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19.07.2005
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Original

Lässig ließ er die Zigarette zwischen seinen Fingern baumeln und hob sie zu den Lippen. Er nahm einen tiefen Zug und ließ kleine Rauchringe aus seinem Mund tänzeln. Der Hustenreiz war stark, doch Thomas beherrschte sich und schenkte der Kleinen an der Bar ein keckes Lächeln. War es wirklich keck? Hoffentlich wirkte es nicht zu freundlich, zu gutmütig; nein, es sollte nur möglichst lässig sein. In Gedanken betrachtete er sein Bild, wie er nun dastand mit seiner Zigarette und lächelte, und wie es wohl für sie aussehen musste.
Sie hatte seinen Blick bemerkt und starrte ihn irritiert an, und sofort wandte er beschämt den Kopf zur Seite. Was hatte er denn erwartet? Dass sie nur wegen eines Lächelns zu ihm rüberkommen würde, ihn nach seinem Namen fragen, etwas mit ihm trinken? Nein, warum sollte ein so hübsches Mädchen ihn auch nur eines Blickes würdigen? Seine schmalen Schultern, sein rundes Mondgesicht, seine kraftlosen Unterarme – all das machte bestimmt keinen Eindruck.
Mit einem Mal war er wütend auf das Mädchen; wütend, dass sie nicht zu ihm herüberkam, wütend; dass er nicht so aussah, wie er es gerne gewollt hätte. Er warf einen kurzen Blick rüber zu Georg, der gerade an der Bar Getränke holte. Mit einem Mal wurde seine Wut größer, als er die breiten Unterarme, die schmale Hüfte und die kräftigen Schultern Georgs betrachtete. Georg könnte das Mädchen jederzeit haben; er bräuchte nur zu ihr zu gehen und sie anzusprechen, und schon wäre sie ihm verfallen. Jetzt wandte Georg seinen Kopf, sein kantiges Gesicht mit dem ausgeprägten Kinn formte ein Lächeln und er hob seine Hand zum Zeichen, dass die Getränke gleich kommen würden.
Thomas starrte wieder auf die Zigarette, die er in der Hand hielt. Voller Abscheu warf er den Stummel zu Boden und zertrat ihn mit dem Absatz seines Stiefels. Es waren schöne, neue Stiefel, so wie die von Georg, schwarz und elegant. Sie sahen gut aus, auch wenn Thomas schon nach ein paar Minuten die Zehen schmerzten und er die Stiefel am liebsten ausgezogen hätte.
Schließlich kam Georg mit den Getränken, und sofort scharrte sich die ganze Clique um ihn. Thomas trank in großen Zügen; der Alkohol schmeckte ihm zwar nicht, doch er konnte sich nicht vorstellen, keinen zu trinken. Alle tranken, also trank auch er. Er bemühte sich, lässig zu wirken, als er einen tiefen Schluck aus einem Glas Whiskey nahm, doch diesmal versagte sein Wille und er begann lauthals zu prusten.
Georg schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken.
„Übernimm dich nicht, Kleiner.“ Sein Ton war gutmütig und sanft, doch Thomas schlug ihm unsanft die Hand beiseite und murmelte irgendetwas von „verschluckt“ und „ich übernehme mich nicht“.
Kleiner. Kleiner! Er war nicht klein, er war so alt wie Georg, und fast genauso groß. Er nahm noch einen Schluck, und diesmal begann er nicht zu husten. Sein Hals brannte und seine Zunge wurde von einem widerlichen Geschmack überschwemmt, doch er wirkte lässig und beherrscht. Er warf wieder einen Blick zu dem Mädchen an der Bar, wollte wissen, ob sie auch mit angesehen hatte, wie er trank. Einen großen Schluck Whiskey, das war doch schon etwas für Männer, Kinder tranken doch nur Cola-Rum und Gummibärli.
Doch sie hatte es nicht gesehen, sie unterhielt sich nur angeregt mit einer ihrer Freundinnen. Georg, der Thomas’ Blick gefolgt war, tippte ihm nun leicht auf die Schulter.
„Gefällt dir wohl, die Kleine?“, fragte er lächelnd.
Thomas schüttelte den Kopf. „Ach was.“
„Wenn du willst kann ich sie dir vorstellen, ich bin ganz gut mit ihrer Schwester befreundet.“
Zuerst wollte Thomas verneinen, denn plötzlich spürte er ein leises Stechen in der Magengrube, doch ehe er etwas sagen konnte, war Georg schon bei ihr. Er deutete auf Thomas und redete auf die Kleine ein, und plötzlich kam sich Thomas so unglaublich schutzlos vor, dass er sich am liebsten einfach in Luft aufgelöst. Doch die Angst lähmte ihn, und so stand er einfach da und starrte sie an. Nun erhob sie sich von ihrem Hocker, und mit der Grazie einer Balletttänzerin huschte sie zu ihm herüber.
Sie schenkte ihm ein herzerwärmendes Lächeln und streckte ihm die Hand aus.
„Ich bin Sandra“, sagte sie mit ihrer lieblichen Stimme. „Georg sagt, dass du mich kennen lernen willst?“ Ihr Lächeln wurde nun keck und herausfordernd, und er überlegte, was er sagen sollte.
Jetzt ja keinen Fehler machen, Mann! Sei ruhig und beherrscht, zeig ihr auf keinen Fall, wie verrückt sie dich macht. Bring sie zum Lachen, na los, überleg schon, was du ihr sagen kannst! Schnell!
„J-Ja“, stotterte er und verfluchte sich selbst im gleichen Augenblick. „Ja“, was ist denn das für eine Antwort? Und noch dazu gestottert! Du bist doch so was von erbärmlich! Georg hätte das anders gemacht, er hätte lässig gelächelt und ihr mit ruhiger Stimme etwas Cooles gesagt, und sie hätte gelacht.
Jetzt stand sie nur da und wartete darauf, dass er weiter sprach. Schließlich fragte er sie, ob sie etwas zu trinken haben wolle. Sie bejahte, doch, dessen war Thomas sich sicher, um ihn nicht zu kränken. Ein zwei Schluck, und sie wäre wieder bei ihrer Freundin. Oder bei Georg. Für ein Mädchen wie dieses gab es tausend Jungs, warum sollte sie da gerade so einen klein geratenen schwächlichen Hänfling nehmen?
Er eilte rüber zur Bar, immer darauf bedacht, cool zu wirken. Er macht große Schritte – nicht zu groß, das wirkte albern – und ließ jedes Mal die Absätze seiner Stiefel mit einem lauten Knall auf den Parkettboden schlagen, das machte den Eindruck, er sei stark und kräftig.
Sie folgte ihm und setzte sich auf einen Hocker neben ihn, und gemeinsam tranken sie ein paar Gläser dieses und jenes – Dinge, die schmeckten, für sie, und Dinge mit hohem Alkoholgehalt für ihn.
Sie begann angeregt ein Gespräch zu führen, und er gab sich immer Mühe, eine möglichst coole Antwort zu geben, auch wenn er dabei nicht ganz bei der Wahrheit blieb. Erst als sie ihn fragte, ob er eine Freundin hätte, verlor er einen Augenblick seine lässige Fassade; Blut schoss ihm in den Kopf während er überlegte, was er darauf antworten sollte.
„Ich hab meine Alte vor einer Woche sitzen lassen“, sagte er.
Sie mich, und auch das ist schon ein Jahr her, dachte er verbittert.
„Wieso?“ Ihre Frage war einfach und natürlich, das Erste, wonach jemand fragen würde, doch er war nicht darauf vorbereitet und sucht fieberhaft nach einer Antwort. Als die Worte dann schließlich über seine Lippen kamen, hätte er sich am liebsten selber geohrfeigt, denn sie waren alles andere als cool: „Ich hatte einfach keinen Spaß mit ihr. Sie war nicht so hübsch und nicht gerade klug. Da hab ich mir gedacht ich mach mich auf die Suche nach einer Besseren.“
Sie starrte ihn enttäuscht an, und er spürte, dass er sie damit für immer verloren hatte. Sie musste ihn für einen oberflächlichen Macho halten, der Mädchen einfach in Kategorien einteilte, und das war er bei weitem nicht. Doch was man einmal gesagt hat, kann man nicht zurücknehmen, und so wartete er nur, was sie erwidern würde.
„Das ist… interessant. Es war… nett mich mit der zu unterhalten, aber ich glaub’ meine Freundin Karin will wieder mit mir sprechen. Also ich geh dann Mal, okay?“
Es war eine rhetorische Frage, denn sie wartete nicht auf seine Antwort sondern stand auf und verschwand in der Menge. Er aber saß noch lange da und starrte ins Leere. Dann sprang er auf und rannte hinaus auf die Straße. Er achtete nicht auf den Regen, der in Strömen herunterprasselte, sondern rannte einfach davon, irgendwohin, vergaß alles um sich. Schließlich blieb er erschöpft an einer Hauswand hocken und begann leise zu wimmern.
Er würde nie ein Mädchen wie Sandra haben, würde nie so gut aussehen, so beliebt sein, wie Georg. Georg war das Original, und er nur das billige Imitat. Und wer will schon eine wertlose Kopie besitzen? Sandra, nicht, so viel war sicher. Er hatte versucht, sie mit Georgs Charme zu beeindrucken, doch unter der glitzernden Fassade hockte immer noch ein schmuckloser Thomas. Er war nun mal nicht so lässig und cool wie Georg, und daran würde sich auch nie etwas ändern.
Und dann begriff er. Er fasste in seinen Rucksack, nahm die Packung Zigaretten heraus, und schleuderte sie weit weg. Dann richtete er sich wieder auf, und langsamen Schrittes ging er zum Lokal zurück.
Er trat ein, strich sich die regennassen Haare aus dem Gesicht und sah sich nach Sandra um. Georgs Hand berührte ihn leise an der Schulter, und seine Stimme fragte: „Alles in Ordnung?“
„Ja. Danke. Jetzt schon.“ Und dann fügte er hinzu: „Danke, dass du mir immer ein Freund warst, auch wenn ich’s nicht verdient hab.“
Seine suchenden Blicke hatten Sandra entdeckt, und er ging rüber zu ihrem Tisch. Sie sah etwas erstaunt auf, als er ihr die Hand entgegenstreckte.
„Ich bin Thomas“, sagte er.
Irritiert ergriff sie seine Hand. „Sandra. Aber.. Ich kenn’ dich doch schon.“
„Nein, du kennst mich noch nicht.“

 

Hallo Bob,

herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de! :anstoss:

Sprachlich ist diese Geschichte okay, und mir gefällt, daß Du sie mit vielen Details sehr konkret erzählst.

Inhaltlich stört mich, daß die Erkenntnis über Original und Kopie etwas zu plötzlich kommt, insbesondere, daß Thomas sein Verhalten zu schnell ändert - z.B. die Sportschuhe schon dabei hat, als habe er diese Veränderung kommen sehen. Daß Du das Ende offen läßt, ist vor diesem Hintergrund wieder in Ordnung.

Noch ein paar allgemeine Anmerkungen:

Du solltest im ersten Posting des Threads nur die Geschichte selbst bringen, eventuelle Anmerkungen dazu kannst Du in einem weiteren Posting danach bringen; in aller Regel sollte die Geschichte aber für sich selbst stehen!

ich habe nicht vor, diese Geschichte jemals zu veröffentlichen
Das hast Du aber gerade getan! Dieses ist doch ein öffentliches Forum, und eine Geschichte kann schnell tausendmal oder öfter angeklickt werden - Du erreichst damit u.U. viel mehr Leser als bei einer Buchveröffentlichung in irgend einem Kleinverlag. Das solltest Du bei Veröffentlichungen hier immer bedenken. Das wird zwar auch hier immer wieder diskutiert, aber dieser Punkt ist mir sehr wichtig, da ich in kg.de ein ernsthaftes Veröffentlichungsmedium sehe und auch möchte, daß das so bleibt.

In dem Zusammenhang auch die Bitte, auf jeden Fall auf Rechtschreibung zu achten. (Im Großen und Ganzen ist das bei Dir ja auch in Ordnung.) Es ist wirklich anstrengend, einen fehlergespickten Text zu lesen, und für schlimme Fälle gibt es auf kg.de zu Recht das Korrekturcenter.

Schöne Grüße
Roy

 

Danke für den Kommentar.

Wie gesagt, ich bin noch grün hinter den Ohren und darf mir solche Fehler erlauben. :naughty:
Mit veröffentlichen meinte ich komerziell, also bei einem Verlag, der auch auf Fehlerfreiheit besteht.
Natürlich habe ich die Geschichte durchgelesen um etwaige Fehler auszumerzen, damot man sie gut und flüssig lesen kann. Allerdings sind Tippfehler mE in den meisten Fällen nicht störend, da man sie selbst leicht überliest und sie den Lesefluss somit nicht stören. Grammatik- und Rechtschreibfehler sind in meinen Augen dagegen "richtige" Fehler, da der Autor nicht weiß, wie es richtig lauten müsste, ergo bin ich froh, wenn man mir solche ausbessert (Übung macht den Meister).

Zur plötzlichen Wendung: Die Geschichte sollte laut Aufgabe fünfhundert Wörter lang sein, ich war allerdings schon bei tausend und nicht sonderlich motoviert, weshalb ich zu einem schnellen Ende kommen wollte.

Ich werde versuchen, meine Blockade zu überwinden und bald was zu schreiben, auf dass ich auch selber stolz bin (sucht mich dann in der Rubrik Spannung/Krimi).

mfg Bob

 

Hi Bob

Ich finde, dass du Talent zum Schreiben hast, obwohl du im Moment gerade alles daran setzt, es mir als Leserin schwierig zu machen. Zuerst der Hinweis auf die "Pflichtübung" (warum sollte ich eine Pflichtübung lesen?), dann der Hinweis darauf, dass du eigentlich keinen Bock auf Texte zum Thema Jugend hast (zufällig sind diese Texte meine Leidenschaft), dann der absolut flappsige Hinweis auf die Rechtschreibung. Verdammt (der Fluch sei mir gestattet): wenn du hier veröffentlichst, dann ackere deinen Text auf Fehler durch! Ich will als Leserin ernst genommen werden, und jemand, der findet, er dürfe mir ein paar Tippfehler schon zumuten, nervt mich gewaltig. Entweder stellt man hier einen Text ein, aus dem man das beste gemacht hat, was man kann, oder man lässt es bleiben.

Warum ich trotzdem einen Kommentar schreibe: weil du tatsächlich das Potential hast, eine gute Geschichte zu schreiben. Eigentlich würde ich dir gerne aufzeigen, wo und wie du besser werden kannst (der Text hat ein paar sprachliche Rumpler drin), aber solange deine Einstellung zu deinem EIGENEN Text so negativ und herablassend ist, verzichte ich darauf. Schade.

KT

 

Tut mir leid, meinen Kommentar hätte ich mir wirklich sparen können (hab ihn jetzt entfernt). Ich war nur schon reichlich frustriert, weil ich seit Wochen versuche, eine gute Geschichte für meine erste Veröffentlichung hier zu schreiben, und nichts dabei rauskommt. Deshalb erschien es mir auch etwas, nun, billig, auf eine alte zurückzugreifen.

