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Norbertt

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12.09.2015
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Norbertt

Norbertt stand in einem weiten Feld aus Mohn, der sich wie Blut an allen Seiten zum Horizont ergoss. Seine Hände strichen durch die roten Blüten und eine warme Brise strich um seinen Körper. Der Himmel war blau und obwohl keine Sonne zu sehen war, war er grell und heizte das Feld unter ihm auf. Norbertt ging ein paar Schritte, schloss die Augen und genoss den Moment der Freiheit.

Als sich ein Knirschen und Klappern in seinen Traum fraß.

Noch geblendet von einem grellen Himmel erwachte er in vollkommener Dunkelheit. Er rieb den Traum aus seinen Augen und spürte die Wärme seines Bettes, als er das Knirschen und Klappern wieder hörte.

Und dann sah er sie.

Finsterer als die Nacht warfen sie lange Schattten in die Dunkelheit und wiegten kaum merklich hin und her, sodass ihre Knochen knirschten und klapperten. Sechs Skelette standen um Norbertts Bett und blickten starr auf ihn herab.

Er schoss hoch und schrie aus voller Kehle, als er merkte, dass kaum ein Krächzen seinen Lungen entwich. Die Blicke der Skelette folgten ihm unbeeindruckt, als er sich gegen das Kopfende seines Bettes presste. Panik schnürte seine Brust zusammen und er würgte, als müsste er sich übergeben.

“Wer seid ihr?”, presste er hervor. Doch statt einer Antwort bekam Norbertt etwas zu sehen, das ihm sein Fleisch kalt gegen seine Knochen presste. Der erste Knochenmann öffnete seinen morbiden Kiefer unnatürlich weit, fast so, als wollte er Norbertt verschlingen, gleich einer Schlange, die sich auf ein zitterndes Nagetier stürzte. Doch das Skelett blieb stehen, sein Maul weit aufgerissen, und sagte nichts.


Langsam hoben sich die Konturen der Knochen vor der Dunkelheit ab. Sechs Skelette, gekleidet in Fetzen von Kleidern und Federn und Ketten. Aber keine Ketten, an die sie gebunden waren, sondern Schmuck und Zierde. Frauen, dachte Norbertt und mit ihrem Wiegen und Klirren erinnerten sie ihn nun an Tänzerinnen, die zu einer toten Musik tanzten.

Für einen Moment löste die Panik ihren Griff und Norbertt tastete zu seinem Nachttisch, um nach irgendetwas zu suchen, das ihm als Waffe dienen konnte. Doch er fand nur ein leeres Whiskeyglas und als er es warf, verfehlte es die Skelette bei weitem.

“Was wollt ihr?”, krächzte er und da öffnete das zweite Skelett seine Kiefer und schwieg. Es sah auf ihn herab und in diesem Blick sah er eine kalte, dunkle Absicht.

“Ich hab euch nichts getan”, wimmerte Norbertt und das dritte Skelett riss stumm seine Kiefer auf.

Das Wiegen der Knochen hatte etwas Betörendes an sich und durch die Dunkelheit erahnte er die Formen der Frauen der Vergangenheit. Ihre Kurven wogen im obskuren Glockenspiel und schmeichelten auf verstörende Weise seinem Geist und fesselten seine Augen, die nicht mehr sehen wollten.

“Ich will das nicht!” schrie er zaghaft und als wären seine Worte Lose, öffnete das vierte Skelett seinen Kiefer zu einem stummen Leider Nein.

An den Hüften der Skelette hingen Bänder und Tücher, Ketten aus Gold und Perlen schlangen sich um ihre Halsknochen und Handgelenke und viele der langen, knochigen Finger waren mit Ringen besteckt. Ein Teil von Norbertt wollte plötzlich aufstehen und mit den Skeletten tanzen, wollte eintauchen in das Klappern und Klirren und ihre kalten, harten Knochen umschlingen und für einen Augenblick dem Bedürfnis nachgeben, sich Geborgenheit und Liebe einbilden zu dürfen.

Mit Mühe riss er seinen Verstand los.

“Bitte tut mir nichts”, wimmerte er und das fünfte Skelett öffnete sein Maul. Es schwieg ebenso wie die anderen, nur schien es, als würde Kälte aus dem weit aufgerissenen Kiefer auf Norbertt herabströmen. Er zitterte und totale Einsamkeit kroch kalt seinen Körper hoch. Er war allein, umringt von unnatürlichen Wesen und niemand auf der Welt konnte ihm helfen.

