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Regen über Sierra Leone

BRM

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22.01.2015
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Regen über Sierra Leone

Es war ein heißer Sonntagmorgen im Mai 2014. Kaum hatte sich die Sonne tiefrot vom Horizont erhoben, stiegen auch schon Nebelschwaden auf, um sich kurz darauf wieder aufzulösen. Der gerade eben noch feuchte, rote Lehmboden verwandelte sich in eine Steppe.
Am Flughafen von Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones, herrschte reger Betrieb. Ein Privatjet aus Europa war gelandet. Umzingelt von Autos, Gepäckwagen und unzähligen Menschen stand das Flugzeug alleine auf der Abstellfläche.
Die Einheimischen kannten Flugzeuge nur als riesige Ungetüme, die hin und wieder mit Getöse über ihre Wellblechhütten dahinbrausten. So nahe davor zu stehen war ein besonderes Ereignis und eine willkommene Abwechslung im Leben der Kreolen. Das Wasser tropfte von den Tragflächen und aus der Ladeluke im Heck der Maschine ergoss sich kalter, weißer Dampf. Minus siebzig Grad kaltes Metall zwang der feuchtwarmen Umgebungsluft perlendes Kondenswasser ab.

Jack, der Kapitän, ein großer stattlicher Herr in grauer Uniform, stieg aus dem Flugzeug und stellte sich, die Hände am Rücken, unterhalb der Gangway auf. Ihm folgten die Passagiere, eine Gruppe von vier Frauen, angeführt von Mrs. Ann, einer kleinen, schmächtigen, fast 78jährigen schottischen Dame. Mrs. Ann war sehr wohlhabend. Sie charterte immer wieder ein Flugzeug und bereiste auf diese Weise verschiedene Länder in Afrika. In Freetown hatte sie ein Krankenhaus für Frauen erbaut, das sie nun in Begleitung ihrer Tochter Emily und zweier Freundinnen besuchen wollte.
"Ich danke Ihnen, Mr. Jack. Hätten Sie vielleicht eine Telefonnummer für mich, unter der ich Sie erreichen kann, falls sich für unseren Rückflug noch etwas ändern sollte?", fragte Mrs. Ann, während sie die Treppe hinunterstieg.
"Ja sicher", er holte eine Visitenkarte aus seiner Brusttasche und überreichte sie ihr.
"Unter der Mobilnummer können Sie mich jederzeit erreichen."
Ann bedankte sich und reichte die Karte weiter an ihre Tochter. Emily grinste. Sie musterte Jack und steckte die Visitenkarte in ihre linke Gesäßtasche. Mit ihren kurzen Jeans, Ballerinas und leichter Seidenbluse war sie zwar wesentlich passender gekleidet für Afrika als die drei Damen in ihren langen schweren Röcken und hohen Schuhen, ihre Körperhaltung ließ jedoch darauf schließen, dass sie nicht besonders begeistert war, was diesen Besuch in Sierra Leone betraf.
Göre, von Beruf Tochter, dachte Jack und lachte ihr freundlich entgegen: "Auf Wiedersehen und einen schönen Aufenthalt."
Emily drehte sich um und schlenderte, mit gesäßbetontem Schritt, zum Ausgang des Flughafens.

Jack überwachte das Verladen der Koffer, als eine Hand von hinten seine Schulter ergriff.
"Captain, achthundert Euro. Achthundert, oder kann euch nicht rüberbringen", murmelte Bamka, ein kleiner rundgesichtiger Afrikaner.
Jack drückte mit reflexartiger Bewegung die Hand von seiner Schulter: "Nichts da! Es wurde alles im Voraus bezahlt. Auch die Überfahrt."
"Achthundert Euro oder ich nicht rüberbringen!"
Seine schwarze Haut glänzte in der Sonne. Mit hochgezogenen Augenbrauen und spitzem Mund versuchte er, seiner Aufforderung mehr Ausdruck zu verleihen.
"Achthundert Euro", wiederholte er unter Betonung jeder einzelnen Silbe.
Mrs. Ann, gerade noch mit ihrem Gepäck beschäftigt, stellte sich zwischen Jack und Bamka auf.
"Was willst du? Geld? Schäm dich! Jetzt kennst du mich schon seit so vielen Jahren und versuchst es immer wieder", schrie sie. "Es ist alles bezahlt. Du bekommst keinen Cent mehr. Ich investiere Millionen in dieses Land und ihr versucht mich ständig zu betrügen."
Drohend hob sie ihre Hand, als wollte sie ihn ohrfeigen.
"Los! Lauf und hol das Boot."
Ohne zu zögern lief Bamka in Richtung Bootsanlegestelle. Als das Gepäck im Boot verstaut war, stellte sich Mrs. Ann auf ein kleines Holzpodest vor der Bootsanlegestelle. In einer Hand hielt sie ein Bündel Banknoten und mit der anderen wehrte sie unentwegt alle Hände ab, die sich ihr entgegenstreckten.
"Nein, nein, nein, so geht das nicht. Einer nach dem anderen. In einer Reihe aufstellen und jeder bekommt etwas."
Es wurde geschubst und gerempelt, jeder wollte der erste sein, bis endlich alle in einer Reihe standen. Mrs. Ann begann das Geld zu verteilen. Ein Schein für jeden. Ein besonders Schlauer lief, nachdem er seinen Geldschein erhalten hatte, in einem großen Bogen hinter Mrs. Ann vorbei, um sich gleich wieder hinten anzustellen.
"Du warst doch schon hier. Du hast doch gerade etwas bekommen, weg weg", winkte sie.
Ann konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

Die Überfahrt über das völlig vermüllte Meer nach Freetown dauerte ungefähr dreißig Minuten. Danach ging es für Mrs. Ann und ihre Begleiter weiter im Geländewägen zum Krankenhaus. Auf lehmigen Pisten, übersät von Schlaglöchern, quälte sich der Range Rover den steilen Hügel zum Zentrum hinauf. Kinder liefen neben den Autos her, lachten und winkten den Insassen zu. Frauen, die ihre Einkäufe am Kopf nach Hause trugen. Männer, die die Straße entlang schlenderten oder in kleinen Gruppen am Straßenrand saßen. Auf einer Baustelle mischten Arbeiter mit bloßen Händen Beton und gossen Ziegel. Alles schien seine Ordnung zu haben in diesem scheinbaren Chaos. Das Ungetüm von Range Rover schlängelte sich wie ein Monster von einem fremden Stern durch die Straßen von Freetown. Einer von Mücken geplagten sowie von jahrelangem Bürgerkrieg zerstörten und nun von Ebola bedrohten Stadt. An der Grenze zu Liberia, hieß es, sollte es bereits erste Ebola-Fälle gegeben haben. Die Krankheit wude bei einer Krankenschwester und einer Schwangeren diagnostiziert. Beide verstarben innerhalb weniger Tage.

"Ann, Ann", rief Aminata, die Leiterin der Klinik. Mit offenen Armen lief sie auf die Ankömmlinge zu.
"Willkommen in Freetown, wir haben euch schon so erwartet. Emily, du bist also doch mitgekommen. Wie war der Flug? Ihr müsst doch sicher müde sein."
"Nein, nein", wehrte Ann ab. "Wir haben die meiste Zeit geschlafen. Darf ich vorstellen? Lily und Emma. Sie sind beide an meinem Projekt in Malawi beteiligt. Ich hab sie eingeladen, sich unser Hospital in Freetown anzusehen."
Die Frauen begrüßten sich herzlich.
"Leila, Anissa, bringt bitte das Gepäck auf die Zimmer", rief Aminata den beiden Mädchen zu, die sich zu den Neuankömmlingen gesellt hatten.
"Und ihr kommt erst mal mit mir, ich habe uns Tee und ein paar Kekse vorbereiten lassen.“
Aminata strahlte vor Freude. Freundschaftlich legte sie eine Hand um Anns Schulter und begleitete die Gruppe in ein Zimmer am Ende des Korridors.

Es war Regenzeit. Obwohl der poröse Boden im nu die Wassermassen des nächtlichen Regens aufgesaugt hatte, blieben dennoch genügend Pfützen über, in denen Milliarden von Moskitos ihre Larven ablegen konnten. Malaria war der größte Feind in diesem Land. Wenngleich die Einheimischen diese Tropenkrankheit als gegeben hinnahmen und davon nicht viel mehr beeindruckt waren als wir Nordeuropäer von der Grippe. Europäer würde die absolut gefährliche Malaria Tropica ohne sofortige Behandlung in nur wenigen Tagen umbringen.

„Womens Medical Care Center“ hieß das Krankenhaus von Mrs. Ann. Es lag mitten im Stadtzentrum, umgeben von hohen Mauern und abgesichert durch bewaffnete Sicherheitskräfte. Die Kriminalität war sehr hoch. Vor allem im Zentrum der Stadt, wo sich tagsüber hunderte junge Burschen auf den Straßen herumtrieben und nur darauf warteten, dass es dunkel wurde, um ihre nächtlichen Raubzüge fortzusetzen. Sierra Leone war immer noch ein vom Bürgerkrieg zerrüttetes Land ohne Industrie, einer hohen Arbeitslosigkeit und keiner medizinischen Versorgung. Die Menschen lebten zusammengepfercht auf engstem Raum in Slums. Nur wenige Quadratmeter für fünfzehn- oder sogar mehrköpfige Familien. Das Leben spielte sich vor oder in den Hütten ab. Kochen, essen, waschen, trinken und natürlich auch das tägliche Geschäft. Alles am selben Platz. Eine Brutstätte für Krankheiten, Aggression und Depression.

Nicht weit vom Krankenhaus, in einer kleinen Hütte aus Wellblech, saß ein gut gekleidetes weißes Pärchen. Er trank Dosenbier, während sie an einer Cola nuckelte. Von der Straßenküche gleich nebenan brachte ihnen ein kleiner Junge gebratene Spieße. Der Duft von Gegrilltem zog über die Straße. Misstrauisch wurden die beiden von allen Seiten beobachtet. Es kam nicht oft vor, dass sich Weiße hierher verirrten. Eines der Mädchen, die ihnen gegenüber saßen, stand auf und ging auf Sarah zu. Sie griff nach ihren langen blonden Haaren, zeigte sie wie eine Trophäe ihren Freundinnen und lachte. Sarah verzog keine Mine, gerade so, als ob es nicht ihr Haar wäre, das hier vorgeführt wurde. Phil, ihr Freund, lachte ebenfalls.
"Du kannst ihnen deine Haare verkaufen, du siehst ja, wie wertvoll es für die Mädchen ist", fügte er grinsend hinzu.
"Deine Kommentare kannst du dir sparen", antwortete Sarah, ohne ihren Gesichtsausdruck zu verändern.
Erst als das Mädchen von ihr abgelassen hatte, fuhr sie fort: "Ich habe dir gesagt, dass du nicht mitkommen musst. Ich wäre auch alleine hierher auf Urlaub gefahren."
Phil musterte zuerst sie, dann seine Bierdose, die er pausenlos mit zwei Fingern im Kreis drehte, und blickte letztlich wieder zu Sarah auf.
"Ich hab DIR gesagt, dass es eine verrückte Idee ist, in so ein Land zu reisen. Aber du wolltest nicht hören. Du hast gemeint, man muss sich das hier ansehen, man muss den Leuten hier helfen. Aber was willst du hier helfen? Hä? Glaubst du, dass du die Welt retten kannst, indem du vielleicht ein paar von diesen Kindern Kopfwehtabletten verabreichst? Hä, glaubst du das wirklich?", sein Kopf wurde rot und seine Stimme immer lauter.
Sarah, die in Glasgow als Fachärztin für Orthopädie arbeitete, schwieg. Ihr Blick wanderte weg von Phil in Richtung der Mädchen.
"Lass uns gehen, ich bin müde", fuhr er nun etwas ruhiger fort.
Sie hatten noch einen langen Fußweg vor sich. Das Hotel, in dem sie sich einquartiert hatten, befand sich auf einem Hügel am Rande der Stadt. Es war ein chinesisches Hotel, vollgepfercht mit Chinesen, die in Freetown für eine Bergbaufirma arbeiteten. Es stank, war dreckig und laut. Zum Essen gab es jeden Tag das Gleiche: gegrillten Schwertfisch mit Süßkartoffel. Obwohl Gegrilltes das sicherste Essen war, da alle Keime abgetötet wurden, war es doch mehr Qual als Genuss, sich zum täglichen Abendessen zu begeben. Danach blieb nur noch, schlafen zu gehen. Zu gefährlich wäre es gewesen, sich im Freien, in der Dunkelheit, aufzuhalten. Einerseits wegen der Moskitos, die zu Milliarden durch die Luft schwirrten, sobald die Sonne hinterm Horizont verschwand. Anderseits wegen der Banden, die im Schutz der Dunkelheit ihr Unwesen trieben. Es gab keine Straßenbeleuchtung. Waren einmal die Lampen der kleinen Verkaufsstände am Straßenrand erloschen, konnte nur noch der Mond die Stadt vor der völligen Finsternis bewahren.

Am Eingang zum Hospital brannte dennoch Licht. Gespeist vom hauseigenen Generator, erleuchtete ein Scheinwerfer das riesige Einfahrtstor.
Zwei Männer schlichen im Schutz der Dunkelheit die Straße entlang. Einer schien auf seinen Schultern eine Last zu tragen. Sie waren kaum zuerkennen in der dunklen Nacht. Es war bereits nach Mitternacht. Eine Zeit, zu der normalerweise alles schlief, niemand mehr auf der Straße sein sollte. Als sie sich dem Hospital näherten, wurden sie langsamer, blieben kurz stehen und sondierten das Gelände. Danach schlichen sie gebückt der Mauer entlang, die rund um das Hospital führte, bis kurz vor den hell beleuchteten Eingang. Plötzlich trat einer aus dem Schutz der Dunkelheit und legte die in Decken gewickelte Last im Scheinwerferlicht vor dem Tor ab. Dann waren sie wieder ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Geblieben waren Schwärme von Moskitos und Ratten, die auf der Suche nach Fressbarem die Straße durchstöberten. Nur die vereinzelten Schreie von Zwergantilopen und das Zirpen der Grillen durchbrachen die Stille der Nacht.

Am nächsten Tag, als Sarah und Phil gerade beim Frühstück saßen, läutete ihr Telefon. "Callahan" antwortete sie mit etwas gehobener Stimme.
"Spreche ich mit Dr. Sarah Callahan?"
"Ja."
"Frau Doktor, entschuldigen Sie bitte, dass ich sie in ihrem Urlaub störe. Wir haben eben einen Anruf erhalten von einer Frauen-Klinik in Freetown, die dringend einen Facharzt für Orthopädie benötigen."
"Mit wem spreche ich eigentlich überhaupt, was wollen sie von mir?"
"Oh, Entschuldigung. Mein Name ist Paul Kent, ich bin von der Britischen Botschaft in Freetown. Sie haben bei uns bekannt gegeben, dass sie für eine Woche in Sierra Leone unterwegs sein werden. Ich dachte mir..."
"Was heißt das? Ich hab mich doch bei keiner Jobbörse angemeldet. Ich bin hier im Urlaub. Verstehen Sie? Im Urlaub und nicht auf Visite! Auf Wiederhören.", hastig beendete sie das Gespräch.
"Oh, dein erstes Jobangebot in Afrika", lästerte Phil mit breitem Grinsen im Gesicht.
"Die sind verrückt. Ich habe meine Nummer nicht hergegeben, damit sie mir hier einen Job vermitteln. Es war doch nur auf Grund der angespannten Sicherheitslage in diesem Land. Eine Empfehlung des Außenministeriums", sie stand auf und holte sich frischen Tee vom Buffet.
Zu dieser Zeit war im Frühstücksraum nicht mehr viel los. Die chinesischen Arbeiter hatten das Hotel schon verlassen und Touristen gab es, außer Shara und Phil, ohnehin nicht.
Das Telefon klingelte erneut: "Callahan", antwortete Shara nun wesentlich lauter und sichtlich genervt.
"Guten Tag Dr. Callahan, hier spricht Ann Dunn von der Dunn Foundation", ertönte eine ruhige und äußerst höflicheStimme.
"Entschuldigen Sie meine Unverfrorenheit, sie einfach anzurufen. Wir betreiben hier in Freetown das Woman Medial Care Center. Ein Mädchen wurde heute Morgen bei uns vor dem Tor abgelegt. Offenbar ein Autounfall, wir wissen es nicht genau. Es sieht aus, als hätte sie Knochenbrüche und innere Verletzungen. Wir brauchen unbedingt jemanden, der eine genaue Diagnose erstellen kann, der uns sagt, wie wir ihr helfen können."
"Medical Care Center sagten sie? Womens Medical Care Center?"
"Ja genau, unser Krankenhaus befindet sich im Zentrum."
"Ich weiß, ich sah es, als wir gestern durch die Stadt fuhren. Ich werde am Nachmittag vorbeikommen. Wie war Ihr Name nochmal?"
"Ann, Ann Dunn. Ich danke Ihnen, kann ich Sie irgendwo abholen lassen?"
"Nein nein, ich komme am Nachmittag vorbei. So gegen drei Uhr?"
"Drei passt super, vielen Dank. Wir sehen uns."
Phil saß die ganze Zeit regungslos gegenüber.
"Hab ich da eben richtig gehört?"
"Ich muss da mal kurz hin", erklärte Sarah verlegen.
"Spinnst du jetzt völlig? Du willst nun echt in das Krankenhaus fahren und mich hier alleine sitzen lassen? In dieser Drecksbude?", schrie er Sarah an und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass seine inzwischen leere Tasse über die Tischplatte kollerte.
Sie stand auf und ging, wortlos.

In der Klinik saßen Mädchen zusammen und bastelten an einer Dekoration für das Fest am Wochenende. Es fand einmal im Monat statt, als Danksagung von all jenen, denen hier geholfen werden konnte. Krankenschwestern liefen den Gang auf und ab und es gab eine Führung durch das Haus mit den neu angekommenenen Patientinnen Meist junge Frauen, Mädchen die aufgrund von Geburtsverletzung zu Ausgestoßenen geworden waren. Den vom Ehemann verstoßenen, von der Familie nicht länger geduldeten und aufgrund des Gestankes der permanenten Inkontinenz vereinsamten Mädchen konnte hier geholfen werden. Überall an den Wänden hingen Bilder, gemalt von ehemaligen Patientinnen. Auf den Betten saßen Mädchen mit ihren Neugeborenen.

Ann war gerade auf dem Weg zu einem Meeting, als sie vom Hof her laute Stimmen hörte. Sicherheitskräfte eilten zusammen und in deren Mitte stand eine groß gewachsene, blonde Frau in weißer Leinenhose. Ihr breitkrempiger Hut und ihre blitzblanke Leinenjacke ließen sofort erkennen, dass sie nicht von hier war.
"Dr. Callahan?", rief Ann in die Menge.
"Ja, Mrs. Ann?", erwiderte Sarah und winkte.
"Warten Sie, ich komme gleich."
Ann lief den Gang entlang die Stiegen hinunter zum Hof.
"Freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben", Ann schüttelte ihre Hand und fuhr fort "ich muss gleich in eine Besprechung, darf ich Sie zu Aminata führen, sie ist die Leiterin der Klinik und wird Ihnen alles zeigen. Das Mädchen wurde letzte Nacht einfach vor unserem Haus abgelegt. Sie kann sich kaum bewegen und hat sehr große Schmerzen. Wir sind hier leider nicht ausgerüstet für solche Fälle. Es dürfte ein Unfall gewesen sein, vielleicht wurde sie überfahren."
Sie gingen den Flur entlang. Am Ende saß Aminata an einem kleinen hölzernen Schreibtisch.
"Darf ich vorstellen, Dr. Callahan. Dr. Callahan, das ist Aminata, die Seele unseres Hauses."
"Guten Tag, danke, dass Sie gekommen sind. Ich würde Sie gerne gleich zu Lucia bringen, wenn sie einverstanden sind", erwiderte Aminata, während sie sich die Hände schüttelten.
"Ja ja, natürlich."
"So, ich muss jetzt aber. Mein Meeting wartet. Wir sehen uns anschließend bei einer Tasse Kaffee", entschuldigte sich Ann, zwinkerte den beiden zu, und sauste die Stiegen hinauf, zurück ins erste Stockwerk.

Es wurde Abend. Das Rot der untergehenden Sonne überließ die Kulisse den mächtigen Gewitterwolken, die von tiefschwarz übergehend in grelles Weiß drohend am Horizont standen. Das Zucken der Blitze und das Dröhnen des Donners in der Ferne ließ ahnen, welche Naturgewalten in Kürze über das Land hereinbrechen würden. An kleinen Holzständen wurden Waren aller Art feilgeboten. Das Rot der Erde färbte sich im Schein der batteriebetriebene Lampen an den Verkaufsständen in fahles Braun. Strom gab es nur selten und wenn, dann nur für kurze Zeit. Die Schreie der Stummelaffen und das Kreischen der Vögel dominierten nun die Geräuschkulisse. Im Hintergrund das Brummen der Diesel-Aggregate im Hospital. In einem Zimmer im ersten Stock brannte Licht. Bei offenem Fenster, geschützt durch ein Moskitonetz, saßen drei Frauen an einem Tisch. Auf dem Kasten an der Wand zischte eine alte, konservative Kaffeemaschine vor sich hin und spuckte den KaffeeTropfen für Tropfen in die darunter stehende Kanne. Ein angenehmer Duft durchzog den Raum. Leila rührte in ihrer Tasse, während Anissa gedankenlos zum Fenster starrte.
"Wir können leider nicht viel tun für Lucia", erklärte Aminata mit Kopfschütteln.
Sie stand auf und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
"Dr. Callahan ist gerade bei Ann, um sie zu informieren", fuhr sie fort.
Unverständlich schüttelte Leila den Kopf: "Ich habe ihr heute eine Geschichte vorgelesen. Sie reagierte überhaupt nicht, starrte nur unentwegt an die Decke."
"Wir haben ihr starke Schmerzmittel verabreicht, wir sollten sie einfach schlafen lassen", erklärte Anissa.
Aminata setzte sich gerade wieder an den Tisch, als die Tür aufging und Mrs. Ann in Begleitung von Dr. Callahan den Raum betrat.
"Wir können hier nicht tatenlos zusehen", legte Ann sofort los.
Mit einer einladenden Geste wies sie Dr. Callahan einen Sessel zu und setze sich ebenfalls an den Tisch.
"Wenn wir Lucia nicht helfen, wird sie, sofern sie das überhaupt überlebt, für immer querschnittgelähmt bleiben. Ich bringe sie nach England."
Ihrer Entschlossenheit war nichts entgegenzusetzen.
Anissa und Leila sahen sich ungläubig an.
"Wie soll das gehen? Sie ist doch nicht mal richtig transportfähig! Wir können doch nicht einfach .."
"Nicht können, sondern wir müssen. Ich nehme sie bei uns im Flugzeug mit", fiel Ann ihr ins Wort und drehte sich zu Leila.
"Leila, ich möchte bitte den britischen Botschafter sprechen. Wir brauchen Papiere für Lucia. Vielleicht könnten Sie gleich ..."
"Ja ja, ich werde sofort versuchen, jemanden in der Botschaft zu erreichen" unterbrach Leila, stand auf und verließ eilig den Raum.
Kurz darauf ein Klopfen, die Türe öffnete sich und Emily kam herein.
"Ich habe gerade mit Jack gesprochen. Er meint, Sauerstoff sei an Bord und wir könnten Lucia mitnehmen. Allerdings muss sie von einem Arzt begleitet werden, ansonsten will er die Verantwortung nicht übernehmen", sie fuhr sich durchs Haar und schaute fragend in die Runde.
"Dr. Balu kann nicht mit, für den bekomme ich unmöglich ein Visum. Ist schon schwierig genug für Lucia die Papiere zu besorgen. Wir haben niemanden hier, der mitkommen könnte, der nach Europa einreisen dürfte", grübelnd hielt sich Ann die Hand vor den Mund.
"Ich komme mit", sagte Dr. Callahan mit voller Entschlossenheit, legte ihren Stift zur Seite und fuhr fort "Ich kann nicht zusehen, wie Lucia leidet, vielleicht für immer querschnittgelähmt bleibt. Ich weiß, wir können ihr helfen. In meiner Klinik kann ich sie operieren und sie wird wieder gesund werden."
"Und ihr Freund?", fragte Ann mit einem Runzeln auf der Stirn.
"Der bleibt hier", sie schloss ihr Notizbuch und nickte, als wollte sie sich ihre eben getroffene Entscheidung selbst bestätigen.
Es wurde ruhig im Raum. Nur das Brüllen der Affen drang durch das offene Fenster. Mit einem letzten Fauchen erklärte die Kaffeemaschine ihre Arbeit für beendet. Weit weg, Schreie von Babys.
"Wir planen den Abflug für morgen Abend", brach Ann das Schweigen.
"Emily, gib du bitte Jack Bescheid, wir werden so gegen 17:00 Uhr am Flughafen eintreffen", als sie aufstand und zur Türe ging, erschütterte ein lauter Knall das Zimmer. Das Licht ging aus, es war stockdunkel. Nur das Zucken der Blitze erhellte den Raum für wenige Sekunden. Anissa griff in ihre Manteltasche und holte eine Lampe hervor.
"Das haben wir hier öfter", entschuldigte sie sich mit einem verlegenen Lächeln und zuckte mit den Schultern.
Große Regentropfen platschten draußen laut auf den lehmigen Boden nieder. Das unruhige Zucken der Blitze und das Grollen des Donners schienen ineinander zu verschmelzen.
"Kommen Sie, ich lasse Sie in ihr Hotel fahren. Bei dem Wetter wollen Sie doch sicher nicht zu Fuß laufen", grinste Ann und begleitete Dr. Callahan zum Ausgang.

Phil saß beim Abendessen, als Sarah, völlig durchnässt den Speisesaal betrat. Es gab Schwertfisch und er war gerade damit beschäftigt, die letzten Gräten am Tellerrand aufzuschichten.
"Na, wie war's?", fragte er, den letzten Bissen kauend und ohne den Kopf zu heben.
Sarah legte ihren breiten Krempenhut ab und setzte sich zu Phil an den Tisch.
"Es geht um ein zwölfjähriges Mädchen. Sie hat Frakturen am Becken und an der Wirbelsäule, die jedenfalls nicht von einem Unfall stammen. Sie spricht nicht darüber. Mir fehlen die Mittel, um eine genaue Diagnose zu erstellen. Hier gibt es keine Hilfe für sie. Wir werden sie nach England bringen."
"Was heißt hier „wir“?"
"Ann, sie ist der Sponsor des Krankenhauses, wird Lucia in einem Privatjet nach Glasgow bringen und ich werde die medizinische Betreuung übernehmen auf dem Flug. Wir bringen sie in meine Klinik, dort kann ich sie operieren."
"Du willst mich also alleine hier sitzen lassen? In Freetown? Super!"
"Dein Flug geht übermorgen und wir fliegen morgen Abend, da geht's um eine Nacht, die du alleine hier verbringen musst. Du kannst gerne morgen mit mir in die Klinik kommen. Ich kann dir Lucia vorstellen, dann wirst du verstehen, um was es hier geht", sie winkte dem Kellner.
"Für mich bitte auch den Schwertfisch und eine Cola", vorsichtig griff sie nach Phils Hand.
"Phil, versteh doch bitte. Ich muss dem Mädchen helfen, hier geht's um ihr Leben, das ist keine Behandlung gegen Kopfweh, wie du das gerne zu sagen pflegst. Der nächste Urlaub geht sicher nicht mehr nach Westafrika, das verspreche ich dir", sie setzte auf ihren liebsten Blick und ließ all die Magie ihrer blauen Augen auf Phil einwirken. Ein Blick, der ihn schon oft um Verständnis gebeten hatte und bisher immer erfolgreich war.
Okay, aber den nächsten Urlaub bestimme ich", entschied er und ein schwaches Lächeln spielte auf seinen Lippen.
"Übrigens, hast du schon gesehen? Da drüben, die Plakate?", er zeigte zur Eingangstüre, an der große weiße Tafeln mir roter Aufschrift hingen.
"Ebola", Phil nickte vorwurfsvoll mit dem Kopf.
"Verhaltensregeln, wie man sich vor Ebola schützen kann", fuhr er hämisch fort.
"Draußen in der Lobby hängen auch solche Schilder. Sie wollen auch niemanden mehr aufnehmen im Hotel. Zu gefährlich", er schüttelte den Kopf. Der Kellner brachte Schwertfisch. Schwertfisch mit Süßkartoffel. Sarah musste lachen und Phil öffnete sich ein weiteres, kleines Bier.
"Ich würde nur zu gerne wissen, woher ihre Verletzungen stammen. Irgendwas stimmt hier nicht. Niemand hat so mir nichts dir nichts ein gebrochenes Becken."
Mit zwei Finger pickte sie die Gräten aus ihrem Mund und legte sie, genauso wie Phil, ordentlich am Tellerrand ab.
"Ich werde morgen Kate anrufen. Sie ist Onkologin, vielleicht hat sie eine Idee", murmelte sie vor sich hin, während sie ihren Fisch gedankenverloren in seine Bestandteile zerlegte, anstatt ihn aufzuessen.

Obwohl Phil Krankenhäuser nicht leiden konnte, begleitete er sie dennoch am nächsten Morgen in die Klinik. Besser als noch einen Tag alleine im China-Hotel herumzuhängen, dachte er bei sich. Es war bewölkt und drückend heiß. Vor dem Krankenhaus-Eingang standen Polizisten und diskutierten mit den Leuten von der Sicherheit. Als sie Sarah sahen, stellten sie sich demonstrativ vor dem Eingang auf.
"Wir wollen zu Mrs. Ann, wir wurden für heute Morgen herbestellt", erklärte sie den Beamten, die dann, nach kurzer Nachdenkpause, den Weg freigaben. Im Innenhof angekommen, wurden sie schon erwartet.
"Guten Morgen Dr. Callahan, sind Sie gestern noch trocken nach Hause gekommen?", begrüßte Ann die beiden mit einem freundlichen Lächeln.
"Trocken war's nicht gerade aber trotzdem vielen Dank für den Chauffeur. Darf ich vorstellen, Phil, mein Lebensgefährte, Phil, Mrs. Ann."
"Guten Morgen Phil, darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee vielleicht?", fragte Ann.
"Danke, wir haben gerade gefrühstückt. Was ist denn hier heute los?", fragte Shara und zeigte auf die Beamten am Eingang.
"Ach ja, da gibt's irgendein Problem, aber unsere Sicherheitsleute kümmern sich bereits darum", winkte Ann ab.
"Ich würde Lucia gerne noch einmal untersuchen. Wäre das möglich?", fragte Shara.
"Aber sicher, gehen wir gleich nach hinten."

Es war Sonntag Nachmittag. Jack und seine Crew waren beschäftigt mit Vorbereitungen für den Flug nach Glasgow. Anwohner aus der Umgebung fanden sich ein, um dem seltenen Spektakel beizuwohnen. Auch Bamka war wieder da. Eifrig lief er zwischen Flugzeug und Abfertigungshalle hin und her. Ein von einem Traktor gezogener Anhänger mit aufgebautem Kerosintank wurde neben dem Flugzeug abgestellt. Einige Leute versuchten, die Schläuche zu entwirren und an der Pumpe festzumachen. Irgendwie schien das allerdings nicht zu klappen. Manche zogen, andere pressten und ein Dritter schlug sogar mit einem Hammer auf die Alukupplung, um sie gefügig zu machen.
"Raus aus dem Flugzeug", rief Jack seinen Kollegen zu "die sind verrückt hier."
Er zeigte zu einem der Tankwarte, der mit einer Zigarette im Mund am Tankwagen herumfummelte. Plötzlich löste sich der Schlauch und ein dicker Strahl Kerosin ergoss sich auf den Boden. Lautes Geschrei. Im Nu entstand ein kleiner Kerosinsee rund um das Flugzeug. Da standen sie nun, die Schwarzen, ratlos und noch immer rauchend. Jack entfernte sich mit seinen Kollegen einige Meter, um der Gefahrenzone zu entkommen. Das Glück war, dass Flugzeugtreibstoff nicht so leicht entflammbar war. Hätte sich allerdings Benzin in den Tanks befunden, hätten alleine die Dämpfe in Verbindung mit einer Zigarette ausgereicht, um zu einer riesigen Explosion zu führen.
Das Pech allerdings war nun, dass es keinen Sprit mehr für das Flugzeug gab, denn die Pumpe war kaputt.

Sarah war mit Lucia alleine im Zimmer. Sie streifte sich die Handschuhe ab und wusch sich die Hände. Lucia lag noch auf dem Untersuchungstisch, zugedeckt mit einem weißem Laken, und starrte an die Decke. Als Sarah zurückkam, ihre Hand nahm und sie streichelte, kollerten große Tränen über ihre Wangen.
"Lucia, wer war das?", fragte sie mit sanfter Stimme.
Lucia zeigte keine Reaktion. Nur die Tränen zeugten von einem inneren Sturm, der eben stattfand.
"Du musst es mir nicht sagen", beruhigte Sarah und streichelte sanft ihren Kopf.
"Wir bringen dich hier weg und du wirst sehen, es wird alles wieder gut", versuchte sie zu trösten.
"Weißt du, als ich ein kleines Mädchen war, durfte ich im Sommer jedes Wochenende mit meinem Onkel und meiner Tante zum See fahren. Meine Eltern waren froh, zwei Tage für sich zu haben und so wurde es bald zur Routine, dass ich am Samstagmorgen von meinem Onkel abgeholt und am Sonntag wieder zurückgebracht wurde. Meine Tante hatte keine Kinder und sie behandelte mich wie ihre eigene Tochter. Wir gingen zusammen schwimmen und besuchten regelmäßig den Vergnügungspark am Rande der Stadt, kein Wunsch wurde mir verwehrt. Bis mir eines Tages etwas Seltsames auffiel. Immer, wenn ich aus dem Wasser kam, wollte mich mein Onkel abtrocknen und eincremen. Obwohl ich diese Eincremerei hasste, bestand er darauf. Ja, er bestand auch darauf, es selbst zu machen und es wurde eine immer länger andauernde Prozedur. Erst cremte er nur meinen Rücken, dann aber wollte er auch meine Brust eincremen, meine Füße bis hoch zu den Schenkeln. Er wurde immer aufdringlicher und meine Tante hatte nur ihren Spaß dabei, wenn er sagte:" Na na, du wird ja schon eine richtige Lady", während er meine Brust massierte. Ich wollte am liebsten weglaufen, aber ich konnte nicht. Ich traute mich nicht, es meinen Eltern zu erzählen. Ich hasste die Samstagmorgen, am liebsten wollte ich krank sein, um so eine Ausrede zu haben, nicht mit meinem Onkel an den See fahren zu müssen."
Die Tränen in Lucias Gesicht wurden immer mehr. Sie drehte ihren Kopf zu Sarah und begann laut zu weinen.
"Mein Onkel", stammelte sie, von Weinkrämpfen geschüttelt.

Emily saß gelangweilt im Besprechungszimmer des Krankenhauses. Die Internetverbindung war wieder einmal unterbrochen worden. Meist war es nur für wenige Minuten möglich, Mails zu empfangen oder Facebook zu checken. Viel zu wenig jedenfalls für eine fast Fünfundzwanzigjährige, aber trotzdem noch immer pubertierende Frau. Es gab hier kaum Abwechslung für sie und außerhalb der schützenden Spitalsmauern war es ihr nicht geheuer. Denn als blonde, weiße Frau war es nicht ratsam, alleine in der Stadt herumzuspazieren. Als sie gerade wieder damit beschäftigt war, die Internet-Verbindung aufzubauen, ertönte ein lautes "Ging" aus ihrem Telefon. Ein SMS von Jack. Oh, der Herr Kapitän persönlich, dachte sie und ihre Lippen verformten sich zu einem Grinsen.
"Hallo Emily, wir habe leider ein Problem mit der Betankung. Wir können heute nicht starten. Ich bin derzeit noch am Organisieren, hoffe aber, dass wir bis morgen Abend Sprit bekommen. Melde mich, sobald ich mehr weiß. LG, Jack", stand am Display.
Sie sprang aus ihrem gemütlichen Schustersitz auf und lief ins Zimmer nebenan.
"Ma, darf ich dich kurz stören?"
"Was gibt’s?", frage Ann, schwer beschäftigt mit ihren Unterlagen.
"Jack hat mir gerade geschrieben, dass wir heute nicht fliegen können, er hat keinen Sprit.“ erklärte sie hämisch.
"Was heißt hier, er hat keinen Sprit? Gib mir bitte dein Telefon", befahl sie in einem nicht mehr sehr netten Tonfall. Und obwohl sie versuchte, beim Flughafenpersonal Druck zu machen, damit drohte, einen anderen Flieger zu chartern, blieb ihr letzten Endes nichts anderes übrig, sich zu fügen und zu warten.

Der Flughafen von Freetown war inzwischen für alle ankommenden Flüge geschlossen. Wegen Ebola. Nur noch das Abfliegen war gestattet. Das freute Emily umso mehr, hatte ihre allmächtige Mutter diesmal keine Chance, ihren Willen durchzusetzen. Auch Jack, der immer so gelobte Kapitän, fiel nun in der Gunst ihrer Mutter. Zumindest vorübergehend. Schadenfreude war derzeit ihre einzige Freude. Gezwungen zu einer Reise, die sie nicht antreten wollte und die permanente Kritik ihrer Mutter nervten einfach. Die Lage in Freetown verschlimmerte sich von Stunde zu Stunde. Immer mehr Fälle von Ebola wurden bekannt. Manche glaubten, die Krankheit existiere gar nicht. Andere wiederum vermuteten, dass die weißen Ärzte das Virus eingeschleppt hätten, um die schwarze Bevölkerung auszurotten. Misstrauen war überall. Das Hospital musste abgeriegelt werden, um das Krankenhauspersonal vor Angriffen der Bevölkerung zu schützen und vor allem um zu verhindern, dass die Krankheit innerhalb der Krankenhausmauern ausbricht, was fatale Folgen nach sich ziehen würde.

Phil und Sarah saßen an einem Tisch im ersten Stock und beobachteten das Treiben am Hof unter ihnen. Ein Polizeiauto parkte direkt vor dem Einfahrtstor und zwei Polizisten standen davor Spalier.
"Ashley, eine Studienkollegin von mir, brachte mich auf den Gedanken. Sie hatte einen ähnlichen Fall, allerdings mit einem fünfjährigen Mädchen. Sie wurde so lange vergewaltigt, bis ihr Becken gebrochen war", erzählte Sarah, den Blick auf das Polizeiauto gerichtet. Von hier oben konnte sie auch über die Mauer sehen und beobachten, was außerhalb vorging.
"Ich habe ihr Tramal verabreicht, sie schläft jetzt", fuhr sie fort und nippte an ihrem Tee.
Über der Stadt stiegen kleine Rauchsäulen auf. Es wurde gekocht. Es war Mittag.
"Und du glaubst wirklich, dass es kein Problem ist, wenn ich mit euch fliege?", fragte Phil misstrauisch.
"Wenn Ann dich einlädt, geht das okay. Da musst du dir keine Sorgen machen. Außerdem, es gibt derzeit keine Alternative hier wegzukommen. Alle Flüge wurden eingestellt", erklärte Sarah.
"Du musst jedenfalls heute noch unser Sachen vom Hotel holen. Ich möchte gerne hierbleiben und mich um Lucia kümmern. Vergiss bitte nicht meine kleine blaue Tasche im Bad und den Fotoapparat, er liegt direkt neben meinem Bett."
Phil nickte.

Um sieben Uhr früh standen drei SUVs am Hof für die Abfahrt bereit. Im Konvoi, begleitet von Fahrzeugen der Sicherheit, verließen sie das Gelände. Hinter ihnen zog sich eine Staubfahne die Straße entlang. Am Flughafen angekommen wartete bereits eine Gruppe Männer, um beim Umladen des Gepäckes zu helfen. Jack war unterdessen noch immer mit der Betankung des Fliegers beschäftigt. Momka konnte eine Handpumpe organisieren, mit der das Kerosin über die Flächen in die Tanks gepumpt werden konnte. Ein langwieriger Vorgang. Normalerweise wurde mit Druck betankt und so in wenigen Minuten tausende Liter Treibstoff aufgefüllt. Nun aber pumpten sie schon seit Stunden und waren immer noch nicht fertig.

Als Jack die Abflughalle betrat, um seine Passagiere in Empfang zu nehmen, sah er schon von weitem Männer und in deren Mitte Mrs. Ann. Neben ihr lag Lucia, festgeschnallt auf einer Trage.
"Diese Idioten wollen uns nicht durchlassen mit Lucia" rief sie Jack zu.
"Wir müssen sie auf eine Trage des Flughafens umbetten. Allerdings hilft uns hier niemand. Sie wollen keine kranken Personen anfassen" fauchte Mrs. Ann vor Wut.
Dr. Callahan war gerade damit beschäftigt, die vom Flughafen zur Verfügung gestellte Trage vorzubereiten.
"Wir versuchen es zusammen. Aber wir müssen darauf achten, dass wir sie gleichmäßig anheben. Ihr Rücken darf keinesfalls durchhängen. Emily, halten Sie ihren Kopf. Wir werden sie beim Becken hochheben und Jack soll ihre Beine halten" befahl Dr. Callahan.
Lucia war unglaublich tapfer. Sie lag auf ihrer Bahre, starrte zur Decke und ließ alles regungslos über sich ergehen. Nur eine kleine Träne, die an ihrer Wange entlang kullerte, gab Auskunft über die Schmerzen, die sie zu ertragen hatte. Das Einladen in den Flieger gestaltete sich nicht besonders schwierig. Fixiert auf ihrer Bahre und von drei Leuten festgehalten, konnte Lucia problemlos durch die enge Flugzeugtür getragen werden. Mit großen Augen starrte sie Jack an. Von oben bis unten musterte sie den groß gewachsenen Kapitän, der nun in seiner schmucken Uniform mit silbernen Streifen auf den Schultern vor ihr stand. Langsam hob sie ihre Hand und spreizte die Finger für "give me five", was von Jack natürlich sofort quittierte und mit einem: "Willkommen an Bord", ergänzt wurde. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, ein Ausdruck unendlicher Dankbarkeit war in ihrem Gesicht abzulesen.

"Captain, Captain" rief eine Stimme von draußen.
Jack drehte sich um und ging zum Ausgang. Ein kleingewachsener Schwarzer stand vor der Türe.
"Wo ist die Bahre? Das war unsere Bahre."
"Die habe ich bereits deinem Freund da drüben gegeben" antwortete Jack ohne zu zögern und zeigte auf die Männer, die in der Nähe der Abfertigungshalle standen.
Der Kleine drehte sich um und marschierte langsam in deren Richtung.
„Das dauert. Bis der zurück ist, sind wir schon lange weg. Wir werden Lucia jedenfalls nicht noch einmal umbetten“ dachte Jack. Er war gerade dabei die Türe zu schließen, als einige Männer auf das Flugzeug zusteuerten.
"Wir bekommen noch 60 Dollar pro Person für die Personenabfertigung und Sicherheitskontrolle" forderte der Älteste der Gruppe.
"Ihr bekommt gar nichts! Es wurde alles bezahlt. Könnt Ihr denn nie aufhören, Geld zu fordern?"
Mrs. Ann hörte den Streit und stellte sich sofort dazwischen. Sie begann mit einer Schimpftirade, dass sogar die groß gewachsenen Security-Männer zurückwichen.
"Wenn ich keine Unterschrift von denen habe, kann ich euch nicht zum Abflug freigeben" erklärte Momka.
"Wieviel wollt ihr? Hier, ist das genug?"
Sie hielt ein Bündel Geld in der Hand und übergab es dem Anführer der Gruppe.
"So, und jetzt unterschreib, los, unterschreib!"
Er nahm das Bündel Geld und setzte seine Unterschrift auf das Papier.
"Captain, Captain" ertöntes es abermals von draußen.
"Die haben keine Bahre. Die muss noch im Flugzeug sein..."
"Wer sagt das?"
"Die Männer da drüben" er zeigte auf die Gruppe, zu der er vorher geschickt worden war.
"Nicht DIE haben die Bahre, sondern DIE dort drüben, dort hinter dem Hangar" schrie Jack ihn an und zeigte in die entgegengesetzte Richtung als zuvor.
"Geh und hol sie dir, ich habe keine Bahre im Flugzeug."
Er drehte sich abermals um und ging. Im selben Moment schnappte Mrs. Ann nach dem Geld, das der Sicherheitsbeauftragte locker in der Hand gehalten hatte und rannte damit ins Flugzeug. Völlig überrascht und überfordert von der schnellen Aktion starrten sich alle an. Jack nutze die Gelegenheit, sprang in den Flieger und schloss die Türe.
"Ab geht's."

Lucia schlief den größten Teil des Fluges. Nur einmal musste sie von Sarah für kurze Zeit mit Sauerstoff versorgt werden. Nur zur Vorsorge, wie diese versicherte. Phil saß in der letzten Reihe. Für ihn war die Reise in einem Executive Jet etwas besonderes.
"Könnte ich bitte einen Tee haben?", ersuchte Sarah die Flugbegleiterin. Erschöpft setzte sie sich zu Phil.
"Möchtest du auch etwas?"
"Danke, danke, gar nichts", antwortete Phil, "du", er überlegte kurz, "das mit den Kopfwehtabletten tut mir leid. War dumm von mir."
"Schon okay, habe ich ohnehin nicht ernst genommen", Sarah lächelte und schmiegte sich an Phils Brust.
"Ich bin stolz auf dich", fuhr er fort und streichelte ihr durchs Haar.
In Glasgow war in der Zwischenzeit alles für die Ankunft vorbereitet worden, Lucia sollte noch am gleichen Tag operiert werden. Um 04:00 Uhr morgens landete der Privatjet. Schon von weitem war das Blinken der Blaulichter zu erkennen. Polizei, Rettung und einige Fahrzeuge der Sicherheit erwarteten die Ankömmlinge bereits am Flughafen. Die Polizisten waren sehr nett. Zur Passkontrolle kamen sie ins Flugzeug und Lucia zeigte voller Stolz ihren neu erworbenen Reisepass. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich selbst auf einem Foto sehen konnte.
"Willkommen in Schottland" begrüßte einer der Polizisten Lucia, während er ihren Pass überprüfte.
Das Unglaubliche war vollbracht. Ein kleines Mädchen, das eben noch in einer Wellblechhütte in Afrika gelebt hatte, flog mit einem Privatjet nach Schottland und wurde behandelt, als wäre sie eine Prinzessin. Es war ein Strahlen in ihren Augen. Krankenpfleger hievten Lucia vom Flugzeug in den Krankenwagen. Ann erledigte noch schnell alle Formalitäten und stieg dann zu Lucia in den Wagen. Die Türe wurde geschlossen und sie fuhren ab. Das Blinken der Blaulichter verschwand am Horizont. Es regnete.

 

Hallo BRM,

ich bin neu hier und hab mich jetzt eigentlich nur angemeldet, weil ich gesehen habe, dass es auf deinen Text noch keine Reaktion gibt. Und das kann ja nicht richtig sein. Mich jedenfalls hat die Story sehr beeindruckt und ich möchte dich sehr dazu ermuntern, daran weiter zu arbeiten.

Drei Hinweise:

1. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nicht doch besser wäre, daraus eine Art Reportage zu machen. Mit Absätzen wie

„Womens Medical Care Center“ hieß das Krankenhaus ...
bist du ja eigentlich auch auf dem Weg zu einer Reportage. Wenn's aber eine Erzählung sein soll, frage ich mich, ob du nicht eine Konfliktkonstellation ein Bisschen zu leichthin verschenkst: Sarah-Phil, das könnte man sicher stärker zuspitzen und nicht so konsensual auströpfeln lassen (vielleicht lässt sie Phil am Ende auch wirklich zurück). Das gäbe dem Plot deutlich mehr Dynamik, und der Figur Sarah mehr Tiefe, glaube ich.

2. Etwas heikel und vielleicht sehe ich Gespenster: Ich habe das ungute Gefühl, dass die Erzählung ein Stück weit koloniales Denken transportiert. Jedenfalls stehen in der Summe den eher gutwilligen, patent und verständig Handelnden Europäern korrupte, unfähige (Betankung/Rauchen), unverständige (Ebola), gar verbrecherische (Onkel) Einheimische/Kreolen/Afrikaner gegenüber (oder sie sind arme Opfer wie Lucia). Das könnte man in einem reportageartigen Text anders kontextualisieren – in einer Erzählung müsste man das, glaube ich, irgendwie abfangen.

3. Stilistisch hast du einige Möglichkeiten, das Ding noch eindrucksvoller zu machen. Es gibt einige etwas konventionelle Redewendungen im Text, die die Wirkung eher behindern. Nehmen wir mal das "rege Treiben":

Am Flughafen von Freetown [...] herrschte reger Betrieb.
Es herrschte reges Treiben in der Stadt.
In der Klinik herrschte an diesem Nachmittag reger Betrieb.
Auf den Straßen war reges Leben.
Am Flughafen herrschte reges Treiben.
Es herrschte noch immer reger Betrieb.

Das ist sechs Mal zu viel. Und eigentlich völlig überflüssig, weil es kein präzises Bild vermittelt. Versuch doch mal die Einzeleindrücke für sich stehen zu lassen und auszubauen, damit das, was sich da so rege macht, sinnlich greifbar wird.

Ein paar Einzelhinweise:

Ann konnte sich das Lachen nicht Verhalten.
-> verkneifen?
während Anissa gedankenlos zum Fester starrte
-> Fenster
KaptainnJack
?
Kommen Sie, ich lasse S ie in ihr Hotel fahren.
-> Sie
Als sie Sarah sahen, stellten sie sich demonstrativ vor dem auf.
-> vor ihr auf ? vor ihm (dem Eingang) auf ?

Die

konservative Kaffeemaschine
gefällt mir sehr.

Beste Grüße
Svevo

 
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Hallo Svevo,

vielen Dank, dass du dich meiner Geschichte angenommen hast. So lange Texte zu kommentieren ist viel Arbeit und ich habe Verständnis dafür, dass sich das nicht viele antun wollen. Gar kein Kommentar wär allerdings die Schlimmste aller Kritiken gewesen. Sicher, man muss nur gute Geschichten schreiben, dann werden sie auch gelesen und kommentiert, davon bin ich aber noch weit entfernt. Oder besser gesagt, deswegen bin ich hier, um zu lernen.

Ich möchte dir zuerst einiges zur Geschichte sagen. Es ist eine wahre Begebenheit. Anfangs habe ich versucht, sie aus meiner Perspektive zu erzählen und unter dem Titel "Lucia" veröffentlicht. Fliege hat mir damals sehr gut Ratschläge gegeben und ich beschloss die ganze Sache neu zu schreiben, diesmal allerdings aus der "dritten Person" und mit dem Titel "Regen über Sierra Leone". Eine Reportage oder Autobiographie sollte es nie werden. Bewust nicht. Trotzdem sollten auch gewisse "koloniale Gedanken" rüberkommen. Information, verpackt in einer Geschichte, die ich selbst so erlebt habe.
In Wirklichkeit hätte dieses Thema locker das Potenzial für einen Roman. Wie du richtig erkannt hast, habe ich die Konflikte abgewürgt. Das lustige daran ist, dass Sarah Phil wirklich in Freetown zurückgelassen hat. Wollte ich aber abschwächen um nicht zu kitschig zu werden. Da gibt es noch einige Begebenheiten, die ich gar nicht erwähnen wollte. Zum Beispiel, das Lucia Krebs hatte. Weil es dann einfach zuviel wird. Traurig, wenn tatsächliche Begebenheiten für eine Geschichte zu viel werden oder dann eben unglaubwürdig wirken würden.
Ich möchte mich dennoch darauf konzentrieren, die Geschichte und auch die Konflikte auszubauen. Deine Inputs helfen mir dabei sehr! Ich denke jedoch, dass ich hier im Forum mit dieser Geschichte unter Kurzgeschichten falsch bin, denn wie der Name schon sagt, sollten es eher kurze Geschichten sein :-)

Reges - reger -

eine Schande, dass ich das nicht selber erkannt habe :-) Danke, das klingt echt stümperhaft. Die anderen Fehler habe ich natürlich sofort ausgebessert ;-) trotz oftmaligem durchlesen trotzdem darüber gestolpert ;-)
Ich möchte dir nochmal danken für deine Mühe, du hast mir sehr geholfen und vor allem meine Ehre gerettet ;-) denn 0 Kommentare ist ziemlich peinlich ;-)

Liebe Grüße
BRM

 

Hallo BRM,

Ich war erstaunt, unter dem Titel deine Geschichte „Lucia“ wiederzufinden.

Erst einmal möchte ich dir sagen, dass mir der Anfang so viel besser gefällt. Ich habe mich in diesen Text richtig festgelesen. Meiner Meinung nach hat die Geschichte sehr gewonnen, auch das Ende gefällt mir wesentlich besser. Auch die kurze Abhandlung der Situation im Chinesenhotel tut der Geschichte gut.

Einige Sachen habe ich rausgefischt, aber nicht alle aufgeführt. Du willst doch auch noch was zu tun haben ;)

Obwohl der poröse Boden im nu die Wassermassen des nächtlichen Regens aufgesaug hatte ...

aufgesaug[t]

Phil musterte zuerst sie, dann seine Bierdose, die er pausenlos mit zwei Finger im Kreis drehte ...

... mit zwei Finger[n] ...

"Ich hab DIR gesagt, dass es ein verrückte Idee ist, in so ein Land zu reisen.

... dass es ein[e] verrückte Idee ist ...

Danach blieb nur noch[,] schlafen zu gehen.

Infinitiv mit zu.

... sobald die Sonne unterm Horizont verschwand.

wohl eher hinterm Horizont?

... ertönte eine ruhige und äußerst höfliche[Leerzeichen]Stimme.

"Ich habe ihr heute eine Geschichten vorgelesen.

... eine Geschichte ...

Großen Regentropfen platschten draußen laut auf den lehmigen Boden nieder.

Große Regentropfen ...

Erst cremte er nur meinen Rücken, dann aber wollte er auch meine Brust eincremen, meine Füße bis hoch rauf zu den Schenkeln.

... bis hoch rauf zu den Schenkeln. Hier würde ich hoch streichen.

Neben ihr lag Lucia, festgeschnallt auf einer Bahre.

Du kennst doch sicher den Spruch: Von der Wiege bis zur Bahre - Formulare, Formulare. Ich würde hier im Text von einer Trage sprechen.

"Danke, danke, gar nichts", antwortete Phil, "du", er überlegte kurz, "das mit den Kopfwehtabletten tut mir leid. War dumm von mir."
"Schon okay, habe ich ohnehin nicht ernst genommen", Sarah lächelte und schmiegte sich an Phils Brust.
"Ich bin stolz auf dich", fuhr er fort und streichelte ihr durchs Haar.

Ich hatte oben im Text Wut auf Phil. Dieses Arschloch, dachte ich und konnte dich nicht verstehen, wieso du ihn so reagieren lässt. Diese Stelle hier finde ich richtig Klasse.

Für mich ist das jetzt eine richtig gute Geschichte und ich habe sie zum zweiten Mal sehr gerne gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 
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Hallo BRM!

Vielen Dank für die neue Version von Lucia! Wie schon deine erste, reale Erzählung hat mich auch die neu überarbeitete Geschichte gefesselt. Mir gefällt deine Ausdrucksweise, deine Geschichte liest sich sehr flüssig und ist bis zum Schluss spannend. Du gibst mir mit deiner Beschreibung die Möglichkeit, in ein mir fremdes Land einzutauchen.
Der Titel passt gut und macht Lust zum Lesen. Auch die Verbindung - Titel und der letzte Satz "es regnete" macht die Geschichte für mich rund.

Ein wenig irritiert bin ich von Phil, zu Beginn wirkt er sehr entspannt, dann wieder genervt. Ich merke, dass ich ihn als Charakter nicht richtig einschätzen kann.
Zu Beginn dachte ich, dass Sarah in diesem Land Urlaub macht um zu sehen wie sie dort helfen kann. Ich verstehe daher ihre Reaktion nicht ganz, als sie gefragt wird, ob sie ins Krankenhaus kommen kann. Ihre Reaktion kommt mir ein wenig übertrieben vor, im Gegensatz dazu ist Phil wieder relaxt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass in meinem Kopf, beim Lesen deiner ersten Geschichte, bereits ein Bild von Sarah entstanden ist, dass jetzt nicht mehr ganz stimmt.
Ich habe auch den Eindruck, dass du aus der Geschichte einen Roman machen könntest, den ich mit großem Genuss lesen würde.

Eine kleine Anmerkung habe ich noch, ich mag den Namen "Captain Jack" nicht! Ich finde ihn nicht passend für einen großen, stattlichen Herrn in grauer Uniform. ;)
Ich freue mich schon sehr auf weitere Erzählungen von dir!
Liebe Grüße
Sunnygirl

 
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Hallo Khnebel,

danke fürs Fehler finden :-) Unglaublich! Umso öfter man seinen eignen Text liest, umso weniger sieht man die Fehler. Nach dem Motto, wir sehen nur was wir sehen wollen :-)
Werde ich natürlich gleich korrigieren.

Ich versuche eine runde Geschichte daraus zu machen. Die Konflikte sind sicher zu wenig ausgebaut und ich habe auch noch manche Ansätze offen gelassen. Zum Beispiel Emily, oder die Familie von Lucia. Vielleicht auch Anns Belgeitung, nicht zu vergessen, sie selbst. Für mich sind solche Hinweise, welche Konflikte gut kommen oder nicht, eine sehr wertvolle Hilfe. Leider wird man nur allzuschnell betriebsblind, was den eigenen Text angeht.
Ich habe Spaß daran, an mir zu arbeiten und mich zu verbessern, wenngleich es nicht immer einfach ist :-)
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Sunnygirl: Der Name Jack ist sicher nicht sehr einfallsreich, mal sehen ob mir da was anderes einfällt. Inzwischen spielt er allerdings ohnehin nur mehr eine sehr untergeordnete Rolle.
Der Titel ist natürlich bewusst gewählt und zweideutig. Es ist damit nicht nur der täglichen Regen gemeint, der über das Land niedergeht, sondern auch die traurigen Ereignisse, die diese Geschichte erst erzählenswert machen.
Auch dir, danke fürs Lesen :-)

BRM

 
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Hallo BRM,

das liest sich schon ganz anders. Das ist wesentlich mehr am Thema, ohne Sackgassen nach rechts und links. Hat mir sehr viel besser gefallen.

Ist natürlich jetzt auch so ein Zwischending, zwischen Kurzgeschichte und Roman. Nicht wegen der Länge, sondern wegen der Ausführung. Bei Kurzgeschichten sagt man ja immer, dicht, dichter, gleich mit dem Konflikt einsteigen ... das machst Du so ab Seite vier. Ab da bekommt es eine Richtung für den Leser, wohin die Reise für ihn gehen soll. Also für mich ist das ein Miniroman :). Du nimmst Dir Zeit, erzählst viel, baust ganz langsam auf und man muss sich da als Leser erst mal fallen lassen können. Zu mindestens ging es mir so. Als ich dann erst mal auf "die Langsamkeit" eingestellt war, war es eine wirklich schöne und berührende Geschichte. Obwohl ich mich bei solchen Enden frage, wie gut sie eigentlich sind. Klar, das Mädchen wird wieder laufen können, das ist gut, keine Frage, das ist groß für ihr Leben, aber sie wird dann auch wieder in ihr altes Leben zurückgebracht, mit Bildern vom "Paradies", einer Welt, die für sie unerreichbar bleibt. Ich habe da ein zwiespältiges Verhältnis zu. Ich glaub, für die Psyche ist das eine enorme Herausforderung. Ich finde, da hat die westliche Welt auch ein Nachversorgungsauftrag. Also, nicht Du in der Geschichte, sondern die Gesellschaft.
Was ich mich noch frage, warum ein gebrochenes Becken eindeutig auf sexuellen Missbrauch hinweist. Warum da ein Autounfall ausgeschlossen werden kann. Ich meine, ein gebrochenes Becken und Verletzungen im Genitalbereich, also die Kopplung - da ja, aber ohne dem? Fand ich als Laie sehr schwierig, den Autounfall so absolut auszuschließen. So in der Art: Gebrochenes Becken kommt nur durch Vergewaltigung.

Ich könnt jetzt noch hier und da was zum Stil sagen, beschränke mich aber auf die Dialoge. Da sehe ich am meisten Potential noch mehr rauszuholen. Denn der Text liest sich wirklich flüssig weg, deine Sprache trägt über die Länge und da fallen die Dialoge dann "hölzern" auf. Nun ist das auch so ein Ding mit den Dialogen, die sind schon eine besondere Hürde. Ich nehme mal einen raus und zeige, was ich meine.

Jack überwachte das Verladen der Koffer, als (plötzlich) eine Hand von hinten seine rechte Schulter ergriff.
Es ist vieles gar nicht so plötzlich, wie Autoren das immer behaupten wollen. Das ist so ein Dramablendewort, was sich beim Schreiben gut anfühlt und beim lesen - naja. Ganz sparsam mit dem Wörtchen umgehen und dich immer fragen, ja, ist das wirklich, wirklich plötzlich?

"Captain, du musst achthundert Euro bezahlen. Achthundert, sonst kann ich euch nicht rüberbringen", murmelte Bamka, ein kleiner rundgesichtiger Afrikaner.

Was sprechen die da für eine Sprache? Ist Bamka des Englischen so sicher oder hat er noch kleine Grammatikfehler? Sollte er die haben, macht es ihn deutlicher als Einheimischen, schon in der Rede, nicht erst in deinem Nachtrag.
"Captain, du musst achthundert Euro zahlen. Achthundert, sonst ich kann euch nicht bringen" ...

"Wir haben alles im Voraus bezahlt, du bekommst nichts mehr", antwortete Jack und drückte mit reflexartiger Bewegung die Hand von seiner Schulter.

Spricht er erst und wischt dann die Hand weg? Natürlicher finde ich es andersherum.
Jack drückte mit reflexartiger Bewegung die Hand von seiner Schulter: "Nichts da! Es wurde alles im Voraus bezahlt. Auch die Überfahrt."

Mit hochgezogenen Augenbrauen und spitzem Mund versuchte er, seiner Aufforderung mehr Ausdruck zu verleihen.
"Achthundert Euro", wiederholte er unter Betonung jeder einzelnen Silbe.
Das machst Du oft. Mimik und Tonlage beschreiben. Das ist auch gut so, aber doch nicht bei fast jedem Satzfetzen. Das zerreißt Dir den ganzen Gesprächsfluss. Das nimmt jede Dramatik aus einem Gespräch, das sich zuspitzt. Manchmal muss man Leute auch reden lassen und dem Leser vertrauen, dass er aus dem "was" auch das "wie" heraus liest. Wie gesagt, das zieht sich durch den gesamten Text. Da kann ruhig auf den einen oder anderen Nachtrag verzichtet werden.

"Captain, du musst achthundert Euro zahlen. Achthundert, sonst ich kann euch nicht bringen." Bamka, ein rundgesichtiger Afrikaner, hatte sich vor Jack aufgebaut.
Jack drückte mit reflexartiger Bewegung die Hand von seiner Schulter: "Nichts da! Es wurde alles im Voraus bezahlt. Auch die Überfahrt."
"Achthundert Euro oder ich euch nicht bringen!"

Merkste, wie weglassen hier viel mehr Spannung/Anspannung reinbringt, als spitze Lippen und umherlaufen?

Mrs. Ann, die eben noch mit ihren Koffern beschäftigt war, stand plötzlich zwischen Jack und Bamka.

Sie also auch. Tauchen alle aus einem bis dato nicht sichtbarem Nebel auf, ja :).
"Was willst du? Geld? Schämt ihr euch denn nicht? Jetzt kennt ihr mich schon seit so vielen Jahren und versucht es immer wieder", schrie sie ihn an.
"Es ist alles bezahlt. Im Voraus, wie von euch verlangt! Ihr bekommt keinen Cent mehr. Ich investiere Millionen in dieses Land und ihr versucht mich ständig zu betrügen, schämt ihr euch denn gar nicht?", drohend hob sie ihre Hand, als wollte sie ihn ohrfeigen.
"Los, lauf und hol das Boot."

Zeilenwechsel nur, wenn auch der Sprecher wechselt. Ich hatte hier echt Probleme, wer da denn redet, wenn nicht Ann selbst. Und so wie sie am Anfang, so redet kein Mensch. Höre Menschen zu. Im Gesprochenen sind sie bequem, nutzen viel weniger Worte als im Schriftlichen und vor allem, reden ganz wenige Menschen in langen Sätzen oder nur unter gewissen Umständen. Auf keinen Fall tun sie es, wenn sie aufgebracht sind.

Und noch eine unschöne Angewohnheit, die mehr verwirrt, als sie gut macht:

Ich investiere Millionen in dieses Land und ihr versucht mich ständig zu betrügen, schämt ihr euch denn gar nicht?", drohend hob sie ihre Hand, als wollte sie ihn ohrfeigen.
Das Unterstrichene ist kein Redebegleitsatz. Es ist ein eigenständiger Satz, sollte deshalb auch so verwendet werden: Rede Ende - neuer Satz.

"Was willst du? Geld? Schämt euch! Ihr kennt mich seit so vielen Jahren und versucht es immer wieder!", schrie sie. "Es ist alles bezahlt. Im Voraus, wie von euch verlangt! Millionen investiere ich in dieses Land und ihr versucht mich zu betrügen. Ist das euer Dank?" Drohend hob sie die Hand. "Los! Lauf und hol das Boot."

Ja, da gäbe es jetzt eine Menge zu tun. Sätze die keine Redebegleitsätze sind, als neuen Satz beginnen. Gucken, wo man die Dialoge durch weglassen unnötiger Beschreibungen ausdünnen kann. Lange Sätze einkürzen. Ich glaube, damit wäre den Dialogen schon viel geholfen ihrer Künstlichkeit zu entkommen und ihnen mehr "Natürlichkeit" zu verleihen.
Also, dass nur als Hinweise, wenn Du am Handwerk weiter arbeiten willst. Lesbar ist das natürlich alles und auch verständlich. Nur die Zeilenumbrüche, die würde ich noch rausnehmen, wenn der Sprecher nicht wechselt. Das verwirrt schon arg.

Schöner Miniroman :). Ich mochte vor allem die Details aus dem mir unbekannten Land. War fast wie eine kleine Reise. Vielen Dank dafür.

Lieben Gruß, Fliege

 
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Hallo BRM,

wie ich den Kommentaren entnehmen kann, ist das eine überarbeitete Version deiner Erstauflage. Da ich diese nicht kenne, mache ich mich ganz unvoreingenommen über deine Neuversion her. Du hast allerdings jetzt schon meine Bewunderung, weil das echt ein langer, umfangreicher Text ist und du den nun schon einmal komplett umstrukturiert hast. Du scheinst also voller Tatendrang zu sein. Sehr schön!

Das gleich vorneweg: Mir gefällt deine Geschichte, sie hat mich in eine ganz andere Welt eintauchen lassen, die für mich komplettes Neuland darstellt und du hast dabei so viele verschiedene Themen anklingen lassen, über die ich wirklich gerne mehr erfahren würde. Anklingen lassen trifft es allerdings gut, denn mit den Figuren richtig mitfiebern, das konnte ich noch nicht. Es wurde in einigen Kommentaren schon erwähnt und du hast es selber auch schon erkannt: Das ist kein Stoff für eine Kurzgeschichte, da müsste ein Roman daraus gemacht werden. Es werden so viele verschiedene Dinge angesprochen: Landschaft, Ebola, Korruption, Medizin, Beziehungsstress, Vergewaltigung und noch viele mehr. Dabei ist aber keines wirklich in den Vordergrund getreten. Das ist meiner Meinung nach auch unmöglich, alles in so einem kurzen Text unterzubringen und dabei noch einen Spannungsbogen zu erzeugen und Konfliktsituationen gründlich zu behandeln.

Du versuchst sehr genau zu beschreiben, man merkt dir deine Liebe zu Details an. Manchmal denke ich aber, etwas weniger würde dem Lesefluss gut tun. Hier als Beispiel anhand deines ersten Absatzes, was ich damit meine:

Es war ein heißer Sonntagmorgen im Mai 2014. Kaum hatte sich die Sonne tiefrot vom Horizont erhoben, stiegen auch schon Nebelschwaden auf, um sich kurz darauf wieder in nichts aufzulösen. Der gerade eben noch feuchte, rote Lehmboden verwandelte sich in eine staubige Steppe.
Am Flughafen von Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones, herrschte reger Betrieb. Ein Privatjet aus Europa war gelandet. Umzingelt von Autos, Gepäckwagen und unzähligen Menschen stand das Flugzeug alleine auf der Abstellfläche.
Die Einheimischen kannten Flugzeuge nur als riesige Ungetüme, die hin und wieder mit lautem Getöse über ihre Wellblechhütten dahinbrausten. So nahe davor zu stehen war ein besonderes Ereignis und eine willkommene Abwechslung im Leben der Kreolen. Das Wasser tropfte träge von den Tragflächen und aus der Ladeluke im Heck der Maschine ergoss sich kalter, weißer Dampf. Minus siebzig Grad kaltes Metall zwang der feuchtwarmen Umgebungsluft perlendes Kondenswasser ab.

Ich habe jene Adjektive fett hervorgehoben, die man für meinen Geschmack auch weglassen kann. Wenn sich etwas auflöst, ist das immer ins Nichts, die Steppe verbindet man mit staubig, ebenso wie Getöse laut ist und Wasser entweder tropft oder nicht, aber nicht träge. Beim kalten weißen Dampf ist zwar das kalt okay (denn der kann ja auch heiß sein), aber weiß ist er immer.

Oder auch hier:

Seine schwarze, schweißüberzogene Haut glänzte in der Sonne.

Die Haut glänzt eigentlich nur, wenn sie nass ist, in der Hitze somit als Schlussfolgerung schweißbedeckt, das kann sich der Leser ruhig auch selbst zusammenreimen. Versteh mich bitte nicht falsch, es ist schön, wenn man dem Leser möglichst viel nahe bringen kann (in diesem Zusammenhang gefallen mir besonders die Landschaftsbeschreibungen), aber auf logische Erklärungen/Adjektive kann man auch mal verzichten.

Ich finde, du hast viele interessante Figuren in deiner Kurzgeschichte. Jack, Ann, Emily, Sarah, Phil. Gerne würde ich mehr über sie erfahren, vor allem über ihre Ecken und Kanten wie auch über ihre positiven Seiten und ihre Güte (hiermit meine ich Ann). In der Kurzgeschichte plätschern die Charaktere natürlich sehr an der Oberfläche dahin, da ist noch ganz viel drinnen, aber du weißt ja selber schon, dass es in dieser Kürze unmöglich ist, allen Personen die notwendige Tiefe zu verleihen. Ich kenne deine Erstversion nicht, aber kamen darin auch schon so viele Figuren vor? Könntest du dir für eine Kurzgeschichte ansonsten vorstellen, einige Figuren und somit diese eher nur angedachten Konfliktsituationen zu reduzieren? Es kommt mir hier zum Beispiel Emily in den Sinn, die als aufmüpfige Göre Konfliktpotenzial genug hätte, das in deiner Handlung aber nur angeschnitten wird. So wie sie in der jetzigen Form in deiner Geschichte untergebracht wurde, ist sie für den Handlungsverlauf nämlich nicht wirklich wichtig.

Nicht weit vom Krankenhaus, in einer kleinen Hütte aus Wellblech, saß ein gut gekleidetes weißes Pärchen. Er trank Dosenbier, während sie an einer Cola nuckelte. Von der Straßenküche gleich nebenan brachte ihnen ein kleiner Junge gebratene Spieße. Der Duft von Gegrilltem zog über die Straße. Misstrauisch wurden die beiden von allen Seiten beobachtet. Es kam nicht oft vor, dass sich Weiße hierher verirrten. Eines der Mädchen, die ihnen gegenüber saßen, stand auf und ging auf Sarah zu. Sie griff nach ihren langen blonden Haaren, zeigte sie wie eine Trophäe ihren Freundinnen und lachte. Sarah verzog keine Mine, gerade so, als ob es nicht ihr Haar wäre, das hier vorgeführt wurde. Phil, ihr Freund, lachte ebenfalls.

An dieser Stelle war ich erst sehr verwirrt, weil plötzlich ein Perspektivenwechsel statt gefunden hat. Vorher verlief die Handlung aus Sicht von Ann und nun plötzlich aus der Sicht von Sarah. Das kenne ich aus vielen Romanen (z.B. Jahrhundert-Trilogie von Ken Follett, Game of Thrones von George R.R. Martin), allerdings wird das dann immer separat hervorgehoben, meist mit einem neuen Kapitel. Du siehst, ich spreche schon wieder von Romanen.

Zu dieser Zeit war im Frühstücksraum nicht mehr viel los. Die chinesischen Arbeiter hatten das Hotel schon verlassen und Touristen gab es, außer Shara und Phil, ohnehin nicht.
Das Telefon klingelte erneut: "Callahan", antwortete Shara nun wesentlich lauter und sichtlich genervt.
"Guten Tag Dr. Callahan, hier spricht Ann Dunn von der Dunn Foundation", ertönte eine ruhige und äußerst höflicheStimme.

Aus Sarah ist hier im weiteren Verlauf immer wieder mal eine Shara geworden.

BRM, echt toller Stoff, den du hier abhandelst und es ist nicht schwierig zu erraten, was mein Fazit zu deinem Text ist: Mach einen Roman daraus! :D
Bis es soweit ist, kannst du ja hier noch fleißig üben, indem du ganz viele Kurzgeschichten mit ähnlich interessanten Inhalten einstellst.

Grüße,
rehla

 

Hallo Fliege,

dir auch ein großes Dankeschön, dass du dir die Zeit genommen hast.
Jaja, die große Kunst der Dialoge. Ich habe diesen nun etwas umgebaut. Liest sich echt gleich besser. Ann fällt dadurch auf, dass sie schnelle und lange Dialoge spricht. Präzise Aussagen zu treffen, ohne lange nachdenken zu müssen. Bei Bamka ist das schon etwas schwieriger. Zuviel an "schlechter Grammatik" schadet genauso wie zuwenig. Da muss ich noch einmal nachdenken, welches Merkmal ich verwenden werde.
Dein Beispiel hilft mir sehr zu verstehen, wo der Unterschied liegt.

Den Hinweis auf eine Vergewaltigung habe ich sehr "hölzern" dargestellt. Nicht der Tipp einer Kollegin und ihre Erfahrungen sollte die Vergewaltigung erkennen lassen, sondern einfach die Untersuchung im Spital. Die Knochen sind nicht "nur" wegen einer Vergewaltigung gebrochen, sondern hauptsächlich wegen Knochenkrebs, was allerdings in Afrika nicht zu diagnosizieren war. Die multiple Vergewaltigung hat dabei den Rest gegeben. Das werde ich auch neu gestalten. Weniger Text und mehr Vertrauen in den Leser wären sicher besser.

Du hast recht, es ist ein "Zwischending". Ich wollte eine Kurzgeschichte schreiben und bin dabei immer tiefer in das Thema reingerutscht. Deshalb auch die kleinen Ansätze verschiedener Konflikte und der Perspektivenwechsel.

Ich möchte an der Geschichte weiterarbeiten. Das Thema interessiert mich und ich habe auch jede Menge an background Informationen dazu. Ich hätte genug neue Geschichten, aber mir geht es hier nicht ums Erzählen, sondern um schreiben zu lernen. Das Thema ist ja nicht schlecht, nur an der Umsetzung happert es noch. Deine Bezeichnung "Miniroman" ist süß :-). Ich möchte mir nicht von Beginn an den Stress machen, einen Roman schreiben zu müssen. Ich möchte vielmehr diese Geschichte ausbauen und schauen, in welche Richtung das führt. Von dem Thema "Kurzgeschichte" habe ich mich mit "Regen über Sierra Leone" ohnehin schon verabschiedet, denn wie du schon bemerkt hast, der direkte Einstieg ins Geschehen ist nicht mehr vorhanden. Außerdem widme ich mehr und mehr Text den verschiedenen Charakteren und baue ihn eher aus als zu straffen.

Ich muss mich nun entscheiden, welchen Konflikt ich hervorhebe, welche Nachricht ich vermitteln möchte. Soll es Sarah sein, die die Hauptrolle spielt, oder doch Ann? Soll ich einen Konflikt mit ihrer Tochter aufbauen (was ich eher schon wieder vergessen habe) oder soll ich überhaupt Lucia und ihr Leben in Afrika in den Mittelpunkt stellen.

Wo beginne ich? Die Ankunft in Freetown muss es ja nicht unbedingt sein. Wird Ann meine Protagonistin, könnte ich in Schottland beginnen. Ihren unsagbaren Reichtum beschreiben (reichste Frau Schottlands). Den plötzlichen Tod ihres Gatten und Selbstmord ihres Sohnes. Ich könnte rückblenden in die Zeit ihrer Jugend, als sie selbst zwanzig Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet hat. Den Grund, die Motivation führ ihre karitative Ader beleuchten?

Alles viel zu viel, da wird mir jetzt schon schlecht. Sicher nicht!

Oder Sarah. Ihre Zielstrebigkeit im Beruf und das Vernachlässigen Ihrer Beziehung aufzeigen. (Gut oder schlecht ausgehen lassen:-))

Ja, oder doch Lucia. Ihr Leben in den Slums mit ihrer Familie, die jeden Tag ums Überleben kämpft.

Das Hauptthema bleibt natürlich Lucias Rettung. Aber kann oder soll ich mehrere Konflikte rund um diese Geschichte hervorheben?

Jedeanfalls werde ich es nun in Kapitel aufteilen, dass macht auch den Perspektivenwechsel verständlicher. Zwei oder drei Schauplätze, die sich letztlich an einem vereinen und zum guten Ende führen. Die Kämpfe dazwischen muss ich noch überdenken. Soll ja auch gut lesbar werden.

Liebe Grüße
BRM

rehla,

auch dir Danke für deine Mühe. Einige der Einwände habe ich inzwischen oben beantwortet und manche Adjektive entfernt. Wenn sie doch so schön sind :-) Allerdings hast du recht. Auch mir gefallen kurze und prägnante Sätze viel besser.
Das Therma Ebola habe ich letztlich auf Grund der Aktualität einfließen lassen. War zu der Zeit vorhanden, allerdings nur im Hintergrund. Ich weiß, ich muss mich festlegen, welchen Konflikt ich aufarbeiten oder einfließen lassen möchte. Vielleicht habe ich mir damit auch nur selbst aufgezeigt, was alles mögich wäre.

Kurzgeschichten: genau so werde ich das machen. Mit Kurzgeschichten weiter üben und an der Langen nebenbei arbeiten :-)

Vielen Dank für deine Tipps
BRM

 

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