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05.03.2017
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Ein grün belaubter Park mit Ententeichen und leeren Sonnenbänken lag hingestreckt im peitschenden April. Der kleine Junge hatte seine Gummistiefel und eine gelbe Thermo-Jacke mit einem plüschigen Löwenkopf auf dem Rücken an. Er hatte vergessen, Socken unter die Stiefel zu ziehen und so stahl sich ein Stück heller Waden unter seinen Hochwasserhosen ins Sichtfeld. Seine Schwester hielt ihn am Arm und zeigte auf die Enten, die für einen letzten Moment noch unter Schauern im Teich paddelten. Dann stürzte sich der Hund in ihre Richtung und sie waren mit Gequake und Geraschel auf und davon.

Der Junge hatte seinen Blick unter der Kapuze gesenkt und er hielt die Hand seiner Schwester mit aller Kraft fest. Er hatte sich nie viel um die Bäume oder den Park geschert aber er mochte die Regenpfützen, besonders die mit schlammigem Grund. Sehr ernst stapfte und stapfte er und erst wenn er eine Pfütze mit Tiefe und etwas Schlamm und am besten mit Reif vom Winter am Rand sah, stieß er seine Beine mit seiner vollen Kraft hinein. Es war ordinäres Kinderspiel, etwas übermütig in seinem heiligen Ernst vielleicht, aber dennoch hätten wohl viele den Kleinen wegen seiner Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der Kleidung der Schwester gerügt. Diese Schwester hier sagte nichts, nahm es im Gegenteil sogar mit einem feinen Lächeln hin. „Schlurf nicht so, zieh nicht so die Schuhe nach“, ermahnte sie ihn unendlich sanft. Kurz zog der Junge einen Schmollmund, dann machte er weiter, nun mit etwas mehr federndem Auftritt. Er redete wenig und dann fordernd oder mit großem Vertrauen herumalbernd. Bei solchen Kleinen besteht zwischen Gedanken und Sprache ein unsagbar großer Spalt, ihre Sprachfähigkeit ist noch nicht wirklich als solche ausgebildet, denn es trennt sie nichts vom abwechselnden Schreien und Schmatzen des Säuglings. Es war aus diesem Grunde, dass die Schwester verwundert stockte als er fragte: „Wie war es, als ich noch ganz klein war?“ Die erste echte Frage und schon ist das Kind entschlüpft. Man ist Eltern eigentlich nur bis zu diesem Punkt. „Wir haben in dem großen Haus auf dem Hügel gewohnt, das weißt du doch.“

Der Junge nickte eifrig. „Und dann wollte Papa diese bequemere Wohnung in Hamburg und Mama und wir wollten es lieber ein bisschen ruhiger haben.“ Es war ihr erstes Mal und sie genoss es so mit ihm freundlich von oben herab zu reden. „Ich bin ja viel älter als du und ich hab seit ich klein war immer in dem großen Haus gelebt. Ich hab in der Siedlung meinen Führerschein gemacht. Auf dem Dachstuhl da liegen auch noch meine ganzen Kinderbücher.“ Sie blickte in den aufklarenden Himmel. „Es war echt schön da, ich nehme dich mal nochmal mit wenn du dich nicht erinnerst. Es gehört uns ja noch. Nur ein paar Zimmer sind vermietet. Es war richtig schön… aber im Winter sind alle Fenster immer komplett zugefroren, das waren solche Alten und man konnte nichts mehr sehen…und Papa hat heute noch Rückenschmerzen von der vielen Gartenarbeit. Ich nehm dich mal mit, dann hole ich mir auch gleich meine Bücher.“ Sie lächelte ein bisschen vor sich hin. Planschend schien der Junge ihr zugehört zu haben, aber sie konnte sich auch täuschen. Kinderaugen sind wirklich undurchdringlich.

Mittlerweile zeigte sich die Sonne. Unbeirrt planschte der Junge weiterhin in den Pfützen und würdigte die wiederkehrenden Enten kaum eines Blickes. Es war schön auf eine Art, ihn so zu sehen… Sie zog ihren Fotoapparat aus der in Plastik gepackten Seitentasche ihrer Jacke. Sie fokussierte und hielt kurz inne.

Man erzählte den Kleinen nichts von den Knöchelkerben, oder von dem Unfall mit dem Eichhörnchen, der Erinnerung an den Abdruck des Reifenprofils auf seinem zerquetschten kleinen Kopf. Solches und solches ist Geheimnis, der Duft unter dem Familiengarten, wenn die Märzenbecher verblüht sind. Es ist der Teil, den sie selbst herausfinden sollen, immer für den Fall, für die Möglichkeit des Falles des Einen Glücklichen der ohne größere Regung gedeiht und nachfolgt. Und wie sie dann den Kopf senken in den Sonnenstunden und lieber in den Pfützen herummatschen! Wie die Zeit einen verändert! So oder ähnlich dachte sie mit der Nikon in beiden Händen.

 

Hallo borgesbb,

und herzlich willkommen bei den Wortkriegern.

Möchtest du noch deiner Geschichte noch mindestens ein Stichwort geben, damit die Leser wissen, um welches Genre es sich handelt und der Text später besser gefunden werden kann?
Du kannst das tun, indem du nach ganz unten scrollst und dort rechts "Stichworte bearbeiten" auswählt.

Habe den Text nur überflogen (und habe auf jeden Fall schon den besonderen Rhtymus der Sätze gespürt), daher nur ganz kurz ein paar Anmerkungen:

sehen…und Papa
Leerzeichen davor und danach (hast du öfter).

Dann denke ich, dass bei der wörtlichen Rede, wo der Sprecher wechselt, der besseren Lesbarkeit halber noch Zeilenumbrüche eingebaut werden sollten.

Vielleicht später mehr.

Beste Grüße und viel Spaß hier.
GoMusic

 

Hallo GoMusic,

vielen Dank für die Hinweise, ich bin ja wie schon gesagt neu hier und kenne mich im Interface noch nicht besonders gut aus.

 

Hej borgesbb,

während ich diesen Text las, fühlte ich mich mehr und mehr unfähig, ihn zu verstehen. Ich hatte von Satz zu den Satz den Eindruck, zwischen den Zeilen lesen zu müssen, bis ich plötzlich gar nicht mehr wusste, worum es ging. Damit es dir nicht genauso geht, versuche ich es zu erklären, sofern es dir nützen kann.

Schon den ersten Satz las ich zweimal. Ganz vorsichtig, weil mir vertraute Worte in seltsamen zusammenhängen vorkamen und mich verwirrten.

Ein grün belaubter Park mit Ententeichen und leeren Sonnenbänken lag hingestreckt im peitschenden April.

Also ein Park im Frühling/Sommer, mit mehreren Teichen und Enten. Sonnenbänke? Weil immer die Sonne scheint? Ich kann mir auch leider keinen Monat vorstellen, der hingestreckt ist.

Der kleine Junge hatte seine Gummistiefel und eine gelbe Thermo-Jacke mit einem plüschigen Löwenkopf auf dem Rücken an.

Ich werde das Bild von Gummistiefeln auf dem Rücken nicht los. Und denke darüber nach.

Er hatte vergessen, Socken unter die Stiefel zu ziehen und so stahl sich ein Stück heller Waden unter seinen Hochwasserhosen ins Sichtfeld

Gummistiefel sind hoch, Socken kurz. Er könnte doch welche anhaben, denke ich.

Seine Schwester hielt ihn am Arm und zeigte auf die Enten, die für einen letzten Moment noch unter Schauern im Teich paddelten.

Enten, die schauern? Erschauern? Vor Angst oder Ehrfurcht?

Dann stürzte sich der Hund in ihre Richtung und sie waren mit Gequake und Geraschel auf und davon.

Der Hund Den habe ich dann noch im Text gesucht. Wo kam der denn her?

Das klingt jetzt echt pingelig, aber ich wollte dir mein Leseempfinden mitteilen, denn jeder Text macht ja was mit seinem Leser und mich hats halt immerzu verwirrt.

Er hatte sich nie viel um die Bäume oder den Park geschert aber er mochte die Regenpfützen, besonders die mit schlammigem Grund.

Jetzt kombiniere ich: peitschender April und unter Schauern bedeutet, es regnete. :idee:

Ich möchte dich wirklich nicht veralbern. Allen Ernstes ist es mir bis hierhin so ergangen.

Es war ordinäres Kinderspiel, etwas übermütig in seinem heiligen Ernst vielleicht, aber dennoch hätten wohl viele den Kleinen wegen seiner Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der Kleidung der Schwester gerügt. Diese Schwester hier sagte nichts, nahm es im Gegenteil sogar mit einem feinen Lächeln hin. „Schlurf nicht so, zieh nicht so die Schuhe nach“, ermahnte sie ihn unendlich sanft.

Auch hier kann ich die Kombination der Worte nicht nachempfinden. Auch aus dem Kind werde ich nicht schlau, wie es sehr ernst durch die Pfützen springt. Und diese Schwester lässt mich sogleich daran glauben, es gäbe noch eine zweite. Dann kommt die erste wörtliche Rede und auch hier kriege ich das nicht klar, denn eine Ermahnung in diesem Wortlaut bekomme ich nicht unendlich sanft intoniert.

Langsam werde ich ungeduldig.

Kurz zog der Junge einen Schlunz, dann machte er weiter, nun mit etwas mehr federndem Auftritt. Er redete wenig und dann fordernd oder mit großem Vertrauen herumalbernd. Bei solchen Kleinen besteht zwischen Gedanken und Sprache ein unsagbar großer Spalt, ihre Sprachfähigkeit ist noch nicht wirklich als solche ausgebildet, denn es trennt sie nichts vom abwechselnden Schreien und Schmatzen des Säuglings.

Und leider geht es für mich so weiter. Ich vermute nur was Schlunz ist, dann bemühe ich mich, mir ihn federnd vorzustellen, fordernd reden und das auch nur schreiend und schmatzend.
Er kann aber durch Pfützen springen. Wie alt mag er sein?

Die erste echte Frage und schon ist das Kind entschlüpft. Man ist Eltern eigentlich nur bis zu diesem Punkt.

Echte Frage, unechte Frage. Entschlüpft. Woraus? Und von Eltern war bislang keine Rede, er geht mit einer Schwester, unklaren Alters. Meine Verwirrung nimmt kein Ende. Aber da der Text kurz ist und ich ehrgeizig und nicht ganz doof, lese ich unbedingt weiter. Wäre doch gelacht, wenn ich diese Geschichte nicht kapiere.

Und dann stellt der Junge die Frage, wie er war und bekommt zur Antwort, wo sie vorher gewohnt haben, warum sie weggezogen sind, sie den Führerschein gemacht hat (aha, eine erwachsene Schwester ) und dass im Haus noch Bücher liegen. Und sie redet und redet, und der Junge erfährt kein Sterbenswort, wie er gewesen ist, als er klein war. Kann man machen, ich kapiere aber nix.

Und dann kommt der letzte Abschnitt und ich habe dem Eindruck, einem Text in einer anderen Sprache gelesen zu haben. :hmm:

Ich werde diesem Text und den Kritiken, deinen Antworten folgen und hoffentlich verstehen, was den Text ausmacht, und was völlig an meinem Hirn vorbeiging.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

wenn der Text bei dir eine solche Verwirrung gestiftet hat, versuche ich mich mal an Aufklärung.

Orientiert habe ich mich im Stil dieses kurzen Versuchs vor allem an den Kurzgeschichten von Raymond Carver, das heißt minimalistisch, verfremdete Satzführung und ein Thema (hier: Coming-of-Age) das sich eher intuitiv "mit Lücken" und rein über Symbolik ausbreitet. Thematisch ist das ganze eigentlich nur eine relativ klassische Geschichte über eine Schwester, die ihrem kleiner Bruder bei dem Verlust der ersten kindlichen Unschuld betrachtet. Der Titel "Nach der Lese" bezieht sich auf Stefan George. Natürlich ist das nur ein erster Versuch und falls es sperrig wirkt, ist das natürlich nicht wünschenswert. Vielen Dank für dein Feedback.

 

Hej borgesbb,

Ein grün belaubter Park mit Ententeichen und leeren Sonnenbänken lag hingestreckt im peitschenden April.
Merkwürdig, dass Du den ganzen Monat einbeziehst. Warum nicht im peitschenden Apriltag? Wobei ich das auch nicht besser fände, weil es das Wetter ist, was peitscht und der Tag oder der Monat nur die Zeit dafür zur Verfügung stellen.

Dann stürzte sich der Hund in ihre Richtung und sie waren mit Gequake und Geraschel auf und davon.
Hier war ich nicht ganz aufmerksam und dachte, bei "ihrer Richtung" würde es sich um die Kinder (die es für mich hier noch sind) handeln.
Warum "letzter Moment"? Nimmst Du hier den Hund vorweg, wenn ja, wozu?

Es war ordinäres Kinderspiel, etwas übermütig in seinem heiligen Ernst vielleicht
find ich nach der vorangegangenen Beschreibung unpassend. Übermut würde weniger Ernst, weniger Prüfung bedeuten.

Er redete wenig und dann fordernd oder mit großem Vertrauen herumalbernd.
Show don't tell.

Bei solchen Kleinen besteht zwischen Gedanken und Sprache ein unsagbar großer Spalt, ihre Sprachfähigkeit ist noch nicht wirklich als solche ausgebildet, denn es trennt sie nichts vom abwechselnden Schreien und Schmatzen des Säuglings.
Ich find das eine gewagte Behauptung, die scheinbar objektiv daherkommt und gleichzeitig in die Figur der Schwester hineinragt. Ich denke, das ließe sich besser handhaben.

Die erste echte Frage
Tja, das kann ich nicht beurteilen. Du bietest mir nicht viel von dem, was der Junge vorher gesagt haben könnte. er spricht ja kaum.

Man ist Eltern eigentlich nur bis zu diesem Punkt.
Denkt seine Schwester?

Es war ihr erstes Mal
Wobei?

Ich hab in der Siedlung meinen Führerschein gemacht.
Eine sehr viel ältere Schwester, warum muss das bis hier unklar bleiben?

ich nehme dich mal nochmal mit
doppelt

das waren solche Alten und
klein

Kinderaugen sind wirklich undurchdringlich.
Auch hier ist uneindeutig, wie das gemeint ist. Soll das die Schwester denken? Dann würd ich "waren wirklich undurchdringlich" schreiben. Oder soll Dein Leser das einfach nebenbei von Dir lernen. Das wär plump.

Es war schön auf eine Art, ihn so zu sehen
und warum auch nicht? Welche andere Art sollte seinen Anblick unschön werden lassen?

aus der in Plastik gepackten Seitentasche ihrer Jacke
sowas wie eine 70iger-Jahre-Disco-Jacket versuche ich mir da vorzustellen. Funktioniert auch nicht richtig gut.

Knöchelkerben
Kerben in Holz, einem Geländer?

Aus dem letzten Teil ließe sich ein Todes- oder Unfall (eines mittleren Geschwisterkindes?) herauslesen. Sicher bin ich mir da nicht.

Schade, dass der kleine Junge so wenig zur Geltung kommt.
Ansonsten hat mir der Text ganz gut gefallen.

Gruß
Ane

 

Hallo borgesbb,

Nun, die Geschichte wirkt mit ihrem Ton etwas aus der Zeit gefallen. Es gibt viele Stellen, die ein heutiger Lektor rigoros anstreichen würde, die aber vor nicht mal hundert Jahren noch gang und gäbe waren. (So wie die obige Redewendung, die heutigen Tags von der Korrektur bemängelt wird).
Es ist Dein Stil und, abgesehen von einer erhöhten Konzentrationsanforderung, unterstützt der Sound einer vergangenen Epoche das Hineingleiten in den kleinen Kosmos von Bruder und Schwester. Ich verkneife mir Hinweise auf die entsprechenden Problemstellen - ahne ich doch, dass hier ein Autor seine persönliche Sprache gefunden hat. Ob man mit dieser Sprache auch erfolgreicher Bestsellerautor werden könnte, bleibt dahin gestellt. Kehlmann hat es geschafft und der schreibt noch verquaster.

Zum Inhaltlichen habe ich dann doch einen Kritikpunkt anzubringen;

„Wie war ich, als ich noch ganz klein war?“
Die Schwester erzählt einiges aber nichts über seine Vergangenheit. Das Ausbleiben einer direkten Antwort, könnte in einem größeren Zusammenhang von Bedeutung sein. Die kann ich hier aber nicht erkennen.Ich würde eine Korrektur empfehlen, die darauf hinausläuft, dass der Junge sich nach der Vergangenheit der Familie erkundigt.

Grüße
Kellerkind

 

Hej borgesbb,

Schön, dass du mich richtig verstanden hast.

Eigentlich fehlte mir dann lediglich etwas Hintergrundwissen ... Oder doch ein Hinweissatz hier und da mehr. Dennoch konnte ich mich dem Sound des Textes nicht entziehen, das hatte ich im Eifer ganz vergessen zu erwähnen, was dann ja wohl deinem Ansatz des Minimalistischem/Symbolischem entspricht.

Danke, für deinen Kommentar zu meinem Kommentar, Kanji

 

Hallo Ane,

vielen Dank für deine detaillierte Kritik. Mit dem Plastiküberzug meine ich diese Einwegs-Ponchos die es für starkes Regenwetter in den meisten Städten zu kaufen gibt. Der Bezug "Knöchelkerben" ist zugegeben schwierig platziert und von der eigentlichen Haupthandlung losgelöst. Ich erinnere mich dabei an eine Doku über Bulimie-Erkrankte, die ganz schreckliche Einkerbungen auf ihren Knöcheln vorzuzeigen hatten. Für mich schwang da viel von den versteckten großen Schrecken die das Erwachsenenleben bereithält.
Kellerkind
Gut, dass du meine bewusste Tendenz zum Veralteten und Antiquierten in dieser Geschichte aufgegriffen hast. Mein Ziel hierbei war, bewusst eine etwas "verdrehte" distanzierte Sprache zu benutzen. Zum Bestseller taugt das vermutlich nicht - aber es war auch mehr ein persönlicher Versuch.

 

Hola borgesbb,

danke für die neue Geschichte.
Nach dem ersten Lesen war ich unschlüssig. Wozu gibt es diesen Text?
Das muss ich noch herausfinden.

Jedenfalls könnte nochmalige und gründliche Korrektur manche Unklarheit beheben, wodurch sich natürlich auch der Text besser läse.

Aber erst einmal Kleinkram, abgesehen von sehr vielen fehlenden Kommas:

Er hatte vergessen, Socken unter die Stiefel zu ziehen ...
Mit dieser Formulierung komme ich nicht klar. Ich ziehe mir Socken unter die Schuhe?

... die Enten, die für einen letzten Moment noch unter Schauern im Teich paddelten. Dann stürzte sich der Hund in ihre Richtung und sie waren mit Gequake und Geraschel auf und davon.
Ich bin ein Kleinigkeitskrämer, doch Teich, Hund und zu dieser Jahreszeit Wildenten hab ich vorm Haus.
Du schreibst, die Enten paddeln. Dann „stürzte sich der Hund in ihre Richtung“ – genau, und da erheben sie sich schnatternd und flügelschlagend in die Lüfte. Das ‚Gequake’ überlassen sie den Fröschen, und Geraschel kann weder im Wasser noch in der Luft stattfinden.
Wenn Du sagen willst, dass sich die Enten nach der Paddelei schon auf der Wiese befinden, müsstest Du das auch so klar schreiben.
Es war schön auf eine Art, ihn so zu sehen…
Du solltest den Leser nicht mit Deiner Arbeit betrauen; hier muss er sich vorstellen, was diese Art sein könnte. Wenn er sich etwas Falsches vorgestellt hat, dann ist das Pech – deswegen muss der Autor direkt oder wenigstens indirekt die Richtung zeigen.

Solches und solches ist Geheimnis, der Duft unter dem Familiengarten, wenn die Märzenbecher verblüht sind.
Das scheint mir nicht gelungen.
„wenn die Märzenbecher verblüht sind“ ist zugegebenermaßen poetisch, aber auch ein kleiner Trick, mit Poesie Mängel zu kaschieren. Der Rest dieses Satzes ist mir zu nebulös.
Was soll ich mit einem ‚Duft unter dem Familiengarten’? Grabesgeruch?
Durch das Unklare – wie ein Raunen – erspart sich der Autor die Feinarbeit
... sind alle Fenster immer komplett zugefroren, das waren solche Alten ...
solche alten – bezieht sich auf Fenster

„Schlurf nicht so, zieh nicht so die Schuhe nach“
Vorher ist die Rede von Stiefeln.

Ich lese ein zweites Mal – und selbstverständlich die Kommentare.
Aber ach, ich hätte nur Deine Antwort #5 auf Kanjis Komm lesen sollen, dann hätte ich mir den Aufwand ersparen können:

Orientiert habe ich mich im Stil dieses kurzen Versuchs vor allem an den Kurzgeschichten von Raymond Carver, das heißt minimalistisch, verfremdete Satzführung und ein Thema (hier: Coming-of-Age) das sich eher intuitiv "mit Lücken" und rein über Symbolik ausbreitet.
Ein Versuch mit Lücken und Symbolik? Klappt’s oder klappt’s nicht?
Das finde ich aber nicht sehr fair einer Leserschaft gegenüber, die überwiegend viel Arbeit und Sorgfalt in ihre Texte steckt.

José (schmollend)

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber borgesbb,

auch ich begrüße dich bei den Wortkriegern.

Du beschreibst in deinem Text eine schöne Szene, in der eine Schwester das Tun ihres sehr viel jüngeren Bruders liebevoll betrachtet, ihn gewähren lässt und sich ihre Gedanken über seine Entwicklung macht. Angedeutet wird eine Trennung der Eltern in der Vergangenheit

„Und dann wollte Papa diese bequemere Wohnung in Hamburg und Mama und wir wollten es lieber ein bisschen ruhiger haben.“ … „Ich bin ja viel älter als du und ich hab seit ich klein war immer in dem großen Haus gelebt.
Leider erscheint mir dieser Rückblick sehr vage und für mich ergibt sich auch aus dem Folgenden keine Vorstellung dessen, was da in der Vergangenheit passiert sein mag:

„... Ich hab in der Siedlung meinen Führerschein gemacht. Auf dem Dachstuhl da liegen auch noch meine ganzen Kinderbücher.“ Sie blickte in den aufklarenden Himmel. „Es war echt schön da, ich nehme dich mal nochmal [noch mal] mitK wenn du dich nicht erinnerst. Es gehört uns ja noch. Nur ein paar Zimmer sind vermietet. Es war richtig schön…K aber im Winter sind alle Fenster immer komplett zugefroren, das waren solche Alten [alten] und man konnte nichts mehr sehen…und Papa hat heute noch Rückenschmerzen von der vielen Gartenarbeit. Ich nehm dich mal mit, dann hole ich mir auch gleich meine Bücher.“

Wenn du möchtest, dass der Leser die kleine Szene, um die es dir geht, einordnen kann in einen größeren Zusammenhang, so müsstest du weniger wirr darstellen, was da früher passiert ist. (So kann ich hinter fast jeden Satz ein Fragezeichen setzen, weil sich mir der Zusammenhang nicht erschließt.)
Das 'Früher' könnte sich in einem Dialog zwischen den beiden entwickeln. Wenn es allerdings keine Rolle spielen soll, so kannst du es auch ebenso gut wegfallen lassen und dich nur auf das Geschehen im Park beschränken.

Du möchtest in dieser kurzen Szene das ‚Coming-of-age’ des kleinen Jungen einfangen, seinen Schritt vom Kind zum fragenden Heranwachsenden zeigen (wenn ich es denn richtig verstanden habe). Das ist eine gute Idee, für mein Empfinden aber recht schwierig, wenn man sich nur auf diesen kurzen Zeitraum beschränkt. Und es scheint mir in diesem Text aus verschiedenen Gründen auch nicht so recht gelungen zu sein.
Möglicherweise liegt es auch daran, dass du einfach zu viel gewollt hast. Du sagst in deiner Antwort auf Kanji:

Orientiert habe ich mich im Stil dieses kurzen Versuchs vor allem an den Kurzgeschichten von Raymond Carver, das heißt minimalistisch, verfremdete Satzführung und ein Thema (hier: Coming-of-Age) das sich eher intuitiv "mit Lücken" und rein über Symbolik ausbreitet.

Mal abgesehen davon, dass ich weder eine minimalistisch verfremdete Satzführung noch eine besondere Symbolik in deinem Text entdecke, denke ich, dass 'zu schreiben wie Carver' eher am Ende einer Entwicklung als an ihrem Anfang stehen wird. Aber das ist meine sehr persönliche Meinung.

Ich möchte weiter auf deinen Text eingehen:

Es gibt ein paar schöne Stellen in ihm, u.a. diese:

Er hatte sich nie viel um die Bäume oder den Park geschertK aber er mochte die Regenpfützen, besonders die mit schlammigem Grund. Sehr ernst stapfte und stapfte er und erstK wenn er eine Pfütze mit Tiefe und etwas Schlamm und am besten mit Reif vom Winter am Rand sah, stieß er seine Beine [Füße] mit seiner vollen Kraft hinein.

Da entsteht bei mir ein klares Bild dieser Szene.

Leider zerstörst du es gleich wieder, indem du ein erklärendes Satzmonstrum einschiebst:

Es war ordinäres Kinderspiel, etwas übermütig in seinem heiligen Ernst vielleicht, aber dennoch hätten wohl viele den Kleinen wegen seiner Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der Kleidung der Schwester gerügt.

‚wegen’ –und ‚hinsichtlich’ gehören sprachlich für mein Empfinden nicht in einen (modernen) literarischen Text. (Wo ist hier die einfache Sprache Carvers?)

Und jetzt das, was mich doch sehr gestört hat: Hier wie auch an anderen Stellen greifst du als Autor ein und erläuterst dem Leser, was dir wichtig erscheint:

Bei solchen Kleinen besteht zwischen Gedanken und Sprache ein unsagbar großer Spalt, ihre Sprachfähigkeit ist noch nicht wirklich als solche ausgebildet, denn es trennt sie nichts vom abwechselnden Schreien und Schmatzen des Säuglings.
Mit diesem Eingreifen und Erläutern des Autors (von was eigentlich?) begibst du dich weg aus der bisher recht gut gelungenen Darstellung des Geschehens und gerätst – auch sprachlich – in die Nähe der belehrenden Erzählweise des 19. Jahrhunderts. Das siehst du ja auch selber in deiner Antwort auf Kellerkind so:

Gut, dass du meine bewusste Tendenz zum Veralteten und Antiquierten in dieser Geschichte aufgegriffen hast. Mein Ziel hierbei war, bewusst eine etwas "verdrehte" distanzierte Sprache zu benutzen.

Irgendwie stößt sich das aber mit deiner Aussage zu Kanji. Minimalistisch im Sinne von Carver vs. antiquiert-verdreht? Das musst du mir mal erklären.

Noch ein Eingreifen des Autors:

Es war aus diesem Grunde, dass die Schwester verwundert stockteK als er fragte: „Wie war es, als ich noch ganz klein war?“ Die erste echte Frage und schon ist das Kind entschlüpft. Man ist Eltern eigentlich nur bis zu diesem Punkt.

Jetzt wird es auch noch ein bisschen schwurbelig:
Was bedeutet es, dass mit dieser Frage das Kind entschlüpft ist? Woraus? Aus dem Nest?
Hat das Kind vorher keine echten Fragen gestellt?
Dazu dann wieder eine allgemeine Erkenntnis (man) über die Rolle der im Zusammenhang des Textes nun plötzlich auftauchenden Eltern.
Sind diese nun keine Eltern mehr?

Fazit: Mir hätte es besser gefallen, wenn du dich in deinem Text auf die Darstellung der beiden und ihrer Interaktion beschränkt hättest. Das machst du nämlich recht gut. Ich kann mir den Kleinen an diesem stürmisch-regnerischen Apriltag gut vorstellen. Und auch die Schwester, wie sie den Jungen beobachtet und sich ihre Gedanken über ihn und sein allmähliches Gleiten aus der Kindheit macht. Nur müsstest du noch deutlicher machen, was Gedanke der Schwester, was die Meinung des Autors ist. Den kommentierend-belehrenden Autor würde ich außen vor lassen, der stört mMn nur, sprachlich und inhaltlich.
Die Vorgeschichte sollte sich, wenn sie dir wichtig ist, eher aus einem Dialog der beiden entwickeln und nicht aus einem für mein Gefühl recht wirren Monolog.

Liebe Grüße
barnhelm

Ps: Leider verstehe ich auch die Überschrift nicht: 'Nach der Lese'. Was hat das mit der dargestellten Szene zu tun?

 

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