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Ohne uns bist du verloren

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24.09.2000
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Ohne uns bist du verloren

Ohne uns bist du verloren

I

Jetzt muss ich schon wieder etwas über ihn erzählen.

Obwohl, schon wieder ist natürlich übertrieben, denn ich habe eh schon lange nichts mehr über ihn berichtet. Aber ich muss ehrlich sagen, warum soll ich da in einer Tour was erzählen, wenn es nix zu sagen gibt. Da gibt es ja ganz andere Leute, die erzählen dauernd etwas und sagen gar nix. Und dann sind sie beleidigt, wenn du dich am nächsten Morgen nicht mehr an jedes Detail erinnerst und vielleicht den Namen ihrer Lieblingskatze von vor 20 Jahren nicht mehr weißt. Bitte, ich will da jetzt gar keinen beim Namen nennen, eher so generell meine ich. Auf der anderen Seite hab ich dann wenigstens Zeit vom Manfred zu erzählen, wenn meine Freundin nicht mehr mit mir spricht.
Weil pass auf! Der Manfred hätte vor kurzem fast seine Freundin, die Öllinger Sabine, aus dem Riesenfeuer gerettet. Praktisch Rettung in letzter Sekunde. Das wäre was gewesen! Und da hat er sich natürlich irrsinnig geärgert, wie ihn stattdessen die Rettung in letzter Sekunde mit Blaulicht abgeführt hat, das kannst du dir sicher vorstellen.

Aber jetzt mal vom Anfang an, sonst kennst du dich am Ende gar nicht mehr aus. Die Sabine hat nämlich studiert, Theaterwissenschaften oder sowas. Bitte, jeder muss freilich selber wissen, was er studieren möchte und wofür das dann gut sein soll. Da möchte ich mich gar nicht einmischen. Und der Manfred hat sich da auch noch nie eingemischt, weil erstens lange blonde Haare und Figur auch vorhanden. Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber da gibt es ja Frauen, da denkt man sich gleich beim ersten Blick, na bums. So ungefähr ist die Sabine gewesen. Da ist es dem Manfred natürlich egal, mit was sie die Zeit verschwendet, Hauptsache na bums.

Und das hat er sich auch gedacht, wie die blonde Mähne von der Sabine besonders hell aus dem Fernseher gestrahlt hat. Wieso Fernsehen? Also, unlängst an einem Sonntag am Abend ist die Sabine im Fernsehen gewesen, gleich nach der ZiB. Da haben die nämlich immer die wichtigsten Reportagen gebracht und damals eben die Studenten ganz wichtig. Vor allem, die lauten.
„Wir Studenten sagen: Vater Staat, lass uns nicht im Stich – ohne uns bist du verloren!“ hat der Manfred da die Sabine aus dem Fernseher plärren hören. Schreien hat sie müssen, weil sie im Audimax auf der Uni Wien mitten unter lauter lauter Studenten gestanden ist. Und die haben Lärm gemacht, das glaubst du nicht. Aber was sollen sie auch anderes machen, wenn ihnen der ORF ein Mikrofon vors Gesicht hält? Das ist ganz klar aufregend, Prüfungsstress nix dagegen.

„Wir werden das Audimax weiterhin besetzen, bis auch die Letzte unserer Forderungen erfüllt ist“, hat der Manfred zu Hause gehört, wie die Sabine ihre Rede gehalten hat. Dem Manfred hat das gefallen, freilich. Aber ganz ehrlich? Mir ist ihr Gehabe viel zu aufgesetzt gewesen. Immer mit dem Theatralischen und so. Aber bitte, lassen wir das, ich hab ja nicht mit ihr zusammen sein müssen...

Weil zum Beispiel das: Der ORF Mann hat die Sabine jetzt irgendwas ganz Normales gefragt und statt dass sie dann auch was Normales zurück sagt, hat die lieber so ganz tief eingeatmet, die Lider weit aufgerissen, die Augen schräg hinauf verdreht und geschrienen: „Bildung statt Ausbildung!“ Natürlich, jetzt ein guter Punkt, aber ich denke mir, da hätten die Studenten schon jemanden finden können, der das Fernsehinterview professioneller und ohne eingebaute Sterbeszene geführt hätte. Aber bitte, mich fragt ja keiner.
Wie es dann im Audimax zu laut geworden ist, hat die Regie beim ORF ins Studio schalten müssen und da war der Harald Farkas Studiogast. Den wirst du jetzt vielleicht sogar kennen, wenn du schon einmal Jus studiert hast: Immer Anzug, schleimiges Lächeln, Studentenvertreter am Juridicum und sowas.

„Mir ist die ganze Aufregung nicht begreiflich“, hat da der Harald Farkas ganz präpotent im Fernsehen gesagt. „Studiengebühren gewährleisten die Qualität unserer Ausbildung auf finanzielle Art. Und Studenten, die sich das Bezahlen der Studiengebühren nicht leisten könnten, bekommen Förderungen. Das ist ein sozial gerechtes System, dass“ Bla, bla, bla. Der Manfred hat jetzt schon gar nicht mehr zugehört, sondern nur noch darauf gewartet, dass die Sabine wieder zu sehen ist.

Und als die Regie zurück zur Sabine geschalten hat, hat die wieder ihr Theater aufgeführt. Aber das brauchen wir uns jetzt nicht mehr anschauen.
Wichtiger ist viel eher, wie der Manfred dann drei Stunden später die majestätischen Treppen der Uni Wien wieder in Richtung Audimax heruntergestiegen ist und ein Lächeln auf den Lippen gehabt hat, sowas hast du noch nie gesehen. Du kennst das sicher, wenn einer so grinst, dass man sagt, gut dass er Ohren hat, sonst würde er im Kreis grinsen und die obere Hälfte vom Kopf einfach abfallen.

Aber ich muss sagen, das ist jetzt kein Wunder, dass der da so grinst. Bei der Sabine hat sich nämlich nach dem Fernsehinterview so viel Spannung gestaut, dass sich die dann auch mal hat entladen müssen. Und dazu hat sie den Manfred angerufen, ob der nicht noch vorbeischauen und das Interview im Sprechstundenzimmer vom Professor Öllinger nachfeiern möchte. Der Professor Öllinger ist der Sabine ihr Bruder und solange der auf Urlaub gewesen ist, hat sie den Schlüssel zum Sprechstundenzimmer gehabt, zum Blumengießen und so. Hätte der gewusst, für was seine Schwester das Zimmer noch so braucht, hätte der die paar Blumen vielleicht lieber in den Urlaub mitgenommen.

Aber Glück für den Manfred. Der hat dann eine Flasche Sekt genommen, zwei Gläser und hat von der Tankstelle einen ganzen Rucksack mit Schokolade gefüllt, weil Schokolande immer ein bisschen Aphrodisiakum bei Frauen. Und geholfen hat das, bist du gescheit! Die Sabine hat sich da im Professor Öllinger seinem Zimmer aufgeführt, dass du geglaubt hast, sie übt für die längste Sterbeszene der Geschichte. Und wieder gut, dass der Manfred Ohren gehabt hat, weil Ohrenschmaus, na bums.

Aber interessant zu beobachten. Weil die ganze Zeit im Sprechstundenzimmer haben sich die Gedanken vom Manfred gar nicht auf seine Ohren, sondern eher auf seine Nase konzentriert. Irgendwann hat ihm die Sabine einmal erzählt, dass sie immer noch das Parfum von ihrem verstorbenen Vater trägt. Und der Manfred hat sich die ganze Zeit gewundert, warum der Sabine der Geruch so gut passt und der Vater so ein weibliches Parfum getragen hat. Aber es war gar kein weibliches Parfum und deshalb sind seine Gedanken wahrscheinlich ständig darum gekreist, wie die Sabine im Sprechstundenzimmer auf der Uni Wien immer und immer wieder ihre Sterbeszene repetiert hat. Weil das war Unisex.

Als der Manfred dann endlich mit seinem halben Kreisgrinsen im Audimax angekommen ist, sind dort nur noch ein Paar Demonstranten übrig gewesen. Alle anderen sind bereits nach Hause gegangen, weil Feierabend natürlich auch bei Demonstranten wichtig. Und ein bisschen hat es ihm jetzt auch geärgert, dass er extra schnell wieder ins Audimax gegangen ist, damit die anderen nicht auf blöde Gedanken kommen. Weil es ist eh keiner mehr da gewesen, den es interessiert hat, was er mit der Sabine da oben macht. Nur der Ali hat kurz aufgeschaut und dem Manfred müde zugenickt, weil der Ali, musst du wissen, der…

Plötzlich Geschrei von draußen. Die Anwesenden haben alle ein bisschen verängstigt dreingeschaut, weil natürlich immer die große Gefahr, dass die Polizei das Audimax stürmt und alle verhaftet. Aber wie der Manfred dann vor die Uni nachschauen gegangen ist, hat er sofort gemerkt, dass gar keine Polizei da war. Im Gegenteil, nur noch mehr Studenten sind gekommen. Denn ob du es glaubst oder nicht, vor der Uni Wien war nun Demonstration gegen die Demonstration. Und weil es natürlich schon Freizeit war, waren nur fünf Gegendemonstranten gekommen. Und diese Fünf haben auch keine Plakate und keine Banner und keine Flaggen gehabt, nur Bierfahnen. Und auch keine Lieder, oder Sprüche oder Slogans, sondern mehr so assoziatives Geschrei. Sowas wie „Raus mit euch!“ und „Linkes-Pack!“ und ein paar arge Sachen, die ich jetzt aber gar nicht wiederholen möchte.

Und dann ist hinter dem Manfred der Ali aus der Uni rausgekommen und ich muss sagen, eine gute Wahl, dass die Audimax Studenten den geschickt haben. Der Ali nämlich muskulös und riesig, obwohl man sagt, Araber ja eher auf der kleineren Seite. Aber er hat Eindruck gemacht, vor allem wie er ganz laut geschrien hat: „Was macht ihr da?“. Weil Araber ja immer so eine harte Aussprache, da klingt gleich alles doppelt so bedrohlich. Die sprechen das CH ja immer aus, das glaubst du gar nicht.

Jetzt hat es ein wenig gedauert, bis sich einer aus der Gegendemo-Truppe dazu entschlossen hat, auch was zu sagen. Und schließlich hat sich dann der Martin aus der Schweiz getraut. Der war zwar auch groß und sportlich, weil Jus-Studenten generell auf ihr Aussehen bedacht. Aber gegen den Ali hat der eher ein bisschen schmächtig gewirkt. Aber pass auf, was er jetzt gesagt hat, das war ein Brüller:

„Kommt doch raus, ihr Assis!“ Na gut, was der gesagt hat, war jetzt nicht so berauschend, aber wie er das gesagt hat, war super! Weil der Martin war ja aus der Schweiz. Der war nicht nur fast so groß wie der Ali und fast so muskulös wie er, der hat auch das CH nur fast so bedrohlich ausgesprochen. Die Schweizer natürlich in ganz Europa bekannt, dass sie das CH so knackig aussprechen können. Da waren die auch total darauf aus, jedem ihr Talent zu zeigen, praktisch Nationalstolz. Darum auch internationale Abkürzung der Schweiz gleich CH, damit das jeder sieht. Praktisch: Wer hat’s erfunden? Da muss dir sofort die Schweiz einfallen. Und natürlich, wenn dann so ein Araber kommt, der das CH noch knackiger betont, fühlen sich die Schweizer in ihrem Kulturgut bedroht. Da kann man dann auch ein bisserl verstehen, warum die im Gegenzug die Minaretts verbieten, bei den CHs geht das ja schlecht.

„Verschwindet! Wir machen weiter!“ hat der Ali geschrien, nochmal mit einem extra Schuss CH und ich muss sagen, das hat schon ein bisschen lustig geklungen, wie sich die beiden da an-CHsen. Und ein drittes Mal gut, dass der Manfred Ohren gehabt hat. Hinter dem Ali haben sich nun auch die anderen Studenten versammelt.

„Das werden wir ja sehen!“ hat der Martin wohl absichtlich das CH
ausgelassen, weil eh keine Chance gegen den Ali.
Wahrscheinlich haben sich die dann noch ein wenig weiter angebrüllt, aber der Manfred hat sich gedacht, eigentlich geht mich das alles gar nix an und ist gegangen. Er war ja nur wegen der Sabine dort gewesen, weil die so bums war. Und bums, meine Herren. Am liebsten hätte er sie gleich wieder angerufen und gefragt, wann sie sich wieder treffen sollen. Aber wie er das Handy schon in der Hand gehabt hat, hat er es gleich wieder eingesteckt. Weil guter Vorsatz: Nichts überstürzen, alles langsam angehen. Aber so ist es mit guten Vorsätzen, am besten nicht einhalten und lieber die Sabine anrufen. Denn dann hätte er vielleicht noch ein letztes Mal mit ihr reden können.

II

Eine Wochen später ist die Sabine noch immer verschwunden gewesen. Und mit jedem Tag ist sie dem Manfred ein bisschen verschwundener vorgekommen. Gut, das ist jetzt vielleicht ein blödes Wort, weil verschwundener in dem Sinn gibt es praktisch nicht. Aber es beschreibt gut, wie es dem Manfred ergangen ist. Weil am Montag nur ein bisschen wütend, dass sie nicht vom Handy abhebt und nicht zu Hause ist.

Aber am Dienstag hat er sich schon ein wenig Sorgen gemacht. Eigentlich seitdem der Ali jetzt dauernd im Fernsehen war und die Studenten angefangen haben, mehr zu machen, als brav auf der Uni zu demonstrieren. Ganz am Anfang hat man sich schon aufgeregt, dass die da im Audimax die Wände ein bisserl ansprühen, aber bald hat man ihnen das verziehen. Da hat man sich eher aufgeregt, wenn die dann die Autos ein bisserl anzünden. Da war das Herz der Bevölkerung natürlich immer noch bei den Studenten, weil Studieren wichtig fürs Land, egal ob Wirtschaft, Gesundheitswesen oder das was die Theaterwissenschaftsstudenten als Beruf machen. Weil klar, auch Kellner und Kassiere braucht das Land. Aber Autos anzünden jetzt eher ein bisschen unpopulär.

Echte Sorgen hat sich der Manfred am Mittwoch gemacht, wie die Gegendemonstrationen angefangen haben. Denn die Jus-Studentenvertretung hat sich gesagt, die Demonstranten werfen schlechtes Licht auf die hart studierenden Studenten, da muss was getan werden. Und so sind sie jetzt in Massen vor der Uni Wien gestanden und haben gerufen und Steine geworfen. Und die Audimax Demonstranten haben dann schön zurückgeworfen. Und spätestens wie es die ersten Verletzten gegeben hat, wäre es dem Manfred lieber gewesen, wenn die Sabine gerade nicht verschwunden gewesen wäre.

Und am Donnerstag, als die Träume angefangen haben, hat er sich so richtig große Sorgen gemacht. Jetzt musst du wissen, dass der Manfred ziemlich gut im Träumen ist. Immer wenn etwas passiert, träumt er etwas, das ihm dann nützlich ist. Ich möchte jetzt gar nicht sagen, dass der Manfred ein Medium ist oder so, weil einziges Medium in Österreich die große Tageszeitung. Da möchte ich mich jetzt auch mit keinem anlegen und da Namen nennen. Ich weiß nicht, ob man das so kennt, aber bei uns in Österreich, da wird Verrat an der Krone manchmal gehandhabt, wie im reinsten Mittelalter.
Jedenfalls. Beim Manfred spielt da hauptsächlich das Unterbewusste mit rein, das bei ihm Höchstleistungen vollbringt. Dafür aber das Bewusste beim Manfred immer ein bisschen hinterher und darum immer die Träume zuerst und viel später erst das Bewusste. Jetzt hat er sich auch mächtig Sorgen gemacht, wie er ständig von der Sabine geträumt hat, wie die wo eingesperrt ist, praktisch Entführung. Im Nachhinein gesehen, hätte er ohne diesen Traum die Sabine wahrscheinlich nie gefunden.

Weil, wie er weiter gedacht hat und jetzt im Fernsehen immer den Hass der Gegendemonstranten gesehen hat, ist ihm da natürlich die Jus-Studentenvertretung eingefallen. Weil die Sabine war natürlich der Star der Audimax Besetzer, vor allem im Fernsehen. Weil blondes Haar, das hat man sofort gesehen. Und bei jedem Fernsehinterview hat die so ein bums ausgestrahlt, dass sofort jeder mit den Demonstranten sympathisiert hat. Da müssen die Jus-Studentenvertreter die Sabine vielleicht ein bisschen wegsperren.

Aber von der Entführung hat der Manfred natürlich nix erwähnt, wie er gleich am Freitag am Vormittag am Juridicum vorbei geschaut hat. Vor dem Jus-Studentenvertreter hat er da mehr in Richtung neuer Student getan, möchte Jus studieren, was ist da zu tun. Praktisch ein bisschen Under Cover gehen.

„Zahlt sich studieren jetzt überhaupt aus? Gerade bei den ganzen Demonstrationen meine ich?“ hat der Manfred gefragt, wie er im Büro der Studentenvertretung am Juridicum gesessen ist. Du musst wissen, er hat das Undercoverische wirklich sehr gut gemacht. Ich meine, wenn man bedenkt, dass er normalerweise nichts mit Detektiven zu tun hat. Immer im richtigen Moment nachgefragt, immer ein bisschen Interesse für die einzelnen Fächer geheuchelt, immer ein wenig nachgebohrt, wie man doch Beihilfen bekommen kann. Und jetzt ganz geschickt auf die Demos gekommen. Das finde ich wirklich gelungen, wie der Manfred sein Gegenüber so hinters Licht geführt hat.

„Du bist in Wirklichkeit nicht an einem Jus-Studium interessiert, stimmt’s?“ hat der Studentenvertreter dem Manfred ins Gesicht geschleudert und der hat in dem Moment gar nicht gewusst, wie ihm geschieht. „Noch nie ist jemand im Oktober zu uns gekommen, um sich über das Studium zu erkundigen.“

Gut, vielleicht hat der Manfred das doch nicht ganz ideal gemacht, aber es ist auch schwer, Jus Studenten, die das einmal professionell machen wollen, hinters Licht zu führen.

„Eine Studentin ist verschwunden“, hat er Manfred dann gesagt.
Zuerst hat der Studentenvertreter noch ein bisschen von oben herab gelächelt, praktisch, was geht mich das jetzt an. Doch wie ihm der Manfred gesagt hat, dass es um die Öllinger Sabine geht, ist er doch ein wenig blass geworden. Denn die Sabine hat der Harald Farkas dann sehr wohl gekannt.

IV

Freitag am Abend, als der Manfred in seinem finsteren Kämmerlein gesessen ist, war dann alles wieder gut. Dass der Harald schließlich erzählt hat, dass er und die Sabine alte Kindergartenfreunde waren, nicht mehr so schlimm. Und dass der Ali im Audimax eine kleine Armee zusammenstellt, gar kein Malheure. Und dass der Manfred noch immer keine Spur von der Sabine gefunden hat, nur noch ein bisschen blöd. Denn wenn du dir heute mit einer Hand ein gefrorenes Steak auf das geschwollene Auge drückst und mit der anderen versuchst, die Bluttropfen von deiner gebrochenen Nase aufzufangen, relativieren sich Probleme recht schnell. Und die Schmerztabletten natürlich auch gut gegen aussichtslose Situationen, vor allem, jene, die mit Wodka herunter gespült werden.

Aber jetzt mal schön der Reihe nach. Zuerst hat nämlich der Harald von der Sabine erzählt:

„Die Sabine und ich sind schon miteinander in den Kindergarten gegangen“, hat der Harald am Vormittag noch gesagt und sich in seinem Sessel zurückgelehnt.

„Und seitdem habt ihr euch nicht mehr gesehen?“ hat der Manfred gefragt. Jetzt Hut ab, dass seine Stimme nicht gezittert hat. Weil irritiert war er schon, dass die Sabine und ihr medialer Gegner alte Freunde sind, das muss ich dir jetzt wohl nicht sagen.

„Wenn du damit fragen willst, ob wir zusammen sind, dann muss ich das eindeutig verneinen. Es gab eine Zeit, in der wir öfter Kontakt hatten, vor allem, als sie nach dem Tod ihres Vaters so gelitten hatte.“
„Über den Tod ist die Sabine mittlerweile gut hinweggekommen“ hat der Manfred schnell gesagt, quasi, du brauchst mir da gar nix über die Sabine erzählen, ich kenne sie viel besser als du.

„Ihr Vater ist vor zwei Jahren mitten aus dem Leben gerissen worden. Wie soll sie da schon darüber hinweg sein?“ hat der Harald gesagt und sich nun über den Schreibtisch in Richtung Manfred gebeugt.

„Und dann warst du da, um sie zu trösten?“, hat der Manfred gegiftelt und sich auch nach vorne gebeugt. Weil plötzlich hat er mehr zu einem Rivalen gesprochen, als zu einem Entführer.

„Auf was willst du hinaus?“, hat der Harald nun fast geflüstert und hat die Zähne gefletscht. Sein Mund war jetzt so nah an Manfreds Gesicht, dass er das Flüstern problemlos verstanden hat.

Und noch was hat der Manfred verstanden. Dass er nicht lebend aus dem Raum kommt, wenn er jetzt sagt, dass er der Freund von der Sabine ist und alles in Bewegung setzen will, um sie zu finden. Weil wie der Harald sich da über den Schreibtisch gebeugt und die Zähne gefletscht hat, sind viele Gefühle dagewesen. Und Gefühle immer gefährlich. Und sich über den Schreibtisch beugen auch gefährlich. Und Zähne fletschen auch.

„Sagen wir mal so, die Sabine ist verschwunden und ich möchte nicht, dass ihr etwas passiert“ hat der Manfred versucht, so vage wie möglich zu bleiben.
„Was will der Ali von mir?“ hat der Harald den Manfred plötzlich aus voller Kehle ins Gesicht geschrien. Und siehst du, so leicht entstehen Missverständnisse. Denn plötzlich hat nicht nur der Manfred an Entführung gedacht.

V

Doch nicht dass du glaubst, der Harald hätte den Manfred jetzt eine blutende Nase verpasst. Der Manfred ist nämlich vorher aus seinem Sessel herausgesprungen und ist ohne ein Wort zu sagen, geflüchtet. Weil erstens brenzlige Situation und zweitens schnell bei der Uni Wien vorbeischauen. Irgendwie ist es dem Manfred komisch vorgekommen, dass ihn der Harald so schnell auf den Ali angesprochen hat.

Aber jetzt pass auf! Weil was der Manfred im Audimax gesehen hat, das war nicht mehr lustig. Obwohl, überrascht hat es mich eigentlich nicht. Wenn du heute Demos organisierst, Autos in ganz Wien anzündest und den einen oder anderen Gegendemonstranten zusammenschlagen lässt, brauchst du natürlich eine Privatarmee, da bleibt dir gar nichts anderes übrig.

Jetzt waren im Audimax viel mehr Leute, als noch Sonntag zuvor. Und die, die da waren, haben auch alle ein wenig grimmiger dreingeschaut, als die von Sonntag. Und alle vielleicht weniger lange Haare und Birkenstock. Und alle ein wenig eher auf der brutaleren Seite. Und der Ali hat das getan, was er seitdem die Sabine verschwunden ist, fast immer gemacht hat: Er hat sein Gesicht in eine Kamera gehalten und ein Interview gegeben.

„Das Bildungssystem in Österreich ist eines der schlechtesten weltweit“, hat der Ali erzählt und dann das Sprücherl wiederholt, das in den letzten Wochen von den Medien auf und ab gespielt worden ist: „Vater Staat, lass uns nicht im Stich - ohne uns bist du verloren!“

Nach dem Kamerainterview hat der Ali dann noch ein Zeitungsinterview gegeben und dann ein Fototermin und dann noch mal kurz ins Mikrofon reden für einen Radiosender. Das hat natürlich gedauert und die ganze Zeit ist der Manfred mitten unter den geschäftigen Studenten gesessen. Und alle haben sie den Manfred grantig angeschaut, weil der einzige, der nicht riecht wie das Audimax, der muss ein Gegendemonstrant sein.

Und wie ein paar Studenten schon ganz nervös geworden sind, hat ihn jemand an der Schulter gepackt.

„Vielleicht wäre es besser, wenn du nicht mehr herkommst“, hat der Ali gesagt und ihm am Arm aus dem Unigebäude geführt.

„Ich habe gerade mit Harald gesprochen“, hat der Manfred unterwegs gesagt.

„Mit Harald, hm?“ hat der Ali ihn fester am Arm gepackt. Aber nicht dass jetzt ein Missverständnis entsteht. Der Ali wollte den Manfred nicht aus Zuneigung berühren. Das war eher ein bisschen bedrohlich. Das kennst du vielleicht, dass man manchmal eine Zuneigungsgeste aus tiefem Hass macht. Wie man zum Beispiel einen Fisch seinem Erzfeind schenkt. Oder extra teuren Schmuck seinem Ehepartner. Genauso hat eben der Ali den Manfred am Oberarm gehalten.

„Und als ich ihm nach der Sabine gefragt habe, hat er sehr schnell deinen Namen erwähnt. Wie kommt das?“ hat der Manfred gefragt, als sie aus dem Uni-Gebäude ins Freie getreten sind.

„Du hast also mit Harald gesprochen, hm?“ hat der Ali gefragt und die Augen zusammengekniffen, damit ihn die Sonne nicht so blendet.

„Ali, sag mir, was du über das Verschwinden von der Sabine weißt!“
Meiner Meinung nach, hat das der Manfred jetzt aber ein bisserl zu hart gesagt. Weil wenn du einem Zweimeteraraber vor dir hast, solltest du eher ein wenig vorsichtiger sein.

Aber der Ali hat nur gesagt: „Die Sabine ist intelligent, erfolgreich und charismatisch. Und durch ihre Fernsehauftritte schon fast eine Persönlichkeit im Land. Und du Manfred, du hast ja nicht mal studiert… Vielleicht ist sie dir ja nur weggelaufen.“ Und weil ihn der Manfred jetzt nur ganz grantig angeschaut hat, hat der Ali noch angefügt: „Außerdem, wer sollte die Sabine schon entführen? Wer hätte etwas davon gehabt?“

Vielleicht hat der Manfred das jetzt einfach nur gesagt, weil ihm der Ali gerade so blöd gekommen ist. Oder weil ihm seine Entführungsfantasien nun selbst absurd vorgekommen sind und er sich an etwas hat klammern müssen. Jedenfalls gesagt hat er: „Naja, seitdem die Sabine weg ist, bist du eigentlich ganz schön oft im Fernsehen, oder?“ Aber ich glaube eher, dass er das gesagt hat, bevor er nachgedacht hat.

Aber nicht dass du jetzt denkst, der Ali war schuld daran, dass der Manfred dann kurz vor Mitternacht die Bluttropfen vom Teppich aufwischt. Das mit der blutigen Nase kommt erst später. Jetzt hat der Ali einfach nur gesagt: „Vielleicht wäre es einfach besser, wenn du nicht mehr herkommst.“ Und hat den Manfred vor der Uni Wien stehen gelassen.

VI

Aber jetzt aufgepasst! Gleich kommt der Moment, in dem dem Manfred seine Nase gebrochen worden ist. Das ist gewesen, nicht lange nachdem er am Heimweg gedanklich noch mal alles für sich zusammengefasst hat. Und um ehrlich zu sein, viel zum Zusammenfassen hat es da gar nicht gegeben.
Nur dass jemand die Sabine wo eingesperrt hat, ist für den Manfred festgestanden. Weil Träumen soll man trauen, das sagt ja schon ein altes Sprichwort. Auf der anderes Seite, wer soll sie entführt haben? Harald hätte freilich ein Motiv gehabt, weil Gegnerin im Studentenstreit und so. Und Skrupel? Bestimmt nicht, wie der da immer mit seinem Anzug und seinem geschliffenen Blabla dahergekommen ist. Und dann wär da auf der anderen Seite noch der Ali. Weil seitdem die Sabine weg ist, ist er der Star der Studenten-Demonstration. Zugetraut hätte es der Manfred eigentlich beiden. Aber wer war es jetzt?

Du wirst dich vielleicht fragen, wie der Manfred nur so auf der Leitung gestanden haben kann. Weil Lösung eigentlich eh schon offensichtlich und sowas. Aber da kann ich nur sagen, komm einmal selber in die Situation vom Manfred und dann reden wir weiter. Weil so im Nachhinein aus der Ferne betrachtet, kann man leicht reden.

Und außerdem, vielleicht wäre der Manfred sowieso gleich draufgekommen, wenn vor seine Haustür nicht die fünf Schläger gewartet hätten. Wenn er sich im Nachhinein erinnert, wie der Martin aus der Schweiz vor seiner Tür „Manfred Fuchs?“gebrüllt hat und das CH so knackig betont hat, spürt er jetzt noch einen Stich in der Nase. Aber nicht dass du glaubst, das CH hätte ihm die Nase gebrochen. Das kommt erst später.

„Was wollt ihr hier?“ hat der Manfred gesagt. Dumme Frage, aber bitte, was willst du sonst in so einer Situation sagen?

Und der Martin hat anders als man sonst so sagt über Schweizer, blitzschnell reagiert und den Manfred zu Boden geworfen und sich auf ihn gekniet. Schön mit den Knien die Arme niederdrücken und mit dem Hintern auf die Brust und die Luft abschnüren. Also Kampfunfähigmachen 1 plus, danke, setzen.

Dann ist der Martin ganz nah mit seinem Gesicht an dem Manfred sein Gesicht gegangen und hat in einem Ton gefragt, in dem man sonst vielleicht übers Wetter plaudert: „Und, wo ist die Sabine?“

„Ich“, hat der Manfred gesagt und kurz eingeatmet, „weiß es“ wieder kurz ausgeatmet, „nicht!“ Wieder kurz einatmen. „Ich such“ und wieder ausatmen, „sie selbst!“

Und dann hat ihn der Martin mit der Faust geschlagen. Aber das hat ihm immer noch nicht die Nase gebrochen. Das kommt erst später. Der Faustschlag hat eher seiner Magengegend gegolten. Weil Motto Nummer 1: Immer dorthin schlagen, wo man es später nicht sieht.

Dann hat ihn der Martin hochgezogen und sein Gesicht gegen die Hausmauer gedrückt. So dass dem Manfred seine Wange an der rauen Wand gerieben hat, er aber noch immer sprechen hat können. „Wo ist die Sabine, du Pörre!“
Jetzt, was ist Pörre? Ehrlich gesagt, ich kann es dir auch nicht sagen, da musst du schon einen Schweizer fragen. Aber freundlich war das sicher nicht gemeint. Das hat man auch daran gemerkt, dass der Martin sein Knie in dem Manfred seine Nieren getreten hat.

„Ehrlich, ich weiß nicht!“ hat der Manfred geschrien. Und was willst du auch anderes machen? Wehren? Keine Chance. Da bleibt halt nur schreien, weil es könnte ja sein, dass dich zumindest jemand hört. „Ich hab den Harald doch selber gefragt, wo die Sabine sein kann!“

Da muss ich sagen, hat der Manfred einmal richtig schnell kombiniert. Weil wie der da gleich geschlossen hat, dass der Harald ihm die Schläger geschickt hat, also Hut ab.

Und noch was: Sein Plan hat ganz gut funktioniert, weil jetzt sind wirklich zwei, drei Passanten stehengeblieben und haben geschaut, wie der Manfred zusammengeschlagen wird. Und da hat der Martin ganz plötzlich vom Manfred abgelassen und ist mit seinen Schlägerkollegen gegangen. „Wir sehen uns noch!“ hat der Martin gesagt und wie ein Passant dann sogar näher gekommen ist, sind die Schläger schon weg gewesen.

Jetzt kannst dir vorstellen, dem Manfred hat alles weh getan. Mit zitternden Händen hat er die Haustüre aufgesperrt, noch so schnell, dass er ins Haus kommt, bevor ein Passant ihn anspricht. Mit ganz weichen Knien ist er die Treppe zu seiner Wohnungstür raufgestürmt und, was soll ich sagen, auf der letzten Stufe haben seine weichen Knie nachgegeben und er ist einen ganzen Halbstock wieder heruntergefallen.

Und siehst du, das ist der Moment gewesen, wo dem Manfred seine Nase gebrochen ist.

Jetzt sitzt er also da und hält sich ein Taschentuch vor die Nase. Beschissener kann es nicht kommen, denkt er sich, nimmt noch ein paar Schmerztabletten und legt sich hin. Wahrscheinlich hat er an diesem Abend ein paar Schmerztabletten mehr genommen, als eigentlich vorgeschrieben war. Weil seelische Schmerzen, das darf man nicht vergessen. Und da sag ich immer, da ist es gut, dass man nicht in die Zukunft schauen kann. Weil wenn der Manfred jetzt schon gewusst hätte, was am nächsten Tag geschieht, wer weiß, wie viele Tabletten er dann gebraucht hätte.

VII

Siehst du, jetzt im Nachhinein ist es gut, dass der Manfred am Juridicum vorbeigeschaut hat. Weil nur so hat er dem Harald blöd kommen können, und nur so hat der ihm dann fünf Schläger vorbeischicken können und nur so hat der Manfred dann so weiche Knie bekommen können, dass es ihm die Stiegen runterhaut und nur so hat er dann so viele Schmerztabletten genommen, dass er so viel träumt. Und nur so hat er schließlich draufkommen können, wo die Sabine ist.

Weil Schmerzmittelschlaf ist ein Salzwasser Schlaf, das sag ich dir. Das ist nicht so, wie nach einem schweren Essen oder meinetwegen nach zu viel Alkohol, wo du dann schläfst wie ein Baby. Sondern das ist eher wie wenn du großen Durst hast und du trinkst Salzwasser dagegen. Da wirst du nach jeden Schluck noch durstiger und irgendwann trocknet dein Körper dann aus. So ist das jetzt mit dem Manfred seinem Schlaf gewesen, weil jede Minute die er geschlafen hat, ist er nur noch müder geworden und hat sich immer weiter in seine Träume geträumt.

„Vater Staat, lass uns nicht im Stich – ohne uns bist du verloren!“ hat ihn die Sabine in seinem Traum angeschrien, wobei er sich noch gedacht hat, warum brüllt die den so?, weil sie sind eh nur zu zweit in einem dunklen Raum gewesen. Außerdem hat es so stark nach ihrem Parfum gerochen, das war nicht mehr lustig. Er hat schon etwas sagen wollen, aber die Sabine wieder mit ihrem lauten Organ: „Vater Staat, lass uns nicht im Stich!“

„Es gab eine Zeit, in der wir öfter Kontakt hatten, vor allem, als sie nach dem Tod ihres Vaters gelitten hatte“ hat sich der Manfred über ihr Geschreie und die olfaktorische Vergewaltigung gewehrt. Und witziger Weise hat er das gar nicht mit seiner Stimme gesagt. Doch es hat wieder so gestunken, dass er dann froh war, wie er dann im Audimax gesessen ist.

„Wer sollte die Sabine schon entführen?“, hat der Ali gesagt und neben ihm im Audimax ist die Sabine auf dem Boden gesessen, hat ihre Knie umklammert und ist hin und her geschaukelt. Unter ihren Augen ist ihr Make-up sternförmig nach unten geronnen. Dazu hat sie immer wieder geschrieben „Vater Staat, lass uns nicht im Stich!“

Und langsam ist der Parfum Geruch sogar ins Audimax heruntergekommen. Hartnäckig hat er sich unter der Türe hindurch geschummelt, ist dem Boden entlang gekrochen und wurde dann so intensiv, dass der Manfred das Gefühl gehabt hat, er müsse ersticken.

„Ihr Vater ist vor zwei Jahren gestorben, wie soll sie da schon darüber hinweg sein?“ hat der Manfred gefragt, was denn hier los gewesen ist. Aber wieder hat das nicht ganz geklappt. Der Parfum Geruch ist mittlerweile so stark gewesen, dass man ihn wirklich hat sehen können. Denn eigentlich war das gar kein Parfum mehr, sondern Rauch. Dicke Rauchwolken haben sich im Audimax ausgebreitet und haben alles verschlungen, die Bänke, die Pulte, die Wände, alles weg, die Schlafsäcke, den Ali. Nur die Sabine hat der Rauch übergelassen. Die ist plötzlich ganz ruhig dagesessen, hat ihn angeschaut und geflüstert: „…lass uns nicht im Stich!“

Und darauf der Manfred mit seiner neuen Stimme: „Ohne uns bist du verloren!“

Und dann hat sich der Nebel gelichtet.

VIII

Was sich dann am Samstag vor der Uni Wien abgespielt hat, kannst du am besten verstehen, wenn du Herr der Ringe gelesen oder im Fernsehen gesehen hast. Du kannst dich dann sicherlich noch an die letzte Schlacht erinnern, die, wo Milliarden von Menschen, Elfen und Zwerge, Milliarden von diesen hässlichen und bösartigen Orks gegenüberstanden sind und sich alle vor der Schlacht ein bisserl angebrüllt haben. Genau so war das jetzt vor der Uni Wien, wie Milliarden von Audimax Demonstranten, Milliarden von Gegen-Demonstranten gegenübergestanden sind. Nur war es kein Kampf Gut gegen Böse, sondern da waren, wie so oft im Leben, nur Orks.

Und wie der Manfred dort aufgetaucht ist, hat er zuerst noch geglaubt, er träumt immer noch. Das kennst du bestimmt, wenn dir eine Szene so unwirklich vorkommt, dass du glaubst, du träumst. Und beim Manfred ist jetzt erschwerend noch hinzugekommen, dass er durch die Schmerztabletten ein wenig länger geschlafen hat als sonst. Und es ist schon wieder der nächste Tag, Samstag, 20.00 Uhr am Abend gewesen und, ich kann‘s dir ja jetzt sagen, hätte er noch eine Stunde länger geschlafen, wäre all das ganz anders ausgegangen. Obwohl, wäre er in der Früh aufgewacht und wäre gleich losgegangen, hätte er wohl nicht ins Krankenhaus gemusst…

Jedenfalls. Der Manfred hat sich jetzt so schnell wie möglich durch Milliarden an Demonstranten und Gegen-Demonstranten gezwängt, um zur Uni zu gelangen. Links hat er gehört „Vater Staat, lass uns nicht in Stich“ und rechts hat er gehört: „Student kommt von studieren!“ und wie er sich in Schneckentempo durch die sich reibende Masse in Richtung Universitätsgebäude gezwängt hat, haben sich die Slogans verändert. Weil dann schon von links mehr so „Tod dem Kapital!“ und von rechts dann eher „Hängt sie auf, das linke Pack!“

Irgendwann hat der Manfred es dann geschafft durch das wilde Geschrei zur Uni Wien zu kommen. Und komisch war das schon. Hinter ihm hat die Meute getobt und vor ihm ist die Uni ganz einsam dagestanden. Aber so hat der Manfred wenigstens freie Bahn gehabt und ist ins Uni Gebäude gelaufen, um die Sabine zu retten. Auch wenn er noch nicht genau gewusst hat, wo die Sabine ist, irgendwo im Uni Gebäude muss sie sein, das hat sein Traum eindeutig gezeigt. Und wenn er sie nicht bald rettet, ist sie verloren.

Doch so schnell geht das nicht im Leben. Weil wie der Manfred jetzt in die Uni hinein gelaufen und schon fast am Audimax vorbei gewesen ist, rennt er genau dem Martin aus der Schweiz in die Arme.

Für einen Moment hat der Martin ein wenig überrascht geschaut, hat dann aber schnell „Du kommst genau richtig“ gesagt und dem Manfred die Hand in den Rücken gedreht, so schnell hat der gar nicht protestieren können. Und so ist der Manfred dann anstatt die Sabine zu retten, mit dem Martin Hand in Hand ins Audimax gegangen.

Und jetzt pass auf. Weil wäre die Situation nicht ganz so tragisch gewesen, wäre das jetzt eigentlich ganz lustig. Ich meine, nicht, dass es mich amüsiert. Gar nicht. Weil wenn der Manfred jetzt einfach ungehindert hätte weiterlaufen können, hätte er vielleicht die Sabine gerettet und sich wahrscheinlich auch die Fahrt mit der Rettung erspart, bei der es ihm durchgerüttelt hat, dass er geglaubt hat, die gebrochenen Knochen würden jeden Moment der frischen Luft Hallo sagen. Aber das Leben ist halt ein Luder. Weil stattdessen wird er ins Audimax geführt, wo plötzlich alle vier Anwesenden einen dermaßen dämlichen Gesichtsausdruck aufgezogen haben, dass ich sagen muss, trotz der tragischen Situation, doch ein wenig komisch.
Weil warum haben die jetzt so die Augen aufgerissen und den Mund aufgemacht? Also, der Harald, der ganz vorne am Rednerpult gestanden ist, hat so blöd angeschaut, wie er den Manfred gesehen hat, praktisch: Warum hat der so eine geschwollene Nase und so ein aufgedunsenes Gesicht, ich hab doch gesagt, nur dort hin schlagen, wo man es nachher nicht sehen kann.

Der Martin hat wiederum so blöd geschaut, weil er ganz überrascht gewesen ist, dass ihn so ein Plörre plötzlich in den Schritt treten und sich befreien hat können.

Und warum hat der Ali so blöd geschaut? Naja, wie willst du schon anders schauen, wenn dein Gesicht von den Hieben derart geschwollen und blutüberströmt ist, dass du Glück hast, dass du noch lebst?

„Da kommt ja dein Gehilfe!“ hat der Harald gerufen und den Ali mit der Faust in den Bauch geschlagen, damit der nicht mehr so laut schreien kann.

„Die Sabine ist in Gefahr!“ hat der Manfred versucht, das wichtigste zuerst zu sagen, als das Licht mit einem dumpfen Knall ausgegangen ist. Und als das Licht wieder angegangen ist, hat er ein Pochen am Hinterkopf gespürt, genau dort, wo ihm der Martin vor zehn Minuten eine herumliegende Bierflasche drübergezogen hat, praktisch als Revanche für den Tritt in den Schritt. Und so ist der Manfred dann direkt neben dem Ali an einem Stuhl gefesselt dagesessen und der Harald hat ihm mit Daumen und Zeigefinger die gebrochene Nase zusammengedrückt und immer wieder „Wo ist die Sabine!“ geschrien.

Ich möchte dir die Einzelheiten jetzt ehrlich ersparen, weil das war kein schöner Anblick, wie der Harald da auf den Manfred eingeprügelt hat. Zusammengefasst, hat er ihn einige Rippen gebrochen, Prellungen am ganzen Körper zugefügt, dass ich sagen muss, bei aller Liebe, aber in meinen Augen ist der Harald ein Verbrecher und gehört lebenslang eingesperrt. Und es ärgert mich vor allem das, dass der Manfred gar nicht mehr die Möglichkeit gehabt hat, den Harald anzuzeigen. Aber so ist es eben im Leben.

Und am schlimmsten ist gewesen, dass der Harald dem Manfred gar nicht die Chance gelassen hat, zu erklären, wo die Sabine ist. Und es ist immer schwieriger geworden, etwas zu sagen, weil jeder Schlag hat sich dumpfer und weiter entfernt angefühlt als der davor.

Dann ist das Parfum gekommen. Irgendwann, als der Harald dem Manfred einen Finger in je ein Nasenloch gesteckt und herumgedreht hat, hat sich der Manfred gedacht, das gibt’s ja nicht, riechen dem Harald seine Finger nach der Sabine? Und er hat wieder an die Nacht nach dem Interview denken müssen, als er die Sabine zum letzten Mal gesehen gehabt hat und sie ständig ihre Sterbeszene aufgeführt hat. Und wie sie dann nachher noch nebeneinander am Boden vom Sprechstundenzimmer gelegen sind und dem Manfred sein Blut noch nicht vollständig wieder im Hirn war und er nur gesagt hat, du bist einfach super, Sabine, und die Sabine gesagt hat, ich will nie wieder von hier weg und wie sie dann zu weinen begonnen hat und wie der Manfred sich noch stolz gedacht hat, so ein emotionaler Ausbruch kurz nach dem Sex, das ist sicher was Gutes. Und wie die Sabine dann gesagt hat, ich will für immer hier bleiben. Und der Manfred beim Aufstehen noch gesagt hat, und ich werde nie von deiner Seite weichen. Und wie die Sabine dann noch mehr geweint hat und gesagt hat, geh runter ins Audimax, ich möchte nicht, dass die Leute Verdacht schöpfen. Jetzt, während der Harald seine Nase auf halb Vier dreht, wird dem Manfred klar, dass die Sabine gewusst hat, dass die Leute nicht Verdacht schöpfen würden. Dass sie einfach nur wollte dass er geht, weil das Ich-möchte-für-immer-hier-bleiben den Manfred nicht eingeschlossen hat. Die Sabine wollte wirklich für immer im Büro ihres Bruders bleiben.

Das alles hat ihm das Parfum verraten, dass er gerochen hat. Und dann ist er kurz in die Realität zurückgekommen. Wie im Traum ein paar Stunden zuvor hat sich auch jetzt der Geruch von dem Parfum in Rauch verwandelt und er hat den Martin noch sagen gehört: „Scheiße, es brennt!“ und er hat gespürt, wie der Harald kurz von ihm ablässt. Und genau in diesen Moment hat der Manfred gesagt: „Im Öllinger Büro!“

Der Rest des Abends ist für immer im Zwielicht verschwunden.

Der Manfred weiß noch, wie erleichtert er war, wie er sah, dass der Harald endlich losrannte. Der Manfred ist sich nicht mehr ganz sicher, ob der Martin es war, der den Ali und ihn packte und durch den Rauch ins Freie schliff. Nur noch schemenhaft weiß er, dass das Blaulicht von der Feuerwehr in seinen Augen so brannte, dass er dachte, das Brutzeln der Flammen, die die Uni mittlerweile fast verschlang, sei angenehmer. Draußen, auf einer Trage liegend, fixierte er den Ausgang der Universität, der rhythmisch im Blau verschwand und wieder auftauchte. Stimmengewirr und Rufe und Sirenen und Geschrei überall. Er weiß noch, wie es dachte, jetzt ist es aus für uns alle. Und das Letzte, an das er sich erinnern kann, ist wie er mit der Sabine in den Armen aus dem Haupttor der Uni Wien kam und alle ihm zujubelten.

Erst irgendwann während der Fahrt im Rettungswagen, als es ihn so richtig durchrüttelt, kommt er drauf, dass das gar nicht er gewesen ist, der die Sabine gerettet hat und dann wird es endgültig dunkel.

IX

Im Nachhinein gesehen, ist es wirklich eine tolle Geschichte. Nicht nur immer, Studenten demonstrieren hier, und kein Geld für die Bildung da, und Universität Wien rutscht in der Weltrangwertung weiter ab oder so eine Suderei. Sondern eben Geschichten aus dem wahren Leben. Tatsachen-Reportagen, die zeigen, dass in Wirklichkeit alles gut ist. Sowas wollen die Leute hören, etwas übers wahre Leben, egal ob es stimmt oder nicht.

Weil, dass der Brand etliche Millionen Euro Schaden verursacht hat, hat schon bald niemanden mehr interessiert. Dass die Audimax Demos kein Ergebnis gebracht haben und das beinahe zugesicherte Zusatzbudget für modernes Inventar an allen Unis nun dafür benutzt wird, das selbe, alte Inventar wiederzubeschaffen, das war eigentlich auch nur kurz in den Medien. Da haben sie vielmehr gebracht, dass 343 Personen am Tag des großen Universitätsbrandes festgenommen oder ins Krankenhaus eingeliefert worden waren. Körperverletzung, Sachbeschädigung, all das Spektakuläre.

Über Brandursachen haben Sie auch kurz geschrieben, obwohl bis heute nicht ganz klar ist, wie das genau gewesen ist. Da haben sich Leute damit auseinandergesetzt, wo du dir denkst, haben die keinen gescheiten Beruf gelernt, oder warum ist denen so fad, dass die sich mit so Leserbriefen befassen müssen? Brandstiftung und Gasleitungen und altes Universitätsinventar und einer hat sogar irgendetwas von Terroranschlägen geschrieben. Ich will ja nix sagen, aber meiner Meinung nach muss das mit den ganzen Plakaten und Schildern und Fahnen zu tun haben, die die Studenten im Audimax und auf dem Gang deponiert haben. Und dann braucht nur einer den mitgebrachten Heizstrahler falsch herum hingestellt haben und schon hat man das schönste Feuer zusammen. Aber bitte, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um das zu vertiefen. Ich würd ja gerne sagen, schau einfach in die Zeitung vom letzten Sonntag, wenn du mehr wissen willst, aber da wollten sie meinen Leserbrief ja nicht drucken.

Jedenfalls. Aufgeklärt wurde das nie ganz oder zumindest aufgeklärt, aber nicht mehr von medialem Interesse. Weil jetzt, eine Woche nach dem Brand nur noch die Liebesgeschichte wichtig. Denn das musst du dir jetzt einmal vorstellen: Die größten Widersacher im Universitätsstreit sind nach einer dramatischen Rettungsaktion nun ein Liebespaar. Shakespear nichts gegen das wahre Leben.

„Ich kann es nur immer und immer wieder sagen“, hat die Öllinger Sabine aus dem Fernseher seit jetzt fast einer Woche immer und immer wieder gesagt. „Der Harald rettete mich nicht nur aus der brennenden Universität“ wobei sie an dieser Stelle immer schön eine Pause gemacht hat, ganz brav, so wie sie das im Schauspielkurs gelernt hat, „sondern auch aus einem Leben, das mir so manchen Sonnenschein verwehrte.“

Und siehst du? Das meine ich die ganze Zeit. Die hätte da gar nicht so undankbar sein müssen, weil vorher hat sie ja eh den Manfred gehabt, der ihr schön nach der Pfeife getanzt ist. Aber so sind sie halt die jungen Mädchen. Heute spielen sie dir noch die Sterbeszene vor und morgen krepieren sie dann schon für irgendeinen Anwalt, weil der ihnen irgendwie das Leben gerettet hat. Und außerdem, ohne den Manfred wäre der Harald auch nie draufgekommen, dass sich die Sabine im Büro von ihrem Bruder aus lauter Depression eingesperrt hat, aber bitte.

Das Ganze war natürlich medial aufgezogen, ja was glaubst du? Weil Universitätsdiskussion vollkommen vergessen, Hauptsache die hübsche Blonde hat sich in den feschen Anwalt verliebt, der sie aus dem brennenden Haus gerettet hat. Das hat schließlich allen gefallen, viel besser als brennende Autos.

Das hat auch die Havel Nadine gefunden. Die war jetzt Krankenschwester im Wiener AKH und hat sich gerade im Personalraum auf so einem mobilen Fernsehgerät die Sendung angeschaut. Weil die hat sich so für die Sabine gefreut, dass sie jedes Mal, wenn eine Reportage über Sabine & Harald gelaufen ist, kurz im Personalraum verschwunden ist. Sie selbst war ja auch noch jung und hat sich immer schon gewünscht, dass sie mal von so einem Harald gerettet wird.

Aber seit ein paar Tagen hat sie sich die Sendungen nicht mehr in Ruhe anschauen können. Weil immer wenn eine besonders schöne Aufnahme vom Harald zu sehen war, akkurat da, hat der Patient aus Zimmer 343 die Notruftaste betätigt. Als ob er ihr das zu Fleiß hat machen wollen.

Und schon wieder! Als die Kamera auf den feschen Anwalt-Studenten geschwenkt ist, hat es wieder geläutet. „Ja, ich komm ja schon!“ hat die Nadine gerufen und den Fernseher auf Stumm geschaltet. Beim Rausgehen hat sie gesehen, dass die Kamera nun den Harald zeigt und in der Einblendung drunter ist gestanden: “Harald Farkas – neuer Sonnenschein von Sabine“. Einmal hat sie noch geseufzt, die Nadine und dann ist sie mit den Schmerztabletten zum Zimmer 343 geschlurft. Und wie immer, wenn sie die Schmerztabletten gebracht hat, ist im Zimmer 343 auch die Reportage über Sabine & Harald gelaufen.

„Das ist schon arg mit der Sabine & Harald Geschichte, oder?“ hat die Nadine den Manfred gefragt, als sie ihm die Tabletten gibt. Der hat sie aber nur stumm mit einem Schluck Wasser heruntergeschluckt und hat ganz grantig geschaut.

„Ich mein, dass es sowas gibt, oder?“ hat die Nadine keine Ruhe gelassen und ist noch ein bisserl bei ihm am Bettrand stehengeblieben und hat in den Fernseher geschaut und dabei hat sie gesagt: „Das gibt’s ja eigentlich gar nicht, oder?“

Die Schmerztabletten haben dem Manfred gleich wieder ein wenig die Schmerzen genommen. An und für sich hat ihm eh nichts mehr so richtig weh getan. Nicht im physischen Sinne. Weil Rippenbrüche, Hämatome, Gehirnerschütterung, Nasenbeinbruch alles schon schön am Verheilen gewesen und beim Liegen sowieso kein Problem. Das war eher so ein psychischer Schmerz, wo man sagt, immer das Gesicht von seiner Exfreundin und dem neuen Lover vor Augen, das kann einem schon an die Nieren gehen. Da helfen Schmerztabletten natürlich auch super.

„Die passen ja auch wirklich schön zusammen, oder?“ hat die Nadine weitergeredet und sich sogar auf den Rand vom Manfred seinen Bett gesetzt, während sie den Fernseher lauter aufgedreht hat.

„Das ist alles nur Theater“, hat es der Manfred nicht mehr ausgehalten. „Sie eine Schauspielerin und er ein Anwalt. Die biegen sich das alles schon so zurecht, wie sie’s brauchen.“ Und in Gedanken hat er fast gehört, wie der Harald zum Ali sagt, wenn du nichts über die Nacht des Brandes erzählst, erzähl ich nicht, wer die Autos in den letzten Wochen angezündet hat.

„Aber gehns“, hat die Nadine gesagt und hat sich ein wenig bequemer hingesetzt. Und da ist die Aufmerksamkeit vom Manfred das erste Mal seit er aus der Bewusstlosigkeit erwacht ist, vom Fernseher auf etwas anderes gefallen. Weil im Grunde schaut so eine Krankenschwestern-Uniform gar nicht so schlecht aus, glaube mir. „Das ist doch wirklich eine romantische Geschichte von zwei wirklich super Typen, oder?“

Da siehst du wieder. Fernsehen verblödet die Leute. Weil hätten die das ein bisserl hinterfragt, wäre der eine vielleicht draufgekommen, dass die Sabine nicht zufällig im obersten Zimmer der Universität war. Dass der Tod ihres Vater vor zwei Jahren und die mediale Aufmerksamkeit die Sabine so unter Druck gesetzt haben, dass sie sich im Sprechstundenzimmer ihres Bruders selber weggesperrt hat. Dass sie nicht nur aus den Flammen sondern wahrscheinlich auch vor einem Selbstmord gerettet worden ist. Und dass der Harald auch ganz anders sein kann, wenn er will.

Bitte, ich persönlich hätte an Manfred seiner Stelle schon was gesagt, zuerst der Nadine und dann der Polizei. Und zu allererst der Presse, weil was gibt es medial schöneres, als das gerade Hochgejubelte gleich wieder durch den Dreck zu ziehen. Da hätte ich gesagt, schauen Sie doch einfach nach im Sprechstundenzimmer vom Öllinger, da muss noch mein Rucksack liegen mit tausenden Verpackungen von Schokoladen, von denen sich die Sabine in den letzten Tagen ernährt hat!

Doch jetzt pass auf, was der Manfred zu der Nadine gesagt hat, die da in seinem Einzelzimmer im AKH nur wenige Zentimeter neben ihm auf dem Bett gesessen ist: „Nach den Nachrichten spielen Sie heut eine Sendung über die beiden. Ich glaub, da brauch ich wieder ein paar Tabletten.“

Und da hat die Nadine ihren Kopf zum Manfred gedreht und ihr dunkelbraunes Haar hat so leicht über die Krankenschwester-Uniform gestreichelt, dass dem Manfred ein wenig schwindelig geworden ist. Und ihr Lächeln hat es nicht besser gemacht.

„Dann werde ich nach den Nachrichten wieder nach Ihnen sehen, oder?“ hat die Nadine gesagt, ist aufgestanden und wenn du es genau wissen willst, glaube ich sogar, sie hat beim Rausgehen noch einmal extra mit den Hüften gewackelt. Weil irgendwie hat sie sich gedacht, vielleicht wartet ja hinter der geschwollenen Nase, den blauen Flecken und den nicht gewaschenen Haaren ein Harald auf sie, der sie auch mal rettet.

Der Manfred hat dann die Augen zugemacht und hat ein wenig geschlafen. Und im Endeffekt hat er dann nie erzählt, wie es wirklich war. Bitte, so ist das eben im Leben. Da hätten manchmal Leute etwas zu sagen, erzählen aber gar nichts.

 
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Hallo Peter H,

Zitat "Da hätten machmal Leute etwas zu sagen, erzählen aber gar nichts."
Wenn ich boshaft wäre würde ich sagen, bei deiner Geschichte ist es gerade umgedreht.
Aber alles ist Geschmacksache. Manche Leser werden sie vielleicht sogar witzig finden. Ich nicht!
Es ist vielleicht originell, die Geschichte in reiner Umgangssprache, zu schreiben. Aber da waren die Dialoge in Anführungszeichen fehl am Platz.
Spannung?
Irgendwann Zitat: "das kommt später" war was da. Am Anfang war da so viel Überflüssiges, dass sich kein Spannungsbogen aufbauen konnte. Ehrlich gesagt, der letzte Bericht in der Verdi Zeitung über einen Streik war für mich spannender zu lesen.
Dass sich die pseudostudierende Superblondine depressiv in dem Büro ihres Bruders einsperrt und als vermisst und entführt vermutet wird, sorry das finde ich hahnebüchsen.
Vielleicht wäre die Geschichte besser unter der Rubrik Satiere aufgehoben.

Gruß
Leia4e

 

Hi Leia,

wow, erstmal vielen Dank fürs Lesen der Geschichte. Ich hätte mir nicht gedacht, dass wirklich jemand die Geschicht so schnell liest, vor allem, da vom Einstieg an klar ist, dass die Sprache ein wenig schwerfällig ist (woraus sich aber auch ein gewisser spielerischer Effekt ergibt).

Schon der Einstieg "Viele Leute erzählen dauernd etwas, sagen aber gar nix!" auch wenn sich der Autor eigentlich darüber aufregt, zeichnet es gerade ihn aus. Ich habe in der Erzählweise veruscht, gerade durch viele Umwege des Erzählers, der Geschichte eine gewisse Spannung zu geben - denn die eigentliche Story findet ja eigentlich indirekt bzw. zwischen den Zeilen statt. Und du hast recht, was der Erzähler betreibt, grenzt wirklich an "Hahnebücherei" (ich musste in Wikipedia nachschlagen, was das bedeutet, in Österreich gibt es das Wort nicht ;) ).

Schade, dass sie dir nicht gefallen hat, umso mehr, danke fürs Lesen und kommentieren!

LG Peter

 

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