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Profis unter sich

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Profis unter sich

Profis unter sich (überarbeitet 05.02.04)

Herbst. Beginn der Dämmerung. Landstrasse, kurvenreich, verkehrsarm. 80km/h – und das schon seit mindestens sechs Minuten. Der Fahrer des schweren Lastwagens machte keinerlei Anstalten, sich überholen zu lassen. Warum sollte er auch? Schließlich bezahlt er wesentlich mehr Steuern als der Drängler mit seinem schwarzen Mercedes hinter ihm. Keine Chance für Günther den LKW zu überholen. Hupe und Lichthupe blieben ohne Wirkung. Günther war sichtlich genervt. Seit vielen Jahren war er beruflich unterwegs. Früher bekam man für diese Menge an Kilometern, die er jedes Jahr als Verkaufsprofi im Auto zurücklegte, noch eine Auszeichnung. Heute schütteln viele Menschen nur noch den Kopf und sind innerlich froh, dass sie sich nicht täglich mehrere Stunden über Autobahnen und Landstraßen quälen müssen.

Endlich – der Kieslaster bog rechts ab. Straße frei. Die kraftvolle Maschine beschleunigte souverän. Günther liebte das Gefühl, sanft, aber bestimmt in die Leder-Polsterung seines Wagens gedrückt zu werden. Noch schnell am Telephon die Hotelreservierung für heute bestätigen. Sicher ist sicher. Gegen zehn Uhr abends wird er dort eintreffen. Das sagte ihm sein Navigationssystem. Der Asphalt trocken und griffig. Kein Nebel. Die starken Scheinwerfer hatten volle Wirkung. Er durchquerte gerade ein langes Waldstück.

Aus dem Autoradio plätscherte die Melodie von der schönen blauen Donau. Gerade die Stelle, bei der sich beim Wiener Neujahrskonzert jeweils Millionen von Fernsehzuschauern auf der ganzen Welt genüsslich im Takt wiegen und die Hauptmelodie mehr oder weniger einfühlsam mitsummen, oder mitpfeifen.

Günther erinnerte sich: Bevor er in die Kurve einfuhr wurde der Anfang des Walzers gespielt. Diese Pianissimo-Stelle, bei welcher man das Gefühl hat, die Musiker würden noch recht unsicher nach der blauen Farbe in der Donau suchen. Günther mochte diese Stelle. Was er weniger mochte war die Tatsache, dass Dampfwolken unter der Kühlerhaube hervorbrachen. Hatte er wohl sein Pferdchen etwas zu sehr rangenommen? Kochte der Motor? Das wäre ihm heute das erstemal passiert. Er fuhr dieses Auto schon einige Monate, aber noch nie war ihm aufgefallen, dass Mercedes das Sternensymbol auf der Kühlerhaube ganz in der Nähe des Armes des Scheibenwischers platziert hatte. Und warum war plötzlich dieser Baumstamm so nahe an der Windschutzscheibe? An der stark und tief gegliederten Borke erkannte Günther sofort, dass es sich um eine Fichte handeln musste. Die Scheinwerfer leuchteten sinnlos links und recht am Stamm vorbei in die Tiefe des Waldes. Obwohl der Abend eher kalt als kühl war, begann Günther zu schwitzen. Die Tropfen perlten über Stirn und Wange. Aber warum war der Schweiß blutrot?

Von beiden Seiten näherte sich kreisendes Blaulicht, vermischt mit kreischenden Sirenen. Die Feuerwehrmänner schnitten Günther mit präzise eingeübten Griffen in wenigen Minuten aus seinem Wrack. Der Notarzt stellte routiniert seine Diagnose. Dass sie in Latein verkündet wurde, gehörte zur Professionalität, die er ausstrahlte. Leider gehörte auch das steinerne Gesicht dazu, das er aufsetzte. Günther verstand kein Wort. Nur die Polizei fehlte noch. „Unprofessionell“, ging es Günther durch den Kopf. Der Unfallhergang wurde erst eine Stunde später protokolliert.

Die Spritze wirkte schnell. Das kreisende Blaulicht wurde dunkler und verlor an Intensität. Die Geräusche entfernten sich und machten einer inneren Ruhe Platz.

Die Totengräber schwitzten trotz der kühlen November-Temperatur. Als sie das Metermaß anlegten, um die Dimension der ausgehobenen Grube zu kontrollieren, klopften sie sich gegenseitig auf die Schultern. Per Augenmaß hatten sie es wieder geschafft, exakt die Länge und Breite des Sarges abzuschätzen. Und außerdem hatten sie den Rekord, den ihre Kollegen für das Ausheben eines Grabes aufstellten, um sage und schreibe 2 Minuten unter boten. Sie prosteten sich zufrieden über die offene Grube hinweg zu. Endlich Feierabend!

Der Pfarrer war ein Pedant. Er führte genau Buch. Dies war seine 579, Beerdigung in seiner Laufbahn als Seelsorger. Er hatte gelernt, sich zu organisieren. Die 563. Bestattung war ein ähnlich gelagerter Fall wie bei Günther. In der Datei „Lebenslauf 543“ im Computer musste er nur Namen und Daten austauschen. Der Rest war perfekt. Gott sei Dank war das Wetter lausig kalt. So, dass das ganze Zeremoniell am Grab kurz ausfallen konnte. Jetzt hatte er noch genügend Zeit, im nahe gelegenen Altersheim die reiche Witwe Mehler zu besuchen. Sie liegt schon seit gut einer Woche im Sterben. Er machte persönlich mit ihr das Testament, denn sie hatte keine Erben.

Der Autohändler rieb sich die Hände. Die Dollar-Zeichen in seinen Augen blitzen auf. Günthers Witwe wollte den Unfallwagen möglichst schnell los werden. In spätestens zwei Wochen würde das Fahrzeug wieder hergerichtet sein. Er machte dann im Laufe von nur fünf Monaten mit diesem Auto zweimal einen satten Gewinn.

 

hallo Moderator - ich sehe gerade, daß ich die Story in der falschen Sparte gepostet habe. Kannst du sie bitte in den Bereich "Satire" schaufeln? Das wäre toll, denn dort gehört sie hin. Vielen Dank und sorry für das Versehen.

 

Hallo Anna,
Hallo Ernst,

ich sehe das nicht so, dass es um eine Satire handelt.
Sorry Ernst, aber wo soll denn bei deiner Geschichte das satirische Element sein?

Ich bescheinige dir gerne eine gewisse Ironie und vielleicht sogar etwas schwarzen Humor bei manchen deiner Sätze.
So hat mir z.B. ganz besonders gut folgender Satz gefallen, der makaber trieft:
"Die Totengräber schwitzten trotz der kühlen November-Temperatur. Als sie das Metermaß anleg-ten, um die Dimension der ausgehobenen Grube zu kontrollieren, klopften sie sich gegenseitig auf die Schultern. Per Augenmaß hatten sie es wieder geschafft, exakt die Länge und Breite des Sarges abzuschätzen."

Du berichtest von einem Autofahrer, der am Baum landet, noch notärztlich versorgt wird und dann doch stirbt. Das machst du zwar auf für meinen Geschmack gut lesbare und wie ich eben schon sagte, teils humorvoll-ironische Weise, das macht aber noch keine Satire aus.

Die Satire nimmt sich einen zu kritisierenden Sachverhalt zum Thema und verfremdet diesen Sachverhalt durch Verzerrung und Überspitzung.
In dieser Hinsicht fehlt mir bereits schon die Idee, welche gesellschaftlichen oder menschlichen Mißstände du genau kritisieren willst mit deiner Geschichte. Einige Bereiche gäbe es da ja, werden aber von dir nicht deutlich weiter herausgearbeitet: so könnten es sein: LKW-Fahrer, die so behäbig auf der Landstraße fahren, als gehöre sie ihnen und von daher kein Durchkommen oder sagen wir besser Überholen zulassen, aufdringlich kitschige Walzermusik, zu schnelles Fahren,die eiskalte Professionalität der Notärzte,desselben coole Totengräber, seelenlose abgestumpfte Pfarrer, Autohändler mit den Dollarzeichen in den Augen.
Alle dies wären mögliche Themen, sie werden von dir angepeilt, aber keines wird deutlicher ausgeführt.
Es gäbe also noch einiges zu gewichten und auszubauen, um aus deinem Text eine Satire machen zu können.

Gruß lakita

 

Du bist ja schneller, als es die Polizei erlaubt, Iakita - danke.

"die eiskalte Professionalität der Notärzte,desselben coole Totengräber, seelenlose abgestumpfte Pfarrer, Autohändler mit den Dollarzeichen in den Augen" -genau darum geht es. Wie der Titel sagt: Profis unter sich. Aber was fehlt ist die Menschlichkeit. Kein Funke davon zu finden. Nur die fachliche Kompetenz zählt. Das ist es, was ich an den Pranger stellen möchte. Ich muß offensichtlich versuchen, schärfer und prägnanter zu formulieren. Werde es versuchen.

Beste Grüße
Ernst Clemens

 

Hi,

naja, satirisch ist die Geschichte schon irgendwie, auch wenn es nicht deutlich rauskommt.
Ich denke, du könntest, das was du kritisieren möchtest, noch expliziter darstellen und hervorheben.

Ein paar Sachen sind mir noch aufgefallen.

1. Silbentrennung

Die ist wohl noch ein leidiges Überbleibsel von Word. Vielleicht könntest du die trennstriche rauseditieren?

2.

"Aus dem Autoradio plätscherte die schöne blaue Donau im Dreivierteltakt."

Ähm, da ich davon ausgehe, dass nicht wirklich ein Fluss durch das Radio des Protagonisten rauscht, solltest du, da es sich um einen Titel handelt, die Wörter groß schreiben: Die schöne blaue Donau und in Anführungszeichen setzen.

3.

"Günther verstand zwar kein Wort vom medizini-schen Fachchinesisch, aber er las es im Gesicht des Arztes und seiner Helfer ab"

Da du ja unter anderem die Kaltblütig- und Gefühllosigkeit der Ärzte darstellen wolltest, passt das nicht so ganz. Denn wenn er an den Gesichtern der Ärzte erkennen kann, dass es nicht gut um ihn steht, können sie nicht so emotionslos sein, wie du uns verkaufen möchtest, oder? ;)

Insgesamt gefällt mir der Ansatz ganz gut. Du kritisierst quasi alle, die von dem Tod des Protagonisten betroffen sind, die Ärzte, der Pfarrer, den Autoverkäufer...

Doch der Titel hält leider nicht, was er zu versprechen versucht. Schwarz ist diese Satire nicht. Dafür müßtest du "böser" schreiben, verstehste?
Aber sie hat Potential, was bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
Versuch noch mehr herauszuholen. Ich bin sicher, das gelingt dir.

Gruß, pandora

 

Hi Ernst Clemens,

schöne Geschichte zum Schmunzeln. Um es bös wirken zu lassen, bzw. satirisch muss noch einiges geschehen, da hat Lakita durchaus Recht. Halte dich an ihre Vorschläge, wenn du zum Editieren übergehst. Oder lass deine Geschichte nochmals wandern - Richtung Humor. Als Humor, besser: schwarzer Humor wäre sie im momentanen Stand am Besten aufgehoben. Dort könnte sie unverändert stehen bleiben.

Wenn Pandora sich definitiv entscheiden müsste, würde sie wahrscheinlich auch mehr zur anderen Rubrik schielen, gell? Ihr erster, halbherziger Satz klingt jedenfalls schon ganz so. ;) Der letzte Absatz sagt es sehr deutlich.

Gruß vom querkopp

 

querkopp: ehrlch gesagt, finde ich Verbesserungen oder die Versuche, satirischer zu werden viel besser als die ganze Rumschieberei.

[ 15.07.2002, 22:12: Beitrag editiert von: Pandora ]

 

hallo labanc,
danke für's lesen. gut, dass du die geschichte wieder ausgegraben hast.....ich selbst habe sie schon fast vergessen! werde sie mal aus distanz betrachten - und vielleicht noch böser machen!

die bindestriche sind nur ein problem des WORD-programmes.....es steckt also keine absicht dahinter.
ernst clemens

 

hallo oresund,
danke für deine klaren worte...ich kann kritik gut vertragen, wenn sie mit verbesserungsvorschlägen gepaart ist -so, wie du es gemacht hast. ich überarbeite die story nochmals, sobald ich dazu komme.
nochmals danke und ciao
ernst clemens

 

hallo labanc,
ich habe jetzt die geschichte nochmals überarbeitet. gefällt sie dir jetzt besser?

beste grüße
ernst

 

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