Zu den fehlern: Ich wollte den Lesern keineswegs einen unlesbaren Text zumuten, nur waren bis jetzt auf allen Internetseiten, auf denen ich etwas geschrieben habe, reine Tippfehler bedeutungslos. Aber das waren auch keine Seiten für "richtige" Schreiber, ergo war die Leserschaft dort auch weit weniger anspruchsvoll.

Jedenfalls habe ich den Text jetzt nochmal durchgelesen, alle Fehler, die ich gefunden habe, ausgebessert, und einige Textpassagen geändert, zB seine unrealistisch plötzliche Wandlung. Ich hoffe, ihr verzeiht mir meine anfänglichen Dummheiten und nehmt mich noch als ambitionieten Schreiber ernst.

mfg Bob

 

Hi Bob

Entschuldigung akzeptiert :-)

So, dann kann ich mich ja über deinen Text hermachen. Wie schon geschrieben, ich denke du hast das Talent zum Schreiben. Du schreibst süffig und grösstenteils "rund", d.h. ich stolpere selten über Satzteile, die sich sperrig in den Weg stellen. Du hast ein Gefühl für den Rhythmus und du hast - trotz Pflichtübung - eine Geschichte logisch und konsequent erzählt. Das mag einfach klingen, ist es aber nicht. Textfragmente kriegen viele hin, eine wirkliche Geschichte lange nicht alle.

Da ich deinen Schreibstil gut finde, halte ich mich nicht nur an ein paar oberflächlichen Dingen auf, sondern zeige dir auch den Kleinkram. Vorausschicken muss ich, dass jeder Kommentar subjektiv ist, du also auch Hinweise bekommst, mit denen du absolut nicht einverstanden bist. Das ist okay. Pick dir jene Kommentarteile raus, von denen du denkst, dass du profitieren kannst und geh gelassen über jene weg, mit denen du nichts anfangen kannst.

Ready?

Lässig ließ er die Zigarette zwischen seinen Fingern baumeln und hob sie zu den Lippen. Er nahm einen tiefen Zug und ließ kleine Rauchringe aus seinem Mund tänzeln.

Kleinkram: das doppelte "ließ" so kurz hintereinander ist unschön; über das Verb "tänzeln" könnte man diskutieren. Wenn er nur in Gesellschaft anderer raucht, um nicht aus dem Rahmen zu fallen, ist er wahrscheinlich kein so geübter Raucher, dass er gleich Ringe "tänzeln" lassen kann.... Ich würde ihn an dieser Stelle einfach den Rauch ausblasen lassen.

doch Thomas beherrschte sich und schenkte der Kleinen an der Bar ein keckes Lächeln.

Du steckst hier in einem inneren Monolog, in dem Thomas sich nicht gegenüber seinen Freunden behaupten muss. Würde er das Mädchen in Gedanken wirklich "die Kleine" nennen? Wenn er sie seinen Freunden beschreiben müsste, klar. Aber hier hast du diesen intimen Moment, in dem er seine privaten Gedanken denkt. Du bist in der Haut des unscheinbaren Thomas, jenem mit dem Mondgesicht, jener, der für dieses Mädchen wahrscheinlich ein anderes Wort gebrauchen würde.

Mit einem Mal war er wütend auf das Mädchen; wütend, dass sie nicht zu ihm herüberkam, wütend; dass er nicht so aussah, wie er es gerne gewollt hätte. Er warf einen kurzen Blick rüber zu Georg, der gerade an der Bar Getränke holte. Mit einem Mal wurde seine Wut größer,

Achtung: Zwei Mal kurz hintereinander ein "mit einem Mal". Ansonsten finde ich diese Passage stark, dieses wütend sein auf sich selber.

Jetzt wandte Georg seinen Kopf

Das ist irgendwie unfertig. Man wendet den Kopf in eine Richtung // jemandem zu.

Es waren schöne, neue Stiefel, so wie die von Georg, schwarz und elegant. Sie sahen gut aus, auch wenn Thomas schon nach ein paar Minuten die Zehen schmerzten und er die Stiefel am liebsten ausgezogen hätte.

