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Nachmittagstee

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11.11.2019
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Nachmittagstee

Die Tür knarrte leise, als die Haushälterin Estelle mit dem Tablett hereinkam. Sonst brachte eines der Dienstmädchen den Tee und Mr. Bedford sah dann meist nur kurz von den Büchern auf, die er jeden Nachmittag in der Bibliothek kontrollierte. Doch Estelle betrachtete er lange beim Näherkommen.

Ihre Blicke trafen sich, dann platzierte sie das Tablett mit der großen, silbernen Teekanne, der Teetasse mit dem Rosenmuster, dem Milchkännchen und der Zuckerdose auf jenen Platz, der auf dem Schreibtisch für das Tablett mit dem Nachmittagstee von Mr. Bedford reserviert war.
„Danke, Estelle!“, sagte er und sah ihr dabei zu, wie sie die Flüssigkeit in die Tasse goss und die Kanne wieder behutsam abstellte.
„Ich komme, um mich von Ihnen zu verabschieden, Sir“, sagte Estelle dann. „Sie wissen, ab morgen werde ich bei Hallbrooks in Dienst gehen.“
„Ja“, sagte Mr. Bedford und atmete hörbar aus.
„Hören Sie, ich habe mir die Sachlage noch einmal angesehen“, begann er plötzlich. Dabei richtete er sich im Stuhl auf und seine Stimme bekam den Ton, den er bei Verhandlungen über den Verkaufspreis des Viehs am Markt in Downhill oder beim Einkauf der Futtermittel bei den Bauern in der Umgebung und auch dann anschlug, wenn er mit seinem Verwalter Harrington uneins darüber war, ob eines der Fohlen verkauft oder für die Zucht übernommen werden sollte. „Ich habe mir die Sachlage noch einmal angesehen“, sagte er, „und wäre bereit, Ihren Verdienst weiter aufzustocken, wenn Sie sich doch entschließen könnten …“
„Nein!“, unterbrach sie ihn. Mr. Bedfords Augenlid zuckte. “Nein“, schloss sie dann noch einmal an. „Es steht für mich fest, Sir.“
Aus Mr. Bedfords Körper schien die Spannung mit einem Mal entwichen zu sein; die Energie, mit der er sein Angebot vorgebracht hatte, schien durch ihr Nein wie verpufft und er sackte in seinem Sessel zusammen.
„Ich verstehe“, sagte er leise und sein Blick wanderte von der Tasse mit dem dampfenden Tee zur Kanne, die auf dem Tisch zwischen ihn beiden dastand wie eine unüberwindliche Mauer.
„Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, welch schmerzlicher Verlust Ihr Fortgang für dieses Haus, für alle Beteiligten, nicht zuletzt auch für mich, sein wird“, sagte er dann und blickte sie wieder an.
Estelle hob die Hand. Dann nickte sie zum Abschied und verließ die Bibliothek.

 

Hej @Walterbalter, was hast du dir denn dabei so gedacht?

Ich bin durch diesen Text, diese Szene leserlich durchgeflutscht und habe auch eine Menge zwischen den Zeilen gefunden, mich sozusagen „heiß“ gelesen und dann … geht Estelle.
Müsste der Text nicht ein klitzekleines bisschen mehr hergeben? Ich will ja gar nicht, dass er nun auserzählt wird, mir eine Story hinter der Story ums Maul geschmiert wird, aber ich wollte doch ein wenig leiden, hoffen und begreifen!
Versteh mich bitte nicht falsch, aber mir deucht, da gibt es ein langes Davor und ein kurzes Danach, die mir vorenthalten werden.
Ich bin quasi … unbefriedigt. :D

Mit einiger Spannung werde ich diesen Thread verfolgen.
Gruß. Kanji

 

Hm, ich kenn mich in britischen Haushalten der upper class nicht so aus,

Du doch vielleicht auch nicht,

liebe @Kanji,

ist es da nicht ein herrlicher Treffpunkt - mal wieder eine kleines Lebenszeichen zu sehen,

mich freuts …,

aber, lieber @Walterbalter,

mutmaßlich nimmt hier ein Dienstmädchen (schon höheren Ranges als „Haushälterin“, aber wo eines allein ist, ist leicht, den Titel zugesprochen zu bekommen) Abschied vom Dienstherrn Bedford, um den Dienstherrn zu wechseln, wobei einige Flusen aufgewirbelt werden - wie gleich hier

Die Tür knarrte leise* als die Haushälterin Estelle mit dem Tablett hereinkam.
* Komma, denn „als“ leitet einen vollständigen Satz ein.

Ihre Augen streiften die seinen, dann platzierte sie das Tablett mit der großen, silbernen Teekanne, der Teetasse mit dem Rosenmuster, dem Milchkännchen und der Zuckerdose auf jenem Platz, der auf dem Schreibtisch für das Tablett mit dem Nachmittagstee von Mr. Bedford reserviert war.
Stellt er nicht eher zunächst auf „jenen Platz“, bevor es „auf diesem Platz“ steht?

„Danke, Estelle“, sagte er …
Ich bin zZ auf dem Kreuzzug „Rettet das Ausrufezeichen“, das im Gegensatz zur Frage wohl schwieriger zu erkennen ist im Gegensatz zur bloßen Aussage. Dass Du ein bisschen zur Arterhaltung beiträgst, belegt zuvor der Satz
„Nein!“, unterbrach sie ihn entschieden, …
um es hier
..., Sir“, sagte Estelle dann, die Arme seitlich am Körper herabhängend.
zu verdrängen. Okay, sie wird nicht die Füße zusammenstoßen und eher locker- denn strammstehen ...
&
Hängen Arme nicht zumeist und i. d. R. am Körper und in aller Regel „seitlich“ – und ich bin mir sicher, dass das Händereichen in einer Hierarchie i. d. R. vom Höherrangigen ausgeht … Dafür braucht man nicht studiert haben.

„Ich habe mir die Sachlage noch einmal angesehen“, begann er dann plötzlich.
„plötzlich“ ist doch unerwartet genug

Nein!“, unterbrach sie ihn entschieden, viel entschiedener als es ihr eigentlich zustanden und Mr. Bedford verstummte augenblicklich.

… gerade hab ich Dich noch gelobt – und dann das ...

“Nein“, schloss sie …

Wie dem auch wird,

schön, mal wieder ein Lebenszeichen von Euch erfahren zu haben und damit schöne Tage diese Tage

aus’m Pott vonnet

Dante Friedchen

 

Hej @Kanji ,

danke für dein Interesse und die Rückmeldung!
Was habe ich mir dabei so gedacht?, fragst du und da bleibt es mir wohl nur, dir die folgende (rechtfertigende) Antwort zu geben:lol::
Das Grundgerüst hat „Dante Friedchen“ nach dir so weit schon richtig skizziert: Die Haushälterin geht, zwischen den beiden „läuft“ schon länger etwas, aber nur platonisch und zu mehr reicht es halt nicht, Konventionen, upper class versus Dienerschaft usw. usw.

Dieses ganze Drumherum (das „lange Davor“, wie du es ausdrückst) ist, aus meiner Sicht, hinlänglich bekannt und dargestellt (Film, Literatur usw.). Interessant fand ich, wie dann so etwas endet und das wollte ich in möglichst kurzer Form abhandeln, wobei alles davor mitgedacht werden sollte. Hat (für dich) wohl so nicht funktioniert:(.

PS: Das kurze Danach habe ich dir eigentlich nicht vorenthalten: Sie verabschiedet sich, geht und damit ist es vorbei.

Somit kann ich dir wohl auch im Nachhinein keine "Befriedigung" verschaffen, was ich natürlich außerordentlich bedauere!:heul:

Hallo @Friedrichard , liebe „Dante Friedchen“,

danke dir für die Anmerkungen, die ich gerne aufgenommen habe.

An „deinem Kreuzzug“ habe ich mich auch beteiligt, abgesehen von deiner letzten Anmerkung: Dieses Nein möchte ich doch eher unaufgeregt verstanden wissen.

Servus,
Walterbalter

 

Hej @Walterbalter ,

Die Haushälterin geht, zwischen den beiden „läuft“ schon länger etwas, aber nur platonisch und zu mehr reicht es halt nicht, Konventionen, upper class versus Dienerschaft usw. usw.
ganz genau, so weit bin ich auf deiner Seite. Die Inferenz ist eindeutig. Und gerade deswegen wünschte ich mir auf dieser kurzen Strecke etwas Explosives, eine Überraschung … nicht nur Schokolade ;) (ein kindliche Anspielung auf veraltete Werbung - kam mir in den Sinn)
Denn während es @Friedrichard genügte mit dir und mir bei Bedfords zum Tee dem entschiedenen Wort der Estelle beizuwohmen (hi, Friedel :kuss:), erwartete ich zumindest ein Bonmots. Aber mach mir geht’s mal wieder nicht.
Ich bin gespannt, wie andere diesen Text erleben.
Einen schönen 4. Advent wünsche ich dir! :shy:
Kanji

 

Hallo @Walterbalter ,

Ihre Augen streiften die seinen

wenn dann "ihr Blick". Die Augen streifen sich ja nicht, das würde sicher wehtun :D
Und dann würde ich auch zum schlichteren: "ihre Blicke trafen sich" greifen.

„Ja“, sagte Mr. Bedford und atmete hörbar aus. Eine Pause trat ein, in der er sie weiterhin mit den Augen fixierte.
„Ich habe mir die Sachlage noch einmal angesehen“, begann er plötzlich.

das ist eine schwierige Stelle, weil es ein kurzer Ablauf ist, wo plötzlich viel über wenig Handlung gezeigt werden muss. Der Griff zur "Pause", dem Schweigen oder dergleichen ist oft die erste Idee (mache ich meist auch so), aber es geht sicher auch besser. Hier finde ich es definitiv zu lang.

„Ja“, sagte Mr. Bedford und atmete hörbar aus. „Hören Sie, ich habe mir die Sachlage noch einmal angesehen.“

Dasselbe nur in komprimiert.

„Nein!“, unterbrach sie ihn entschieden
“Nein“, schloss sie dann noch einmal an, wieder in einem Tonfall, ihrer Stellung entsprechend und vielleicht auch, um das vorhergehende Nein irgendwie auszubessern. „Es steht für mich fest, Sir.“

diese Redebegleitsätze finde ich nicht so schön. Einfach zu lang. Oben geht's noch. Obwohl das dann schon sehr trivial klingt, also nach leichtverdaulicher Kost. Ist ja okay. Ich mag sowas auch – viele tolle, leicht geschriebene Bücher machen das. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich immer versuchen darauf zu verzichten. Und im zweiten Beispiel ist es auch keine Geschmacksfrage mehr, finde ich. Das ist zu lang und stolperig.

„Ich habe mir die Sachlage noch einmal angesehen“, sagte er, „und wäre bereit, Ihren Verdienst weiter aufzustocken, wenn Sie sich doch entschließen könnten …“
„Nein!“, unterbrach sie ihn. Mr. Bedfords Augenlid zuckte. „Nein“, sagte sie noch einmal.

schien durch ihr Nein wie verpufft und er sackt in seinem Sessel zusammen.

sackte

Also, ich weiß nicht. Vom Klang wäre ich dem schon weiter gefolgt. Aber dieser Sound wirkt auf mich auch irgendwie nur geborgt. Außerdem weiß ich auch nicht, wo ich nach dem Lesen stehe. Das ist für mich so noch keine Flashfiction und auch keine Kurzgeschichte, sondern eine Szene bzw. Studie z. B. für einen Roman oder dergleichen. So für sich ist mir das viel zu wenig.
Wie dem auch wird. Keep on trucking!
LG

 

Hi @Carlo Zwei ,

diese Redebegleitsätze finde ich nicht so schön. Einfach zu lang. Oben geht's noch. Obwohl das dann schon sehr trivial klingt, also nach leichtverdaulicher Kost.
"trivial", "leicht verdaulich", finde ich interessant, so hätte ich es nicht gesehen. Aber ja, vielleicht ist es so;).

Vom ersten Redebegleitsatz konnte ich mich leicht trennen, beim zweiten fiel es mir schon schwerer, weil damit, mMn, auch viel über die Beziehung der beiden bzw. auch über sie selber ausgesagt wird. Außerdem gibt es dem Text einen gewissen Sound, der irgendwie ins Setting passt.

Das ist für mich so noch keine Flashfiction und auch keine Kurzgeschichte, sondern eine Szene bzw. Studie z. B. für einen Roman oder dergleichen. So für sich ist mir das viel zu wenig.
Ja, ursprünglich war es auch nicht als Flashfiction gedacht, muss ich zugeben, sondern als das, was du ansprichst. Deckt sich wahrscheinlich auch mit dem, was du meinst @Kanji

Und gerade deswegen wünschte ich mir auf dieser kurzen Strecke etwas Explosives, eine Überraschung … nicht nur Schokolade ;)

Vielen Dank euch beiden!
Servus,
Walterbalter

 

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