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16.03.2015
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Passt doch!

I​

Tina bürstet sich durch das feuchte Haar, als ihr Handy summt. Sie hört die Sprachnachricht ab. „Hi Süße. Boah, die haben ja ein scheiß Wetter angesagt und Bernd hat den Wagen. Sorry, aber zu Fuß oder mit dem Rad … zu ungemütlich. Und die Öffentlichen sind mir zu voll. Lass uns das Frühstück auf nächste Woche verschieben, ja? Bussi!“
Tina stellt sich ans Fenster, beäugt misstrauisch den Himmel. Blaue Wolken. So ein Unsinn. Seufzend tippt sie: „Okay. Wir telefonieren.“
Schade, hat sie sich doch so auf Frühstück und Klönen gefreut. Ein bisschen hungrig ist sie auch schon, hat aber noch nicht mal eine Scheibe Brot im Haus. Ihre Freundin wollte ja alles mitbringen!

Sie schnürt den Morgenmantel zu, schlüpft in die Pantoffeln, öffnet die Haustür und fischt die Tageszeitung aus dem Briefkasten. Solange das Haar an der Luft trocknet, kann sie einen Blick hineinwerfen und sich später in aller Ruhe ums Frühstück kümmern.
„Hm“, stutzt sie, als sie eine Benachrichtigungskarte findet. Wir kommen wieder am … Wie, morgen? Morgen ist sie nicht da. Und überhaupt war sie die ganze Zeit zu Hause!
Da! Auf der anderen Straßenseite steht ja der Hermes-Wagen! Wenn sie Glück hat, erreicht sie ihn noch.
Tina schaut sich kurz um. Kein Mensch unterwegs, die Nachbarn auf der Arbeit, die Kinder in der Schule. Was soll’s, wenn sie den Müll ab und an im Morgenmantel vor die Tür bringt, kann sie das eine Mal auch zehn Meter weiterlaufen. Hastig überquert sie die Straße, sieht den Fahrer einsteigen und losfahren. Sie ruft und winkt mit der blauen Karte, der Wagen hält einige Häuser weiter wieder an.
Den krieg ich! Sie läuft los, verliert einen Pantoffel, winkt erneut und erreicht den Wagen, nachdem der Fahrer wieder eingestiegen ist. Sie klopft an der zugeklebten Rückscheibe, aber der Wagen rollt weiter! Fluchend schmeißt sie den verbliebenen Pantoffel hinterher, streckt beide Zeigefinger in die Luft und folgt dem Wagen auf nackten Sohlen. Ihr Morgenmantel flattert, die Kapuze verrutscht.
Eine Passantin hält ihrem Kind die Augen zu. Aus einem entgegenkommenden Bus starren Leute durch die Scheibe. Tina zieht die Kapuze tief ins Gesicht.

Puh, denkt sie, als das Auto erneut vor einer Ampel stoppt.
Sie kommt immer näher. Nassgeschwitzt und atemlos stellt sie sich schließlich vor den Wagen und streckt die Hände aus, als wollte sie ihn am Weiterfahren hindern. Der Fahrer hupt, fuchtelt wild herum. Ein Fußgänger ist stehen geblieben, zückt sein Handy, filmt. Die Scheibenwischer gehen an, Tina rückt die Kapuze gerade und schnürt den Gurt des Morgenmantels zu.
Die Ampel springt auf Grün. Der Fahrer kurbelt die Scheibe runter. „Aus dem Weg! Ich hab’s eilig!“
Sie kommt herum und keift: „Das hab ich gemerkt! Deswegen schellen Sie auch nicht an! Verteilen nur Zettel!“
Er beäugt sie. „Was wollen Sie eigentlich?“
Sie hält ihm die Karte hin. „Ich will nur mein Paket! Los, her damit!“
Der Fahrer runzelt die Stirn. Als das Hupen hinter ihm schlimmer wird, schaltet er die Warnblinkanlage an, schnappt sich die Karte und steigt aus.
Der Passant mit dem Handy und Tina folgen ihm zur Beifahrerseite, wo er die Schiebetür öffnet. Während er im Paketstapel nach der richtigen Sendung sucht, dabei jeden Adressaufkleber mit den Angaben auf der Karte abgleicht, hat sich auf dem Bürgersteig eine Menschenmenge versammelt. Der Mann mit dem Handy stellt sich abseits, um alles ins Bild zu bekommen.
Rufe schallen herüber. „Ja, Sauerei! Mir werfen Sie auch nur Zettel in den Briefkasten, obwohl ich den ganzen Tag anwesend bin!“ – „Richtig so! Würde ich mir auch nicht gefallen lassen!“ Dazwischen immer wieder Buh-Rufe und Pfeifen.
Der Hermes-Fahrer steckt den Kopf heraus. „Ist ja gut! Ich suche ja schon!“ Die zwei Autofahrerinnen, die vorher gehupt haben, steigen aus, gesellen sich zu Tina und blicken auf den Stapel. „Da ist bestimmt auch meins bei!“, ruft eine von ihnen. „Hedwig Schlöppel, Günser Straße 20!“
„In der Straße war ich heute noch gar nicht“, hört man den Paketmann gedämpft aus der hinteren Ecke rufen, während er weiter die Aufkleber kontrolliert.
Ein Passant löst sich aus dem Menschengewühl, kommt näher, stellt den Fuß auf die Ladefläche und ruft: „Und wo ist meins? Ich hab heute auch so 'ne Karte bekommen!“ Ihm gelingt es, sich an den anderen vorbeizuquetschen und ins Auto zu steigen. „Das muss ungefähr so groß sein. Eine Carrerabahn“, sagt er und hält die Hände auseinander.
„Stellen Sie sich hinten an!“, schimpft Tina und reißt den Mann an der Jacke. Der Fahrer dreht sich um, schaut in mehrere Handykameras, die auf ihn gerichtet sind. „Jetzt ist aber gut! Verlassen Sie sofort mein Auto!“ Kaum hat er es ausgesprochen, dringen drei weitere Passanten ins Fahrzeuginnere, kippen im Gedränge die Stapel um und wühlen sich auf Knien durch die Sendungen. Kartons werden zerdrückt, hinten scheppert es in einem Paket mit einem Vorsicht zerbrechlich!-Aufkleber.
Mittlerweile ist das Auto umzingelt. Ein älterer Herr stellt seinen Rollator ab, humpelt auf einen Gehstock gestützt heran und ruft: „Und ich kann jedes Mal für meine Frau mit dem Bus zur Paketstation in die Stadt fahren, da wir angeblich nie anzutreffen sind! Zwei Stunden bin ich dafür unterwegs!“ Unentwegt schlägt er mit seiner Krücke gegen die Karosserie. Drei junge Männer stoßen hinzu. „Ich warte schon seit Monaten auf meine Playstation!“, ruft einer von ihnen und fängt an, am Fahrzeug zu wippen. Die beiden anderen nehmen den Takt auf, zusammen versucht mittlerweile ein halbes Dutzend Passanten, das Fahrzeug zum Schaukeln zu bringen. „Aufhören!“, schallt es heraus. „Ihr macht noch mehr Durcheinander! Ich kann meine Carrerabahn sonst nie finden!“
Auf der Gegenspur rollen Autos im Schritttempo vorbei, die Fahrer gaffen neugierig durch die Scheiben. Ein DHL-Transporter hält am Stauende, wendet umständlich auf dem Bürgersteig, Leute springen zur Seite, eine Frau schiebt ihren Kinderwagen weg. „Da ist noch so einer!“, ruft jemand und läuft dem gelben Auto hinterher, das mit quietschenden Reifen die Flucht ergreift. Zwei weitere Männer nehmen ebenfalls die Verfolgung auf, bleiben nach hundert Metern völlig erschöpft stehen und kehren zurück, wo sie Applaus erwartet.
Der Applaus wird frenetisch, als Tina endlich ihr Paket wie eine Trophäe in die Höhe hält und durch das Spalier hochgereckter Arme schreitet. Schulterklopfen, Selfies. Tina genießt das Bad in der Menge.

Tina trabt zurück, dreht sich um, sieht zwei Leute mit Paketen fortlaufen, findet einen Pantoffel. Die Geräuschkulisse nimmt ab; aus der Ferne ist ein Martinshorn zu hören.
Sie eilt um die Ecke, stellt sich ganz nah an die Hauswand und vergräbt sich unter der Kapuze. Da kommt ihr ein schrecklicher Gedanke: hat sie ihren Hausschlüssel dabei? Panisch tastet sie die beiden Seitentaschen ab.
Als sich die Sirenen entfernen, geht sie weiter. Das Paket klemmt sie unter den Arm, mit der anderen Hand hält sie den Morgenmantel eng zusammen.

Zehn Minuten später kauert sich Tina mit der Zeitung auf dem Treppenabsatz ihrer Nachbarin, bei der sie vergebens angeschellt hat. Ihr hat sie einen Reserveschlüssel anvertraut. Weit kann sie nicht sein, steht doch das Küchenfenster auf kipp.
Nach einer gefühlten halben Stunde hat Tina die Zeitung ausgelesen und legt sie beiseite. Sie friert, die Haare und der Schweiß sind schon getrocknet. Da sieht sie eine gebrechliche Dame mit zwei Einkaufstaschen die Straße hochkommen. Frau Bramscheid! Endlich.

Die Alte schaut verdutzt drein, als Tina ihr zuwinkt, und lässt die Tüten fallen. Äpfel rollen heraus, ein Kohlkopf und Zitronen. Tina geht ihr entgegen und hebt alles auf. „Ich bin’s, Tina, von nebenan.“
„Ach, Sie sind es.“ Frau Bramscheid pustet aus. „Ich hab Sie gar nicht erkannt.“
„Ich trage jetzt Blond“, sagt Tina und wühlt sich durchs Haar. „Der Schlüssel.
Ich habe ihn am Haken vergessen und komme nicht mehr rein.“
„Ja, was machen Sie auch draußen im Bademantel?“
„Eine lange Geschichte. Ich …“, sie schaut sich um, „ich wollte nur die Zeitung reinholen.“
„Stellen Sie die Einkäufe bitte hier im Flur ab!“ Dann sagt die Alte: „Würde es Ihnen was ausmachen, kurz zu warten? Ich komme sofort wieder. Soll ich Ihnen ein Handtuch bringen oder eine heiße Schokolade machen?“
„Danke, geht schon.“
Tina sieht, wie die Alte noch im Mantel und mit Hut durch die Wohnung schwirrt, und hört, wie Schubladen und Schränke geöffnet und wieder geschlossen werden. „Ich hab ihn gleich. Ich hab ihn gleich“, wiederholt Frau Bramscheid mantraartig.
Zehn Minuten später kommt sie zurück in den Flur und guckt Tina schuldbewusst an. „Es tut mir leid, ich finde ihn nicht.“
„Bitte?“
„Den Schlüssel. Ich habe ihn zuletzt noch gesehen, nun ist er weg.“
Ungläubig schüttelt Tina den Kopf. „Haben Sie denn überall gesucht?“
„Überall. Hat nicht noch jemand einen Schlüssel?“
„Verdammt!“, schreit Tina auf. „Meine Mutter! Die ist auf Mallorca!“
„Soll ich mal im Telefonbuch nach einem Schlüsseldienst gucken?“

Zwanzig Minuten später schellt es an Frau Bramscheids Tür. Davor steht ein Mann in Monteurkluft und mit Werkzeugkiste. „Guten Morgen, Tomaschewski, ABC Sicherheitssysteme Vierundzwanzigsieben.“ Er schaut Tina an, die im Morgenmantel neben ihrer Nachbarin steht und sich das strähnige Haar aus der Stirn streicht. „Ich vermute mal, Sie haben mich angerufen.“
Tina nickt und deutet auf ihre Haustür.
„Können Sie sich denn ausweisen?“
„Mein Perso ist drinnen.“
„Und das Geld wohl auch, oder?“
„Wie teuer wird’s denn?“
„Hundertfuffzig.“
„Ähm, akzeptieren Sie auch Karten?“
Der Mann schaut sie abschätzend an. „Nur gegen Vorkasse!“
Frau Bramscheid fasst Tina an die Schulter. „Keine Sorge. Ich strecke es vor. Das bin ich Ihnen schuldig.“ Dann flüstert sie ihr ins Ohr: „Ich hab genug Bargeld an einem sicheren Ort versteckt.“
Sie dreht sich um und schlurft ins Haus. Gleich darauf schallt lautes Geschepper von Kochgeschirr durch das Küchenfenster.
Mit einem breiten Grinsen kommt sie heraus. In der einen Hand das Geld, in der anderen Tinas Schlüssel. „Ich hab ihn gefunden!“
Der Mann seufzt und klappt seine Werkzeugkiste wieder zu. „Anfahrt und eine volle halbe Stunde. Das macht hundertzwanzig Euro.“


II​

Nachdem Tina erneut geduscht, die Füße mit Schmerzsalbe eingerieben, sich fertig angezogen und geschminkt hat, überlegt sie, wie sie ihrer Nachbarin für die Umstände eine kleine Freude bereiten kann. Eine Schachtel Pralinen, vielleicht ein Blumenstrauß, ein Schwedenrätsel-Magazin.
Doch da kümmert sie sich später drum. Jetzt ist erst mal das Paket dran. Das muss die dicke, teure Kapuzenjacke sein, die sie vorsorglich für kalte, fiese Wintertage bestellt hat.
Autsch! Jetzt hat sie sich beim Öffnen des Kartons an einem Falz den Fingernagel eingerissen. Auch das noch! Als hätte der Tag nicht schon gut genug angefangen. Nachdem sie sich den Nagel gefeilt hat, befreit sie die Jacke aus der Tüte; mehrere Papiere und Unterlagen segeln auf den Boden. Sie probiert das gute Stück an. Die Ärmel sind viel zu lang, die Farbe nicht wie abgebildet. Geht gar nicht!
Egal. Zurücksenden soll heutzutage so einfach sein. Sie packt die Jacke wieder ordentlich ein, hebt den Papierkram auf, füllt den Retourenzettel aus, legt ihn hinein, umschließt den Karton mit Tesafilm und klebt den Rücksendeaufkleber aufs Paket.
Ein paar Straßen weiter müsste eigentlich eine Hermes-Paketstation sein. In der Nähe des Bäckers, wo sie sich direkt ein paar frische Brötchen besorgen kann. Und ein Stück weiter befindet sich ein guter Metzger. Dann zaubert sie sich halt selbst ein schönes Frühstück. Ihr Magen hängt auch schon auf halb acht!

Sie schaut aus dem Fenster, zieht sich eine leichte Strickjacke über die Bluse und steckt das Handy ein. Das Batteriesymbol ist rot – kein Problem, sie ist ja nur ein paar Minuten unterwegs.
Als sie den Kiosk erreicht, stöhnt sie. Die Rollladen sind heruntergelassen und mit Graffiti beschmiert. Nirgendwo Angaben über Öffnungszeiten. Auf dem Handy schaut sie nach der nächsten Paketstation. Knapp sieben Kilometer; eine Gegend, in der sie sich nicht auskennt. Zu Fuß zu weit, die Füße schmerzen sowieso noch. Da ist sie verhungert, bevor sie zu Hause ankommt.
Kurzentschlossen macht sie kehrt und holt ihr Fahrrad aus der Garage, steckt das Handy auf die Halterung am Lenker und das Paket in den Drahtkorb. Für das Auto ist die Strecke wirklich zu kurz. Sie regt sich ja selbst immer auf, wenn die Nachbarn mit ihrem SUV Brötchen holen. Sie startet Google Maps und radelt los.

Das Wetter wird schlechter. Ein Wind weht auf.
Auf halber Strecke, zwischen Maisfeld und Acker, gibt der Handyakku seinen Geist auf. Unbeirrt radelt sie weiter, stößt schließlich auf einen begehbaren Kiosk mit Café, der leider kein Hermes, sondern DHL anbietet.
Mit einem „Hallo“ tritt sie an eine Theke, hinter der ein älterer Mann steht. Er hat seinen Strickpulli in die Cordhose gestopft, darüber trägt er Hosenträger. Ungerührt blättert er eifrig in einer Zeitschrift weiter.
Glücklicherweise kann sie sich noch an die Adresse erinnern. „Wissen Sie, wie ich zur Brunhilde-von-Stein… Steinwehr-Straße 13 b komme?“
„Bitte?“ Erschrocken blickt er auf, klappt das Magazin zu und lässt es unter der Theke verschwinden. „Moment.“ Er nestelt an seinem Hörgerät, für kurze Zeit gibt es ein pfeifendes Geräusch von sich. „Nö, tut mir leid, nie gehört“, antwortet er knapp.
Tina blickt auf die Zeitschriftenauslage. „Sie haben nicht zufälligerweise Karten? Faltpläne?"
Schmunzelnd zupft er an den Hosenträgern. „Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, junge Frau. Da hätten Sie fuffzehn Jahre eher kommen müssen.“
„Wissen Sie, mein Handy ist leer und …“
„Warum sagen Sie das nicht gleich?“, empört er sich. Aus dem unteren Regal hinter sich wuchtet er einen Karton auf den Tresen und öffnet den Deckel. Ein Stapel vergilbter und abgegriffener Erotikmagazine kommt zum Vorschein. Der Alte setzt sich die Brille auf. „Das ist die falsche Box.“ Schnell schließt er den Karton, stellt ihn zurück, legt eine alte Wolldecke drüber und kramt eine Kiste hervor, zu Tinas Verblüffung randvoll mit Kabeln, Steckern und Adaptern.
Er hält ihr ein Kabel nach dem anderen vor die Nase. „USB C, Micro-USB, Lightning? Oder Induktion …?“
Tina holt ihr Handy aus der Tasche.
„Ah, iPhone 11. Induktion. Geben Sie mal her! Möchten Sie solange einen Kaffee?“
Sie reicht ihm das Smartphone und schaut sich um. Drei runde Holztische stehen im kleinen Raum verteilt, wohl zusammengeklaubt aus alten Spelunken. Mit spitzen Fingern zieht sie einen Stuhl hervor, wischt mit dem Ellenbogen über die Sitzfläche und setzt sich an den Rand.
„Schwarz, Zucker, Milch, Süßstoff?“, fragt er und zupft bei jedem Wort an den Hosenträgern. „And’ren Gästen den Platz wegnehmen geht nämlich nich!“, knurrt er.
Sie schaut hinaus. Es hat angefangen zu nieseln. Weit und breit keine Möglichkeit zum Unterstellen. Widerwillig setzt sie sich wieder hin. „Schwarz.“
Als er den Kaffee vor Tina abstellt, knurrt ihr Magen. Er muss es gehört haben, lächelt. „Brötchen? Salami, Käse, Schinken, Mett?“ Er schätzt sie über den Brillenrand hinweg ab.
Tina blickt durch das fettige Glas der kleinen Kühltheke und runzelt die Stirn. „Haben Sie auch was Eingepacktes?“
„Nö, nur das!“
„Käse, bitte!“ Wohl das kleinste Übel.
Sie wischt verblasste Lippenstiftreste vom Tassenrand und nippt am Kaffee. Bitter und lauwarm. Tina überlegt, wie lange der Kaffee wohl schon in der Aufwärmglaskanne gestanden hat.
Der Alte serviert das Brötchen auf einem Pappteller. Hält es dabei mit seinem riesigen, vergilbten Daumen fest. „Macht fünf Euro.“
„Wie?“, fragt sie und kramt Geld aus dem Portemonnaie. Sie schaut hinüber zum Zeitschriftenregal. „Geben Sie mir bitte noch drei von den Rätselheften. Die dicken Sammelbände da!“
Dann beißt sie gierig ein großes Stück Brötchen ab. Kaut, verzieht das Gesicht. Keine Gaumenfreude, denkt sie. Als sie sich die hochgebogenen Ränder der ausgetrocknete Käsescheibe anschaut, fragt sie sich, ob die Kühltheke überhaupt am Strom angeschlossen ist.

Eine Viertelstunde später steigt sie aufs Rad, öffnet Google Maps. Das neue Ziel liegt sechs Minuten entfernt. Das Handydisplay beschlägt; Feuchtigkeit perlt ab. Tina hält kurz an und knöpft sich die dünne Jacke bis zum Hals zu.
Die Strecke geht bergauf. Das Käsebrötchen kommt ihr hoch. Es herrscht Gegenwind. Sie rülpst.

Nach zehn Minuten kommt sie an, stellt das Rad ab, holt das Paket aus dem Drahtkorb und betritt das Geschäft. Ein alter Tante-Emma-Laden, Relikt aus vergangenen Zeiten. Holzregale mit Lebensmitteln, Dingen des täglichen Bedarfs; etwas Kleidung, Spielzeug.
„Guten Tag“, sagt die Frau im Strickpullover an der Kasse. Sie nimmt das Paket entgegen, scannt es. Es macht ‚mööp‘.
„Stimmt was nicht?“, fragt Tina. „Versuchen Sie es noch mal!“
Die Frau scannt erneut. Es macht ‚mööp‘.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein“, japst Tina. „Geben Sie mal her!“ Sie tritt näher und entreißt der Frau den Scanner. ‚Mööp, mööp‘.
„Heh!“, entrüstet sich die Frau.
„Ist der Scanner vielleicht kaputt?“
„Geben Sie wieder her!“
Tina gibt das Gerät zurück. Die Frau prüft den Batteriestatus, drückt verschiedene Knöpfe, es piept und summt, mehrere Symbole blinken auf. Sie schüttelt den Scanner, haucht über die Leseeinrichtung und wischt mit einem Taschentuch drüber. Diesmal führt sie das Gerät ganz langsam immer näher an das Etikett. ‚Mööp.‘ „Der Code wird nicht erkannt.“
„Das hab ich auch gemerkt! Kann man das manuell machen, ich meine irgendeinen Zettel ausfüllen? In einer Kladde eintragen? So wie früher!“
„Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Da …“
„Ja, ja, ich weiß! Vor fuffzig Jahren …“, blafft Tina. „Bestimmt ist der Scanner einfach nur abgestürzt und muss neu gestartet werden!“
Die Frau schaltet das Gerät aus und wieder an. Es fährt nicht mehr hoch.
„Tut mir echt leid. Einen Moment, bitte.“ Die Frau dreht sich um und ruft: „Diethild, komm mal bitte! Und bring dein Werkzeug mit. Der Scanner!“
Ein burschikoses Mädchen, vielleicht dreizehn Jahre alt, kommt aus dem hinteren Raum. Eine kleine Werkzeugkiste in der Hand, Farbkleckse auf der Jeans.
„Meine Tochter kann das“, sagt die Frau mit hochnäsig piepsiger Stimme. „Sie hat jetzt in der Schule Werken.“
„Ich schraube das Device auf und prüfe, ob die Platine richtig sitzt, alle Lötstellen top sind“, erklärt Diethild und grinst dabei frech. „Vielleicht Wackelkontakt, vielleicht sind Fremdkörper drin. Vielleicht auch was Kompliziertes.“
Tina nickt. Diethild schraubt das Gerät auf.
„Darf ich Ihnen solange einen Cappuccino bringen? Geht auf’s Haus“, fragt die Frau.
„Ach, wie nett.“
Während die Frau nach hinten verschwindet, schaltet Diethild den Scanner schon wieder an. „Alles easy. War ein bisschen staubig. Sollte jetzt funktionieren.“
Das Gerät fährt nicht hoch. Diethild schüttelt es, versucht es erneut, schraubt es schließlich auf – und zerlegt das Gerät in seine Einzelteile.
Als die Frau mit zwei Cappuccini zurückkehrt, stößt sie gegen ihre auf dem Boden hockende Tochter. Die Heißgetränke schwappen über, Dietlinde fallen Bauelemente aus den Händen.
„Pass doch auf, Mama! Jetzt hast du alles durcheinandergebracht!“, brüllt Diethild und wühlt durch dutzende Einzelteile.
„Tschuldigung, Dieti.“ Und an Tina gewandt sagt sie: „Ach, jetzt sind sie übergelaufen. Ich mache uns neuen Cappuccino.“
Beim Umdrehen wirft sie einen Blick auf den Karton, der auf der Theke liegt. Vorsichtig stellt sie die Gläser ab, holt ihre Brille hervor, wischt mit dem Taschentuch über die Gläser und begutachtet den Aufkleber. „Moment! Das ist ja nicht Hermes, sondern DHL!“
„Wie bitte? Aber es wurde durch Hermes geliefert!“, empört sich Tina.
„Da wird sicherlich auch ein Rücksendeaufkleber für Hermes dabei gewesen sein.“ Belehrend schaut sie Tina an. „Einige Firmen bieten die Retoure über verschiedene Versender an. So, wie es für den Kunden am bequemsten ist. Kundenservice.“
„Oh“, sagt Tina. Am bequemsten, denkt sie, Kundenservice, – und ihr fällt wieder ein, wie ihr der ganze Papierkram aus dem Paket entgegengesegelt kam.
„Die nächste DHL-Station heißt ‚Café chez Horst‘. Nicht weit von hier. Ein netter, älterer Herr führt den Laden. Er ist nett …“
„Und die übernächste?“, zischt Tina.
Schulterzuckend schaut die Frau sie an. „Die Hauptpost am Hauptbahnhof? Oder auf der Hauptstraße?“
Beim Hinausgehen hört Tina noch die Frau zu ihrer Tochter sagen: „Was heißt das, du kannst es nicht mehr zusammenbauen?“

Der Regen nimmt zu. Ein kalter Wind weht. Sie stellt sich an die Hauswand neben dem Eingang, findet im Internet eine andere DHL-Station, noch vor der Hauptpost am Hauptbahnhof oder auf der Hauptstraße gelegen. Sie fasst sich an die kalten Ohren, öffnet wieder die Ladentür. Zwei Köpfe strecken sich hinter der Theke hervor, als Tina hineinruft: „Verkaufen Sie Kopfbedeckungen?“
Zähneknirschend bezahlt sie neunzehn Euro fünfundachtzig für eine farbenfrohe Wollmütze, die zwar warm, aber auch wie selbst gehäkelt aussieht und kein Preisschild aufweist.