Gefällt mir. Ist eines der Details, die du gut herausgearbeitet hast.

Auch die folgende Szene mit den Getränken gefällt mir, wobei du hier vielleicht etwas dick aufträgst, denn wenn er Mitglied der Clique ist, hat er schon öfters Alkohol in sich hineingekippt und ist sich das gewohnt.

Gefällt dir wohl, die Kleine?“, fragte er lächelnd.

Hier passt "die Kleine".

Nun erhob sie sich von ihrem Hocker, und mit der Grazie einer Balletttänzerin huschte sie zu ihm herüber.

"huschte" passt nicht so ganz. Evtl.:... mit der Grazie einer Ballettänzerin kam sie auf ihn zu. Manchmal ist weniger mehr. Einfacher besser als ein gezwungen origineller Ausdruck.

streckte ihm die Hand aus.

Streckte ihm die Hand entgegen.

„Ich hab meine Alte vor einer Woche sitzen lassen“, sagte er.
Sie mich, und auch das ist schon ein Jahr her, dachte er verbittert.

Gefällt mir. Denn eigentlich will er das gar nicht sagen, nicht wahr. Genau so ist es doch: man sagt immer die falschen Dinge im falschen Moment. Und macht alles kaputt.

„Ich hatte einfach keinen Spaß mit ihr. Sie war nicht so hübsch und nicht gerade klug. Da hab ich mir gedacht ich mach mich auf die Suche nach einer Besseren.“

Das ist mir fast ein bisschen zu heftig. Denkst du wirklich, er würde so was sagen? Wenn ja: okay. Es ist dein Charakter, du hast ihn geschaffen. Für mich machst du mit diesem Satz ziemlich viel kaputt, denn Thomas wird mir hier als Leserin so unsympathisch, das ich überlege, nicht mehr weiter zu lesen. Ich verstehe, worauf du hier hinaus willst, aber evtl. könntest du diese Antwort leicht abschwächen.

Es war eine rhetorische Frage, denn sie wartete nicht auf seine Antwort sondern stand auf und verschwand in der Menge.

Ich nehme diesen Satz stellvertretend für alle jene Sätze, in die du zuviel packst, zuviel reflektierst. Achte einmal darauf, wie oft du über die Wirkung schreibst in deinen Sätzen. Und dann denke darüber nach, ob du das wirklich immer brauchst (ist ein Anfängerfehler... wenn man der Wirkung seiner eigenen Schreibe noch nicht traut).
Bei diesem Beispiel hätte es völlig genügt, wenn du geschrieben hättest... "Ohne seine Antwort abzuwarten, stand sie auf und verschwand in der Menge". Das reicht. Wir Leser merken genau, was abgeht, ohne dass du es uns beschreibst :-)

Schließlich blieb er erschöpft an einer Hauswand hocken und begann leise zu wimmern.

Auch hier: zu dick aufgetragen. Er wird nicht wimmern. Er wird die Lippen zusammen pressen oder mit den Fäusten gegen die Wand hämmern oder die nassen Haare aus dem Gesicht streichen. Wenn du ihn wimmern lässt, wird er für uns Leserinnen zum Weichei. Du kannst einen Protagonisten schwach scheinen lassen, aber wenn du ihn zu sehr ins Weinerliche, Selbstbemitleidende ziehst, entziehst du uns die Sympathien.

Er war nun mal nicht so lässig und cool wie Georg, und daran würde sich auch nie etwas ändern.

Überflüssiger Satz. DAS haben wir mittlerweile kapiert. Unterschätze nie deine Leser. Ausser du willst schreiben wir Rosamunde Pilcher, und das willst du ja nicht wirklich, oder? Wir beschreiben unsere Protagonisten durch ihre Taten und Worte. Zuviel "Selbstreflektion" schwächt unsere Texte; sie sollen durch sich selber sprechen.

