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Party time

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09.11.2005
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Party time

Das Gedränge ist riesig und Manuel, der Inhaber, rennt unentwegt mit einem erigierten Grinsen zwischen Kasse und Safe hin und her, Geldbündel in jeder Hand. Außer mir ist noch keiner da und das ist beinahe eine Katastrophe.
Sie trägt das gleiche Kleid wie vor drei Wochen Myrial. Nur die Farbe ist anders und die paßt nicht zu ihrem Haar. Soviel dazu. Ich bin viel zu früh im St. John und das ist schlecht.
Sie brabbelt die ganze Zeit davon, wie toll sie Peter findet, spricht ihn aber nicht deutsch aus, was sie disqualifiziert. Wenn ich noch länger unter den Möchtegernen bleibe, ist mein Ruf ruiniert. Eben, wenn ich mit halbem Ohr hinhörend richtig verstanden habe, hat sie mir angeboten mir auf der Damentoilette einen zu blasen, so viel dazu. Mir ist, als hätte ich Seethru im Gedränge gesehen. Tatsächlich ist er es, berührt eben eine Möchtegern an der Stirn und zieht seine Taufe – Nummer ab. Ich komme gerade richtig: das Vorgeplänkel ist beendet, der Name noch nicht vergeben.
„Taufe ich dich Baisemoi. Gehe hin und mache deinem neuen Namen alle Ehre.“
Ich grinse, weil ich den alten Film zufällig erst vor kurzem mit Eva gesehen habe. Ziemlich schlecht, aber Eva steht auf 2D Filme und Seethru steht auf Illegales und 2D und damit wäre die Verbindung zwischen den beiden Cineasten hergestellt. Die Möchtegern kennt den Streifen nicht und französisch spricht sie wohl auch nicht, weshalb sie glücklich grinst, sich cool vorkommt und abschiebt.
„Hi Seethru“, sage ich und klopfe ihm auf die Schulter. „Zu viele Schmuddelfilme geguckt, hm?“
Er zieht eine Augenbraue hoch, ist überrascht. „Woher kennst du...? Egal. Gut dich zu sehen. Schon lange hier?“
„Gerade erst gekommen.“ Kalkuliertes Risiko. „War noch im Ho Chi Minh und dachte, es lohnt nicht, nochmal nach Hause zu fahren.
Ist aber noch verdammt früh. Schon einer von der Garde da?“
„Noch keinen gesehen.“
„Die werden doch wohl nicht den Club gewechselt haben, mache ich einen auf Möchtegern.“ Seethru lacht.
„Die kommen schon noch und diesmal ist Rich auch wieder da.“
„Wieder da? Ich war auf Geschäftsreise, zwei Wochen in Hongkong.“ Pflichtschuldig verziehe ich das Gesicht. Seethru lacht oft und gerne, weil seine Zähne dann so schön aufblitzen.
„Rich war krank“, sagt er leise.
„Verdammt.“ Ich ahne was kommt und wenn kommt was ich ahne, dann wird es mir gar nicht gefallen.
„Bronchitis, beidseitig. Eine Woche lang.“
„Scheiße. Was, woher? Ach, vergiß es, ich will es gar nicht wissen.“
„Woher wohl?“ Seethru verdreht die Augen. Dann packt er mich am Arm und spricht dicht an meinem Ohr: „Hör zu, du machst zu viele Fehler. Zu früh kommen, mit Möchtegernen reden, arbeiten und auch noch darüber reden. Wenn du nicht aufpaßt, fällst du leicht aus ihrer Acht, gleich wie ein eitler Traum.“
Ich gucke ihn verdutzt an, er klopft mir auf die Schulter und verschwindet im Gedränge.
Er hat recht, ich muß aufpassen, sonst bin ich selbst bald wieder ein Möchtegern. Glück gehabt, dass ich bloß Seethru getroffen habe.
An der Bar bestelle ich mir bei James einen Cocktail Irgendwas. Keine Ahnung wie James wirklich heißt. Er stellt mir den Cocktail hin und ich zwinkere ihm zu, damit er Bescheid weiß. Wenn ich behaupte ich sei eben erst gekommen, wird er mich decken.
Lange muß ich nicht warten und ich entdecke zwei oder drei von der Garde in der Menge. Jetzt kann ich aufhören so zu tun, als hätte ich den Cocktail eben erst bekommen und fange an ihn zu trinken. Es ist eine von James Spezialmixturen und die Wirkung setzt schon nach den ersten Schlucken ein. Ich fühle mich powervoll, alles ist smooth und unter Kontrolle. Ich habe alles unter Kontrolle.
Der Abend ist in fortgeschrittenem Alter. Ich habe mir doch auf der Toilette einen blasen lassen. Arger Stilbruch, aber Joey hat‘s auch getan und deshalb kann mir keiner was deswegen. Es war Baisemoi. Es lag mir auf der Zunge sie aufzuklären. Als die Häuptlinge kommen, warte ich noch ein wenig ab und geselle mich dann wie beiläufig zu ihnen.
Rich steht im Zentrum des Gespräches wie die Sonne in dem der Galaxie. Ich begrüße ihn betont lässig. Er nickt mir ebenso lässig zu und fährt fort: „Ich habe die ganze Zeit gehustet, den ganzen verdammten Tag lang und die halbe Nacht. Hab kaum geschlafen wegen der verdammten Husterei.“ Rich kann nicht gut erzählen. Zuviel verdammt und er sagt nie Ich. Findet das wohl cool, ist sein Markenzeichen. „War mehr als nur einmal kurz davor den Doktor anzurufen, so kurz davor.“
„Hast du?“ fragt Gwenda. Rich bedenkt sie mit einem schrägen Seitenblick über die Ränder seiner Sonnenbrille hinweg.
„Wie ist das so, zu husten?“ Caroline, Sarah? Ich habe den Namen vergessen. Natürlich stellen nur die Frauen die Fragen. Die Männer nicken zustimmend. Schließlich wissen wir alle wie es ist, krank zu sein. Ich fühle mich smooth und habe alles unter Kontrolle, deshalb riskiere ich etwas. Ich gucke gelangweilt.
„Scheiße“, sagt Rich und lehnt sich zurück. „Husten ist verdammt scheiße.“ Dann beugt er sich wieder vor. Der Hals wird ganz rauh und kratzig davon und tut höllisch weh. Und ein paar Mal glaubst du, du kannst dir gleich deine Lunge von draußen angucken. Echt hart.“
„Hat es sich denn gelohnt?“
„Naja, zuerst gehst du durch die Hölle, fühlst dich dreckig und verfluchst dich und deine dumme Idee, was für ein Idiot du gewesen bist.“
„Klingt toll.“ Ironie hört man bei der Garde nicht so oft, deshalb stutzt Rich einen Augenblick, ehe er begreift. Er hebt beteuernd die Hand. „Aber jetzt ist das vorbei, kann reden, kein Husten.“ Er atmet tief durch. „Kann wieder atmen. Ein Wahnsinnskick. Als hätte ich’s gerade erst gelernt.“
„Die durch die Dunkelheit wandeln werden das Licht erblicken“, werfe ich ein. Mein Lächeln ist süffisant.
„Absolut richtig, Mann, absolut. Mußt erst leiden, damit du weißt was leben heißt.“
Natürlich konnte ich Rich nicht provozieren, weil Rich zu dumm ist, um eine Provokation zu erkennen, selbst wenn sie ihm in den Hintern bisse. Schade eigentlich. Ich hätte meine Fiebergeschichten erzählt, viel dramatischer, viel lebendiger als ein Hustenanfall. Auch wenn er eine Woche dauerte.
Den Rest des Abends diskutierten wir Stella McCartneys letzte Kollektion vor ihrem Tod. Unsere Meinung ist, wie immer bei Modefragen, einhellig.
Auf dem Rückweg rufe ich vom Auto aus den Doktor an. Er hat was Exotisches auf Lager, Tripper, hat er gesagt. Soviel zu Rich uns seiner Bronchitis.

 

Hm, warte mal ... eine Party, wo sich Leute treffen, die als "Kick" Krankheitserreger, hm, konsumieren? Das kommt mir jetzt doch ziemlich bekannt vor. Ich will damit keineswegs sagen, dass das Thema abgegriffen ist, sondern, dass ich schonmal fast dieselbe Geschichte gelesen habe. Ich meine sogar, hier auf der Seite ...

*such*

 

:-) Selbe Geschichte anderer Nick, aber das ist schon lange her. Gutes Gedächtnis. Allerdings ist der Anfang seitdem umgestellt worden.

 

*puh* Dann hör ich mal auf zu suchen und den Plagiatsverdacht adacta legen ;)
Welcher war denn Dein alter Nick? Eigentlich müsste er mir dann ja auch bekannt vorkommen ...

 

Hehe! Nicht schlecht, die Idee! :D

Hi Hartlap!

Ich weiß ja nicht, wie's Uwe ging, aber ich hab mir wirklich einen abgegrinst, als ich erst mal kapiert hatte, worum's geht. :D

Meine Interpretation ist folgende:
Auf den Partys der Zukunft gibt es unter Jugendlichen/jungen Menschen eine hierarchische Struktur, die viel deutlicher ausgeprägt ist als die heutigen, und zu allem Überfluss wird sie auch noch total ernsthaft gepflegt ( „Hör zu, du machst zu viele Fehler. Zu früh kommen, mit Möchtegernen reden, arbeiten und auch noch darüber reden. Wenn du nicht aufpaßt, fällst du leicht aus ihrer Acht, gleich wie ein eitler Traum.“ :D ) und ist mit kindischen Ritualen durchsetzt ( „Taufe ich dich Baisemoi. Gehe hin und mache deinem neuen Namen alle Ehre.“ :lol: ). Klar, dass alle peinlich auf Äußerlichkeiten achten und danach ihre Position in der Hierarchie definiert wird.
Und dann stellen sich auch noch die Kings hin und prahlen mit den durchgestandenen Krankheiten, die sie sich zu diesem Zweck absichtlich eingefangen haben. Haha! :lol:

Gut gemacht. Noch süffisanter könnte eine Satire auf die oberflächliche "Reich und schön"-Gesellschaft kaum sein. :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

Ein paar Einzelheiten wären da noch:

Party time

Wird das nicht zusammengeschrieben?

Außer mir ist noch keiner da und das ist beinahe eine Katastrophe.
Sie trägt das gleiche Kleid wie vor drei Wochen Myrial.

Wer trägt das gleiche Kleid? Die Katastrophe?

Taufe – Nummer

Taufe-Nummer.

„War noch im Ho Chi Minh und dachte, es lohnt nicht, nochmal nach Hause zu fahren.
Ist aber noch verdammt früh. Schon einer von der Garde da?“

Wechselt da der Sprecher? Das passiert oft bei reinen Dialogpassagen, dass Anführungszeichen vergessen werden, deshalb frage ich zur Sicherheit nach. Es wird aus dem, was danach kommt, nicht immer deutlich, wer was sagt.

Ich fühle mich powervoll, alles ist smooth und unter Kontrolle. Ich habe alles unter Kontrolle.
Der Abend ist in fortgeschrittenem Alter.

Irgendwie ist der Text stilistisch stellenweise arg unhomogen. Wenn Deutschtümelei wieder in ist ( es könnte ja auch heißen "Der Abend war schon ziemlich aged" oder so ähnlich ), dann passen die Anglizismen nicht. Wenn Anglizismen in sind, wäre der letztere Satz etwas merkwürdig.

Ich habe mir doch auf der Toilette einen blasen lassen. Arger Stilbruch, aber Joey hat‘s auch getan und deshalb kann mir keiner was deswegen.

Erstens: *Big Grin und thumbsup* ( Smilies habe ich leider aufgebraucht )
Zweitens: Das doch muss hinter die Toilette, dann klingt es weniger holprig.

Dann beugt er sich wieder vor. "Der Hals

Natürlich konnte ich Rich nicht provozieren, weil Rich zu dumm ist,

Konnte ist ein Tempusfehler, nach meinen bescheidenen Grammatikkenntnissen. Das Perfekt wäre korrekt. Aber da dies stilistisch nicht so gut kommt, wäre vielleicht kann angebracht. Schließlich ist Können ein fortlaufender Zustand.

Ich hätte meine Fiebergeschichten erzählt, viel dramatischer, viel lebendiger als ein Hustenanfall. Auch wenn er eine Woche dauerte.

Auch wenn dieser eine Woche gedauert hat.

Ciao, Megabjörnie

 

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