Was ist neu

Rockerfrühstück

Mitglied
Beitritt
22.08.2001
Beiträge
4

Rockerfrühstück

Der Menschenschwarm fliegt aus dem größeren Gebäude zielstrebig auf den Hof. Es bilden sich Gruppen. Mal stehen sie zu viert, manchmal sind da nur Pärchen die sich schließlich einer Gruppe anschließen. Manche reden. Viele rauchen und trinken Kaffee oder Tee. Das Klingeln ist kaum verklungen, da heben sie schon die Arme und betteln um Essen oder Feuer. Nur wenige lachen. Das Klima ist ganz gut und man stellt sich darum nicht in die Sonne, aber auch nicht in den Schatten. Unterm Baum ist kein Platz und einige knicken schon beim Gedanken an die Holzbalken darunter um. Bei einigen erklingen sanfte Lieder und sie blinzeln entspannt in die Sonne. Irgendwann ist es still. Tumult im Hintergrund und klirrendes Geschirr. Dann ein unmerkliches Zischen des Zigarettenstummel, der auf dem Asphalt erlischt. Mit ihm erlischt auch die Ruhe. Es klingelt und es ist doch noch nicht alles gesagt. Sorgenfalten auf den Gesichtern der Gesprächspartner oder Leidensgenossen. Und ein Jauchzer - höchst selten. Manch einer schaut beschämt auf die Uhr, daraufhin mit Sorgenmiene in Richtung Gebäude. Allein gelassene Tassen und Löffel leisten sich auf den wackeligen Holztischen Gesellschaft. Halten mit einem Tetrapak oder einer leeren Bierflasche einen Plausch. "ich bemerke dass ich selbst auch Spuren hinterlasse jeden Tag zum Beispiel mit der Kaffeetasse. Kleine Ringe auf dem Tisch und dann die Löcher im Teppich." der Hof leert sich, man schwärmt in Scharen gen Ausgang. Wieder Stille. Man trägt Unterlagen und Bücher unter den Armen, klemmt sich ein oder zwei Kugelschreiber hinter die Ohren, wenn da noch Platz ist. Gleich müssen sie wieder funktionieren. Und keiner wird sich an den anderen erinnern, obwohl er Spuren hinterlassen hat. In der Schlammpfütze oder auf den wackeligen Holztischen. Als Abbildung in den anderen Köpfen vielleicht, man wird ja dann doch nur verdrängt von kommenden und gehenden Gesichtern. Aber man hofft, der Name bleibt doch irgendwo hängen. Vielleicht merkt sich ein Löffel meinen Geschmack, denkt sich einer. Gruppen spalten sich und fließen auseinander. Man ist wieder alleine irgendwo zwischen Baum und Dach unter freier Sonne. Die letzten Krümel auf dem Boden fegt der Wind weg und macht Platz für die nächsten.
Man schwärmt aus in Zimmer und Räume. Denkt nach, oder schläft beschämt in der hinteren Reihe. Man wird erwischt und schläft gediegen weiter. Die Vorhänge werden zugezogen. Ein Kaffeekränzchen mit dem Nachbarn wird gehalten und dann wieder schreiben, aufpassen, merken, vergessen. Dem vorderen Augenpaar folgen und an dessen Lippen hängen. Leises Kratzen auf den Tischen lässt Unmut und Lustlosigkeit der Maschinen entdecken. Die weniger funktionsfähigen Maschinen werden ganz hinten abgestellt. Sie dürfen Schlafen, weil sie keinen "Ertrag" mehr bringen. Manchmal stellt man sie auch vor die Türe, in der Hoffnung sie mögen vom Teufel geholt werden. Auch dieser Tag geht vorbei und man würde die Maschinen gerne in den Räumen über nacht abstellen können, wenn nicht jemand gesagt hätte, sie würden kaputtgehen. Darum stellt man sie die nacht über nach draußen und wartet auf den Nächsten morgen, denn auch diese nacht wird vorbeigehen. So stehen die Maschinen die nacht über im Freien. Sie wissen nichts mit sich anzufangen, weil sie nicht darauf programmiert wurden. Sie stehen also stundenlang und denken an Zahlen, warten auf en nächsten morgen. Nur die kaputten Maschinen fahren über den Hof wie die Wilden. Jubeln den Mond an. Und alles nur, weil sie einen Funktionsfehler haben. Aber sie sind zufrieden, die kaputten Maschinen. Nachts sind sie zufrieden. Nur am Tag ist es ihnen ein bisschen langweilig. Die Funktionsfähigen sehen das andersherum. Aber alles geht vorbei - irgendwann.

 

"Rockerfrühstück" - Yeah! Da dröhnt die volle Ladung Metallica aus den Boxen, man trinkt eiskaltes Bier und die Mädels headbangen ohne Ende... Exit Light! Enter Night! Yeah...

Aber vorsicht, denn hinter dem etwas irreführenden Titel versteckt sich mal wieder eine Gesellschaftskritik, welches auf die Schlechtigkeit des Systems hinweist.

Sicher, gut geschrieben, manches vielleicht auch etwas übertrieben (was die Formulierung betrifft).

Nur leider konnte ich mir ein leichtes Gähnen nicht verkneifen. Alles schon mal dagewesen, zwar andere Verpackung, aber immer das gleiche...

Aber ich kann hier natürlich auch gründlich daneben liegen!

Nur die kaputten Maschinen fahren über den Hof wie die Wilden.

Der Satz hat was! :)

Poncher

 

@ Ponch Lach ruhig, aber ich finde einige Songs von Metallica wahnsinnig gut! Eben "Enter Sandman", den du zitiert hast, oder "One", das ist eine unglaublich gute Ballade über den Wahnsinn des Krieges!
Dass sie dann Napster kaputt geklagt haben, konnte ich ihnen aber nicht verzeihen... :mad:

----

Doch zur Geschichte selber: Ein Grenzfall - handelt es sich um einen Text (=Gedankenansammlung) oder um eine "echte" Kurzgeschichte?
Ich hoffe zweiteres, denn er gefiel mir und ich fände es schade, wenn man ihn löschen würde!

Diese kühle, distanzierte Haltung des Autors zu den beschriebenen Objekten bzw. Subjekten behagt mir. Das hat einfach was!

Als Abbildung in den anderen Köpfen vielleicht, man wird ja dann doch nur verdrängt von kommenden und gehenden Gesichtern. Aber man hofft, der Name bleibt doch irgendwo hängen.

Klingelt´s? Hier findet sich eines der traurigsten Prinzipien des Lebens wieder: Das Vergessen werden! Aber wer möchte das schon? Wenn man schon einen Abgang machen muss, dann in der Hoffnung, man möge in der Erinnerung "erhalten" bleiben. Nachdem das Bauen von Pyramiden hierzulande eher unschicklich ist, muss man dies auf andere Art und Weise tun.
Die hier Beschriebnen werden es nie schaffen, das ist traurig, aber eine bittere Wahrheit.

Ach ja: Der Titel fährt auch "so richtig rein" - ein aussagekräftiges Wort, statt eines ganzen Satzes.
Ein beachtliches Debüt, mein Rainer, der auch ein Rocker ist, was bedeutet: Er mag Rock!!! YEAH

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom