[e/altern. „verstände] uns nicht.
Du must das verstehen.«
..., dreht sich um und überlässt uns Ritas Fü[...]rsorge.

Wie dem auch sei - Humor haben wir beide, aber bis zum Biss eines "Fräulein, werfen Sie Ihr Kind weg, ich mach Ihnen ein neues" ist's noch ein weiter Weg, findet der

Freatle

 

Hallo
Friedrichard,

vielen Dank für deinen Kommentar und die vielen Hinweise. Fast schon ein Lektorat. Ich hatte vor einigen Jahren angefangen, selber Geschichten zu schreiben. Ich bin zwar eingefleischter SF Leser, aber nachdem meine bevorzugten Autoren wie Stanislaw Lem entweder in Rente gingen oder verstarben, wurde es immer schwieriger, lesbare SF zu finden. Raumschlachten und Dystopien öden mich an und generell zeichnen sich die meisten Werke der SF dadurch aus, dass Strichmännchen (neuerdings Strichweibchen - zeichnerisch gedacht!) vor bunten Kulissen agieren. Ich habe dann versucht, den Mangel durch "ernste" Literatur zu kompensieren, musste aber feststellen, das ist nichts für mich. Nach einige Stichproben aus der 'Longlist' konnte ich bestätigen, was schon Lem in seiner zweibändigen "Phantastik und Futurologie" feststellte.
"Die ernste Literatur erzählt fast alles über nichts, die SF nichts über fast alles." Ernste Literatur zu würdigen, daran hindert mich auch mein technischer Background, fürchte ich. Ein Leben lang habe ich trainiert, möglichst schnell aus lange Texten das Wesentliche rauszulesen, immer nach der Methode, erst jedes zweite, dann nur jedes dritte Wort, dann nur jeden zweiten Satz, Absatz, Kapitel, usw.
Ich hatte gehofft, durch selber schreiben könnte ich das wieder gerade biegen. Ist wohl nicht so einfach. Ich arbeite daran.
Zum Biss bei der Satire. Ich gebe zu, da fühle ich mich zunehmend durch die PC (Political Correctness) eingeschüchtert. Der weibliche Kommandant in lesbischer Ehe lebend, möglichst nicht mehr Männer als Frauen als Figuren verwenden, möglichst alle Rassen berücksichtigen (schwierig, die gibt es ja gar nicht) und zur Empfehlung in internationalen Medien kommt man, (Entschuldigung) frau dann, wenn generell alles auf generisch weiblich umgeschrieben wird, zum Beispiel "die männliche Offizierin". Der Übersetzer entschuldig sich allerdings auf sieben Seiten Einleitung für die schwierige Verständlichkeit des Textes in deutscher Sprache.

Egal, solange es Spaß macht, schreibe ich weiter, ob es einer liest oder nicht.

Gruß Werner am NO-Kanal

 

Hi @kioto,

nachdem du gerade eingestanden hast, dass du dich lange darin geübt hast, überspringend zu lesen, darf ich mich sicher trauen, dir einen Kommentar dazulassen, obgleich ich deine Geschichte auch so gelesen habe :shy: Dafür aber mindestens zweimal.

Sie ist halt ziemlich lang und außerdem SF ... Dabei finde ich das ja gut, dass du dich für die ernste SF abrackerst, und als völlig unberührter SF-Leser nehme ich dir deine Diagnose:
"generell zeichnen sich die meisten Werke der SF dadurch aus, dass Strichmännchen (neuerdings Strichweibchen - zeichnerisch gedacht!) vor bunten Kulissen agieren."
weitgehend ab. (Obwohl: Liu Cixin soll wohl ganz gut sein).

An manchen Stellen ist mir deine Geschichte trotzdem etwas flüchtig erschienen, vor allem in dem Sinn, dass ich mich nicht immer so ganz in die Zukunftsperspektive versetzt gefühlt habe, sondern eher vor mir gesehen habe, wie jemand aus der Gegenwart heraus eine Zukunft entwirft.
Ich versuche mal ein Beispiel:
-- "Ein verlockendes Angebot, Emilie, aber John, mein Roboter, hat schon alles vorbereitet."
Müsste man einer Frau, die in dieser Welt lebt, wirklich erklären, dass John ein Roboter ist? Ich würde eher sagen: nein. (In jedem Fall erscheint es mir richtiger, sich für eins zu entscheiden: Entweder der Name, oder die Erklärung.)

Oder ein Satz wie:
-- "Emanzipation ändert halt alles." Das können ältere Männer heute ganz gut sagen, aber in der Zukunft, in der ein autonom agierender Roboter schon ein älteres Modell sein kann, klingt das nicht ehr so gang frisch. Damit will ich nicht darauf hinaus, dass es immer schon falsch sei, wenn jemand Emanzipation hier und da irritierend finde, sondern darauf, dass Emanzipation hier schon längst Vergangenheit ist. Du bist in der Geschichte über bloße Emanzipation weit hinaus.

Entsprechend sind mir auch die Männerklischees etwas angestaubt vorgekommen. Und im Zuge damit auch das Ziel der Satire: Als sollten Männer durch Emanzipation grundsätzlich ihrer natürlich zukommenden Rechte beraubt werden.
Bsp.:
-- Der Kormoran "darf noch jagen."
Dabei geht es ja in der Emanzipation nicht darum, denn Männern das Jagen zu verbieten, sondern auch Frauen das Jagen zu erlauben (und damit auf einen Stand zurückzufinden, der wohlgemerkt in der raubeinigen Altsteinzeit - neueren Forschungen zufolge - Gang und Gäbe war).
Das kann umschlagen vom Erlauben auf der einen Seite zum Verbieten auf der anderen. Aber die Geschichte macht es sich in meinen Augen mit diesem Umschlagen zu leicht, und das packt mich dann nicht mehr.
Spannend ist ja wirklich, wenn man etwas Richtiges will, dann überdreht und ein schlechtes Ergebnis bekommt, ohne es beabsichtigt zu haben. Das könnte zum Beispiel bei einer weitreichenden Reform der Sprache der Fall sein, nicht unbedingt so, dass jemand ernsthaft zu Schaden kommt, aber so, dass man Ärgernisse produziert. Umgekehrt ist die Furcht vor Gefahren auch da wahrscheinlich ein schlechter Ratgeber, wenn sie dazu führen sollte, die Erforschung diskriminierender Muster und er Sprache lieber gleich zu unterlassen. Kurz gesagt: Auch für eine Satire ist mir deine Geschichte unterm Strich zu einseitig.

Zum Schluss noch eine Detailanmerkung zum Anfang:
-- "Träge und bräunlich fließt der Valley River an meinem Grundstück vorbei. Trotz des heißen Sommers lädt es nicht zum Baden ein. Nichts für mich und leider auch nichts für leckere Forellen oder gar einen köstlichen Lachs."
Das finde ich recht ungelenk. Was hat das mit der Geschichte zu tun: Ob der Typ Lust auf Baden hat oder nicht? Dann: Warum "Nichts für mich?" Baden denn andere im Fluss? Und: "leckere Forellen", "köstlicher Lachs"- schon klar, das ist die Perspektive des überzeichneten Jägers. Aber schwimmen im Bach wirklich leckere Forellen? Braunbären würden das vielleicht so sehen, aber die machen auch tatsächlich weder Salz noch Zitrone dran. Was ich sagen will: "Lecker" passt für mich eigentlich erst für den zubereiteten Fisch (und jetzt komm mir nicht mir Sushi oder Sashimi, lieber Kioto, denn ich weiß die Rohheit davon wirklich zu schätzen :), aber auch die sind zubereitet).
Würde es nicht zielstrebiger in dein Thema einführen, wenn der Bach ganz zauberhaft natürlich wäre, dann auch noch direkt am Grundstück - und er dürfte ihn trotzdem nicht anrühren?

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich noch ma',

lieber Werner vom NO-Kanal,
ich, dat Dante Friedchen vonne Emscher zwischen Ruhr und dicker Lippe,

wenn ich darf, denn fröhlich bei'm Bierchen schrieb ich so für mich hin

Aber auch merkt man, dass ab der Hälfte die eigene Konzentration beim Schreiben nachlässt
, ohne zu merken, dass ich mich zugleich selbst darin wiederfinden werde - eben itzo (hastu sicherlich früher gemerkt als ich selber), der gerade gesehen hat, was er da gestern verzapft hat und jetzt auch nicht heimlich korrigieren wird, sondern jetzt und hier, wenn ich z. B. zu Auseinander- und Zusmmenschreibung von "soviel" und "so viel" referierte
Muttertext:
Dem Y Chromosom wurde ein viertes Beinchen angezüchtet, es wurde eine Art kleines X. Gerade so[...]viel, das die Jungs keinen Busen bekamen und den Schwanz behielten.
ich:
Aber „so viel“ wird i. d. R. auseinander geschrieben, nur die Konjunktion „soviel“ zusammen. Soviel ich weiß, wird die Konjunktion wesentlich seltener verwendet als die unbestimmte Mengenangabe – mein Tipp – immer zusammen schreiben, die Wahrscheinlichkeit, falsch zu liegen reduziert sich von 0,9 auf 0,1
denn "immer zusammen schreiben" ist so falsch, wie es nur sein kann, denn es geht ja um die wesentlich häufiger verwendete unbestimmte Mengenangabe, die immer auseinander geschrieben wird

Muttertext:
»Ok, ich lege mal los. Emilie, Hercule zeichnet alles auf?«
darauf ich:
Ich versteh den Sinn nicht … „Okay“ wird mit Punkten abgekürzt, also O. K. oder O. k. Oder o. k. - also ebenso viel Zeichen, als das ausgeschrieben „Okay/okay“ zählt, aber warum erwähnstu Oklahoma, das Ok abgekürzt wird … (taucht noch mal mit Großbuchstaben auf ...)
Ja, blamabel für einen, der angewandte Mathematik treibt, denn "okay" zählt vier Zeichen, die Abkürzungen wie o. k. fünf, zwo Buchstabden, zwo Punkte und eine Leertaste. "Okay" auszuschreiben ist also allemal kürzer ...

Und das letzte aus dem Gedächtnis formulierte bissige Fitzelchen (Stichwort: Fräulein) stammt im Original von Tucho...

Du schreibst

Ich bin zwar eingefleischter SF Leser, aber nachdem meine bevorzugten Autoren wie Stanislaw Lem entweder in Rente gingen oder verstarben, wurde es immer schwieriger, lesbare SF zu finden.
und tatsächlich kenn ich neben den Uralt Utopien wie der Apokalypse und dem Utopia des Morus (kann man getrost jenseits aller Technologie als "wissenschaftlich" ansehen, da er schon erkannt hatte, welchen unseligen Einfluss das Privateigentum auf die Gesellschaft hat, die selbst unterm Feudalismus nicht nur in der "Allmende" Gemeinschaftseigentum kannte, um ein Beispiel zu nennen) von der schreibenden Zunft nur den Lem, der in einem seiner letzten Interviews bestritt, überhaupt SF geschrieben zu haben, weiß aber den Namen der Zeitschrift nicht mehr - ist ja auch schon ein paar Tage her.

Und lass Dich nicht von pc einschüchtern, der ganze Genderquatsch (war's die Uni Leipzig, wo es "Professor"en nur noch mit weiblicher Endung geben sollte?) bringt nicht einer Beschäftigten einen müden € mehr in der Gehaltsabrechnung. Gleichberechtigung findet nicht auf dem Papier statt.

Egal, solange es Spaß macht, schreibe ich weiter, ob es einer liest oder nicht.
Ich seh, wir verstehn uns!

Tschüss

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @kioto

Raumschlachten und Dystopien öden mich an und generell zeichnen sich die meisten Werke der SF dadurch aus, dass Strichmännchen (neuerdings Strichweibchen - zeichnerisch gedacht!) vor bunten Kulissen agieren.
Ich hoffe doch, du meinst damit die "... meisten Werke der [neueren] SF ..." ] denn Klassiker von A.C. Clarke, den Strugatzki Brüdern (anstrengend zu lesen) fallen, denke ich, nicht in die Strichmännchen Kategorie.

Kurzgeschichten werden bei mir immer zu lang. Leider reicht es nicht für einen Roman.
Wir sollten uns zusammen tun. Denn Kurzgeschichten werden bei mir immer zu kurz!

(Obwohl: Liu Cixin soll wohl ganz gut sein).
Diese Empfehlung von @erdbeerschorsch kann ich nicht unterstützen. Der Herr Liu Cixin schreibt, jedenfalls in seinen drei bekannteren Romanen, eine Art Space Opera und seine Bemühungen unbedingt episch sein zu wollen langweilen mich schon nach kurzer Zeit. Die Ideen sind alle sehr grob zusammengeschustert. Mein Problem mit der neueren SF ist, dass alle Autoren die ich kenne entweder unverständlichen Mist schreiben, der eigentlich Fantasy ist oder die Welt Ihres bevorzugten Computerspiels in einen Roman übersetzen wollen. Letzteres schlägt immer grandios fehl was kreative Ideen angeht, ist wohl aber lukrativ, weil man den Leser dabei nicht überanstrengt.

Wenn sich aber doch jemand für die Chinesen interessieren sollte, empfehle ich "Invisible Planets - 13 Visions Of The Future From China, Edited and Translated by Ken Liu". Ist eine Kurzgeschichtensammlung chinesischer SF Autoren, die auch ein Werk von Liu Cixin enthält. Ich habe sie nur auf englisch gelesen und ich muss sagen, es gibt darin Autoren, die ich interessanter fand als L.Cixin

Nun denn
Besten Gruß
VVK

 

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