Was ist neu

Paul und Anke

Mitglied
Beitritt
20.12.2001
Beiträge
30

Paul und Anke

Paul und Anke waren seit nunmehr einem ganzen Jahr ein glückliches Paar, auch dann wenn sie zusammen waren. Zwar durchlebten sie in ihrer Beziehung neben den vielen Höhen auch einige Tiefen, doch fühlten sie sich durch diese noch fester zusammengeschweißt.
Schwer auf den Magen geschlagen hatte Anke Pauls dreiundzwanzigster Geburtstag, als er behauptete, daß es zu den wichtigsten Anlässen im Leben eines Mannes gehörte, sich von seiner ersten Schnapszahl im Erwachsenendasein zu verabschieden und zwar mit entsprechend vielen Gläsern Obstbrand. Seit seiner Taufe hatte die Beziehung zu einem Becken erstmals wieder ein derartig feierliches Ausmaß.
Anke selbst litt unter einer nicht unbedingt seltenen, doch schwerwiegend peinlichen Krankheit, der unglücklich viele verfallen sind, der Logorrhö - einer Art verbalen Durchfalls.
Im ganz speziellen empfand es Paul beglückend, daß nicht nur der gesamte Freundeskreis bestens über seiner Nebenhodenentzündung informiert war, sondern auch die Bewohner sowohl ihrer, als auch seiner Nachbarschaft.
Beide Vorkommnisse hinterließen eigentlich keine nennenswerte seelischen Spuren bei den Beteiligten, wenn man von Pauls Paranoia absieht, die ihn nachts panisch aufschrecken läßt, was gelegentlich zu Schlafstörungen führt.
Dafür sind die Medikamente gegen sein Herzrasen auch sehr verträglich und gänzlich frei von Nebenwirkungen - nahezu wenigstens. Also, meistens.
Um zu stärkender Einigkeit zu finden, wollten sie eine gemeinsame Wohnung in neuer Umgebung beziehen, die dann auch bald gefunden wurde und sofort einzugsfertig war.
Am nächsten Morgen leutete Pauls Telephon - so gegen halb drei.
Das Morgengrauen hatte seinen Namen zurecht, vermutete der junge Mann, als er wieder Luft bekam. Anke begann gerne immer ein klein wenig früher und wollte bei der Schlüsselübergabe um acht Uhr auf keinen Fall zu spät kommen, um einen guten Eindruck beim Vermieter zu hinterlassen.
Paul war sofort von ihrem Aktionismus angetan, aber erst nachdem er ihre Stimme erkannte und das Herzrasen nachließ.
Die Schlüsselübergabe lief dann auch zur Zufriedenheit aller ab, zumal Paul noch ein wenig im Treppenflur auf den Stufen schlafen konnte. So konnte er sich auch gleich an den Gedanken gewöhnen alle zwei Wochen nachts die Treppe zu wischen, um niemanden zu stören.
Beide wollten sie das Mobeliar zu gleichen Teilen stellen, doch als Pauls Transporter vorfuhr,
als er gerade seine Nase kühlte, die seinen Sturz geschickt abgefedert hatte, erkannte Anke rechtzeitig die Inkompatibilität beider Einrichtungen und war so gütig das Fahrzeug gleich zur Deponie weiter zu leiten.
Paul war entzückt von Ankes Umsichtigkeit und ließ versehentlich ihren Fernseher und später dann noch ihren Spiegelschrank im Treppenhaus fallen.
Ohnehin hatten sie sich vorgenommen, sich vor dem Schlafengehen ausgiebig zu unterhalten, um die zwischenmenschliche Kommunikation aufrecht zu erhalten.
Und einen neuen Spiegel kaufen wollte er auch.
Einen Spiegel mit rosafarbenen Rahmen. Immer schon.
Anke hatte in der Zwischenzeit für tatkräftige Unterstützung gesorgt und ihre Exfreunde für den Umzug engagiert.
Thomas und Martin kamen schon im Laufe des Vormittags, um mit Anke das Schlafzimmer aufzubauen, während Paul abermals zum Kühlen im Bad verschwunden war, nachdem er mit Anke die Waschmaschine trug, bis sie plötzlich losließ, weil es geklopft hatte.
Michael, Karsten und Robert kamen schon gleich nach dem Essen, um die Badewanne, die Spüle und die Dusche zu installieren, bis plötzlich Tobias und Marcel mit Ankes Wäschekisten auftauchten, die voller Belustigung bereits eine favorisierte Vorauswahl getroffen hatten.
Ankes Partner empfand die Anwesenheit seiner Vorgänger nicht zwangsläufig als erdrückend, zumindest dann nicht, wenn er mal wieder zum Kühlen verschwunden war.
Ab und an beschlich ihn das Gefühl, daß seine Anwesenheit in der neuen Wohnung so berechtigt sei, wie die Aufführung eines Eisbären in einem märkischen Naturführer.
Doch beide fanden ihren Platz in der jeweils fremden Umgebung.
Abends erschien dann auch noch Christoph, der sich seinen Weg direkt an Paul vorbei gebahnt hatte, ohne ihn auch nur zu grüßen.
Paul war für den Besuch von Christoph sehr dankbar.
Besonders positiv empfand er es, daß dieser alles daran setzte, die Höflichkeit in jeglicher Form zu wahren, als er schnurstracks zu Anke ins Badezimmer lief, während sie die neue Behausung gebührend mit einem Bad einzuweihen wußte.
Wie es sich gehört: Die Dame zuerst, dachte Paul.
Immerhin war Anke mit dem Baden fertig und nicht mehr ganz unbekleidet, als sie in Christophs Armen lag, wußte er sich zu beruhigen.
Den Liedschatten hatte sie bereits aufgelegt und er stand ihr ganz ausgezeichnet.
Kurz darauf trat er dann an Paul heran und brachte ihm ein menschenfreundliches "Tag, junger Mann." entgegen, womit man eigentlich nur bärtige Männer grüßte, die sich an die Jugend zu erinnern wissen, wie Trockenfrüchte an ihre Zeit am Ast eines Baumes.
Er reagierte daraufhin sehr aufgeschlossen und tolerant - aber erst nachdem er versucht hatte, Christoph in der neuen Badewanne zu ertränken oder zumindest die Badgarnitur um seinen Hals zu wickeln.
Insgesamt zog Paul jedoch eher den kürzeren.
Er und Anke haben sich getrennt und zuletzt konnte man ihn auf der Deponie auf der Jagd nach seiner einstigen Einrichtung beobachten, so berichtete zumindest Christoph, der mittlerweile den Platz an Ankes Seite eingenommen hat.