Norbertt fragte sich ganz still, wo ist meine Frau und mein Sohn? Doch als seine Finger das Bett absuchten, fanden sie nur kalte Bettwäsche.

Und da erkannte er.

“Es tut mir so leid...”, schluchzte er.

Das sechste Skelett öffnete seine Kiefer und diesmal schwiegen die Skelette nicht. Stattdessen öffneten sie ihre Münder noch weiter und schrien mit tiefer, unnatürlicher Stimme. “AAAAAAAAAAAAAAAAAAA”

Ihre Stimmen ätzten sich in Norbertts Verstand und obwohl er seine Handflächen so fest er konnte gegen seine Ohren presste, wurden sie lauter und trieben die Welt vor sich her. Norbertt wurde schwindelig und Panik kehrte zurück. Er blinzelte hoch und in einer sich drehenden Welt sah er, wie die Skelette sich auf ihn stürzten, mit weit aufgerissenen Kiefern, aus denen sich der Laut ergoss, der seine Welt hinfortspülte.

Und es war erst kurz bevor er ohnmächtig wurde, als er verstand, dass es keineswegs nur ein Ton war, der den Skeletten entwich, sondern sie riefen einen einzigen Namen. Baal.


Durch den wirbelnden Ozean des Sterbens tauchte Norbertt wieder in seinem Traum auf. Wie ein Ertrinkender reckte er seine Arme hoch, streckte sein Gesicht aus dem roten Meer und holte laut und tief Luft. Noch einmal. Und noch einmal.

Sein Verstand sollte sich eigentlich wehren und was er sah nicht begreifen wollen, doch irgendwie beruhigte ihn der warme Himmel und das Lächeln der Mohnblüten, und so war er lediglich froh, nicht zu spüren, was auch immer die Skelette vorgehabt hatten. Er war entkommen. In sein Keuchen mischte sich Lachen der Erleichterung.

“Schön, dass es dir hier gefällt, Norbertt.” Norbertt drehte sich noch halb hockend um und sah eine Gestalt über ihn gebeugt und sein Lachen verebbte augenblicklich. “Nur zu”, sagte sie, “je besser es dir gefällt, desto schöner wird es für uns beide.”

Norbertt sah die Gestalt regungslos an. Für einen kurzen Augenblick war er erleichtert, dass es sich nicht um ein Skelett handelte, doch als er sie näher betrachtete, verendete seine Hoffnung. Vor ihm stand ein Mann, groß und schlank, sein Körper gehüllt in Gewand, das im Gleichtakt mit dem Mohn im Wind wogte. Sein Gesicht war freundlich, er lächelte und eine Hand streckte sich Norbertt helfend entgegen.

Doch zwei Dinge machten die Gestalt so abstoßend, dass Norbertt die Gesellschaft der Skelette bevorzugt hätte. Trotz des Lächelns und der ausgestreckten Hand, schien unter der Oberfläche des Mannes etwas anderes zu wohnen, das das bloße Auge nicht fassen konnte. Etwas Unbeschreibliches, Böses, das einerseits so subtil aber auch wieder so präsent war, dass Norbertts Verstand in diesem Paradoxon unterzugehen drohte. Es war, als könnten Norbertts Augen beim Anblick des Mannes die Schreie unzähliger Stimmen hören.

Und als könne der Körper der Gestalt die in ihm wohnende Boshaftigkeit nicht fassen, war seine Haut rot gefärbt, wie die Blüten des Mohns.

“Baal”, stammelte Norbertt, ohne zu wissen was er sagte.

Und Baals Lächeln wurde breiter. “Mein Ruf eilt mir voraus, ja?”

Ohne nachzudenken ergriff Norbertt Baals Arm und wurde hochgezogen. Seine Beine waren so kraftlos, dass er fast wieder umgekippt wäre, hätte ihn die Gestalt nicht gestützt. Selbst im Stehen musste Norbertt zu Baal hochsehen, sein Kopf reichte nur knapp bis zu den Achseln.

“Komm. Wir gehen, mein Sohn” sagte Baal. “Wir haben noch viel vor.”

Norbertt wollte sich wehren, ihm sagen, dass er nicht sein Sohn sei, dass er ihn loslassen solle, er wollte den Mann wegstoßen und weglaufen. Wenn er nur schnell genug davon käme, könne er vielleicht den Überraschungsmoment nutzen und sich im Mohn verstecken und geduckt laufen, bis er einen Ausgang fände. Jetzt oder nie!

Stattdessen fragte er: “Wohin gehen wir?”

Baal nickte mit seinem Kopf zur Seite und als Norbertts Blick ihm folgte, sah er einen riesigen Berg am Horizont, der sich so schwarz und mächtig vor dem Himmel abhob, dass Norbertt sich wunderte, dass er ihn nicht schon vorher bemerkt hatte.

Baal trieb ihn voran. Norbertts Beine waren immer noch schwach, aber Baal stützte ihn in einer fast väterlichen Umarmung. Ihre Schritte hinterließen Spuren im Mohn, die wenige Momente später wieder verschwanden.

“Hab keine Angst. Du wirst Teil etwas Großem”, lächelte Baal und obwohl Norbertt vor Entsetzen schreien und fliehen wollte, wollte ihm sein Körper nicht folgen. Im Gegenteil. Norbertt lächelte mit ihm.

 

Hallo Manfred,

Norbertt fragte sich ganz still, wo ist meine Frau und mein Sohn? Doch als seine Finger das Bett absuchten, fanden sie nur kalte Bettwäsche.

Und da erkannte er.

“Es tut mir so leid...”, schluchzte er.


Habe ich was überlesen oder check ichs einfach nicht?
Das war so die Frage nachdem ich deinen Text gelesen hab. Was ist mit Frau und Kind, wieso erscheinen Norbertt Skelette und rufen Baal und wieso schreibt man Norbertt mit zwei t? Für mich alles ein bisschen zu undurchsichtig.

Dann noch ein paar Kleinigkeiten:

Etwas unbeschreiblich, böses,
Etwas Unbeschreibliches, Böses ODER Etwas unbeschreiblich Böses

Und als konnte der Körper der Gestalt die in ihm wohnende Boshaftigkeit nicht fassen, war seine Haut rot gefärbt, wie die Blüten des Mohns.
könnte

“Ich will das nicht!” schrie er zaghaft und als wären seine Worte Lose, öffnete das vierte Skelett seinen Kiefer zu einem stummen Leider Nein.

An den Hüften der Skelette hingen Bänder und Tücher, Ketten aus Gold und Perlen schlangen sich um ihre Halsknochen und Handgelenke und viele der langen, knochigen Finger waren mit Ringen besteckt. Ein Teil von Norbertt wollte plötzlich aufstehen und mit den Skeletten tanzen, wollte eintauchen in das Klapperl und Klirren und ihre kalten, harten Knochen umschlingen und für einen Augenbick dem Bedürfnis nachgeben, sich Geborgenheit und Liebe einbilden zu dürfen.

Klappern
Und dieser Umschwung von Schrecken zu tanzen wollen ist mir etwas zu schnell und abrupt.

Das war's von mir erstmal.

Viele Grüße
Dex

 

Hallo Manfred F,

und noch ein Herzliches Willkommen im Forum!

Von der Handlung her wäre dieser Text etwas für mich. Bösartige Gottheiten, die in Träumen gruselige Shows abziehen und Menschen gegen ihren Wilen in irgendwelche sinistren Pläne verwickeln - das ist definitiv mein Ding (Cthulhu fhtagn, etc. :)). Leider hat mich deine Geschichte trotzdem nicht überzeugt.

Denn bei aller Liebe für diese Art von Geschichte - es ist mir schon irgendwo wichtig, dass der betroffene Mensch ... ähmm ... kein totales Vakuum anstelle einer Persönlichkeit hat? Der Norbertt hier - das einzig Interessante, was mir die Geschichte über ihn verrät, ist dass sein Name auf sehr unübliche Weise geschrieben wird. Ich habe das noch nie mit einem Doppel-t gesehen.

Aber ansonsten? Ich weiß einfach nicht, was das für ein Typ ist. Irgendwo wird mal ganz kurz erwähnt, dass er Frau und Kind hat - aber ist er ein guter Ehemann und Vater? Kann sein, könnte aber auch sein, dass er seine Familie vernachlässigt oder gar misshandelt. In der Geschichte befindet er sich in einer so wenig alltäglichen Situation, dass man sich kein Bild davon machen kann, wie der normalerweise eigentlich tickt. Und deshalb kann ich nicht behaupten, dass es mich besonders berührt hätte, was da in der Geschichte mit ihm passiert.

Und ich will damit jetzt nicht sagen: Wenn du willst, dass ich dem Protagonisten in deiner Horrorgeschichte Mitgefühl entgegen bringe, wenn er von einem Haufen Skelette attackiert wird, dann musst du mir vorher beweisen, dass das ein aufrechter Mitbürger ist, der Katzen aus Bäumen rettet und Blut spendet und freiwillig den Müll rausbringt. Der kann ruhig ein Durchschnittstyp sein, oder sogar ein ausgemachtes Arschloch. Aber er muss halt irgendeine Art von Persönlichkeit haben, mehr sein als bloß ein Name.

Es gibt verschiedene Optionen, wie du ihm mehr Charakter verleihen könntest. Eine Möglichkeit wäre, dass du ihn erst mal einführst in einer Alltagssituation - vielleicht einer Szene mit seiner Familie, bevor er in diese verrückte Traumwelt abtaucht. Eine andere wäre, dass du den direkten Einstieg in dieser Traumwelt beibehältst, aber dafür deinen Protagonisten auf die Ereignisse auch mal reagieren lässt, anstatt die nur runterzuerzählen - und ich meine mit mehr als nur Angst. Dass er die hat, ist logisch - ein halbes Dutzend lebender Skelette im Schlafzimmer dürfte die wenigsten kalt lassen. Aber darüber hinaus macht er sich keine besonders tiefgehenden Gedanken, was das bedeutet und wie er damit umgehen soll.

Auch in einer extremen, überhaupt nicht alltäglichen Situation kann man den Charakter einer Figur zeigen - vielleicht sogar stärker hervortreten lassen als in einer Alltagsszene. Wenn es zum Beispiel ein sehr rationaler Typ ist, würde er vielleicht hinterfragen, ob das Ganze überhaupt real ist, oder ob ihn jemand heimlich unter Drogen gesetzt hat. Und wenn er überzeugt ist, dass es in Wirklichkeit passiert, gibt es erst recht ganz verschiedene Varianten, wie er reagieren könnte - versucht er sich den Weg freizukämpfen, oder mit dieser übernatürlichen Macht zu verhandeln, oder ...?
Ich meine, der ist immerhin die titelgebende Figur der Geschichte. Und trotzdem habe ich das Gefühl, über den Baal, der nur ganz kurz am Schluss auftaucht, mehr zu wissen als über Norbertt. Und Baal ist auch die treibende Kraft für die Handlung, ist mein Eindruck. Aber auch, wenn der Titel "Baal" heißen würde, hätte ich mich daran gestört, dass der Protagonist hier quasi nur als Kamera funktioniert, die dem Leser zeigt, was passiert - er nimmt keinerlei Einfluss auf die Ereignisse und versucht das auch gar nicht ernsthaft.

Davon abgesehen gibt es ein bisschen Formalkram:

Als sich ein Knirschen und Klappern in seinen Traum fraß.
Strenggenommen ist das kein eigenständiger Satz. Ich bin da nicht festgelegt, dass das immer sein muss, aber in diesem Fall finde ich, das liest sich auch unschön.

Finsterer als die Nacht warfen sie lange Schattten in die Dunkelheit und wogen kaum merklich hin und her,
Die Formen von "wogen" sind: wogen, wogte, gewogt. Du benutzt es mehrmals im Text, aber hast aus Versehen die Vergangenheitsform von "wiegen" benutzt.
Also hier "wogten" die Skelette hin und her - wobei das ein komisches Bild ist. Eigentlich beschreibt das eine Masse. Das Meer wogt, oder ein Feld oder eine Wiese mit tausenden von Grashalmen. Sechs einzelne Dinge können meiner Ansicht nach gar nicht "wogen", die können sich bloß hin und her wiegen (also "wiegten sich kaum merklich hin und her").

Doch statt einer Antwort, bekam Norbertt etwas zu sehen, das ihm sein Fleisch kalt gegen seine Knochen presste.
Komma nach "Antwort" weg.

Der erste Knochenmann öffnete seinen morbiden Kiefer unnatürlich weit, fast so, als wollte er Norbertt verschlingen, gleich einer Schlange, die sich auf ein zitternden Nagetier stürzte.
zitterndes

Doch das Skelett blieb stehen, sein Maul weit aufgerissen und sagte nichts.
Komma nach "aufgerissen"

Langsam hoben sich die Konturen der Knochen vor der Dunkelheit ab.
Er hat vorher schon weit mehr gesehen als Konturen - wie das erste Skelett seinen Mund aufreißt zum Beispiel. Das ist zu spät, um zu behaupten, dass seine Augen sich erst jetzt an die Dunkelheit gewöhnen und Details wahrnehmen.

Es sah auf ihn herab und in diesem Blick sah er eine kalte, dunkle Absicht.
Hmm, "kalte, dunkle Absicht" finde ich ein bisschen dick aufgetragen - vor allem für den Blick eines Wesens, das so weit ich weiß nicht mal Augen hat.

Ihre Kurven wogen im obskuren Glockenspiel und schmeichelten auf verstörende Weise seinen Geist und fesselten seine Augen, die nicht mehr sehen wollten.
wogten oder wiegten sich; schmeicheln verlangt den Dativ, also seinem Geist

“Ich will das nicht!” schrie er zaghaft
Kann man zaghaft schreien? Wenn schon ein Adverb, dann wenigstens ein passendes!

und als wären seine Worte Lose, öffnete das vierte Skelett seinen Kiefer zu einem stummen Leider Nein.
1.: Lose wie in einer Lotterie? Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.
2.: Warum ist Leider Nein groß geschrieben?
3.: Was ist leider nein denn für eine Antwort auf "ich will das nicht"?

Ein Teil von Norbertt wollte plötzlich aufstehen und mit den Skeletten tanzen, wollte eintauchen in das Klapperl und Klirren
Klappern

und ihre kalten, harten Knochen umschlingen und für einen Augenbick dem Bedürfnis nachgeben, sich Geborgenheit und Liebe einbilden zu dürfen.
Augenblick; "sich Geborgenheit und Liebe einbilden zu dürfen" ist sehr umständlich formuliert und macht inhaltlich an der Stelle für mich keinen Sinn. Welcher Teil von "gruselige stumme Skelette im Schlafzimmer" vermittelt ihm Geborgenheit und Liebe?

Und da erkannte er.

“Es tut mir so leid...”, schluchzte er.

Was hat er erkannt? Was tut ihm leid? Wenn du die Leser daran teilhaben ließest, dann würde vielleicht eine stärkere Verbundenheit zum Protagonisten entstehen und man hätte mehr Mitgefühl. Aber du lässt uns hier völlig im Dunkeln über das Schicksal seiner Familie.

Das sechste Skelett öffnete seine Kiefer und diesmal schwiegen die Knochenmänner nicht.
Nachdem zuvor soviel Gewese darum gemacht wurde, dass es weibliche Skelette sind, finde ich den Ausdruck "Knochenmänner" nicht mehr passend.

Ihre Stimmen äzten sich in Norbertts Verstand
ätzten

Er blinzelte hoch und in einer sich drehenden Welt sah er, wie die Skelette sich auf ihn stürzten, mit weit aufgerissenen Kiefern, aus der sich der Laut ergoss, der seine Welt hinfortspülte.
denen

Und es war erst kurz bevor er öhnmächtig wurde, als er verstand, dass es keineswegs nur ein Ton war, der den Skeletten entwich, sondern sie riefen einen einzigen Namen.
ohnmächtig

In sein Keuchen mischte sich Lachen der Erleichhterung.
Erleichterung

Vor ihm stand ein Mann, groß und schlank, sein Körper gehüllt in Gewand, das im Gleichtakt mit dem Mohn im Wind wog.
Im Fall von einem Gewand passt "wogen" schon besser, aber die Vergangenheitsform ist immer noch "wogte", ansonsten würdest du hier über das Gewicht reden.

Etwas unbeschreiblich, böses, das einerseits so subtil aber auch wieder so präsent war, dass Norbertts Verstand in diesem Paradoxon unterzugehen drohte.
Etwas unbeschreiblich Böses oder Etwas Unbeschreibliches, Böses

Es war, als konnten Norbertts Augen beim Anblick des Mannes die Schreie unzähliger Stimmen hören.
könnten; und sind das ganz sicher die Augen, die Stimmen hören können? :)
Ich bin eigentlich sogar dafür, das so zu lassen, weil diese Irritation, die aufkommt, wenn man denkt "er hört mit den Augen?" irgendwie so ein befremdliches Gefühl hervorruft, dass man denkt, das ist vielleicht eine andere Dimension und er hat seltsame Sinneseindrücke, die sich nicht ohne weiteres mit Worten beschreiben lassen - auch wenn es vielleicht einfach eine Verwechslung von deiner Seite war. :)

Und als konnte der Körper der Gestalt die in ihm wohnende Boshaftigkeit nicht fassen, war seine Haut rot gefärbt, wie die Blüten des Mohns.
könne

“Baal”, stammelte Norbertt ohne zu wissen was er sagte.
stammelte Norbert[KOMMA] ohne zu wissen ...

Das war jetzt viel Gemäkel, aber wie gesagt: Ich finde die Handlung der Geschichte eigentlich ansprechend, und viele der Bilder, die du heraufbeschwörst, haben durchaus etwas - es sind keine ausgelutschten Ideen, und ich finde das schon gut, wenn es mal nicht die immer gleichen "Zombieapokalypse" oder "Kranker Serienkiller"-Szenarien sind. Wenn du die kleinen Schnitzer ausbügelst, und dafür sorgst, dass dein Protagonist ein bisschen mehr Persönlichkeit bekommt, dann glaube ich, dass eine gute, stimmungsvolle Horrorgeschichte daraus werden kann.

Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Dexter,
liebe Perdita,
liebe Feuerwanze,

vielen, vielen Dank euch allen für die ausführlichen Kritiken und vor allem Perdita, die sich so viel Mühe mit dem Heraussuchen des Textkrams gemacht hat. Ich empfinde das als großartiges Geschenk. Danke nochmal!

Ich habe die meisten Vorschläge gerne übernommen. Gerne möchte ich noch ein paar Anmerkungen zu meiner Geschichte machen.


Norbert ist ein Vakuum... Ja das stimmt vielleicht. In der Geschichte gibt es nicht viel über Norbertt zu erfahren und wenn der Horror nicht überspringt beim Lesen, weil die Identifikation (oder zumindest Empathie) fehlt, dann ist das eindeutig der Fehler des Autors.

In dem Text selbst gibt ein paar Hinweise, die auf Norberts Hintergrundgeschichte schließen lassen und wenn sie auch scheinbar nicht gewirkt haben, so möchte ich euch zumindest an meinen Gedanken beim Schreiben teilhaben lassen - das kann ja auch oft spannend sein.

Norbertt ist oder war verheiratet (das ist nicht ganz raus) und hat einen Sohn - das war wohl der Stärkste Hinweis in der Geschichte. Er schien aber nie sehr glücklich - hier gibt es zwar keinen direkten Hinweis, allerdings steht er im Mohnfeld und "genießt das Gefühl der Freiheit" und muss bei Ketten als allererstes an Gebundenheit und Enge denken. Auch hat er das große Bedürfnis nach "Geborgenheit und Liebe" - etwas, das er anscheinend in seiner Familie nicht bekommen hat.

Der Ausweg aus dieser Situation war zum einen das Trinken. Die große Überraschung dabei - es hat ihm nicht geholfen und lediglich dazu geführt, dass er trinkt, bis er schließlich einschläft (und dann scheinbar noch komisch träumt):

Norbertt tastete zu seinem Nachttisch, um nach irgendetwas zu suchen, das ihm als Waffe dienen konnte. Doch er fand nur ein leeres Whiskeyglas und als er es warf, verfehlte es die Skelette bei weitem.
Jetzt könnte man meinen, er hätte Wasser aus einem Whiskeyglas getrunken. Nun, mag sein, ich glaube das aber nicht. Ich glaube dass der Alkohol ein Versuch war, seiner Unglücklichkeit zu entgehen und das Whiskeyglas der Versuch, die Skelette zu vertreiben. Beide Versuche scheiterten.

Ein weiterer Ausweg aus Norbertts Situation waren andere Frauen, vielleicht Prostituierte, vielleicht Gelegenheitsbekanntschaften (das wird in der Geschichte nicht gesagt) - dies sind die sechs Skelette, die eindeutig Frauen sind, zu denen sich Norbertt hingezogen fühlt, auch wenn er weiß, dass sie nicht echt sind, dass es sich dabei um etwas "Totes" handelt. Es ging ihm weniger um Sex, als um diese "Geborgenheit und Liebe" und auch wenn er wusste, dass diese Gefühle nur temporär wenn überhaupt echt waren (was stark für die Prostituierten Theorie sprechen würde), so wollte er sich diese Liebe zumindestens "einbilden dürfen".

Doch weder Trinken noch andere Frauen haben ihm geholfen. Im Gegenteil, schließlich bricht alles über ihn herein: Seine Frau und sein Sohn sind fort (wahrscheinlich haben sie sich von ihm getrennt?) und die Frauen - es waren wahrscheinlich 6 Kontakte die er hatte - suchen ihn in Form von Skeletten heim.

Norbertt bekam schließlich noch eine Chance, jeder verdient diese letzte Chance, aber auch die vermasselt er: Als ihn seine Vergangenheit einholt und die Skelette schließlich vor ihm stehen, bekommt er 6 Gelegenheiten die Skelette abzuwehren, wie "Lose in einer Lotterie" hätte er von all den Möglichkeiten auch das Richtige sagen können. Aber das hat er nicht. Was das Richtige gewesen wäre, kommt in der Geschichte nicht raus - vielleicht ein "Zauberwort" (das glaube ich eher nicht) oder eine Erkenntnis oder Emotion (dafür wäre ich). Was jedenfalls nur zu seinem Tod geführt hatte, war die ständige Sorge und Beschäftigung mit sich selbst. Norbertt hat Angst vor den 6 Skeletten (das ist keine Überraschung) aber er sorgt sich so sehr um sich ("Ich hab euch nichts getan!", "Tut mir nichts!"), dass er gar nicht an seine Familie denkt, die er doch eigentlich im Bett neben sich vermutet. Warum ist sein erster Griff nach seinem Verständnis von Problemlösung, somit nach dem Whiskeyglas und nicht nach seiner Frau / seinem Sohn? Warum fällt ihm seine Familie erst so spät ein? Die Antwort: Norbertt ist nun einmal so. Er ist unsicher, er ist leicht zu verführen (Tanzen mit Skeletten???) und er ist vor allem beschäftigt mit sich selbst.

Vielleicht erkennt er schließlich das. Und selbst als er erkennt, überwiegen die Gedanken an sich selbst die Gedanken an seine Familie. Vielleicht hätte das letzte Skelett seine Kiefer nicht geöffnet, wenn er nach seiner Familie gefragt hätte, wenn er gefleht hätte, dass sie sie zurückgeben, wenn er in Tränen zusammengebrochen wäre aus Angst, wie es seiner Frau und seinem Sohn wohl geht oder wenn er etwas kitschig gesagt hätte, wie "Nehmt mich aber verschont meine Familie!" Aber das ist eben nicht Norbertt. Stattdessen zeigt er Reue, was eigentlich wieder ein sehr egozentrisches Gefühl ist.

Ich denke im Text gibt es noch ein paar Stellen, die Hinweise auf Hintergründe geben, aber das waren meine Gedanken grob zusammengefasst.


Es gibt dann auch noch ein paar Stellen, die einfach "nur Show" sind:
- Norbertt mit "tt" ist lediglich ein Hinweis auf die teils surrealen Mechaniken, der die Welt von Norbertt zugrunde liegen. Mir hat der Name und der Effekt, den er auf den Leser hat, aber sehr gefallen.
- Die Skelette sind ein Hinweis auf die Fehler Norbertts, die ihn jetzt heimsuchen. Dass sie aber die Kiefer aufreißen, das ist einfach nur gruselig (finde ich jedenfalls).
- Dass Norbertts Augen die Schreie der Seelen hören, war tatsächlich eine absichtliche Formulierung (auch wenn man das im Nachhinein natürlich immer sagen kann). Es sollte die Surrealität ausdrücken, die von Baal ausgeht, sobald man näher hinsieht.
- und Baal... nun, Baal ist jemand, der mich in Gedanklich schon sehr lange verfolgt (oder besser gesagt, verfolgt er Menschen in meinen Gedanken). Er ist ein großartiger Antagonist, der Vollstrecker literarischer Gerechtigkeit und schön gruselig, wenngleich auch ein wenig sympathisch (finde ich jedenfalls). Er hat etwas Großes vor und wie es scheint, wird ihm unser Norbertt nun dabei helfen.


Es freut mich sehr, dass ihr euch ein wenig mit der Geschichte beschäftigt habt. Ich glaube, ich werde sie nicht ändern, in dem ich mehr Information zu Norbertt hinzufüge, weil sie eben so ist, wie sie ist, mit all den Mankos die sie hat.

Aber ich werde eure Hinweise beim Schreiben der nächsten Geschichte - sofort ich wieder in diesen Genuss komme - auf jeden Fall im Hinterkopf haben!

Vielen Dank nochmals!
LG Manfred

 

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