„Ja. Danke. Jetzt schon.“ Und dann fügte er hinzu: „Danke, dass du mir immer ein Freund warst, auch wenn ich’s nicht verdient hab.“

Zu dramatisch. Ich würde es beim "ja. danke. jetzt schon." belassen. Man kann einen Text über einen bestimmten Punkt hinaus schreiben, zu dramatisch werden, dann wird er kitschig. Zugegeben, das ist eine sehr schwierige Balance, die nicht immer leicht zu finden ist. Aber Übung macht den Meister.

Den Schluss deines Textes finde ich absolut starK!!!

So, das sieht jetzt nach sehr viel Gekrittel aus. Das tut es nur, weil ich den Text wirklich ziemlich auseinander genommen habe. Man könnte auch grosszügiger darüber weggehen. Aber ich glaube fest daran, dass du Potential hast. Wenn du an deinen Texten schleifst, werden wir von dir wirklich gute Geschichten zu lesen bekommen.

Zur Schreibblockade: wehr dich nicht dagegen. Nimm sie an. Akzeptier sie. Hör einen guten Song, lass dich ablenken und plötzlich kommt da aus dem Nichts diese Idee, die du genial findest. Häng ihr nach, während du den Song ein paar Mal hörst. Und dann beginn zu schreiben. Es wird schon klappen!

Herzliche Grüsse

KT

 

Hallo Bob,

auch mir gefällt deine Geschichte. Die Qual der Verstellung ist gut greifbar, die Sehnsüchte, die sich nicht mit vertragen zu scheinen, was man darstellt bringen uns immer wieder dazu, zu vergessen, wer wir sind. Das erschwert das Finden.

Eine Formulierung ist mir aufgefallen:

Mit einem Mal war er wütend auf das Mädchen; wütend, dass sie nicht zu ihm herüberkam, wütend; dass er nicht so aussah, wie er es gerne gewollt hätte. Er warf einen kurzen Blick rüber zu Georg, der gerade an der Bar Getränke holte. Mit einem Mal wurde seine Wut größer
Auch in einem ungeliebten Text solltest du diese Wiederholung vermeiden. Um sie stilistisch zu nutzen, liegt wie wieder zu weit auseinander.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Bob,

Ich kann mich in weiten Teilen den anderen Kritikern anschließen. Insgesamt hat mir die Geschichte schon gefallen, wenn sie auch nicht überragend ist. Mit dem plötzlichen Erkenntsnigewinn des Protagonisten hat sie ein bisschen was von einem Holzhammer. ;) Davon abgesehen finde ich gerade die letzten Sätze wunderbar: er wird dadurch, dass er sich entschlossen hat, er selbst zu sein, so selbstbewusst und stark, dass er sie ansprechen kann.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Bob,

ich habe Deine Geschichte gern gelesen, weil Du sehr lebendig und eindringlich beschreibst, wie Dein Prot sich quält, um als ein lässig cooler Typ dazustehen, der er in Wirklichkeit überhaupt nicht ist. Thomas Zerissenheit und seine Verbissenheit, auf Sandra Eindruck zu machen, kommt für mein Gefühl sehr gut rüber.

Allerdings ist auch für meinen Geschmack das Ende zu abrupt. So schnell verändert Thomas sein Verhalten? - Klar, Du wolltest, dass er es noch rechtzeitig in die Kneipe schafft, um mit Sandra als echter Thomas zu reden, aber - hättest Du ihn nicht ein paar Tage warten und nachdenken lassen können? Und dann hätte er Sandra doch wiedertreffen können und sie hätten einen neuen Anfang machen können ...

Ein paar Kleinigkeiten sind mir noch aufgefallen, vielleicht hat ktmallory sie aber auch schon aufgelistet ...

"und plötzlich kam sich Thomas so unglaublich schutzlos vor, dass er sich am liebsten einfach in Luft aufgelöst (hätte. "

"und streckte ihm die Hand aus." --> entgegen, nicht aus ...

"Es war… nett mich mit der (dir) zu unterhalten, aber "

Lieben Gruß
al-dente

 

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