Zwanzig Minuten später erkennt sie in der Ferne das gelbe DHL-Zeichen über der Tür des Zeitschriftenladens. – Geschafft!
Als sie das Paket aus dem Drahtkorb holt, bemerkt sie, dass eine Klebestelle aufgegangen ist. – Auch das noch!
„Guten Tag“, sagt sie und deutet auf das Paket. Im Hintergrund bimmelt noch die Türglocke. „Entschuldigung. Haben Sie Tesa? Können Sie mir das bitte zukleben?“
Die Frau im Hosenanzug verzieht das Gesicht.
Tinas Stimme schwankt. „Ich bezahle es Ihnen auch.“
„Macht vierzig Cent.“
Tinas Kinnlade fällt herunter. Sie bezahlt mit 2- und 1-Cent-Stücken, obwohl sie zwei Zwanziger hat.
„Andere nehmen fünfzig“, bemerkt sie, zählt das Geld akribisch nach und bringt einen Klebestreifen an, gerade groß genug, dass er das Paket zuhält. Keinen Millimeter zu viel! Dann scannt sie das Paket. ‚Mööp!‘ Der Code wird nicht erkannt!
Tina steht da mit verkniffenem Gesicht. „Das darf doch nicht wahr sein! Aber Sie sind doch DPD! Ich meine DHL! Versuchen Sie es noch mal!“
Es macht wieder ‚Mööp‘.
„Auch so ne billige China-Ware? Jetzt sagen Sie mir nicht, im Hinterzimmer wartet ihr Sohn mit seinem Brecheisen!“
„Wie bitte?“ Die Frau streicht über den Aufkleber. ‚Mööp‘. „Tut mir leid. Das Etikett ist aufgeweicht.“
„Kann man den mit einem Fön wieder trocknen?“
„Ja, schon“, überlegt sie, „aber die Striche werden dadurch nicht wieder gerade. Besorgen Sie sich einen neuen Code! Den können Sie ganz einfach am Handy herunterladen.“
„Ja, das geht?“ Erleichtert holt Tina ihr Smartphone hervor. Genug aufgeladen ist es. Jetzt kann nichts mehr schief gehen.
Die Frau rollt die Augen. „Sie laden sich die DHL-App herunter und fordern einen neuen QR-Code an. Den bekommen Sie sofort per E-Mail und ich scann den dann ein.“
Tina öffnet den App-Store auf dem Handy, findet das Programm, drückt auf ‚Laden‘. Das Fortschrittssymbol kommt ins Stocken, die Übertragung droht abzubrechen. Sie geht zum Fenster, schnappt sich auf dem Weg dorthin einen Trittschemel, der vor den hohen Regalen mit den Schreibwaren steht, stellt sich drauf und hält das Smartphone ganz hoch und nah an die Scheibe. „Ah jetzt …“
Die Frau schaut auf die Uhr. „Sehr gut. Wir hätten nämlich gleich Frühstückspause.“
„Verdammt! Jetzt hängt’s! – Will der mein Passwort? – Wie ‚Softwareupdate‘? Ich will kein Update! Warum klappt das nicht?“
„Zeigen Sie mal!“, sagt die Frau, stellt sich neben Tina und schaut hoch. „Hat das Android?“
„Ich hab Induktion.“
„Genug Speicher haben Sie aber?“
„Ist ganz neu. Das Display aber schon ausgetauscht.“
„Ach so, na ja, meins ist alt und von der Telekom und hat auch nur eine Vier-Gigabyte-Flatrate …“
„Es hat geklappt!“, unterbricht Tina. „Installiert!“
„Wunderbar! Auf jeden Fall geben Sie dann jetzt Ihre Kunden- und die Sendungsdaten ein und …“
„Prima!“, faucht Tina und springt vom Schemel.
„Huch!“, erschrickt die Frau.
„Aua!“, stöhnt Tina auf, als sie mit dem Fuß umknickt. Sie presst die Kiefer aufeinander, humpelt zum Ausgang und schlägt die Tür hinter sich zu.
Die Bimmel über der Tür klingelt unaufhörlich.
Alle notwendigen Daten stehen auf der Rechnung, die natürlich zu Hause zusammen mit dem anderen, dem ‚bequemen’ Rücksendeaufkleber auf dem Küchentisch liegt.

Sie schiebt das Fahrrad aus Hör- und Sichtweite der Frau, die ihr mit verschränkten Armen hinterherschimpft und gibt ihre Heimadresse ein. Fünfzehn Kilometer ist sie mittlerweile vom wohligen Zuhause entfernt.
Dunkle Wolken am Himmel. Regen wie Bindfäden. Sie zieht die Mütze noch tiefer ins Gesicht, haucht sich in die Hände und reibt sie gegeneinander. Dann radelt sie los. Hat sie doch zuletzt erst den Muddy, den Women’s Schlammlauf überstanden, – und das sogar mit einer Zerrung im Bein – da lässt sie sich von bisschen Regen nicht unterkriegen.
In den Bäumen ringsherum knackt es in den Ästen. Autoscheinwerfer von allen Seiten. Klack, klack – Laternenlicht springt an. Eine Katze verzieht sich in einen düsteren Hauseingang. Autos schleichen vorbei, Scheibenwischer kämpfen gegen das Nass an. In der Ferne donnert es.
Auf dem Radweg weicht sie einigen Biotonnen aus, die der Sturm niedergerissen hat, schlittert über feuchtes Laub, hält gerade mal so das Gleichgewicht. Plötzlich erwischt ein Auto eine riesige Pfütze. Ein gewaltiger Wasserschwall ergiesst sich über Tina.
Fluchend und nass bis auf die Unterhose bleibt sie stehen, lässt die Schultern hängen. Tränen in den Augen. Ihr Handy! Sie holt es hervor, überlegt kurz, jemanden anzurufen, der sie mit dem Auto abholen könnte. Keine Chance! Der Akku ist leer. Trotzig wischt sie die Tränen fort, reißt sich Mütze und Strickjacke vom Körper und stopft das triefende Zeug in den Drahtkorb.
Frau Bramscheids Rätselhefte! Sie hebt sie hoch. Völlig durchnässt. Und was ist das? Dieser Horst hat ihr tatsächlich neben dem kalten Kaffee und dem ausgetrockneten Käsebrötchen auch noch drei identische Hefte angedreht!
Jetzt. Ist. Das. Paket. Dran.
Mit ihrem Hausschlüssel stößt sie Löcher in den Karton, als würde sie mit einem Messer auf einen Menschen einstechen, zerfetzt ihn geradezu. Sie zieht die warme Winterjacke an, stülpt die Kapuze über und zurrt die Bänder ganz eng. Die Ärmel baumeln ihr über die kalten Hände. Die falsche Farbe der Jacke in der Düsterheit kaum auszumachen.
Sie schmeißt den Karton oder das, was es mal war, auf den Boden. Stampft immer wieder auf den einzelnen Teilen herum, bis sie die Schmerzen im Fuß nicht mehr spürt und nur noch flache Stücke übrigbleiben, die sie über die Bordsteinkante schiebt.
Wo sie wie Papierbötchen in den Fluten des abfließenden Regens mitgerissen und schließlich in Richtung Gully getrieben werden.


III​

So, das wäre geschafft!, denkt Tina und klatscht in die Hände. Jetzt ein heißes Bad, – aber vorher noch ausgiebig frühstücken! Unbedingt!
Voller Vorfreude gibt sie ihre Adresse am Handy ein und steckt es wieder auf die Halterung.
Die Route führt sie über eine Landstraße und schließlich in ein Gewerbegebiet. Das soll die kürzeste Strecke sein? Hoffentlich findet sie hier zwischen Fabriken und Hallen zumindest einen Kiosk oder Imbiss.
Vor einer Schlosserei steigt ein Mann aus einem Auto, spannt einen Regenschirm auf und eilt auf den Eingang zu.
„Hallo! Hallo!“, ruft Tina, tritt in die Pedale und bremst kurz vor ihm ab. Erschrocken bleibt er stehen und duckt sich unter dem Schirm.
„Sorry.“ Sie steigt vom Rad. „Wo kann man hier was essen?“
„Ähm, keine Ahnung.“ Er deutet auf seine Umhängetasche. „Also, Mechthild hat mir Brote und eine Banane eingepackt …“
Sie kommt näher, hält den Kopf unter dem Schirm. „Bitte! Sagen Sie doch …“
„Das reicht nicht für zwei!“, sagt er und zieht den Schirm näher zu sich.
„Iih! Mir läuft der Regen in den Nacken!“ Tina greift nach dem Griff und drückt dabei versehentlich auf den Knopf. Der Schirm schließt sich, die Bespannung schlägt dem Mann gegen den Kopf. Wasser läuft ihm die Hose hinab.
„He! Was soll das?“ Verdutzt tritt er zurück und öffnet das Teil wieder. „Ich will trocken bleiben! Sie sind doch eh schon nass!“
„Na, toll …“, sagt sie. „Und wie komm ich hier am besten wieder raus? Das Navi schickt mich kreuz und quer.“
„Da fällt mir ein …“ Er zeigt gen Osten. „Also, wenn Sie dort durchfahren, immer dem Geruch nach, stoßen Sie auf die Mülldeponie. Da steht jeden Morgen ein Imbisswagen. Der hat Brötchen, Snacks und Getränke.“ Kaum ausgesprochen verschwindet er unter das schützende Vordach der Schlosserei.
Tina springt aufs Rad. „Danke!“

Wie aus dem Nichts erscheint am Rand des Gewerbegebiets ein Hügel. Oben drauf quälen sich Radlager durch Abfall. Auf der Straße eine lange Reihe Müllautos, am Rand tatsächlich der Imbisswagen! Da steht er – nein, er bewegt sich! Tina radelt schneller, kommt aus der Puste. Männer in Orange schauen ihr hinterher, einige feuern sie an. Manno! Nicht mehr einzuholen. Dabei hätte er das Geschäft seines Lebens machen können.
Jetzt wird es endgültig Zeit, heimzufahren. Sie lässt sich von der Navi-App weiter leiten, biegt um zwei Kurven und stößt endlich auf urbanes Leben: eine Geschäftsstraße. Hier war sie auch noch nie. Und was ist das da für ein Gebäude neben der Bushaltestelle? Nein, so viel Glück kann sie nicht haben. Sie radelt näher. Ein viereckiger Glasbau, eine ausgefahrene Markise mit Aufdruck Café Möllenkamp. Kein Zweifel.
Hastig strampelt sie die letzten hundert Meter, schließt ihr Rad mit dem Zahlenschloss ab und stellt sich unter die schützende Markise. Vergoldete Türgriffe, ein Neueröffnungsschild, farbige Aufkleber überall. Frühstück, Mittagstisch, Kaffee und Kuchen steht da. Das hat sie sich nach all den Strapazen verdient. Aber so in dem edlen Café eintreten wie ein nasser Pudel?
Sie weicht zur Seite, geht sich durchs Haar, wischt über die dicke Winterjacke. So gut wie trocken. Zum Glück ist das Material wasserabweisend. An der Seite sieht sie ein DHL-Paketstation-Schild. Es wird immer besser! Sie schnappt sich ihre durchtränkte Strickjacke aus dem Drahtkorb und schüttelt sie aus.

Kaffeeduft und der Geruch frischer Backwaren und gebratener Bacons strömen ihr in die Nase. Gedämpftes Licht; aus den Lautsprechern klingt beruhigende Klaviermusik. Auf der Suche nach einem freien Tisch geht sie durch die vollen Reihen, nimmt das Geschwätz der Gäste wahr, nickt lächelnd einigen Leuten zu. Teller, Gläser und Tassen klimpern. In einer Glasvitrine sind Torten präsentiert. Herrlich!
Am anderen Ende findet sie einen Tisch. Sie hängt die Winterjacke über ihren Stuhl und die Strickjacke über den anderen. Wildlederbezüge, ganz neu. Jetzt bloß keine Wasserflecken hinterlassen. Sie schnappt sich die beiden Tisch-Sets, auf dem die Speisen und Preise aufgedruckt sind und legt sie unter ihrem Po.
Kurze Zeit später steht ein Kellner vor ihr. „Hallöchen! Was darf’s denn sein?“ Er blickt auf den Tisch. „Oh, Sie haben ja gar keine Menüblätter. Moment, ich hole Ihnen welche.“
„Nein, nein, keine Umstände! Ich hätte gerne vier verschiedene Brötchen. Butter, Käse und Schinken, Lachs mit Meerrettich, Roastbeef mit Remoulade, Rühreier mit Speck und Zwiebeln, O-Saft, Piccolo, Latte macchiato. Und zwei Scheiben Pumpernickel extra.“
„Keine Marmelade?“
„Nein.“
„Ist Bio und selbst gemacht.“
„Nein.“
„Ist notiert“, sagt er. „Kann aber ein wenig dauern. Wir kommen kaum nach.“
„Danke. Ach so, noch was.“ Tina beugt sich vor. „Ich würde gerne ein Paket retournieren, habe aber keinen DHL-Aufkleber. Können Sie da was machen?“
„Na, wenn Sie ihre Anmeldedaten vom Onlineshop kennen, – in der Regel ihre E-Mail-Adresse – und das Passwort, dann ist das kein Problem.“
„Äh“, Tina überlegt kurz, „klar! Ich habe nur eine einzige Mailadresse und, äh …“, sie lächelt verlegen, „nehme überall das gleiche Passwort.“
„Das kenne ich.“ Der Kellner grinst. „Sie können sich dann gerne bei uns am Schalter an einem Tablet auf der Händlerhomepage anmelden und sich das Retourenetikett erzeugen lassen. Das scannen wir dann einfach ein.“
„Geht das auch auf meinem Handy?“
„Aber sicher.“
„Hm“, sagt Tina, „danke.“
Der Kellner eilt zum nächsten Tisch. Tina lächelt ihm hinterher, ballt die Fäuste unter dem Tisch und überlegt, ob sie sich nicht nur den Horst, sondern auch die Frau in ihrem Hosenanzug vornehmen soll, die sie mit ihrer bescheuerten DHL-App in den Wahnsinn getrieben hat.

Tina schaut aus dem Fenster. Warum hat es nicht schon früher aufgehört zu regnen? Die Winterjacke sieht noch aus wie neu, – selbst das Preisschild baumelt noch dran. Einen Karton und Klebeband wird sie hier sicher bekommen, und wenn es ein leerer Tortenkarton ist. Hauptsache, sie wird die Jacke los, die ihr so viel Ärger bereitet hat.
Doch allein in der dünnen Bluse wird es draußen zu frisch sein, da erkältet sie sich bloß. Sie schaut zur Wollstrickjacke. Oh je! Unter und um den Stuhl herum hat sich eine Wasserlache gebildet. Außerdem ist der Wildlederbezug des Stuhls feucht geworden. Sie hätte die Wolljacke draußen ordentlicher auswringen sollen.
Leider keine Servietten oder Taschentücher zur Hand. Sie steht auf, zieht die Winterjacke über, legt sich die Wolljacke über den Arm und schiebt in einem unbeobachteten Moment mit dem Fuß ein Teil des Tropfwassers auf dem Boden beiseite.

Die Schiebetür öffnet sich selbstständig, als Tina vor dem Eingang des Damen-WCs tritt. Große Spiegel, moderne Apparaturen, kleine Parfümflakons und Deosprays am Waschbeckenrand. Sie begutachtet die Winterjacke von allen Seiten. Nichts, was einer Rücksendung im Wege stehen würde. Sie hat mal gelesen, dass junge Frauen sogar ihre auf wilden Partys getragenen Kleidchen wieder umtauschen!
Jetzt nur noch die Wolljacke trocknen, dann lecker frühstücken und alles ist vergessen. Mensch, da hat sie ihrer Freundin aber eine unglaubliche Geschichte zu erzählen. Was wäre passiert, wenn sie auf ihre Wetterankündigung gehört hätte? Tina bricht in ein beinahe hysterisches Lachen aus.
Schluchzend beginnt sie die Jacke auszuwringen. Jeder einzelne Wollfaden scheint sich vollgesaugt zu haben. Da braucht sie ja Stunden! Sie greift zum Papierspender, versucht mit dem rauen Papierhandtuch Wasser abzutupfen, es aufzusaugen. Nimmt noch ein Tuch und noch eins, plündert den Spender vollends. Hilft nicht wirklich.
Da fällt ihr der automatische Handtrockner ins Auge. Der warme Luftstrom! Sie hält die Wolljacke ein Stück in das Gerät, zieht sie wieder heraus, fühlt drüber. Vorsichtig steckt sie die Jacke komplett in die Öffnung. Das gute Stück passt soeben hinein, der Trockner summt und bläst warme Luft. Zwei Minuten dürften reichen. Nicht mehr.
In der Zwischenzeit kann sie sich schnell frisch machen. Sie betrachtet sich im Spiegel. Oh je! Strähniges Haar, herunterhängende Lider, wässrig weiße Augenränder. Sie wischt sich die verlaufene Schminke mit dem T-Shirt ab, geht sich durchs Haar und sprüht sich mit allen Düften ein.
Ihr Magen knurrt. Ob das Frühstück schon serviert wurde? Sie tritt aus der Tür, schaut um die Ecke. Was riecht hier so angekokelt? Die Baumwolljacke!
Sie eilt zurück, zerrt an der Jacke, bekommt sie nicht aus dem Trockner herausgezogen. Sie zieht noch fester. Klack! Die Sicherung springt heraus, das Licht erlischt. Gelbe und rote Funken sprühen aus dem Gerät, die Jacke qualmt. Aus einer Kabine schallt es: „Machen Sie das Licht wieder an! Ich bin noch nicht fertig!“
Tina versucht, die kokelnde Jacke mit bloßen Händen aus dem Trockner zu befreien. Zu heiß. Sie öffnet die nächste Kabine, findet im Dunklen die Klobürste, stopft und drückt mit ihr so lange gegen die brennende Jacke, bis sich die Bürste in ihr verheddert hat. Mit letzter Kraft presst sie die Klobürste samt drumherum gewickelter Jacke heraus. Beidhändig streckt sie die lodernde Fackel weit von sich, während die Frau noch immer an der Kabinentür klopft. „Ich will hier raus! Wie rum muss ich drehen? Die Tür klemmt!“
Reflexartig hält Tina die Fackel ins Waschbecken. Der Infrarot-Sensor am Hahn springt nicht an, es läuft kein Wasser heraus. Verdammte Technik! Das brennende Teil einfach ins Becken legen ist keine Lösung, die herumstehenden Parfums und Deos könnten explodieren. Einfach auf den Boden fallenlassen und wild Drauftreten geht auch nicht, da würde sie sich die Füße verbrennen. Und wer weiß, was außer den heruntergefallenen Papiertüchern noch alles Feuer fangen könnte.
Sie muss schnell handeln, es wird unerträglich heiß. Der Plastik-Bürstengriff beginnt zu schmelzen, es stinkt, glühende Teilchen springen ihr entgegen. Sie hält die Fackel weit nach oben. Plötzlich ein schriller, anhaltender Ton – Rauchmelder und Sprinkleranlage gehen an.
Die Frau in der Kabine ruft: „Hilfe! Ich werde nass! Ich will endlich raus!“

Mit der Fackel in Händen flüchtet Tina aus dem Klo. Leute schreien auf, springen zur Seite. Nun sprüht auch Wasser von den Decken des Speisesaals herunter. Im Stakkato ertönen Alarmsirenen, Notbeleuchtung an Decken und Wänden geht an.
Tina sieht, wie jemand in der Wasserlache an ihrem Tisch ausrutscht und auf dem Bauch landet. Als hätte sie es geahnt.
„Bewahren Sie Ruhe!“, ruft ein Kellner. „Folgen Sie mir zum Ausgang.“ Wie auf Kommando schwirren daraufhin Leute kreuz und quer durch den Saal. „Feuer! Feuer!“, schreien welche. Einige schlittern über die feuchten Fliesen, andere kommen ins Stolpern. Ein Herr stürzt zu Boden, eine Dame über ihn. Tische und Stühle fallen um, Geschirr scheppert, Eier kullern durch die Gänge, Tina rennt Richtung Ausgang. Im Hintergrund klimpert Richard Clayderman seine Ballade pour Adeline.

Auf dem Bürgersteig steht ein Menschenauflauf im Halbkreis vor dem Gebäude. Tina rennt durch den Pulk, Leute weichen aus. Da sieht sie einen Müllbehälter an der Bushaltestelle und eilt drauf zu. Ein älterer Herr ruft noch: „Nein!“ Zu spät. Aus dem Behälter brennt es lichterloh. Leute brüllen und kreischen, eine Kellnerin versucht, mit ihrer Schürze das Feuer im Mülleimer zu ersticken, andere zücken ihre Handys, rufen Hilfe, fotografieren, filmen.
Das Fahrrad! Wo hat sie es nur abgestellt? Links oder rechts? Da ist es! Sie dreht am Zahlenschloss. Wie lautet noch mal der Code? Ist es ihr Geburtstag? Ihr Hochzeitstag? Der Tag ihrer Scheidung? Nach mehrfachem Probieren fällt ihr der Code wieder ein und sie tritt heftig in die Pedale.
Sie saust um die Ecke, zwei Kellner haben die Verfolgung aufgenommen. Mit Sirenengeheul tost eine Kolonne Löschzüge und ein Rettungswagen herbei. Die Linie 85 trottet heran und hält in sicherer Entfernung vor der brennenden Bushaltestelle.
Bloß. Weg. Hier!
Mit letzter Anstrengung strampelt sie weiter. Welcher Gang ist noch mal der schnellste? Hektisch fummelt sie an der Gangschaltung herum. Da springt in voller Fahrt die Fahrradkette vom Kettenblatt.

 

Hallo @GoMusic ,

also schreiben kannste. Das alles hat sich sauber runtergelesen, flott geschrieben, gar keine Frage und gut formuliert, bin über praktisch nix gestolpert.
Aber nun kommt mein Aber: der Plot ist allzu schlicht. Klar, es passiert viel und man kann auch deiner Prota gut folgen in ihren Handlungen und Gedankengängen, aber ich hätte mich nicht getraut, so etwas ansich Schlichtes als Thema für eine Geschichte zu nehmen.
Ich hoffe, ich bringe dich damit nicht in eine Identitätskrise oder gar zu Schlimmeren, aber wenn du schon so gut schreiben kannst, es dir also kaum schwer fällt, Sachverhalte gut darzustellen und anschaulich zu sein dabei und obendrein auch noch ein gewisses Tempo in deine Handlungen zu bringen vermagst, man also nicht einschläft ob der Langatmigkeit, wieso (verflucht nochmal) suchst du dir nicht anspruchsvollere Themen raus?
Trau dir doch mal was zu? Ich trau es dir jedenfalls zu und finde, diese Geschichte ist schlicht verschenktes Potential. Sorry, aber ich möchte es nicht feinfühliger dosieren.

Ein bisschen Textkram ist auch noch, aber echt sehr sehr wenig:

reißt sich dabei an einer Falz den Fingernagel ein.
Wenn einer Frau der Fingernagel einreißt, dann übergeht sie diese Katastrophe nicht einfach. Hier müsstest du mindestens noch einen Satz anfügen, was sie nun vorhat, um den zu retten bzw. was sie bedauernderweise feststellt, was nun alles an dem Nagel gemacht werden muss. Mindestens feilen! Und damit ist dieser Nagel kürzer als die anderen und es sieht ungleich aus und aus Frauensicht dann katastrophal, um dir mal ein wenig Frauengedankeninput zu geben.
purzeln auf dem
den
umschließt den Karton mit Tesafilm, hebt den Papierkram auf, füllt den Retourenzettel aus, legt ihn hinein
Hier bist du mit der Reihenfolge ins Schleudern geraten: Erst den Retourenzettel ausfüllen, dann den Retourenzettel rein in den Karton, dann den Karton mit Tesafilm umschließen.
„Ein paar Minuten reichen sicher. Möchten Sie Kaffee?“
Ich zweifele an, dass der Mann sagt, dass ein paar Minuten reichen. Wozu sollte er das tun?
Er wird ihr sicherlich etwas zu trinken anbieten. Daher würde ich den zweiten Satz stehen lassen, den ersten ersatzlos streichen.
Kundenservice! Pah!
Hier weiß ich nicht so genau, was sie für eine Frau ist. Ist sie tatsächlich der Ansicht, dass der Kundenservice mau ist? So wie du es vom Sachverhalt her angelegt hast, ist der Kundenservice genau das Gegenteil. Für verpeilte Menschen muss dieser Service nichts anbieten an extra idiotensicheren Möglichkeiten. Also aus meiner Sicht hat der Service alles getan, um eine Retoure leicht zu ermöglichen. Was also genau willst du nun andeuten?
Wenn du damit sagen willst, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennt, dann bring doch noch einen kleinen Satz dazu an, dass man weiß, dass sie jetzt grad echt die Peilung nicht mehr hat. Das würde ihren Gedankengang verständlicher machen.

Fazit: Ich nehme dir hiermit hoch und heilig dein Versprechen ab, dass deine nächste Geschichte inhaltlich mehr Wucht enthält! Falls dir dazu der Mut fehlen sollte, schreib mich direkt an, dann schau ich mir gerne deinen nächsten geplanten Plot daraufhin an.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo GoMusic,
deine Geschichte hat mich ganz ermattet zurückgelassen - ich konnte mich zu gut einfühlen in die Irrfahrt der armen Tina . War sehr, sehr schön zu lesen - besonders der Päckchenmord am Ende :)! Zu mäkeln habe ich nichts, daher ist dieser Kommentar ziemlich kurz ...
Danke für's Lesevergnügen,
Eva

 

@GoMusic Ich finde es Klasse, wie du aus einer alltäglichen Situation solch eine Geschichte zaubern kannst. Es gehört viel Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen dazu, um Dynamik in das Handeln zu bringen. Du machst kurze Sätze und deine Story liest sich flott mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Habe sie gern gelesen. Danke.

 

Moin @GoMusic,

danke für Deine Geschichte.
Ich stimme @lakita zu, sie liest sich zügig weg.
Viele Kleinigkeiten fand ich super, trotzdem hättest Du mich beim Tante-Emma-Laden beinahe verloren, da es mir dann doch a) zu viel Banalität und b) deine Prota für meinen Geschmack ein wenig zu überzeichnet und dadurch das große Ganze unglaubwürdig rüberkam. Dein gutes Tempo und deine Erzählstimme haben mich den Text beenden lassen.

Die Strecke geht bergauf. Das Käsebrötchen kommt ihr hoch. Es herrscht Gegenwind. Sie rülpst.
An dieser Stelle hast Du mich zum lachen gebracht. Die kurzen, knackigen Sätze mit dem Rülpser am Ende machen deine Figur sehr menschlich. Hat mir gut gefallen.

Was soll’s? Zurücksenden ist ja heutzutage so einfach.
Das klingt, als würde sie nicht zum ersten Mal eine Retoure versenden. Vieles was danach passiert, widerlegt mMn diesen Gedankengang.

Auf halber Strecke, zwischen Maisfeld und Acker, ist der Handyakku leer. Unbeirrt radelt sie weiter, stößt schließlich auf einen begehbaren Kiosk mit Café, der leider kein Hermes, sondern DHL anbietet.
Sie geht hinein, begrüßt den älteren Mann hinter der Theke und liest die Adresse vom Handy ab.
Wie kann sie die Adresse vom Handy ablesen, wenn bereits vor dem Kiosk der Akku leer ist?


Gerne gelesen,
Seth

 

Hallo @GoMusic :-)

schön, mal wieder etwas von Dir zu lesen :-)

Mich hat der Plot an eine "umgekehrte" Suche nach dem Passierschein A38 (oder A35) aus Asterix erobert Rom erinnert. Tina wird Opfer eines hochkomplexen Logistiksystems, das den simplen Alltagsakt einer Retoure zur Odyssee werden lässt. Natürlich übertreibst du hier (15km Radfahrt im stadtnahen Raum?). Aber die Übertreibung dient dem Unterhaltungswert. Deine Story muss aber auch die Motivation Tinas erklären. Mich hat es gewundert, dass sie das Paket zurückgibt. Wenn sie ein Paket abholt und das Paket von hohem Wert ist (egal ob persönlich oder monetär), könnte dies ihre Motivation plausibler erklären. Aber ja, das nur als simple Idee.

Ich schließe mich @lakita an. Schreiben kannst du gut, sehr gut. Aber deine Geschichte enthält so viel komisches und absurdes Potential. Da wären die Figuren in ihren winzigen Läden. Wenn ich an die Paketshops hier in der Suburbia nachdenke ... kleine Textilstickereiläden, Haushaltsgeschäfte, alte Postbeamte in ihren Schreibwarennischen, die in vergilbten Büchern nach Postwegen in Armenien suchen ... herrlich, herrlich. Oh, jetzt tanzt die Phantasie ein bisschen! Aber deine Geschichte möchte unterhalten, also unterhalte uns!

Hermes,“
Warum kursiv?
Ihr Handy summt. Sie hört die Sprachnachricht ab. „Hi Süße. Boah, die haben ja ein scheiß Wetter angesagt. Und Bernd hat den Wagen. Sorry, aber zu Fuß oder mit dem Rad ist mir das zu ungemütlich. Und mit den Öffentlichen mag ich nicht, wegen Corona. Lass uns das auf nächste Woche verschieben, ja? Bussi!“
Ich hab' nicht ganz verstanden, was dieses Treffen zur Geschichte beisteuert. Tina erhält ein Paket, Tina probiert die Jacke an, Tina beginnt ihre Retour-Odyssee. Eigentlich beginnt die Geschichte mit ihrem Beschluss, das Paket zurückzugeben, alles andere davor scheint mir Zusatzstoff zu sein.
Sie schaut erneut aus dem Fenster und zieht sich eine leichte Strickjacke über ihre Bluse. Als sie ein paar Minuten später den Kiosk erreicht, stöhnt sie. Geschlossen. Wahrscheinlich ein Opfer von Corona.
Hm, denkt sie das als erstes? Opfer von Corona, das heißt, der Kiosk öffnet nie wieder? Er ist insolvent?
Mit spitzen Fingern zieht sie einen Stuhl hervor, wischt mit dem Ellenbogen über die Sitzfläche und setzt sich auf den Rand. „Äh, ich weiß nicht …“
Könntest du streichen.
Sie errötet, erhebt sich, schaut hinaus. Es hat angefangen zu nieseln. Weit und breit keine Möglichkeit zum Unterstellen. Widerwillig setzt sie sich wieder hin und bestellt den kleinsten Kaffee.
Ist eine Kleinigkeit, vielleicht bin ich hier sehr genau, aber sie empfindet Scham, wenige Zeilen später scheint sie verärgert zu sein. Vielleicht bleibst du bei der Scham und nutzt sie als Handlung: Was tut Tina, um Horst entgegenzukommen?

Das war's!
Lg
kiroly

 

Hallo lakita,

schön, dass du vorbeigeschaut und einen tollen Kommentar dagelassen hast.

also schreiben kannste. Das alles hat sich sauber runtergelesen, flott geschrieben, gar keine Frage und gut formuliert, bin über praktisch nix gestolpert.

Danke für. Freut mich sehr.

Aber nun kommt mein Aber: der Plot ist allzu schlicht. Klar, es passiert viel und man kann auch deiner Prota gut folgen in ihren Handlungen und Gedankengängen, aber ich hätte mich nicht getraut, so etwas ansich Schlichtes als Thema für eine Geschichte zu nehmen.
Ich habe mich aber getraut :-)
Klar, Humor ist oft nicht tiefgründig, veralbert schlichte, tägliche Handlungen. Von nichts anderem erzählen bzw. tragen Comedians vor.
Ich finde daran nichts Verwerfliches.
Ausgeklügelte Handlungen spare ich mir derweilen für andere Geschichten auf.


Ich hoffe, ich bringe dich damit nicht in eine Identitätskrise oder gar zu Schlimmeren, aber wenn du schon so gut schreiben kannst, es dir also kaum schwer fällt, Sachverhalte gut darzustellen und anschaulich zu sein dabei und obendrein auch noch ein gewisses Tempo in deine Handlungen zu bringen vermagst, man also nicht einschläft ob der Langatmigkeit, wieso (verflucht nochmal) suchst du dir nicht anspruchsvollere Themen raus?
Danke, mir geht es weiterhin gut.

Ich persönlich finde die Genres Humor, Kinder und Erotik als die schwierigsten hier. Ich habe dazu bisher noch keinen Text geschrieben, das war mein erster in der Rubrik Humor.

Habe im Laufe der Lesungen, die ich besuche, festgestellt, dass zwischendurch etwas Auflockerndes, etwas Lustiges zwischen all den ernsten Themen eine Wohltat für die Zuhörer sein kann.
Und ich wollte mein Repertoire halt um einen schnellen, humorvollen Text erweitern, um vorbereitet zu sein, wenn ich wieder mal was vorlesen sollte.
Anders: An und an mal ne Schale Pommes rotweiß, nicht immer selbst kochen :-)

Ich trau es dir jedenfalls zu und finde, diese Geschichte ist schlicht verschenktes Potential.
Danke, dass du es mir zutraust.

Ich finde nicht, dass ich Potential verschenkt habe. Ich habe vielleicht ein paar Stunden Lebenszeit fürs Schreiben "verschenkt", dafür aber viel zurückbekommen, wenn ich die anderen Kommentare sehe und an die Reaktionen denke, die ich woanders erlebt habe – nämlich einigen ein Schmunzeln oder Lachen geschenkt.
Da ist nichts verschenkt.


Wenn einer Frau der Fingernagel einreißt, dann übergeht sie diese Katastrophe nicht einfach. Hier müsstest du mindestens noch einen Satz anfügen, was sie nun vorhat, um den zu retten bzw. was sie bedauernderweise feststellt, was nun alles an dem Nagel gemacht werden muss. Mindestens feilen!
Guter Hinweis.
Habe ich sofort angepasst, genau sowie bei deinen Fehlerkorrekturen.

„Ein paar Minuten reichen sicher. Möchten Sie Kaffee?“
Ich zweifele an, dass der Mann sagt, dass ein paar Minuten reichen. Wozu sollte er das tun?
Er wird ihr sicherlich etwas zu trinken anbieten. Daher würde ich den zweiten Satz stehen lassen, den ersten ersatzlos streichen.
Stimmt. Ist nun gekürzt.


Kundenservice! Pah!
Hier weiß ich nicht so genau, was sie für eine Frau ist. Ist sie tatsächlich der Ansicht, dass der Kundenservice mau ist?
Ist nun angepasst.

Wegen "beim nächsten Mal inhaltlich mehr Wucht":
Keine Sorge – Mut fehlt mir nicht, bzw. hat mir bei meinen anderen, bisherigen Geschichten, die auch durchaus anspruchsvolle(re) Themen behandeln, auch nicht gefehlt.

Vielen Dank nochmal. Habe mich sehr gefreut.

Wünsche dir einen schönen Abend.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo @GoMusic,

schön mal wieder etwas von dir zu lesen. Ich muss allerdings sagen, dass ich mit dieser Geschichte nicht viel anfangen konnte. Während des Lesens habe ich mich immer wieder gefragt, um was es dir im Kern geht, also was du hier eigentlich erzählen möchtest. Habe dann gelesen, dass es dir um einen flotten und humorvollen Text ging. Daher denke ich, dass mir dein Text nicht so gut gefallen hat, weil er meinen Humor nicht getroffen hat. Ich fand die Prota doch allzu ernst und auf mich hat es etwas konstruiert gewirkt. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass es für andere Leute besser funktioniert als für mich; finde Humor eine wirklich schwierige Angelegenheit, gerade weil ich als Leser auch sofort Erwartungen daran habe. Kann ansonsten noch sagen, dass ich den Lesefluss sehr gut fand, das hast du geschickt gemacht.

Was mir jedoch noch aufgefallen ist, sind die Wetterbeschreibungen. Ich finde, dass du die noch etwas ausschmücken könntest und mich als Leser noch mehr in die Umgebung reinziehen könntest, wenn du dir dafür etwas mehr Zeit nimmst und meine Sinne ansprichst.

Ich gehe im Detail auf meinen Eindruck ein:

Tina bürstet sich gerade durch das feuchte Haar, als es an der Tür klingelt. Verdutzt schaut sie auf die Uhr. Maria? So früh?, fragt sie sich.
Den Einstieg fand ich nicht weltbewegend, hat mich aber doch gut in die Geschichte reingezogen. Was mich etwas gestört hat, war das "fragt sie sich", das ist meiner Einschätzung nach etwas redundant.

Jetzt schaut sie sich erst mal die Jacke an und sieht dann weiter. Voller Vorfreude öffnet sie den Karton und reißt sich dabei an einer Falz den Fingernagel ein. Der Tag fängt ja wirklich schon gut an.
Ich möchte hier die Präzision und finde es von dir geschickt, wie du das Wort "Falz" einsetzt.

In der Nähe vom Bäcker, wo sie sich direkt ein paar frische Brötchen besorgen kann. Und ein Stück weiter ist ja ein guter Metzger. Na also!
Insgesamt finde ich den Ton locker und manchmal ist mir das etwas zu viel gewissen; das meinte ich weiter oben damit, dass ich den Text manchmal etwas konstruiert finde. Das "Na also!" liest sich für mich etwas zu gewollt.

Ne, zu Fuß zu weit. Da ist sie ja verhungert, bevor sie wieder zu Hause ankommt.
Hier finde ich die Formulierung "Ne, zu Fuß zu weit" auch wieder etwas zu flapsig, kann mir allerdings gut vorstellen, dass das genau deine Absicht war. Auf mich wirkt es etwas zu locker, das kann aber auch gut an meinem Geschmack liegen.

Das Wetter wird schlechter. Ein Wind weht auf.
Das meinte ich damit, dass du hier noch Potential hast. Wie genau fühlt sich das an? Würde mir hier als Leser mehr wünschen, als nur die Information, dass das Wetter schlechter wird.

Auf halber Strecke, zwischen Maisfeld und Acker, ist der Handyakku leer.
Das fand ich einen guten Einfall und ich hatte erwartet, dass das der Grund für Probleme wird. Hat mich interessiert, wollte wissen, wie es wohl weitergeht.

Zufälligerweise hat der Mann ein passendes Ladekabel und schließt es an. „Möchten Sie solange einen Kaffee?“
„And’ren Gästen den Platz wegnehmen geht nich! Bitte draußen warten“, sagt er und deutet entschieden zur Tür.
Erst ist er locker und höflich, hilft ihr ohne Bezahlung weiter und dann dreht sich das auf einmal und er wird herrisch. Für mich hat das nicht zusammengepasst. Ich hätte dann eher erwartet, dass er zu sie so etwas sagt, dass sie ihr Handy nur aufladen darf, wenn sie etwas bestellt. Bin hier etwas drüber gestolpert.

Der Mann serviert das Brötchen auf einem Pappteller. Hält es dabei mit seinem riesigen, vergilbtem Daumen fest. „Macht fünf Euro.“
„Wie?“ Verärgert kramt sie Geld aus dem Portemonnaie.
Denke, dass das eigentlich der Kern des Humors ist: Alles geht schief und sie muss immer tiefer in die Tasche greifen.

„Die nächste DHL-Station ist ‚Café chez Horst‘. Nicht weit von hier. Ein netter, älterer Herr führt den Laden.“ Sie zeigt in die Richtung, aus der Tina gekommen war.
Die Reise geht weiter und ich hätte mir gewünscht, dass du dir etwas mehr Zeit für die Beschreibung der Orte genommen hättest. Ich hatte hier den Eindruck, dass es etwas eilig war.

Der Regen ist stärker geworden. Ein kalter Wind weht.
Hier ist mir das noch einmal mit dem Wetter aufgefallen. Wieder weht der Wind, aber da fehlt mir etwas, da hätte ich mir noch mehr gewünscht, um das erleben zu können.

Zähneknirschend bezahlt sie dreizehn Euro fünfundachtzig für eine farbenfrohe Wollmütze, die zwar warm, aber auch wie selbst gehäkelt aussieht, und kein Preisschild aufweist.
Hier muss sie wieder blechen, tja das ist schon mies und die Situation ist schon sonderbar und denke, dass es wirklich daran liegt, dass das nicht so mein Humor ist.

Plötzlich schießt direkt neben ihr ein Auto durch eine Pfütze, groß wie ein See. Wassermassen stürzen auf sie hernieder. Ein Dammbruch.
Das einzig Trockene am Körper ist ihre Unterhose.
Und wieder geht alles schief.

Sie schmeißt den Karton oder das, was es mal war, auf den Boden. Stampft immer wieder auf ihm herum, bis nur noch ein flaches Etwas übrig bleibt, das sie mit dem Fuß über die Bordsteinkante stößt.
Finde ich gut geschrieben und ist auch ein gutes Beispiel für den Lesefluss. Ich finde, dass du gut schreiben kannst. Wahrscheinlich hat mir die Geschichte einfach deshalb nicht so gefallen, weil ich eine andere Art Humor bevorzuge. Was den Text an sich angeht ist mir vor allem das mit dem Wetter aufgefallen und an einigen Stellen hätte ich mir eine noch detailliertere Beschreibung der Orte gewünscht.

Ich hoffe, dass du damit etwas anfangen kannst.


Beste Grüße
MRG

 

Hallo Eva,

danke fürs lesen und kommentieren.

deine Geschichte hat mich ganz ermattet zurückgelassen - ich konnte mich zu gut einfühlen in die Irrfahrt der armen Tina
Das freut mich sehr.

War sehr, sehr schön zu lesen - besonders der Päckchenmord am Ende :)!
Danke für das Lob.

Danke für's Lesevergnügen,
Und dir für deinen Kommentar. Das tut richtig gut.


Hallo Billi,

schön, das du hierhin gefunden hast.

Ich finde es Klasse, wie du aus einer alltäglichen Situation solch eine Geschichte zaubern kannst. Es gehört viel Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen dazu, um Dynamik in das Handeln zu bringen.
Wow. Klasse.
Ja, Alltägliches allein ist ja langweilig, aber auf die Spitze getrieben ... ;)
Danke für deine Einschätzung.


Du machst kurze Sätze und deine Story liest sich flott mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Habe sie gern gelesen.
Schön, dass du schmunzeln solltest. Das war das Ziel.

Danke euch beiden.

Vielleicht schreibe ich in Zukunft weitere solcher kleinen Geschichten. Ich wurde auf den Geschmack gebracht. Für so Zwischendurch als Auflockerung auf jeden Fall gut geeignet.

Gerade auch für mich, da ich dann in Ruhe herumalbern kann. Das Kind im Manne und so ... :lol:

Einen tollen Tag.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Guten Morgen @GoMusic

ich schließe mich einigen Vorredern an. Super schreiben kannst Du und weißt ja hoffentlich auch, dass ich großer Fan Deiner Texte bin. Die Geschichte ist super flüssig geschrieben, ich bin nah bei der Prota, kann mir alles bildlich vorstellen, bin in den Szenen dabei. Aber mir ist die Thematik auch ein wenig zu banal. Du schreibst über einen typischen "Scheißtag", den bestimmt jeder von uns schon einmal erlebt hat. Hat nen guten Unterhaltungswert, aber mir persönlich ist das zu wenig tiefgründig. Weißt ja, als Thrillerfan stehe ich eher auf Abgründe. Hat aber trotzdem Spaß gemacht, die Story zu lesen.

Hier noch ein paar Kleinigkeiten.

Der Tag fängt ja wirklich schon gut an.

Streichkandidat. Unnötiges Füllwort.

Auf dem Radweg weicht sie einigen Biotonnen aus, die der Sturm niedergerissen hat, schlittert über feuchtes Laub, hält soeben das Gleichgewicht.

Das klingt seltsam.
Vorschlag: hält gerade mal so das Gleichgewicht

Plötzlich schießt direkt neben ihr ein Auto durch eine Pfütze, groß wie ein See. Wassermassen stürzen auf sie hernieder. Ein Dammbruch.
Das einzig Trockene am Körper ist ihre Unterhose.

Das ist dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Und am Ende ist die Jacke noch zu was gut :D

Mit ihrem Hausschlüssel stößt sie Löcher in den Karton, als würde sie mit einem Messer auf einen Menschen einstechen, zerfetzt ihn geradezu. Sie zieht die warme Winterjacke an, stülpt die Kapuze über und zurrt die Bänder ganz eng. Die Ärmel baumeln ihr über die kalten Hände. Die Farbe der Jacke ist in der Düsterheit kaum auszumachen.

Müsste es nicht Düsternis oder Dunkelheit heißen?

Ganz liebe Grüße und einen schönen Tag,
Silvita

 

Hallo @GoMusic ,

ich mag deinen Schreibstil und stimme dir zu, dass Humor ein schwieriges Genre ist und auch, dass eine witzige Geschichte gut platziert in einer Lesung auf jeden Fall eine Bereicherung ist. Leider fand ich deine Geschichte - bis auf ein paar Flashlights wie den gut platzierten Rülpser - der deinem wirklich guten Schreibstil geschuldet ist - nicht so witzig.
Für mich klingt die Geschichte in einen Satz zusammengefasst so: "Eine Frau ist zu blöd den Wetterbericht zu checken, nachdem sie auf eine Schlechtwetterfront hingewiesen wird und beweist dabei, dass sie ebenfalls zu blöd ist den Ladestand ihres Handys zu prüfen und eine heute alltägliche Retoure abzuschicken."
Das ist mir zu viel "zu blöd".

Für mich hätte die Geschichte was witziges, wenn sie nach der Meldung ihrer Freundin, noch bevor sie den Wetterbericht checken kann, eine Nachricht bekäme, dass ihr das Paket nicht zugestellt werden kann, weil sie nicht zuhause erreichbar war, aber beim Blick aus dem Fenster - wegen dem Wetter - gesehen hat, dass das Lieferauto an ihrem Haus vorbeifährt, sich daraufhin auf die Jagd nach ihrem Paket begibt und letztlich mit leerem Akku triefend nass eine zu große Winterjacke in den Händen hält.
Da wäre weniger Blödheit und immer noch ganz viel alltägliches im Spiel.

Liebe Grüße
feurig

 

Hallo @GoMusic ,


Ich habe mich aber getraut :-)
Klar, Humor ist oft nicht tiefgründig, veralbert schlichte, tägliche Handlungen. Von nichts anderem erzählen bzw. tragen Comedians vor.
Ich finde daran nichts Verwerfliches.
Ausgeklügelte Handlungen spare ich mir derweilen für andere Geschichten auf.
Verwerfliches sollst du dir auch nicht vorwerfen. So extrem habe ich es nicht gemeint.
Und ich räume ein, dass nicht nur der Geschmack darüber, ab wann etwas witzig oder gar sehr witzig ist, weit auseinander klaffen kann und schon gar nicht lässt sich über den Humorgeschmack streiten (es sei denn, er gerät an die strafbare Grenze, was aber bei dir nicht mal andeutungsweise der Fall ist).
Es spricht aber auch rein gar nichts gegen tiefgründigen Humor oder?

Die Frage, die sich mir nach deiner Antwort stellt ist die, ob man nicht grundsätzlich immer das Optimum an Niveau anstreben sollte, um dann auf diesem Höchstpunkt gute witzige Texte zu verfassen.
Oder ob man schlicht sagen sollte: dieses hier ist ein Text für eher schlichtere Gemüter, wobei dann schon mal die Frage ist, wer ist das genau, welche Leser habe ich da vor mir, und damit ist es ein guter Text, weil er genau diese Leser gut unterhält.
Ich habe darauf keine abschließende Antwort.

Und da du mir (so hoffe ich doch), meine Kritik nicht Übel genommen hast, kann es auch damit sein bewenden haben.


Ich persönlich finde die Genres Humor, Kinder und Erotik als die schwierigsten hier. Ich habe dazu bisher noch keinen Text geschrieben, das war mein erster in der Rubrik Humor. Habe im Laufe der Lesungen, die ich besuche, festgestellt, dass zwischendurch etwas Auflockerndes, etwas Lustiges zwischen all den ernsten Themen eine Wohltat für die Zuhörer sein kann.
Und ich wollte mein Repertoire halt um einen schnellen, humorvollen Text erweitern, um vorbereitet zu sein, wenn ich wieder mal was vorlesen sollte.
Anders: An und an mal ne Schale Pommes rotweiß, nicht immer selbst kochen :-)
Ja, ich stimme dir in soweit zu als ich auch Humor und Erotik für arg schwierig empfinde.

Und ja, auch mir ist bei meinen Lesungen aufgefallen, dass das Publikum oftmals erfreut ist, auch mal leichteste Kost konsumieren zu dürfen und nicht immer angestrengt jeden einzelnen Satz komplett in sich aufnehmen zu müssen.
Aber ich erinnere mich auch an die Lesungen, die einmal monatlich hier in Hamburg unter der Leitung von gox stattfanden und wo sich zum Teil immer wieder die gleichen Herren mit ihren immer gleichgerichteten Humortexten zu Worte meldeten und ich heilfroh war, dass die Lesezeiten auf maximal 10 Minuten begrenzt waren. Solche seichten Sachen können auch gerne mal reinste Folterinstrumente beim Zuhören werden.
Ich plädiere daher immer für das hohe Niveau, aber hätte jetzt auch keine Mordgedanken, wenn du mich für eine arrogante Frau deswegen halten würdest. :D

Lieben Gruß


lakita

 

Hallo Seth,

freue mich, dass du dabei bist.

Ich komme derzeit mit den Antworten kaum hinterher. Auch jetzt nur schnell in der Pause ... Sorry fürs Warten ...

Ich stimme @lakita zu, sie liest sich zügig weg.
Das ist schon mal gut.