 

Hallo Tränenlicht,

die Idee, immer genau das Gegenteil von dem zu schreiben, was man meint, ist zwar nicht neu, jedoch find ich sie gut.
Du hast dies auch in deinem Text konsequent durchgezogen. Gut so.
Auch deine ironisch-hintersinnige Art so eine Beziehung zu beleuchten hat mir gefallen.
Was mir fehlte war ein etwas flüssigerer Schreibstil.
Manchmal bist du zu knapp in deinen Worten, da hätten etwas gefälligere Übergänge stattfinden können.

Zum Beispiel: "Beide Vorkommnisse hinterließen eigentlich keine nennenswerte ..."
Welche Vorkommnisse?
"Um zu stärkender Einigkeit zu finden, wollten sie eine gemeinsame Wohnung in neuer Umgebung beziehen, die dann auch bald gefunden wurde und sofort einzugsfertig war.
Am nächsten Morgen leutete Pauls Telephon - so gegen halb drei. "
Hier ging ich zunächst davon aus, dass das Paar nun schon zusammenlebt, also zusammengezogen war.
Erst im Weiterlesen wird klar, dass Anke woanders wohnt und ihn geweckt hat.

"Den Liedschatten hatte sie bereits aufgelegt und er stand ihr ganz ausgezeichnet."
Ich nehme mal an (übrigens Lidschatten!), dass Anke nun die neubezogene Wohnung mit Christoph verließ, um sich zu vergnügen oder???
Wie wäre es, wenn du dann irgendwie einfügst, dass Paul es gar nichts ausgemacht hat, nun in Ruhe die ganzen Umzugskartons auszuräumen, während sich Anke zusammen mit Christoph von ihren Strapazen erholt? Nur so mal ein Vorschlag, den du selbstverständlich nicht übernehmen mußt.
Ich wollte dir nur ein paar Beispiele dafür geben, was m.E. an deiner Geschichte fehlt.

Lieben Gruß
lakita

[ 24.07.2002, 12:10: Beitrag editiert von: lakita ]

 

Vielen Dank für Deine Auseinandersetzung. Ich muß Dir jedoch unterstellen, oberflächlich gelesen zu haben.
"Beide Vorkommnisse hinterließen eigentlich keine nennenswerte ..."
Welche Vorkommnisse?
Die Eskapaden der beiden - seine Geburtstagsfeier und ihre Erzählung von seiner Nebenhodenentzündung.
"Um zu stärkender Einigkeit zu finden, wollten sie eine gemeinsame Wohnung in neuer Umgebung beziehen, die dann auch bald gefunden wurde und sofort einzugsfertig war.
Am nächsten Morgen leutete Pauls Telephon - so gegen halb drei. "
Hier ging ich zunächst davon aus, dass das Paar nun schon zusammenlebt, also zusammengezogen war.
Erst im Weiterlesen wird klar, dass Anke woanders wohnt und ihn geweckt hat.

Gut erkannt, das ist bewußt so gemacht und in völliger Absicht geschehen.

Ich nehme mal an (übrigens Lidschatten!), dass Anke nun die neubezogene Wohnung mit Christoph verließ, um sich zu vergnügen oder???

Wie kommst Du drauf, daß sie gegangen sind - nicht ein einziges Wort deutet das an.
Anke war vollkommen nackt, war eben gerade nur beschäftigt sich zu schminken.

Paul macht es sehr wohl etwas aus, daß Christoph da ist, ansonsten hätte er wohl kaum versucht den guten Nebenbuhler zu ertränken, nicht wahr?

Mit freundlichen Grüßen
Tränenlicht

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom