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"Purple Prose" ... gibt es ein deutsches Wort dafür. Und wie handhabt ihr das?

Beitritt
23.06.2021
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377

"Purple Prose" ... gibt es ein deutsches Wort dafür. Und wie handhabt ihr das?

Hallo Wortkrieger,

heute morgen bin ich über den Begriff "Purple Prose" gestolpert und habe sofort verstanden, was damit gemeint ist. Blumige, ausschweifende, übertrieben literarisierende Texte, die eher verwirren als fesseln.

Gibt es für den Begriff auch ein deutsches Pendant? Und wie geht ihr damit um, sowohl in eigenen Texten als auch in den Kommentaren?

Neugierige Grüße,
Gerald

 

Hallo,

ich würde vielleicht sagen: manierierte Prosa?

Und wie geht ihr damit um, sowohl in eigenen Texten als auch in den Kommentaren?

Lektorieren der eigenen Texte grundsätzlich in cold blood, dann fällt einem so etwas schneller auf. Dann direkt ausmerzen, weil ich der Meinung bin, Sprache sollte sich nicht so aufdringlich vor die Figuren schieben. Ist natürlich alles Ansichtssache. In fremden Texten fällt mir purple prose sofort und unangenhem auf, deswegen lese ich nur solche Autoren, die sie nicht verwenden. Mir geht das mit ähnlich opulenten Sprachen ebenso, vor allem was heute alles als sprachliches Bild oder Metapher oder Vergleich durchgeht, sind für mich einfach in den meisten Fällen nur Stilblüten. Ebenso ungenau und unpräzise Sprache.

 

Hallo @jimmysalaryman ,

ah, den Begriff 'manierierte Prosa' kannte ich nicht. Trifft für mein Gefühl den Nagel auf den Kopf. Und ja, ich mag das oft auch nicht.

Ich bin ja nicht so gut darin, eigene Texte zu lektorieren. Deshalb mag ich die Wortkrieger so gerne. Hier gibt es einige, die wirklich tolles Feedback zu den Texten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @C. Gerald Gerdsen ,

oopsy, ich war bislang überzeugt, das wäre eine nette Umschreibung für Erotik / Alternative Porn. :lol:

Ähem ... jetzt hab ich mich mal schlau gemacht. *gn*
Könnte man nicht Kitsch Porn sagen - analog zu Torture Porn, wo es ja auch nicht oder ggfs. nur ganz am Rande um Sexuelles geht, sondern eben rein oder zumindest maßgeblich um Splatter & Gore.

Und wie geht ihr damit um, sowohl in eigenen Texten als auch in den Kommentaren?
In eigenen Texten hoffe ich mal sehr, dass das nicht vorkommt. :sconf: Zumindest lese ich es nicht gern bei Fremdtexten. Aber man weiß ja nie, was man so anstellt ...

In Komms: in deinen eigenen oder wie du mit den purple-Komms anderer umgehst? Bei dir selbst: vielleicht gucken, dass du nicht die dramatischen Stimmen deiner Erzähler auf deine Haltung / Stimme als Schreibender abfärben lässt. Halte ich für einen vermeidbaren Tick. Also dafür sorgen, dass man immer eine kritische Distanz zu seinen Erzählern, Protas / Figuren behält.

Mittel dagegen könnten sein:
- Elektronischer Füllsel-Check, eben um die Betriebsblindheit auszutricksen. Das hier (runterscrollen) finde ich sehr gut, besser als den bekannteren BlablaMeter oder Bullshit-Indikator. Am besten so einstellen, dass die überflüssigen Worte nicht rausgelöscht, sondern durch xxx ersetzt werden. Dann sieht man auch, wo man Häufungen hat und was man in diesen Passagen eigentlich gern sagen wollte, es aber mit all den Füllseln nur umschrieben hatte.

- So zu tun, als hätte man ein Zeichenlimit um eine gewisse Zeichenzahl überschritten und müsste kürzen (am besten anwenden, nachdem man bereits lustig gekürzt hat - also als abschließender nach mehreren Durchgängen).
Die ideale Zahl hängt von der Länge deines Textes ab. Ich sag mal Pi mal Daumen: 10% der Zeichen incl. Leerzeichen streichen. Dabei journalistisch kürzen: Nicht ganze Passagen raushauen, sondern Satz für Satz und dann einzelnes Wort für Wort.

Zum Spaß kannst du dir - nachdem du sicher warst, kein einziges Wort mehr kürzen zu können - zwei Wochen lang vornehmen, jeden Tag noch ein Wort zu kicken. Man findet meist immer noch Kram. (Letzteres mache ich nicht immer, das war mal bei einer Zweiseiten-KG, die ich aus sportlichem Ehrgeiz über 40x editiert hatte). Aber den Trick mit den 10% fiktivem Limit-Übertitt wende ich tatsächlich bei jedem Text an, egal, ob Fiktion oder Sachtext.

- Font ändern. Das ist ein genereller Kniff, nicht nur für Kitschsuche. Aber da könntest du eben einen romantisch-geschwungenen Font wählen, sodass Kitsch vllt. besser hervortreten würde.

- Erzähler / Figur mit etwas Selbstironie oder besser Abstand zu sich selbst, selbstkritisch, sollte auch helfen. Schauen, dass man keine Mary Sue hinlegt (sowas macht für mich allein schon Kitsch aus, selbst wenn die Geschichte selbst vllt. gar nicht romantisch ist).

Adjektive an sich finde ich nicht so schlimm - die lesen sich meist nur blöd, wenn sie keine Zusatzinfo zum Substantiv geben, sondern nur etwas doppeln, was das Substantiv eigentlich schon allein aussagt. Oder wenn man zu faul war, das passende Substantiv zu suchen, dafür dann ein Adjektiv + aussageloses, blasses, phrasenhaftes Substantiv bzw. Adverb + blasses Verb nimmt, z. B.: er ging leise anstatt er schlich.

Und wie du sagst: Rückmeldungen, fremde Augen. Das halte ich so wie du für absolut unerlässlich. Betriebsblind ist man ja immer, egal, welche Tricks man alle theoretisch kennt.

Herzlichst,
Katla

 

Ich bin ja nicht so gut darin, eigene Texte zu lektorieren.

Katla hat dir schon viele gute Tips gegeben. Die Frage ist halt, wie du schreiben willst. WAS wird manchmal auch überbewertet. Ich kann einen Western schreiben, der eben wie ein Drei-Groschen Roman klingt, oder mich eher an McCarthy orientieren. Ich kann auch versuchen, einen Western zu schreiben, der so minimalistisch wie eine Story von Raymond Carver ist. Oder so feudal wie etwas von Tolkien. Das ist ja Geschmack. Es ist heute noch oftmals so, dass purple prose sogar vom Feuilleton gefeiert wird, ja sogar als sehr literarisch angepriesen wird - als sei nur dies Literatur. Also, Formalismus über Funktion.

Das ist eine Diskussion, die in den USA schon wesentlich länger läuft, weil dort auch viel mehr Geld bezahlt wird für Vorschüsse, Agenturen, Verträge etc, und der Markt auch heißer umkämpft, da wird eben auch um solche Postionierungen gefightet.
Hier mal ein guter Artikel, schon von 2001: https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2001/07/a-readers-manifesto/302270/

Im Grunde ist das eine Frage der Ästethik. Von der hat man so eine grobe Ahnung, was liest man selber gerne, wozu zieht es einen hin - eben habe ich noch in die Leseprobe von einem neu erschienenen Roman hineingelesen, da gab es direkt auf der ersten Seite übelste Stilblüten meiner Meinung nach, schiefe Bilder etc, aber die Meinungen waren einhellig: Poesie vom Allerfeinsten.

Ansonsten noch: liegen lassen. Text mal drei Monate in der Schublade lassen und wieder rausholen, da springen dich die Kanten direkt an.

 

Hallo @Katla,

oopsy, ich war bislang überzeugt, das wäre eine nette Umschreibung für Erotik / Alternative Porn. :lol: Ähem ... jetzt hab ich mich mal schlau gemacht. *gn*
Das war für mich der Schmunzler des Tages.

In eigenen Texten hoffe ich mal sehr, dass das nicht vorkommt. :sconf: Zumindest lese ich es nicht gern bei Fremdtexten. Aber man weiß ja nie, was man so anstellt ...
Ich habe in Deinen Texten bisher keine Purple-Prose-Lastigkeit entdecken können. :thumbsup:

Bei dir selbst: vielleicht gucken, dass du nicht die dramatischen Stimmen deiner Erzähler auf deine Haltung / Stimme als Schreibender abfärben lässt. Halte ich für einen vermeidbaren Tick. Also dafür sorgen, dass man immer eine kritische Distanz zu seinen Erzählern, Protas / Figuren behält.
Ja, die Balance zwischen Einfühlung in die Potas und Distanz. Beim Schreiben mehr a), bei der Überarbeitung mehr b). Das versuche ich zumindest.

Elektronischer Füllsel-Check, eben um die Betriebsblindheit auszutricksen. Das hier (runterscrollen) finde ich sehr gut, besser als den bekannteren BlablaMeter oder Bullshit-Indikator. Am besten so einstellen, dass die überflüssigen Worte nicht rausgelöscht, sondern durch xxx ersetzt werden. Dann sieht man auch, wo man Häufungen hat und was man in diesen Passagen eigentlich gern sagen wollte, es aber mit all den Füllseln nur umschrieben hatte.
Den Füllsel-Check fand ich gut. Manchmal versteht die Software dinge falsch, aber an ein paar Stellen fand ich das sehr hilfreich.

- So zu tun, als hätte man ein Zeichenlimit um eine gewisse Zeichenzahl überschritten und müsste kürzen (am besten anwenden, nachdem man bereits lustig gekürzt hat - also als abschließender nach mehreren Durchgängen).
Die ideale Zahl hängt von der Länge deines Textes ab. Ich sag mal Pi mal Daumen: 10% der Zeichen incl. Leerzeichen streichen. Dabei journalistisch kürzen: Nicht ganze Passagen raushauen, sondern Satz für Satz und dann einzelnes Wort für Wort.
Das ist eine gute Idee. Danke.

Zum Spaß kannst du dir - nachdem du sicher warst, kein einziges Wort mehr kürzen zu können - zwei Wochen lang vornehmen, jeden Tag noch ein Wort zu kicken. Man findet meist immer noch Kram. (Letzteres mache ich nicht immer, das war mal bei einer Zweiseiten-KG, die ich aus sportlichem Ehrgeiz über 40x editiert hatte). Aber den Trick mit den 10% fiktivem Limit-Übertitt wende ich tatsächlich bei jedem Text an, egal, ob Fiktion oder Sachtext.
Das werde ich mir merken.

Erzähler / Figur mit etwas Selbstironie oder besser Abstand zu sich selbst, selbstkritisch, sollte auch helfen. Schauen, dass man keine Mary Sue hinlegt (sowas macht für mich allein schon Kitsch aus, selbst wenn die Geschichte selbst vllt. gar nicht romantisch ist).
Seit heute weiß ich, dass "Gary Stu" die männliche Form von "Mary Sue" ist. Aber nur, weil ich beides erstmal googeln musste.

Und wie du sagst: Rückmeldungen, fremde Augen. Das halte ich so wie du für absolut unerlässlich. Betriebsblind ist man ja immer, egal, welche Tricks man alle theoretisch kennt.
Dafür ist sind die Wortkrieger wirklich klasse.

Vielen Dank.

________

Hallo @jimmysalaryman ,

Katla hat dir schon viele gute Tips gegeben. Die Frage ist halt, wie du schreiben willst. WAS wird manchmal auch überbewertet. Ich kann einen Western schreiben, der eben wie ein Drei-Groschen Roman klingt, oder mich eher an McCarthy orientieren. Ich kann auch versuchen, einen Western zu schreiben, der so minimalistisch wie eine Story von Raymond Carver ist. Oder so feudal wie etwas von Tolkien. Das ist ja Geschmack. Es ist heute noch oftmals so, dass purple prose sogar vom Feuilleton gefeiert wird, ja sogar als sehr literarisch angepriesen wird - als sei nur dies Literatur. Also, Formalismus über Funktion.
Einen epischen Western im Tolkien-Format würde ich gerne mal lesen. Heute würden die Lektoren Tolkien vermutlich drastisch einkürzen. :Pfeif:

Das ist eine Diskussion, die in den USA schon wesentlich länger läuft, weil dort auch viel mehr Geld bezahlt wird für Vorschüsse, Agenturen, Verträge etc, und der Markt auch heißer umkämpft, da wird eben auch um solche Postionierungen gefightet.
Hier mal ein guter Artikel, schon von 2001: https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2001/07/a-readers-manifesto/302270/
Interessanter Artikel ... und ich merke, dass ich dem Meisten, was da in den USA und Europa als "Literatur" gefeiert wird, eher wenig abgewinnen kann.

Das fällt mir immer wieder auf. Ich weiß, dass z.B. Ulla Hahn schreiben kann. Offensichtlich. Aber ich lege ihre Bücher in der Regel nach spätestens zehn Seiten aus der Hand. Interessiert mich nicht.

Das gleiche gilt beispielsweise Zeruya Shalev oder ähnliche Autoren. Nur selten packt mich ein Autor jenseits der Genre-Grenzen (Thriller, scifi oder Fantasy).

Martin Suter "Die Zeit" war so ein Buch, oder Wolfgang Herrndorfs "Tschick".

Im Grunde ist das eine Frage der Ästethik. Von der hat man so eine grobe Ahnung, was liest man selber gerne, wozu zieht es einen hin - eben habe ich noch in die Leseprobe von einem neu erschienenen Roman hineingelesen, da gab es direkt auf der ersten Seite übelste Stilblüten meiner Meinung nach, schiefe Bilder etc, aber die Meinungen waren einhellig: Poesie vom Allerfeinsten. Ansonsten noch: liegen lassen. Text mal drei Monate in der Schublade lassen und wieder rausholen, da springen dich die Kanten direkt an.
Ja, das ist wahr.
____

@Willibald ,

Lieber @C. Gerald Gerdsen Mir gefällt recht gut - um ein Pendant zur Purple-Metapher zu setzen - mir gefällt der ironisch kritische Ausdruck "Brokat-Prosa". Ich dachte, ich hätte ihn mal bei Brecht gelesen, aber naja: https://www.google.com/search?q=Bro...6AXwQvgUoAXoECAEQOA&biw=2844&bih=1076&dpr=0.9
Brokat-Prosa ist klasse. Danke dafür.

 

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