Viele Kleinigkeiten fand ich super, trotzdem hättest Du mich beim Tante-Emma-Laden beinahe verloren, da es mir dann doch a) zu viel Banalität und b) deine Prota für meinen Geschmack ein wenig zu überzeichnet und dadurch das große Ganze unglaubwürdig rüberkam.
Freut mich, dass du einiges super findest. Ist immer so eine Frage, was übertreibt man und wie weit. Ist dann teilweise auch Geschmacksache.

Ja, Banalität, da stimme ich dir zu. Sie sollen als Träger/als Basis für das dienen, was dabei alles schief gehen kann, für das Absurde.

Dein gutes Tempo und deine Erzählstimme haben mich den Text beenden lassen.
Super. Danke, dass du durchgehalten hast und deine Gedanken mit mir teilst.


Die Strecke geht bergauf. Das Käsebrötchen kommt ihr hoch. Es herrscht Gegenwind. Sie rülpst.
An dieser Stelle hast Du mich zum lachen gebracht. Die kurzen, knackigen Sätze mit dem Rülpser am Ende machen deine Figur sehr menschlich. Hat mir gut gefallen.
:bounce:


Was soll’s? Zurücksenden ist ja heutzutage so einfach.
Das klingt, als würde sie nicht zum ersten Mal eine Retoure versenden. Vieles was danach passiert, widerlegt mMn diesen Gedankengang.
Sehr guter Hinweis. Stimmt!
Habe es nun dahin geändert, dass sie gehört hat, dass Retournieren so einfach sein soll.


Wie kann sie die Adresse vom Handy ablesen, wenn bereits vor dem Kiosk der Akku leer ist?
Ist korrigiert. Kam mit dem Ablauf selbst schon durcheinander. :hmm:


Hallo kiroly,

habe mich auch über deinen Besuch gefreut.

Natürlich übertreibst du hier (15km Radfahrt im stadtnahen Raum?). Aber die Übertreibung dient dem Unterhaltungswert. Deine Story muss aber auch die Motivation Tinas erklären. Mich hat es gewundert, dass sie das Paket zurückgibt. Wenn sie ein Paket abholt und das Paket von hohem Wert ist (egal ob persönlich oder monetär), könnte dies ihre Motivation plausibler erklären. Aber ja, das nur als simple Idee.
Sehr gute Idee.
Ich habe nun eingebaut, dass die Jacke teuer ist. So wird sie das teure Stück also keinesfalls behalten und für zahlen wollen.
Bei preiswerterer Kleidung überlegt man ja manchmal, sie doch zu behalten, auch bei kleinen Mängeln oder hier einer Farbe, die ihr nicht ganz so gefällt.


Ich schließe mich @lakita an. Schreiben kannst du gut, sehr gut. Aber deine Geschichte enthält so viel komisches und absurdes Potential. Da wären die Figuren in ihren winzigen Läden. Wenn ich an die Paketshops hier in der Suburbia nachdenke ... kleine Textilstickereiläden, Haushaltsgeschäfte, alte Postbeamte in ihren Schreibwarennischen, die in vergilbten Büchern nach Postwegen in Armenien suchen ... herrlich, herrlich. Oh, jetzt tanzt die Phantasie ein bisschen! Aber deine Geschichte möchte unterhalten, also unterhalte uns!
Die Figuren, die du beschreibst, sind aber auch ganz schon Klischee :lol:
Gefällt mir. Wenn ich die Story später (wenn der ganze Kleinkram überarbeite ist) mal im Großen überarbeite, überlege ich mir, die Typen noch schräger darzustellen.
Ich komme dann sicher auf dich zurück.


Ich hab' nicht ganz verstanden, was dieses Treffen zur Geschichte beisteuert. Tina erhält ein Paket, Tina probiert die Jacke an, Tina beginnt ihre Retour-Odyssee. Eigentlich beginnt die Geschichte mit ihrem Beschluss, das Paket zurückzugeben, alles andere davor scheint mir Zusatzstoff zu sein.
Das (geplatzte) Treffen führt die Konflikte "Frühstück / Hunger" und "mieses Wetter" ein.

Hm, denkt sie das als erstes? Opfer von Corona, das heißt, der Kiosk öffnet nie wieder? Er ist insolvent?
Da denke ich noch drüber nach.


Ist eine Kleinigkeit, vielleicht bin ich hier sehr genau, aber sie empfindet Scham, wenige Zeilen später scheint sie verärgert zu sein. Vielleicht bleibst du bei der Scham und nutzt sie als Handlung: Was tut Tina, um Horst entgegenzukommen?
Ja, Scham, dann Verärgerung ...
Hm, ein zu großer Unterschied. Der Scham ist nun gestrichen.


Ich danke euch beiden für eure tollen Kommentare.
Ihr habt mir sehr geholfen.

Schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic


*** to be continued **

 

Hallo MRG,

schön, dass du am Ball geblieben bist, obwohl du eine andere Art Humor bevorzugst.
Ich konnte mit deinen Anmerkungen viel anfangen.

Im Einzelnen:

Habe dann gelesen, dass es dir um einen flotten und humorvollen Text ging. Daher denke ich, dass mir dein Text nicht so gut gefallen hat, weil er meinen Humor nicht getroffen hat.
Bin nicht so Experte, denke aber, dass es unzählige Arten an Humor gibt. Ich selbst mag z.B. lieber Torsten Sträter (Gruß an dich, du alter Wortkrieger, falls du mitliest) als Mario Barth. Schwierig, da passend für alle Humorfans zu schreiben.

Ich fand die Prota doch allzu ernst und auf mich hat es etwas konstruiert gewirkt.
Die Story hat einen echten Hintergrund. Hat die Bekannte eines Bekannten doch tatsächlich das falsche Etikett aufgeklebt. Wie konnte sie nur? :D
So entstand meine Idee.

Andere fanden die Prota nicht ernst, sondern blöd. So unterschiedlich sind die Lesereindrücke.

Kann ansonsten noch sagen, dass ich den Lesefluss sehr gut fand, das hast du geschickt gemacht.
Danke.

Was mir jedoch noch aufgefallen ist, sind die Wetterbeschreibungen. Ich finde, dass du die noch etwas ausschmücken könntest und mich als Leser noch mehr in die Umgebung reinziehen könntest, wenn du dir dafür etwas mehr Zeit nimmst und meine Sinne ansprichst.
Gute Idee. Denke ich drüber nach für ein nächstes großes Update.


Was mich etwas gestört hat, war das "fragt sie sich", das ist meiner Einschätzung nach etwas redundant.
Ja, ist nun weg.


Ich möchte hier die Präzision und finde es von dir geschickt, wie du das Wort "Falz" einsetzt.
Gebe den Dank an die o.g. Bekannte eines Bekannten weiter. Genau das ist ihr auch passiert und genau dieses Wort hat sie benutzt :)


Das "Na also!" liest sich für mich etwas zu gewollt.
Ist geändert. Sollte nun besser sein.


Das Wetter wird schlechter. Ein Wind weht auf.
Das meinte ich damit, dass du hier noch Potential hast. Wie genau fühlt sich das an? Würde mir hier als Leser mehr wünschen, als nur die Information, dass das Wetter schlechter wird.

Auf halber Strecke, zwischen Maisfeld und Acker, ist der Handyakku leer.
Das fand ich einen guten Einfall und ich hatte erwartet, dass das der Grund für Probleme wird. Hat mich interessiert, wollte wissen, wie es wohl weitergeht.
Git, dass das zum Weiterleben animiert.


Erst ist er locker und höflich, hilft ihr ohne Bezahlung weiter und dann dreht sich das auf einmal und er wird herrisch. Für mich hat das nicht zusammengepasst. Ich hätte dann eher erwartet, dass er zu sie so etwas sagt, dass sie ihr Handy nur aufladen darf, wenn sie etwas bestellt. Bin hier etwas drüber gestolpert.
Okay, er ist nun ein wenig weniger herrischer.


Denke, dass das eigentlich der Kern des Humors ist: Alles geht schief und sie muss immer tiefer in die Tasche greifen.
Ja, es wird immer teuerer.
Am Ende könnte eigentlich noch ihr Rad kaputt gehen (Memo für mich: notieren). :)


Die Reise geht weiter und ich hätte mir gewünscht, dass du dir etwas mehr Zeit für die Beschreibung der Orte genommen hättest. Ich hatte hier den Eindruck, dass es etwas eilig war.
Eilig war nur die Prota.
Stimmt, Wetter und Orte, da ist Potential.


Sie schmeißt den Karton oder das, was es mal war, auf den Boden. Stampft immer wieder auf ihm herum, bis nur noch ein flaches Etwas übrig bleibt, das sie mit dem Fuß über die Bordsteinkante stößt.
Finde ich gut geschrieben und ist auch ein gutes Beispiel für den Lesefluss. Ich finde, dass du gut schreiben kannst.
:bounce:


Ich hoffe, dass du damit etwas anfangen kannst.

Und ob!

Hab vielen Dank.

Wünsche dir einen tollen Tag.
LG, GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Silvita,

schön, dass es dich hierhin verschlagen hat.

Super schreiben kannst Du und weißt ja hoffentlich auch, dass ich großer Fan Deiner Texte bin.
:herz:


Aber mir ist die Thematik auch ein wenig zu banal. Du schreibst über einen typischen "Scheißtag", den bestimmt jeder von uns schon einmal erlebt hat. Hat nen guten Unterhaltungswert, aber mir persönlich ist das zu wenig tiefgründig. Weißt ja, als Thrillerfan stehe ich eher auf Abgründe. Hat aber trotzdem Spaß gemacht, die Story zu lesen.
Ja, ist dann auch Geschmacksache. Ich kenne noch viel banalere humoristische Texte ;)

Schon mal gut, dass der Unterhaltungswert vorhanden ist. Auf mehr kam es mir hier nicht an. Mal zwischendurch etwas, das man schnell konsumiert, das alles Ernste und Tiefgründiges und alle Gedanken für einen Moment vergessen lässt.


ich mag deinen Schreibstil und stimme dir zu, dass Humor ein schwieriges Genre ist und auch, dass eine witzige Geschichte gut platziert in einer Lesung auf jeden Fall eine Bereicherung ist.
Ja, das war das Ziel.
So vor der Pause einer Lesung einen witzigen Text, bevor es danach wieder mit Krimis etc. weitergeht.

Edit: Ich habe ganz vergessen zu sagen, dass ich deine Vorschläge und Korrekturen gerne übernommen habe, @Silvia
Das gilt auch für alle andere Kommentatoren in den Fällen, wo ich das nicht explizit erwähnt habe.


Hallo feurig,

freue mich sehr über deinen Besuch und Kommentar.

Leider fand ich deine Geschichte - bis auf ein paar Flashlights wie den gut platzierten Rülpser - der deinem wirklich guten Schreibstil geschuldet ist - nicht so witzig.
Wenigstens eine Stelle. :lol:

"Eine Frau ist zu blöd den Wetterbericht zu checken, nachdem sie auf eine Schlechtwetterfront hingewiesen wird und beweist dabei, dass sie ebenfalls zu blöd ist den Ladestand ihres Handys zu prüfen und eine heute alltägliche Retoure abzuschicken."
Das ist mir zu viel "zu blöd".
Ich hatte es oben bei einem anderen Kommentar schon angemerkt, dass der wahre Hintergrund ein falsches Etikett und somit das Aufsuchen des falschen Paketshops der Auslöser meiner Idee dieser Geschichte war. Das könnte jedem passieren, der unbedarft bei Rücksendungen ist. Das halte ich nicht für unbedingt blöd. :)
Auch ein Handy kann mal zwischendurch "leer" werden, gerade wenn man nicht plant, für längere Zeit unterwegs zu sein.
Bei dem Nichtbeachten des Wetterberichts ist es ähnlich.
Der Text baut ja gerade darauf, dass alle drei Dinge auf einmal auftreten.
Kann man "blöd" oder nennen oder Pech. Nur ein Element fände ich aber zu wenig, um etwas aufzubauen, das sich immer weiter zuspitzt. Blödheit oder Pech ist oft der Hintergrund für spaßige Geschichten.
Sicher gibt es auch andere, nicht-blöde Zustände oder Erlebnisse, die sich für humoristische Texte eignen, aber das ist nicht unbedingt das, was ich selber gerne höre, sehe oder lese, wenn ich einfach mal abschalten will. Und man soll ja ruhig darüber schreiben, was man selbst gerne liest. Darum.


Für mich hätte die Geschichte was witziges, wenn sie nach der Meldung ihrer Freundin, noch bevor sie den Wetterbericht checken kann, eine Nachricht bekäme, dass ihr das Paket nicht zugestellt werden kann, weil sie nicht zuhause erreichbar war, aber beim Blick aus dem Fenster - wegen dem Wetter - gesehen hat, dass das Lieferauto an ihrem Haus vorbeifährt, sich daraufhin auf die Jagd nach ihrem Paket begibt und letztlich mit leerem Akku triefend nass eine zu große Winterjacke in den Händen hält.
Da wäre weniger Blödheit und immer noch ganz viel alltägliches im Spiel.
Auch eine gute Idee. Das fände ich aber noch blöder, bzw. direkt am Anfang schon blöd und ohne große Steigerungsmöglichkeiten, weiß doch jeder, dass es i.d.R. einen erneuten Zustelltermin-Versuch gibt oder sich ein Zettel im Briefkasten befindet, wo man es am Folgetag abholen kann. Da muss man das Teil aber unbedingt sofort benötigen, um dem hinterherzujagen. :lol:
Gute Idee, wie gesagt. Lässt sich was draus machen.

Vielen Dank euch beiden.

Eine tollen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo lakita,

danke für deine Rückmeldung.

Verwerfliches sollst du dir auch nicht vorwerfen. So extrem habe ich es nicht gemeint.
Und ich räume ein, dass nicht nur der Geschmack darüber, ab wann etwas witzig oder gar sehr witzig ist, weit auseinander klaffen kann und schon gar nicht lässt sich über den Humorgeschmack streiten (es sei denn, er gerät an die strafbare Grenze, was aber bei dir nicht mal andeutungsweise der Fall ist).
Genau, über Geschmack lässt sich streiten.
Ich habe deinen Kommentar aber auch nicht als extrem gesehen. Hast doch nur gesagt, dass ich gut schreibe könne und das nutzen solle, für eine tiefgründige (Humor-)Geschichte. Alles gut.

Es spricht aber auch rein gar nichts gegen tiefgründigen Humor oder?
Dann sehe ich diese kleine Story hier mal als Start in die Rubrik Humor und nehme mir vor, (auch) mal tiefgründigere Humorgeschichten zu schreiben. :thumbsup:

Die Frage, die sich mir nach deiner Antwort stellt ist die, ob man nicht grundsätzlich immer das Optimum an Niveau anstreben sollte, um dann auf diesem Höchstpunkt gute witzige Texte zu verfassen.
Oder ob man schlicht sagen sollte: dieses hier ist ein Text für eher schlichtere Gemüter, wobei dann schon mal die Frage ist, wer ist das genau, welche Leser habe ich da vor mir, und damit ist es ein guter Text, weil er genau diese Leser gut unterhält.
Ich habe darauf keine abschließende Antwort.
Das ist schwierig. Bei der Zielgruppe kann man sich ganz leicht verschätzen. Ich habe parallel testweise an einen noch schlichteren humorvollen Text gearbeitet und den woanders gepostet (hier bei WK passt der nicht rein). Das war der Text mit den meisten "Daumen hoch"-Kommentaren. Gerade von den Lesern und auch Mit-Autoren, die sonst nur ernste Sachen schreiben. Verrückt.

Kommt neben dem Geschmack auch auf die Stimmung des einzelnen ein, ob man gewillt ist, sich darauf einzulassen. :)
So, ich denke jetzt ist aber auch genug über "tiefgründig" geplaudert worden. Dieser Text hier leistet das nicht und soll es auch nicht.
Ich will ja hier keine anderen Autoren abschrecken, die mit dem Gedanken spielen, hier auch erstmals einen humoristischen Text zu posten. :Pfeif:


Und da du mir (so hoffe ich doch), meine Kritik nicht Übel genommen hast, kann es auch damit sein bewenden haben.
Siehst du richtig.


Aber ich erinnere mich auch an die Lesungen, die einmal monatlich hier in Hamburg unter der Leitung von gox stattfanden und wo sich zum Teil immer wieder die gleichen Herren mit ihren immer gleichgerichteten Humortexten zu Worte meldeten und ich heilfroh war, dass die Lesezeiten auf maximal 10 Minuten begrenzt waren. Solche seichten Sachen können auch gerne mal reinste Folterinstrumente beim Zuhören werden.
Bei solchen Autorentreffen bin ich auch regelmäßig. Auch dort gibt es diese gleichen Herren und ist es auf 10 Min. beschränkt. Glücklicherweise :Pfeif:

Ich plädiere daher immer für das hohe Niveau, aber hätte jetzt auch keine Mordgedanken, wenn du mich für eine arrogante Frau deswegen halten würdest. :D
Wir kennen uns ja schon ein bisschen und ich denke, so weit wird es nicht kommen. :lol:

Hallo Henry K.

schön, dass du hierhin gefunden hast.

Der Text hat Potential, zeigt er doch den alltäglichen Wahnsinn.
Danke.

Genau aus diesem Grund hätte sich der Wahnsinn der Protagonistin meiner Meinung nach über die Handlung noch deutlich steigern können.
Noch mehr steigern? Ups.

Auch denke ich entgegen der anderen Kommentare, dass das schnelle, pointierte Tempo einen Nachteil hat: Es spiegelt nicht die Qualen der Figur wieder, sodass die Form hier nicht dem Inhalt dient. Der Leser müsste sich vielmehr mit der Protagonistin durch die Kette der Ereignisse quälen, anstatt diese wie eine Aneinanderreihung von Witzen wohltemperiert serviert zu bekommen. Natürlich darf der Text dadurch nicht in die Langeweile oder Geschwätzigkeit a gleiten.
Das ist auch eine gute Idee.
Du meinst, dass das hohe Tempo wie Stakkato wirkt und der Leser immer zum nächsten Witz geworfen wird, ohne die Chance zu haben, so richtig mitzuleiden? (Nun, auch das ist schwierig hinzubekommen, finde ich.)
So wie du es sagst, ist die Geschichte tatsächlich nicht konzipiert, würde sie es durch entspr. bedachte Überarbeitungen auch wohl nie werden.

Vielleicht passt deine vorgeschlagene Weise in einen neuen Text, wenn ich eine tiefgründige Humorstory schreibe.
Ich werde mir das merken und darauf zurückkommen.

Gut ausgeführt würde dieser Twist einen Text von höchster, geradezu klassischer Komik schaffen können.
Ja, hoffe ich mal.;)

Ich danke euch beiden für eure Zeit und Worte.

Wünsche einen tollen Start ins Wochenende.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo zusammen,

der Text ist nun ein wenig erweitert, hat mehr Details und anderes.

Auf eure folgenden zwei Anmerkungen möchte ich mich hiermit u.a. nochmal beziehen, MRG und Henry K.:

ich hätte mir gewünscht, dass du dir etwas mehr Zeit für die Beschreibung der Orte genommen hättest.
Die Orte – vor allem die Läden und die Typen in ihnen – sind nun detaillierter charakterisiert.

auch denke ich entgegen der anderen Kommentare, dass das schnelle, pointierte Tempo einen Nachteil hat: Es spiegelt nicht die Qualen der Figur wieder, sodass die Form hier nicht dem Inhalt dient. Der Leser müsste sich vielmehr mit der Protagonistin durch die Kette der Ereignisse quälen, anstatt diese wie eine Aneinanderreihung von Witzen wohltemperiert serviert zu bekommen.
Das Tempo ist nun ein wenig gedrosselt, da noch die eine oder andere neue Hürde zu überwinden ist bzw. die jeweils nächsten Tiefpunkte ein wenig weiter hinausgezögert werden und weil die Figuren stärker in den Vordergrund treten.

Das nur zur Info, falls ihr es euch nochmal anschauen möchtet.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo Henry K.,

Danke fürs erneute Drüberschauen und auch für deine Ausführungen zum Humor. Man könnte noch lange drüber plaudern, aber das würde den Rahmen hier sprengen und wäre auch schon zu viel Off-Topic.


Das wird sicher die dicke, teure Kapuzenjacke sein, die sie vorsorglich für kalte, fiese Wintertage bestellt hat.
Die Beschreibung der Jacke kommt hier lieblos rüber, gewissermaßen wie aus Verpflichtung. Wie wäre es mit so was in der Art:
Danke für deine Gedanken und den Vorschlag, aber mir ist das mit Lebkuchen und Online-Shop und PayPal dann doch zu viel. :)


Da sich die ganze Geschichte um die Jacke dreht, darf sie ruhig gebührend eingeführt werden, finde ich. Außerdem kann man hier primen, warum die Frau so motiviert ist, sie zurückzusenden: Sie hat (zu) viel Geld dafür bezahlt und braucht in ihren Augen dringend eine neue Jacke. Und nur durch die Rückgabe wird der Weg dahin frei. Durch konkrete kleine Elemente wie den speziellen Bezahlprozess via Paypal (natürlich nur ein beliebiges Beispiel) kann man mehr Alltagsnähe für den Leser schaffen und die Geschichte glaubwürdiger machen.
Ich denke, die Motivation ist ausreichend beschrieben. Die Jacke ist teuer und sie will sie nicht.
Alltagsnähe ist natürlich immer gut, aber zu viel macht es dann zu alltäglich und uninteressant. :)
Es bläht zu sehr auf und nimmt unnötig Tempo raus.


Voller Vorfreude öffnet sie den Karton und reißt sich dabei an einer Falz den Fingernagel ein. Der Tag fängt ja wirklich gut an.
Hier erlebt man die Verletzung nicht mit.
War dann wohl doch nicht so schlimm. Sie feilt sich den Nagel und gut ist's. Wenn das mit dem Nagel schon so dramatisch wäre, könnte man später keine weiteren Steigungen mehr einbauen. So denke ich darüber.
Klar könnte man das Nageleinreißen auch mit dem Notarzt enden lassen ... :lol:

Ich habe mich sehr über deine Gedanken und den Austausch mit dir gefreut.

Hab einen schönen Tag.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Zigarettenqualm klebt in der Luft.

Ein alter Tante-Emma-Laden, Relikt aus vergangenen Zeiten.

Schönes Bild, das ein Nichtraucher auch räumlich auf sein persönliches Atmungsorgan beziehen kann, aber vor allem, Du bist ein wahrer Meister der „kleinen“ Leute,

bester GoMusic
links und rechts und südlich und nördlich des Rheines -

wie ein „Wilhelm Busch“ des Ruhrgebiets und seiner (sterbenden?) Kiosk- und Tante-Emma Kultur, das ja nicht nur zwischen Rhein, Lippe und Ruhr sich nach Soest öffnend, sondern auf die andere Rheinseite übergreifend sich breitgemacht hat in seiner HochZeit.

Als der mutmaßlich letzte Fußgänger (keine Bange, Fahrrad ist vorhanden, wird aber erst bei über fünf km rausgeholt aus dem Keller – was soll ich 20 Minuten damit verplempern, es rauszuholen oder zurück in den Keller zu bringen, da hat der ehemalige Krankenhausflurdurchgänger ja schon unangestrengt die Hälfte des Weges hinter sich.

Zum ersten Mal schreib ich hier – kein Scherz! –: ich "fühle" mit Tina die Tücken der Objekte, wie Du nun bei ein paar wenigen Flüsken. Aba wat mut, dat mut!, und so eine schöne grafische Darstellung mit Häkchen wie hier zu Anfang findet man doch selten genug, gelle?

Seufzend tippt sie: „Okay. Wir telefonieren[,]“[…]

„Nö, nur das!“
„Käse[,] bitte.“ Scheint das kleinste Übel zu sein.
Auch würd ich der Bitte ein Ausrufezeichen zugestehen, wobei es zunehmend ignoriert wird (nicht so an sich bei Dear, wie ja der Satz zuvor belegt), als wäre Wunsch, Bitte, Befehl weniger bedeutsam als eine Frage ... Ein Zeichen, dass manche/r Imperatiefen versanden lässt durch ein Körnchen von Punkt ...

Einmal (wohl eher aus Flüchtigkeit) schnappt die Fälle-Falle zu (

„Seit ihm seine Frau verlassen hat“, tuschelt sie geheimnistuerisch, „ist er … ist er. Na ja, aber Horst ist nett.“
und selbst wenn so gesprochen wird, also Du eigentlich nur gewissenhaft protokollierst, sollte man Ruhries und ihre Ableger nicht bloßstellen mit der Weisheit

„mir und mich verwechsel ich nich’,
dat kommt bei mich nich’ vor.
Ich haben kleinen Mann im Ohr,
der sacht mich allet vor.“
Wie immer
gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Friedel,

habe mich sehr über deinen Besuch gefreut. Die Flusen habe ich beseitigt, danke dir.

Du bist ein wahrer Meister der „kleinen“ Leute,
Danke für das Lob. :)

ich "fühle" mit Tina die Tücken der Objekte,
Das freut mich sehr.

Deine zitierte Weisheit der Ruhries kenne ich natürlich :lol:

Wünsche dir einen tollen Tag.

Liebe Grüße, GoMusic

 

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