Was ist neu

Roth

Empfehlung
Seniors
Beitritt
08.07.2012
Beiträge
892
Zuletzt bearbeitet:

Roth

Ein Windstoß bläht die Vorhänge. Ostsonne schneidet ins Zimmer. Rötlich. Kalt. Irgendwo im Halbdunkel sein Gesicht.
»Hör auf, mich anzustarren«, sage ich.
Roth lächelt, öffnet die Augen. »Du bist schön, wenn du schläfst.«
Ich schlage die Decke zurück, steige benommen aus dem Bett, halte inne. Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter. Sie knistern unter meinen Füßen, als ich ins Badezimmer gehe.
Wasser, eiskalt, rinnt über meinen Körper. Ich plane den Tag, versuche, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen.
»Heute den hier?« Roth lehnt in der Tür und hält mir den Anzug von Brioni entgegen.
Ich sage nichts.
»Der steht dir gut.« Er bleckt die Zähne, ich sehe ihn an und kann den Blick nicht abwenden.


Ich drücke die E-Taste, die Kabine sackt abwärts. Im dritten Stock gibt es einen Ruck. Ich sehe Roth lächeln, als Jasmin zusteigt. Da, in der Reflexion der Aufzugtüren, das ist sein wahres Gesicht.
»Na«, sagt Jasmin, streicht sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und schaut auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Spät dran, heute.«
Ich nicke. »War eine lange Nacht.«
Sie schürzt die Lippen, sagt dann aber nur: »Schicker Anzug.«
»Ja, hab nachher einen wichtigen Kunden.«
Wir treten aus dem Aufzug, und sie berührt flüchtig meinen Arm. Ich atme den Duft ihres Parfüms ein. Der Concierge eilt herbei. »Ihr Wagen wartet, Frau Erickson.«
»Die Muschi riecht gut«, sagt Roth, als Jasmin in das Taxi steigt.


Ein schiefes Lächeln, eher Ekel als Belustigung – mehr hat mein Vater nicht zu sagen, als er die Axt in meiner Hand sieht. Mit einem Knirschen fährt das Blatt des Spatens in die Erde. Mein Vater streift die Arbeitshandschuhe ab, streckt den Rücken. Ich rieche den Geruch des Waldbodens. Totholz, Farn und Moos dünsten in der feuchten Hitze des Spätsommers. Eine Weile schweigen wir.
»Diese Jagdhütte gehört unserer Familie seit vier Generationen«, sagt er irgendwann. Er steckt sich eine Zigarette an. »War mal das Land der Roten, hat mir dein Großvater erzählt.«
Er schaut mich an. »Blackfoot, Crow – was weiß ich.«
Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu.
»Hatten hier eine Bestattungsstätte, sagte er. Als Kind habe ich mir nachts fast in die Hosen gepisst.«
Ich hebe die Axt. »Ich weiß, dass du sie getötet hast.«
Er schüttelt den Kopf, zuckt die Schultern. »Klar, dass du mir die Schuld gibst. Du bist jung.«
»Nein«, sage ich. »Du redest dich nicht raus.«


Brendler sinkt in die Polster des Sofas und richtet seine Krawatte. Die Pflanzen des Wintergartens verströmen einen zarten Dunst.
»Ehrlich gesagt, hatte ich nie vor, dieses Bild zu verkaufen«, sagt Brendler.
Wie auf Kommando schauen wir drei hinüber zur Wand.
»Aber Ihr Angebot ist … Sie wissen, dass Sie mir dabei zu viel bezahlen.«
Ich setze das Glas an die Lippen, trinke einen Schluck. Aus den Augenwinkeln sehe ich Roth neben mir, sehe die harten Züge seines Gesichts. Sehe seine schmalen Augen.
»Nun, es ist ein Werk mit einer bewegten Geschichte«, sage ich.
»In der Tat«, erwidert Brendler und in eigenartigem Ton, wie zu sich selbst: »Aber das sieht man ihm nicht an.«
Ich bemerke, dass die Fensterscheiben des Glasanbaus beschlagen.
»Wussten Sie, dass der Vorbesitzer in Majdanek umgekommen ist?«, frage ich.
Brendler schaut mich an. Es ist, als erinnere er sich an etwas weit Zurückliegendes.
»Ich …«, beginnt Brendler, spricht aber nicht weiter. Roth erhebt sich.


Im Westen setzt der Glutball der Sonne die Frankfurter Skyline in Brand. Noch immer flimmert die Luft über der Stadt, aber hier auf der Terrasse ist es kühl. Ich drücke den Knopf unter der Armlehne und justiere die Höhe der Fußstütze. Jasmin neben mir rekelt sich und nippt an ihrem Glas.
Ich betrachte ihr Gesicht im Abendlicht, betrachte ihren Hals, ihr Dekolleté. Ich würde sie gern berühren.
»Und das ist es, was du machst?«, sagt sie. »Leute finden?«
»Bin ziemlich gut darin.«
Roth steht, die Ellenbogen auf das Geländer der Terrasse gestützt, ein paar Schritte entfernt. Sein Blick ist auf einen Punkt irgendwo in der Ferne gerichtet, aber ich weiß, dass er uns zuhört.


Im Gegenlicht der Nachmittagssonne spielt ein goldener Schimmer auf ihrem Haar. Sie beugt sich zu mir herab. Küsst mich.
»Na, mein Kleiner. Wie lief es in Mathe?«
»Hm«, sage ich, ziehe den Stuhl unter dem Küchentisch hervor.
Ich beobachte sie, während sie den Tisch deckt.
»Wir haben es doch gestern geübt«, sagt sie.
Ich spüre, wie mir der Schweiß auf die Stirn tritt. Ich sage ihr, dass heute mein Kopf wie leer war, dass mich alle angestarrt haben, dass ich dachte, ich müsste ersticken …
»Schon gut, mein Liebling.« Sie legt mir die Hände auf die Wangen. Ich rieche den Duft von Kräutern und Gewürzen. »Das macht nichts.« Sie küsst mein Haar. »Bestimmt klappt es beim nächsten Mal besser.«


Ich öffne das Fenster, schaue hinaus in die Nacht, spüre seinen Atem auf meinem Nacken.
»Ich könnte es beenden«, sage ich und deute in die konturlose Tiefe. »Sofort. Hier und jetzt.«
»Und unsere Vereinbarung?«, sagt er. Ich fahre herum.
»Fick dich«, spucke ich ihm entgegen.
Er zuckt die Schultern. »Du hattest die Wahl.« Und dann noch: »Ich habe dich nie belogen.«
So stehen wir, bis der Morgen dämmert.
»Zehn für einen«, sage ich irgendwann erschöpft. »Ist das gerecht?«
»Sind doch nur noch zwei«, sagt Roth. »Das schaffst du schon.«


Ich klappe den Laptop zu. Roth sitzt mit übergeschlagenem Bein auf dem Sofa und döst, aber ich weiß, dass er mich durch die geschlossenen Augenlider beobachtet.
»Hab ihn«, sage ich. »Wenn wir jetzt losfahren, erwischen wir ihn auf dem Weg zur Arbeit.«


Die Tür ist nur einen Spaltbreit geöffnet, aber auf diesem schmalen Streifen tobt alles Grauen meiner Kindheit.
»Geh ins Bett, John«, sagt meine Mutter und legt ihre Hände beschwichtigend auf die breite Brust meines Vaters. »Du bist betrunken.«
Er schwankt ein wenig vor und zurück, dann schlägt er zu.
Meine Mutter schreit nicht. Wegen mir.
Er packt sie an den Haaren, stößt sie gegen die Wand. Er reißt ihr das Kleid vom Leib, schlägt noch einmal. Sie sinkt zu Boden, röchelnd.
Ich schließe die Tür. Das Pochen meines Herzens übertönt das Poltern im Zimmer nebenan.


Mierlings Schritte hallen durch die Tiefgarage. Ich höre das Fiepen der Zentralverriegelung und dann das Klacken der Türschlösser.
»Peter, einen Moment bitte«, rufe ich und trete ins Licht der Neonleuchten.
Mierling bleibt stehen. Irritiert sieht er zu mir herüber.
»Was wollen Sie? Ich habe es eilig«, sagt er und wendet sich zum Weitergehen.
»Es geht um Ihre Frau.«
Mierling dreht sich wieder um. »Helena? Was ist mit ihr?«
»Nicht Helena«, sage ich. »Ich meine Ihre erste Frau.«
Mierling öffnet den Mund, doch er sagt nichts.
»Ich weiß, dass Sie sie getötet haben, Peter.«
Er starrt mich an, schließt den Mund, schluckt. Er scheint nicht zu bemerken, wie Roth sich ihm nähert. Er blickt mich nur an, fassungslos, blass, verstört. Beinahe tut er mir leid.


Jasmin seufzt, sinkt zurück in die Kissen, atmet schwer. Ich sehe, wie sich ihre Brüste heben und senken, die Haut an ihrem Bauch schimmert feucht.
»Das habe ich gebraucht«, sagt sie und lacht.
Sie steigt aus dem Bett, geht zum Fenster und öffnet die Vorhänge.
»Mein Job killt mich«, sagt sie, steckt sich eine Zigarette an. »Keine Familie, kein Privatleben, kein Sex.«
Ich betrachte ihre Silhouette vor den Lichtern der nächtlichen Stadt.
»Ich geh dann mal«, sage ich, als Roth mir ein Zeichen gibt.
Jasmin zuckt die Schultern. »Kannst ruhig bleiben«, sagt sie.
Ich schüttle den Kopf. »Muss morgen früh raus.«


Die verrostete Klinge des alten Buschmessers kratzt über den Stein. Im schmierigen Wasser des Weihers steigen Blasen an die Oberfläche, ich höre, wie sie an der Luft zerplatzen.
»So wird das nichts, mein Kleiner.«
Ich zucke zusammen, fahre herum. Sein Blick presst meine Brust zusammen und, ohne zu wissen, weshalb ich das sage, stoße ich hervor: »Ich werde nicht schreien.«
Tiefe Stille durchdringt den Wald. Kein Baum knarrt, kein Vogel singt.
Er lächelt, entspannt sich und gibt mich frei. Mit seinen langen, schmalen Fingern deutet er auf das Buschmesser. »Damit verletzt du ihn nur. Wenn du ihn nicht sofort tötest, erledigt er dich.«
»Wer sind Sie?«, frage ich, noch immer schwer atmend.
»Jemand, der dir helfen kann.«
»Und wie?«
Er lacht, und selbst im Dämmerlicht des Waldes sehe ich das Weiß seiner Eckzähne, das Rot seiner Zunge.
Ich erschrecke vom Klang seiner Stimme, als er sagt: »Ich zeige dir, wie du deinen Vater töten kannst.«


»Eine süße Muschi«, sagt Roth, nachdem ich die Tür meiner Wohnung hinter mir geschlossen habe. In meinen Schläfen hämmert es.
»Ich halte das nicht mehr aus«, sage ich, gehe in die Küche, schalte den Wasserkocher an.
»Machst du jetzt Kaffee?«, fragt Roth. »Es ist drei Uhr.«
Ich sehe ihn an, sehe die Muskeln seiner Arme, die Sehnen über Hals und Brust. Die Klauen.
»Ich will das nur noch zu Ende bringen«, sage ich. »Und dann bin ich frei.«
Roth lacht, reicht mir den Laptop. »Dann ans Werk! Ich kümmere mich um den Kaffee.«
Ich atme durch. Meine Finger fliegen über die Tastatur, ich knacke ein paar Backdoors, platziere einen Wurm, lasse Algorithmen nach Informationen schürfen.
Roth stellt mir den dampfenden Kaffee hin, ich nehme einen Schluck, kippe einen weiteren hinterher.
Dann sehe ich es. Ich starre auf den Bildschirm. Die Buchstaben flimmern vor meinen Augen. Roth lehnt in der Küchentür. Ich spüre seine Blicke auf mir.
»Nein«, sage ich wie betäubt. Ich höre die Tür des Eisschranks klappen.
Roth stellt zwei Gläser auf den Tisch, gießt Wodka ein.
»Auf die Freiheit«, sagt er.


Ich klopfe an die Tür, schaue im Gang nach links und rechts.
Jasmin öffnet. »Na, hast du es dir anders überlegt?«
Ich zucke die Schultern.
»Komm rein«, sagt sie und im Umdrehen gleitet der Morgenmantel an ihr herab.
Dann steht sie im Dämmerlicht vor mir, die Vorhänge hinter ihr bewegen sich leicht im Wind.
»Worauf wartest du?«, sagt sie und lacht. »Auf einmal schüchtern?«
»Ich weiß von dem Unfall«, sage ich.
»Hm?«
»Du hast vor drei Jahren ein Kind angefahren. In Prag.«
Sie wendet sich ab, starrt aus dem Fenster.
»Du bist einfach abgehauen. Hast die Kleine liegen lassen.«
Eine Weile spricht niemand ein Wort.
»Woher weißt du davon?«, sagt Jasmin schließlich. Sie klingt erschüttert.
»Bin gut in Mathe«, sage ich leise und zusammenhangslos. Dann lauter: »Ich verstehe was von Hacking. Ich finde Informationen.«
Roth tritt neben Jasmin, lässt die schmalen Hände über ihren nackten Rücken gleiten, leckt sich die Lippen.
»Werde dich vermissen«, sagt er zu mir.

 

Hallo @Achillus,

mir hat deine Geschichte sehr gefallen!
Wie du nach und nach die einzelnen Puzzleteile aufdeckst, die Getriebenheit des Protas darstellst, der den Pakt mit dem "Teufel" eingegangen ist, erzeugt eine finstere Stimmung. Das mag ich.
Auch die Unsicherheit, die man immer wieder über Roth verspürt, der ja in den intimsten Situationen dabei, aber auch nicht dabei ist, kannst du sehr schön aufrechterhalten.
Ich sehe Roth als Alter Ego, als das düstere ES des Menschen, weiß nicht, ob du das so angelegt hattest.

Ich öffne das Fenster, schaue hinaus in die Nacht, spüre seinen Atem auf meinem Nacken.
»Ich könnte es beenden«, sage ich und deute in die konturlose Tiefe. »Sofort. Hier und jetzt.«
»Und unsere Vereinbarung?«, sagt er. Ich fahre herum.
»Fick dich«, spucke ich ihm entgegen.
Er zuckt die Schultern. »Du hattest die Wahl.« Und dann noch: »Ich habe dich nie belogen.«
So stehen wir, bis der Morgen dämmert.
»Zehn für einen«, sage ich irgendwann erschöpft. »Ist das gerecht?«
»Sind doch nur noch zwei«, sagt Roth. »Das schaffst du schon.«
Diese Stelle finde ich sehr wichtig, da sie den Pakt herausstellt. Hier schreibst du aber auch, dass der Prota eigentlich des Vertrages überdrüssig ist. Dies hättest du vielleicht im weiteren Verlauf noch etwas ausbauen können. Denn wenn ihm das Töten nicht viel ausmacht, muss er ja auch nicht an Selbstmord denken. Selbst Jasmin ist ihm nur ein betäubtes "Nein" wert.

»Hör auf, mich anzustarren«, sage ich.
Roth lächelt, öffnet die Augen.
Diese Stelle finde ich etwas problematisch. Ich glaube, dass du absichtlich Roth durch geschlossene Augen starren lässt, damit das Mystische angedeutet wird. Zu Beginn hat es aber - auf mich - zuerst wie ein Fehler gewirkt. Vielleicht könnte man dies etwas später einbauen, wenn Roths Hintergrund etwas weiter entwickelt ist, sonst hat der Leser direkt das Gefühl, dass hier ein handwerklicher Fehler gemacht wurde. Er kann es ja noch nicht auflösen.

Soweit zu meinen Gedanken. Wenn ich danebenliege bitte ich um Aufklärung :)

Sehr gerne gelesen,
Gruß Daeron

 

Hallo @Achillus

Eine tolle Geschichte, die mehrmals zu lesen sich lohnt. Erst beim wiederholten Lesen wird einem die Tiefgründigkeit der Metaphern und die komplizierte Verschachtelung der Ereignisse bewusst. Habe ich zunächst noch angenommen, Roth wäre der Geliebte des Protas und hätte mit diesem zu Beginn in einem Bett gelegen, wurde mir bei wiederholter Lektüre bewusst, dass es sich bei Roth tatsächlich um den Teufel handeln könnte (oder einem dämonischen Wesen, aber derlei Metaphern laufen ja auf das Immergleiche hinaus). Hinweise darauf gibt es einige:

Da, in der Reflexion der Aufzugtüren, das ist sein wahres Gesicht.
Das typische "Im Spiegel sieht man das wahre Gesicht des Dämons"

Erst beim zweiten Lesegang wurde mir bewusst, dass andere Personen Roth gar nicht wahrnehmen, er ein Hirngespinst des Protas ist, sei es als Sinnbild für seine Psyche, oder als tatsächliche psychische Erkrankung. Ich vermute, dass der Prota hier "einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist", oder wenn man diese Metapher dechiffrieren wollte, die Ermordung seines Vaters (und damit Zusammenhängend die Ermordung seiner Mutter durch diesen, also verallgemeinert eine psychotische Kindheit) einen so schrecklichen Einfluss auf seine Seele hat, dass er zum Serienmörder geworden ist.
Vielleicht ist das auch etwas weit hergeholt?

Ich war zunächst etwas verwirrt, ob der vielen Sprünge und neuen Personen, doch alles fügt sich nahtlos zusammen und ich persönlich erfreue mich einer komplizierten Geschichte, die etwas Eigeninitiative vom Leser fordert.
Auch das Verwenden von Metaphern für die Psyche mag ich sehr, z.b. die Nachtfalter oder eben der schon erwähnte Teufel, der sich genau dann ins Hirn des Protas schleicht, als dieser den Entschluss gefasst hat, seinen Vater zu töten.

Hier noch Kleinkram:

Ich betrachte ihr Gesicht im orangefarbenen Abendlicht,
Den Abendhimmel und die Sonne hast Du davor schon ausführlich beschrieben, das Bild sitzt schon. "orangefarbene" ist wenigstens redundant, aber ja sowieso irgendwie abgedroschen.
Das Pochen meines Herzen übertönt
Meines Herzens , da Genitiv?
Ich klopfe an der Tür
schwierige Sache, ich bin aber beinahe der Überzeugung, dass man "an die Tür klopft", hier also der Akkusativ verlangt wird. Das ist, denke ich, hauptsächlich eine semantische Frage, über die man reichlich philosophieren kann.
ich knacke ein paar Backdoors
Das "Backdoors" gehört sicherlich zur Nomenklatur des Hackens, entwindet sich aber aufgrund des Englischen dem übrigen Text. Ein deutscher Begriff, z.b. Hintertürchen, würde den Text flüssiger machen. Ich habe damit kein Problem, kann mir jedoch vorstellen, dass das bei breiter Leserschaft sehr wohl irgendwann zum Thema werden könnte.

Mehr finde ich nicht.
Danke für die Geschichte, habe ich gerne gelesen.


MfG Putrid Palace

 

Hey @Achillus ,

gefällt mir vom Sound, der Mehrschichtigkeit der Handlung und den Erzählwechseln. Bin aber noch nicht durch mit Lesen. Möchte erstmal auf Stilistisches eingehen. Hohes Niveau, hat Spaß gemacht beim Lesen. Aber natürlich kann man auch hier schmirgeln:

Rötlich. Kalt.

Die Syntax wirkt hier klobig. Die Punkte/Satzenden sind mir zu stark, zu auffällig. Ich würde »Rötlich, kalt.« schreiben

, halte inne. Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter. Sie knistern unter meinen Füßen, als ich ins Badezimmer gehe.

das »halte inne« lässt bei mir das Bild entstehen, dass sie dort auf den Faltern steht. Das Bild beschwörst du weiter herauf und dropst am Ende des Satzes »als ich ins Badezimmer gehe". Da ist der Zeitraum des Innehaltens nicht richtig abgesteckt. Ich würde das Innehalten weglassen. Das Bild ist stark, aber im Prinzip ist es doppelt. Das Laufen über den Faltern ist von der Kraft her gleichwertig. Du solltest dich für eins, meiner Meinung nach das ins Badezimmer gehen, entscheiden.

Wasser, eiskalt, rinnt über meinen Körper.

Das klingt irgendwie nicht authentisch, so Bierwerbung eine Perle der Natur mäßig. Das gefühlte Bild ist anders. Ich spüre hier nicht die Kälte des Wassers, sehe die Figur eher, wie in einer auf Erfrischung gemachten Shampoowerbung.

Ich rieche den Geruch des Waldbodens

ich rieche den Geruch :Pfeif:

Totholz, Farn und Moos dünsten in der feuchten Hitze des Spätsommers

Totholz ist mir zu sehr aus der Wörterkiste gegriffen. Farn riecht jetzt nicht unbedingt. Wirklich passend ist eigentlich nur Moos (und morsches/modriges Holz).

Das so weit. Wahrscheinlich kommt noch mehr. Bislang hab ichs trotzdem sehr gerne gelesen. Schön geschrieben, vom Stil recht stimmig.

LG und vielleicht bis später
Carlo

 

Hallo Achillus!
Vielen Dank für die tolle Geschichte.
Nachdem ich lange Zeit nur mitgelesen (und oft bei den Kommentaren mitgefiebert) habe, ist diese Geschichte ein willkommener Anlass endlich mal einen eigenen Kommentar zu schreiben.
Die Geschichte hat mir rundrum gefallen. Der Teufel, egal, ob er in der Hauptfigur steckt oder ob er tatsächlich existent ist, treibt die Geschichte unaufdringlich voran.

Die einzige Stelle mit der ich Schwierigkeiten habe, ist ganz am Anfang:

Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter. Sie knistern unter meinen Füßen, als ich ins Badezimmer gehe.
Da fehlt mir der Bezug, die Nachtfalter tauchen nicht mehr auf und da ich die Metapher nicht kenne, weiß ich nicht, weswegen sie wichtig sind.

Sehr schön die Stelle mit dem Gesicht des Teufels (und deswegen neige ich auch dazu ihn für real zu halten).

Ich sehe Roth lächeln, als Jasmin zusteigt. Da, in der Reflexion der Aufzugtüren, das ist sein wahres Gesicht.

Mit "Backdoors" hatte ich überhaupt keine Schwierigkeiten, da die Hauptperson erkennbar Hacker ist.
Insgesamt finde ich die Geschichte sehr gelungen. Es ist keine Geschichte für mal eben so und zwischendurch. Man wird als Leser durchaus gefordert. Dadurch, dass nicht alles auserzählt wird, bleibt die Spannung erhalten, die Rückblenden erklären die Situation in der die Hauptperson steckt ausreichend um die Geschichte sehr stimmig zu machen.

Viele Grüße
Karlchen

 

Hi Daeron, vielen Dank für das Kommentieren meiner Geschichte.

Wie du nach und nach die einzelnen Puzzleteile aufdeckst, die Getriebenheit des Protas darstellst, der den Pakt mit dem "Teufel" eingegangen ist, erzeugt eine finstere Stimmung. Das mag ich.

Auch die Unsicherheit, die man immer wieder über Roth verspürt, der ja in den intimsten Situationen dabei, aber auch nicht dabei ist, kannst du sehr schön aufrechterhalten.


Mir war nicht ganz klar, ob der Leser diese Schnitzeljagd mitmachen würde. Am Anfang ist ja noch ziemlich unklar, in welcher Beziehung die Figuren zueinander stehen. Schön, dass es für Dich funktioniert hat.

Ich sehe Roth als Alter Ego, als das düstere ES des Menschen, weiß nicht, ob du das so angelegt hattest.

Das ist sicher eine mögliche Interpretation. So lese ich Mythen und Märchen auch meist.

Diese Stelle finde ich sehr wichtig, da sie den Pakt herausstellt. Hier schreibst du aber auch, dass der Prota eigentlich des Vertrages überdrüssig ist. Dies hättest du vielleicht im weiteren Verlauf noch etwas ausbauen können. Denn wenn ihm das Töten nicht viel ausmacht, muss er ja auch nicht an Selbstmord denken. Selbst Jasmin ist ihm nur ein betäubtes "Nein" wert.

Ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt. Der Erzähler könnte mehr Widerstand leisten. Denke ich drüber nach.

Diese Stelle finde ich etwas problematisch. Ich glaube, dass du absichtlich Roth durch geschlossene Augen starren lässt, damit das Mystische angedeutet wird. Zu Beginn hat es aber - auf mich - zuerst wie ein Fehler gewirkt. Vielleicht könnte man dies etwas später einbauen, wenn Roths Hintergrund etwas weiter entwickelt ist, sonst hat der Leser direkt das Gefühl, dass hier ein handwerklicher Fehler gemacht wurde. Er kann es ja noch nicht auflösen.

Ja, das dachte ich mir, dass das eine Irritation und die Frage auslöst, ob der Autor da geschludert hat. Ich warte mal ab, ob andere dazu noch was sagen.

Soweit zu meinen Gedanken. Wenn ich danebenliege bitte ich um Aufklärung.

Danke, dass Du Deine Gedanken geteilt hast, Daeron!

Gruß Achillus

Hallo Putrid Palace, habe mich gefreut, von Dir zu lesen, danke für Deinen Kommentar!

Eine tolle Geschichte, die mehrmals zu lesen sich lohnt. Erst beim wiederholten Lesen wird einem die Tiefgründigkeit der Metaphern und die komplizierte Verschachtelung der Ereignisse bewusst. Habe ich zunächst noch angenommen, Roth wäre der Geliebte des Protas und hätte mit diesem zu Beginn in einem Bett gelegen, wurde mir bei wiederholter Lektüre bewusst, dass es sich bei Roth tatsächlich um den Teufel handeln könnte (oder einem dämonischen Wesen, aber derlei Metaphern laufen ja auf das Immergleiche hinaus).

Vielen Dank für das Lob. Ich hatte vor Roth als eine Figur zu erschaffen, die sich nicht zu schnell einordnen lässt. Bei der ersten Szene könnte man tatsächlich von einer Art Liebesverhältnis ausgehen.

Erst beim zweiten Lesegang wurde mir bewusst, dass andere Personen Roth gar nicht wahrnehmen, er ein Hirngespinst des Protas ist, sei es als Sinnbild für seine Psyche, oder als tatsächliche psychische Erkrankung. Ich vermute, dass der Prota hier "einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist", oder wenn man diese Metapher dechiffrieren wollte, die Ermordung seines Vaters (und damit Zusammenhängend die Ermordung seiner Mutter durch diesen, also verallgemeinert eine psychotische Kindheit) einen so schrecklichen Einfluss auf seine Seele hat, dass er zum Serienmörder geworden ist.

Vielleicht ist das auch etwas weit hergeholt?


Mir gefallen beide Lesarten gut. Vielleicht kann man sie sogar parallel als gültig betrachten. Der Teufelspakt als psychische Krankheit, das macht Sinn in meinen Augen. Und bei diesen Kindheitserfahrungen ist das vielleicht nicht zu weit hergeholt.

Ich war zunächst etwas verwirrt, ob der vielen Sprünge und neuen Personen, doch alles fügt sich nahtlos zusammen und ich persönlich erfreue mich einer komplizierten Geschichte, die etwas Eigeninitiative vom Leser fordert.

Auch das Verwenden von Metaphern für die Psyche mag ich sehr, z.b. die Nachtfalter oder eben der schon erwähnte Teufel, der sich genau dann ins Hirn des Protas schleicht, als dieser den Entschluss gefasst hat, seinen Vater zu töten.


Ja, das ist ein guter Punkt. Hält eine so kurze Geschichte die vielen Sprünge aus? Ich bin nicht ganz sicher. Schön, dass Du es genießen könntest. Ich fürchte, manch anderer Leser schaltet ab.

Den Abendhimmel und die Sonne hast Du davor schon ausführlich beschrieben, das Bild sitzt schon. "orangefarbene" ist wenigstens redundant, aber ja sowieso irgendwie abgedroschen.

Stimmt, da lass ich mir was einfallen.

Meines Herzens , da Genitiv?

Danke, habe ich geändert.

schwierige Sache, ich bin aber beinahe der Überzeugung, dass man "an die Tür klopft", hier also der Akkusativ verlangt wird. Das ist, denke ich, hauptsächlich eine semantische Frage, über die man reichlich philosophieren kann.

Oh, ist mir gar nicht aufgefallen. Werde ich nachforschen. Danke für den Hinweis.

Das "Backdoors" gehört sicherlich zur Nomenklatur des Hackens, entwindet sich aber aufgrund des Englischen dem übrigen Text. Ein deutscher Begriff, z.b. Hintertürchen, würde den Text flüssiger machen. Ich habe damit kein Problem, kann mir jedoch vorstellen, dass das bei breiter Leserschaft sehr wohl irgendwann zum Thema werden könnte.

Interessanter Punkt, ich warte mal, ob andere dazu noch was anmerken.

Mehr finde ich nicht. Danke für die Geschichte, habe ich gerne gelesen.

Danke Dir, Putrid Palace, für Deine hilfreiche Besprechung des Textes.

Gruß Achillus


Wird fortgesetzt …

 

Hi @Achillus,

mir persönlich ist das zu viel Gepuzzle. Ich musste die Geschichte mehrmals lesen, um zu verstehen was passiert. Vermutlich wolltest du genau das, und manche lieben es ja auch bei jedem Lesen mehr zu entdecken. Ich bin da nicht so ein Fan von, bzw. die Verwirrung und das Rätsel sollte im Rahmen bleiben, so dass man trotzdem gut durch die Geschichte kommt.

Irgendwo im Halbdunkel — sein Gesicht.
Der Strich kommt mir etwas überdimensioniert vor.

»Hör auf, mich anzustarren«, sage ich.
Roth lächelt, öffnet die Augen. »Du bist so schön, wenn du schläfst.«
Ab hier war der Prota für mich eine Frau. Und Roth ihr Liebhaber.

Dass Roth erst nach dem Starren die Augen öffnet, habe ich überlesen. Ich habe mich nur gewundert, warum du so eine abgedroschene Phrase benutzt. ;)

Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter.
Ich habe vermutet, dass die Falter eine Bedeutung habe, war mir der Symbolik aber nicht bewusst.

Da, in der Reflexion der Aufzugtüren, das ist sein wahres Gesicht.
Hier habe ich geahnt, dass mit Roth etwas nicht stimmt.

Die Szene mit Jasmin im Aufzug fand ich verwirrend. Für mich ist der Prota noch immer eine Frau.
Ich bin davon ausgegangen, dass da eine Dreiecksbeziehung läuft … :D Jaja, wenn man einmal auf dem falschen Dampfer ist, kommt man da nicht so leicht wieder runter ...

»Diese Jagdhütte gehört unserer Familie seit vier Generationen«, sagt er irgendwann. Er steckt sich eine Zigarette an. »War mal das Land der Roten, hat mir dein Großvater erzählt.«
Das erzählt er seinem Sohn erst jetzt? Das kommt mir merkwürdig vor. Sind sie das erste Mal dort?

»Hatten hier eine Bestattungsstätte, sagt er. Mann, in meiner Kindheit habe ich mir nachts fast in die Hosen gepisst.«
Um „sagt er“ fehlen die Guillemets.

Ich setze das Glas an die Lippen, trinke einen Schluck. Aus den Augenwinkeln sehe ich Roth neben mir, sehe die harten Züge seines Gesichts. Sehe seine schmalen Augen.
Hier ahne ich, dass Roth nur für den Prota sichtbar ist.

Es ist, als erinnere sich an etwas weit Zurückliegendes.
Da fehlt ein er.

Im Westen setzt der Glutball der Sonne die Frankfurter Skyline in Brand.
Das Bild ist mir zu abgedroschen.

Ich spüre, wie mir der Schweiß auf die Stirn tritt. Ich sage ihr, dass heute mein Kopf wie leer war, dass mich alle angestarrt haben, dass ich dachte, ich müsse ersticken …
Der erste Teil kommt mir zu reflektiert für einen noch recht kleinen Jungen vor.

Wegen mir.
Das auch.

»Machst du jetzt Kaffee?«, fragt Roth. »Es ist drei Uhr.«
Ich verstehe nicht warum Roth das sagt. Macht er sich Sorgen? Das passt gar nicht zu ihm.

Dann sehe ich es. Ich starre auf den Bildschirm. Die Buchstaben flimmern vor meinen Augen. Roth lehnt in der Küchentür. Ich spüre seine Blicke auf mir.
»Nein«, sage ich wie betäubt.
Mhh, der Zufall, dass sein letztes Opfer gerade die Frau ist, mit der er gerade geschlafen hat, ist mir zu viel.

Dann steht sie im Dämmerlicht vor mir, die Vorhänge hinter ihr bewegen sich leicht im Wind.
Vor mir, hinter ihr. Würde ich eins von weg lassen.

Jetzt habe ich die Geschichte zum bestimmt vierten Mal gelesen und erst jetzt, wo ich alles verstehe (glaube ich :D), wird mir klar, wie toll die einzelnen Szenen sind. Du ziehst einen schnell in die Situationen, überall entsteht Atmosphäre, obwohl die Abschnitte nur so kurz sind.

Meine anfängliche Verwirrung hat den Lesegenuss allerdings etwas geschmälert. Ich würde mir etwas mehr Hinweise, etwas weniger Rätsel wünschen. Aber ich bin mir sicher, dass es genug Leser gibt die genau auf so etwas stehen. Die Gefahr, dass Leser erst gar nicht in die Geschichte kommen und sich nicht die Mühe machen wollen, das Rätsel zu lösen, besteht natürlich auch.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo Carlo, danke fürs Vorbeischauen und Kommentieren.

gefällt mir vom Sound, der Mehrschichtigkeit der Handlung und den Erzählwechseln. Bin aber noch nicht durch mit Lesen. Möchte erstmal auf Stilistisches eingehen. Hohes Niveau, hat Spaß gemacht beim Lesen.

Freut mich, wenn es erst einmal für Dich funktioniert hat. Deine Hinweise zu Verbesserungsmöglichkeiten nehme ich mir der Reihe nach vor, werde sicher das eine oder andere übernehmen, danke dafür!

Gruß Achillus

Hallo Karlchen, vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text.

Nachdem ich lange Zeit nur mitgelesen (und oft bei den Kommentaren mitgefiebert) habe, ist diese Geschichte ein willkommener Anlass endlich mal einen eigenen Kommentar zu schreiben.

Freut mich, das zu hören. Das Forum lebt vom Austausch!

Die Geschichte hat mir rundrum gefallen. Der Teufel, egal, ob er in der Hauptfigur steckt oder ob er tatsächlich existent ist, treibt die Geschichte unaufdringlich voran.

Schön, dass Du es so empfunden hast.

Die einzige Stelle mit der ich Schwierigkeiten habe, ist ganz am Anfang: Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter. Sie knistern unter meinen Füßen, als ich ins Badezimmer gehe. Da fehlt mir der Bezug, die Nachtfalter tauchen nicht mehr auf und da ich die Metapher nicht kenne, weiß ich nicht, weswegen sie wichtig sind.

Es ist eher eine experimentelle Metapher, das Bild soll nur andeuten, dass hier unheimliche, merkwürdige Dinge geschehen.

Insgesamt finde ich die Geschichte sehr gelungen. Es ist keine Geschichte für mal eben so und zwischendurch. Man wird als Leser durchaus gefordert. Dadurch, dass nicht alles auserzählt wird, bleibt die Spannung erhalten, die Rückblenden erklären die Situation in der die Hauptperson steckt ausreichend um die Geschichte sehr stimmig zu machen.

Freut mich, wenn es so auf Dich wirkt. Spannung kann ja durch das Geheimnisvolle, Rätselhafte erzielt werden, aber schwierig ist dabei, den Bogen nicht zu überspannen. Wenn es zu viel Rätselhaftes gibt, schaltet der Leser vielleicht auch ab.

Vielen Dank jedenfalls für Dein Feedback.

Gruß Achillus

Hallo Nichtgeburtstagskind, danke für Deinen Kommentar. Toll, dass Du reingeschaut hast.

mir persönlich ist das zu viel Gepuzzle. Ich musste die Geschichte mehrmals lesen, um zu verstehen was passiert. Vermutlich wolltest du genau das, und manche lieben es ja auch bei jedem Lesen mehr zu entdecken. Ich bin da nicht so ein Fan von, bzw. die Verwirrung und das Rätsel sollte im Rahmen bleiben, so dass man trotzdem gut durch die Geschichte kommt.

Ist als Autor immer schwierig einzuschätzen, wo es zu viel Gepuzzle wird. Ich hatte gehofft, in den einzelnen Abschnitten genügend Hinweise platziert zu haben. Im ersten Abschnitt fragt Roth den Protagonisten ja, ob er diesen speziellen Anzug tragen will. Das sollte ein Hinweise darauf sein, dass der Ich-Erzähler ein Mann ist.

Habe die Fehler gleich korrigiert. Was die Verbesserungsmöglichkeiten betrifft, muss ich das sacken lassen. Das sind auf jeden Fall wichtige Inputs. Danke für Deine Mühe, ich weiß das sehr zu schätzen.

Jetzt habe ich die Geschichte zum bestimmt vierten Mal gelesen und erst jetzt, wo ich alles verstehe (glaube ich :D), wird mir klar, wie toll die einzelnen Szenen sind. Du ziehst einen schnell in die Situationen, überall entsteht Atmosphäre, obwohl die Abschnitte nur so kurz sind.

Das ist ein Punkt, über den ich mir bisher noch gar keine Gedanken gemacht habe. Ist es »zulässig«, dass sich eine Geschichte erst bei wiederholtem Lesen erschließt oder liegt dann ein handwerklicher Fehler vor? Werde ich drüber nachdenken.

Meine anfängliche Verwirrung hat den Lesegenuss allerdings etwas geschmälert. Ich würde mir etwas mehr Hinweise, etwas weniger Rätsel wünschen. Aber ich bin mir sicher, dass es genug Leser gibt die genau auf so etwas stehen. Die Gefahr, dass Leser erst gar nicht in die Geschichte kommen und sich nicht die Mühe machen wollen, das Rätsel zu lösen, besteht natürlich auch.

Ja, das sehe ich auch. Mal sehen, ob ich da noch etwas nachjustiere. Vielen Dank für Deinen Kommentar, Nichtgeburtstagskind.

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Achillus,

tolle Geschichte und es wundert mich, dass sie nicht mehr Kommentare erhält.

Von mir nur ein kurzes Feedback:
- das Puzzlespiel hat mir gefallen und ich hatte, denke ich, keine Probleme beim ersten Lesen, den richtigen Faden zu finden (mir war durch die Sätze "Irgendwo im Halbdunkel sein Gesicht. »Hör auf, mich anzustarren«, sage ich. Roth lächelt, öffnet die Augen." klar, dass es sich bei Roth nicht um ein normales menschliches Wesen handelt.)
- manchmal ist mir die Sprache etwas zu unpräzise, z. B. "die Kabine sackt abwärts" - da denke ich daran, dass die Kabine ein Stück nach unten fährt, aber nur kurz, und nicht, dass sie weiter fährt, oder blumig, z. B. "Im Westen setzt der Glutball der Sonne die Frankfurter Skyline in Brand." Das finde ich etwas zu viel des Guten.

Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn insgesamt hat mir das sehr gut gefallen (besser übrigens als die letzte … hier finde ich die Distanziertheit besser passend).

Gruß
Geschichtenwerker

 
Zuletzt bearbeitet:

Faust
„Welch eine Wonne! Welch ein Leiden! / Ich kann von diesem Blick nicht scheiden. /
Wie sonderbar muß diesen schönen Hals / Ein einzig rotes Schnürchen schmücken, /
Nicht breiter als ein Messerrücken!"

Mephistoles
„Ganz recht! ich seh es ebenfalls. / Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen, /
Denn Perseus hat's ihr abgeschlagen. / Nur immer diese Lust zum Wahn! / ...“
(Walpurgisnacht / Harzgebirg / Gegend von Schierke und Elend)​


»War mal das Land der Roten, hat mir dein Großvater erzählt.«
Er schaut mich an. »Blackfoot, Crow – was weiß ich.«
Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu.
»Hatten hier eine Bestattungsstätte, sagte er. Mann, in meiner Kindheit habe ich mir nachts fast in die Hosen gepisst.«

Wa lakota,

natürlich kann das nicht Ffm. sein, so wenig, wie auch Majdanek am Main liegt (Brendler/Kunstszene, Raubgut?), aber es ist nur ein quantitativer Sprung, ob Vater, Mutter oder Bruder, eine Familie, ein Clan umgebracht oder ein ganzes Volk ausgerottet wird. Jeder Mord ist einer zu viel!, da werden wir uns einig sein,

bitterböser Achillus,

was man in früheren Zeiten wohl besser verstand als heutigen Tages.

Da gab es selbst in einer Umbruchzeit, die mit dem Ausbruch des Santorin und dem Untergang der minoischen Kultur und der Muttergottheiten und mutmaßlich des Matriarchates (aber auch der Plagen über Ägypten) zu tun hat und den Wechsel zur mykenischen Kultur einhergeht und die Seevölker (eine der Parteien in dieser Völkerwanderungszeit, die für uns Modernen gerade erst angefangen hat) sich ausbreiteten, es ist auch die Zeit, die in den Epen des Homer - da sieht man, was der Name der Helena so auslöst - besungen wird, und da lässt sich nicht ausschließen, dass auch hier „Seevölker“ die treibenden Kräfte sind: Troja, das den Seeweg durchs Schwarte Meer und Ägäis kontrollierte, zählt zum Einflussgebiet der Hethiter, deren Macht mit den Völkerverschiebungen zerrinnt. Aber viel bedeutender erscheint mir der Brauch unter Seevölkern zu sein, statt aufwendiger und blutiger Schlachten – ein jeder war zu dieser Zeit wichtig, nicht nur die Chefs - Einzelkämpfer zu bestimmen, die in einer Art „Gottesurteil“ unnötiges Blutvergießen vermeiden sollten.
Zwei Beispiele fallen mir auf Anhieb ein: der Zweikampf Achill - ein Halbgott und Dein Namensspender, der darum allein durch einen Gott gefällt werden kann - gegen einen trojanischen Prinzen, Hektor - und weit weg hiervon ein Schafhirte gegen einen übermächtigen (Berufs-)Krieger: David gegen Goliath. Die Ergebnisse kennen wir, Troja wird durch Flüchtlingsbewegung Mutter Roms (Etrusker wandern mutmaßlich aus Vorderasien nach Italien aus) … und die Philister, unter Römerzeiten "Palästinenser", werden Teil Israels, dass nur achtzig Jahre hält ...

Ah, großer Gott, ich schweif schon wieder ab, also zurück zum Text und woran ein „Hacker“ so alles gerät – und schon das grimmsche Wörterbuch weiß um die moderne Umlautung bereits „häcker … 1718. in Ostfriesland wird hacker derjenige genannt, der die erde zum buchweizenbau mit einer hacke umreiszt. … gewöhnlich bildet das wort den zweiten theil von compositen: fleischhacker, wursthacker, holzhacker; vogelnamen sind baumhacker (specht), nuszhacker (sitta europaea). — Die umgelautete form häcker (mhd. hecker), hat sich für gewöhnlich in verengter bedeutung festgesetzt und bezeichnet vorzüglich im süden Deutschlands den weinbergshacker, winzer: anno mcxxxj ward herzog Ludwig von Beyern von einem häcker erschlagen. ...“
(Wörterbuchnetz - Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm), und gelegentlich wird das Adjektiv „rot“ auch noch mit „th“ geschrieben (die Übergangszeit liegt gleichwohl im 18. Jh., dass das „th“, früher schlicht der Buchstabe „Þ“, nur noch im „Thron“ gesetzt wurde. Nicht alle westgermanistischen Idiome bedienen sich des tea-aitsch, der teutschen Zunge muss es schon sehr früh abhanden gekommen sein. Ein Hinweis, wie alt „Roth“ sein muss und sein Werk rüstig verrichtet er mit seinem Freund Hein von der einzelnen Tat bis hin zum Völkermord …
Wie nebenbei scheint mir ein Seitenhieb auf den modernen Kunstmarkt (incl. Raubkunst) zu sein, dessen Gipfel ich im geschäftstüchtigen Jeff Koons zu erkennen glaub.

Wusste gar nicht, dass Du zu Ironie neigst, wenn der Satz

Ich plane den Tag, versuche, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen.
mit Deinem gelungenen Text spielt.

»Der steht dir so gut.«
Ja, „so“ sacht man wohl … aber muss man es darum auch schreiben?

Ich drücke die E-Taste, die Kabine sackt abwärts.
Ist „ab“sacken nicht immer „ab“wärts?

Ich sage ihr, dass heute mein Kopf wie leer war, dass mich alle angestarrt haben, dass ich dachte, ich müsse ersticken …
Besser Konjunktiv irrealis „ich müsste“

»Fick dich«, spucke ich ihm entgegen.
Was da das Denglish angerichtet hat - „ficken“ war am Niederrhein die Bewegung beim Nagelfeilen – hin und her und her und hin ...

Sein Blick presst meine Brust zusammen, und ohne zu wissen, weshalb ich das sage, stoße ich hervor:
Das Komma muss um eine Position verschoben werden, denn die Konjunktion „und“ verbindet die zwei gleichrangigen Hauptsätze"Sein Blick presst meine Brust zusammen und ich stoße hervor, ohne zu wissen, weshalb ich das sage:

Ich klopfe an der Tür, schaue im Gang nach links und rechts.
Hat schon @Putrid Palace angesprochen, aber es geht beides, beim Dativ gehts mehr um die anklopfende Person, im Akk. gehts um die Tür, an die geklopft wird, Akkusativ: Ich klopfe an die Tür. (vergleichbar dem Unterschied zwischen "ich verschwinde im Raum" und "ich verschwinde in den Raum").

Bis bald

Friedel,
der gleich griechisch essen geht. Aber wer von den Wirtsleuten kennt noch seine alten Mythen?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Achillus,

ich habe deine Geschichte sehr gern gelesen. Auch die Einordnung der Rückblenden und das Zusammensetzen der einzelnen Puzzleteile haben mich nicht verwirrt.
Zu Beginn ging es mir aber ganz genau wie @Nichtgeburtstagskind: Ich habe angenommen, der Prot wäre eine Frau:

»Hör auf, mich anzustarren«, sage ich.
Roth lächelt, öffnet die Augen. »Du bist so schön, wenn du schläfst.«
Einfach durch dieses : Du bist so schön … Ganz egal, dass es auch eine gleichgeschlechtliche Beziehung sein könnte, der Einduck bei mir war zunächst: Roth ist ein Mann, Prot eine Frau.
»Heute den hier?« Roth lehnt in der Tür und hält mir den Anzug von Brioni entgegen.
Das hat es für mich auch nicht deutlicher gemacht, sondern eher den Eindruck verstärkt, auch wenn ich (inzwischen) weiß, dass „Brioni“ lediglich für Herrenkleidung steht.
Für mich war zunächst dadurch der Eindruck einer Businness-Lady entstanden, die tragen auch Anzug. Also, wenn ich’s festmachen müsste, dieses „Du bist so schön …“ hat mich irritiert. Vielleicht könnte Roth ja sagen „Du solltest dich mal wieder rasieren“, oder etwas anderes, was deutlicher macht, dass der Prot ein Mann ist? (edit: Ist mir jetzt gerade eingefallen, würde noch besser passen: »Wenn du schläfst, siehst du aus wie dein Vater.«)
Wir treten aus dem Aufzug, und sie berührt flüchtig meinen Arm. Ich atme den Duft ihres Parfüms ein. Der Concierge eilt herbei. »Ihr Wagen wartet, Frau Erickson.«
»Die Muschi riecht gut«, sagt Roth, als Jasmin in das Taxi steigt.
Und da ich zunächst noch auf dem falschen Trip war, wusste ich auch nicht sofort, wer Frau Erickson ist, habe dann zwar kapiert, dass es Jasmin ist, aber eventuell kannst du sie zu Beginn erst mal “Jasmin Erickson” nennen?
»Diese Jagdhütte gehört unserer Familie seit vier Generationen«, sagt er irgendwann. Er steckt sich eine Zigarette an. »War mal das Land der Roten, hat mir dein Großvater erzählt.«
Er schaut mich an. »Blackfoot, Crow – was weiß ich.«
Es gibt keinen Grund, warum dein Prot kein Amerikaner sein kann, aber es gibt auch keinen, warum er einer sein muss. Das ehemalige Indianerland, auf dem sich die Hütte befindet, spielt für die Geschichte keine Rolle, finde ich, weckt Erwartungen. Oder habe ich etwas übersehen? Die Bestattungsstätte, das ist klar. Aber die Hütte könnte auch in einer Gegend stehen, wo früher z.B. die alten Germanen Blutopfer dargebracht haben ...
»Bin gut in Mathe«, sage ich leise und zusammenhangslos.
Für den Prot ist es nicht zusammenhangslos. Und wie es nach außen wirkt, muss er mMn nicht werten.
Das ist ein Punkt, über den ich mir bisher noch gar keine Gedanken gemacht habe. Ist es »zulässig«, dass sich eine Geschichte erst bei wiederholtem Lesen erschließt oder liegt dann ein handwerklicher Fehler vor? Werde ich drüber nachdenken.
Ich bin selbst gerade dabei, das zu überdenken. Wenn die Geschichte die Länge eines Romans hat, würde ich sagen: Muss nicht sein. Bei einer Kurzgeschichte, glaube ich, hängt es davon ab, wie sehr sie einen reinzieht, ob man einfach am Ende denkt, ah, habe ich vielleicht etwas übersehen? Und genau so ist es mir hier gegangen, aber es ist hier definitiv meine eigene Schuld gewesen. Als Wortkriegerleser ist man (bin ich) ja geneigt, erst einmal schnell hineinzulesen in eine Geschichte, ob das was ist, womit man etwas anfangen kann, was Spaß macht – und genau dieses „schnell“ hat mich den Satz „Roth lächelt, öffnet die Augen“ zunächst flüchtig überlesen lassen, anstatt dort schon aufzumerken. Aber da ich im Verlauf natürlich gemerkt habe, dass es mit Roth etwas Besonders auf sich hat, habe ich dann noch einmal aufmerksamer von vorn gelesen.
Und zwar sehr gern.

Viele Grüße von Raindog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Achillus

Starke Geschichte. Die ist auch sehr stimmig erzählt, ich hatte nicht den Eindruck, der Autor verrätsle absichtlich, um mir das Leben schwer zu machen. Man muss etwas langsamer lesen als üblich, weil du sofort mit Irritationen startest und schnell mal neue Figuren ins Spiel kommen. Aber mir hat sich im ersten Duchgang fast alles erschlossen. Nur den Brender, da habe ich nicht mitgekriegt, was er getan hat und was mit ihm geschieht. Ich hab da nur so gedacht, na gut, der Prot kauft ein Bild, dessen Vorbesitzer gestorben ist, und dann habe ich mich gefragt, was wohl so besonders an diesem Bild ist. Aber ist nicht schlimm. Man erfährt ja später genug.

Diese Kreuzung von Zehn kleine Mörderlein und Mephisto-Thematik finde ich sehr erfrischend. Weil du da auf Traditionen zurückgreifst, die man kennt, musst du nur sehr sparsam andeuten. Durch die Neuinterpretation/Mischung hat man aber dennoch nie das Gefühl, Altbekanntes zu lesen. Das ist einfach ein spannender Plot, düster und atmosphärisch aufgezogen, der auch ein paar tiefere moralische Fragen ankratzt. Ja, für mich eine der besten Storys seit langer Zeit hier im Forum.

Eine paar Kleinigkeiten:

»Du bist so schön, wenn du schläfst.«
»Der steht dir so gut.«
Würde ich jeweils streichen.
Mann, in meiner Kindheit habe ich mir nachts fast in die Hosen gepisst.
"Als Kind" gefiele mir besser. Vielleicht dann aber ohne "Mann".
»Diesmal redest du dich nicht raus.«
Das hat mich etwas verwirrt. Entweder hat er schon mehrfach getötet. Oder der Prot hat ihn schon mehrfach mit dem Vorwurf konfrontiert. Beides ist etwas seltsam. Wenn mit "diesmal" aber nur gemeint ist: "Im Vergleich zu früher, als du sie geschlagen hast und ich dich damit konfrontiert habe", dann passt das auch nicht so recht, weil der Mord einfach in eine andere Kategorie gehört. Ich glaube, das "diesmal" könnte weg.
Ich betrachte ihr Gesicht im orangefarbenen Abendlicht
Wenn die Skyline in Flammen steht (ich fand die Formulierung ganz hübsch und nicht drüber), dann hat der Leser bereits einen Farbton im Kopf. Kann weg.
»Und dann bin ich für immer frei.«
Das ist mir allerdings etwas zu pathetisch. "Für immer" würde ich streichen.
»Und dann bin ich für immer frei.«
Roth lacht, reicht mir den Laptop. »Dann ans Werk!
Mindestens eines davon sollte weg.

Eine Idee noch, weil ich selbst gerade im Lektorat stecke und mich mit solchen Dingen herumschlage: Du hast alle Dialoge in direkte Rede gesetzt. Hast du dir überlegt, bei längeren Dialogen auch mal etwas indirekt zu formulieren? Ich denke, das könnte einen Text noch etwas abwechslungsreicher machen. Wobei du ja keine ellenlangen Dialoge hast. Also nur so als Anregung.

Sehr gern gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Achillus,

Ein Windstoß bläht die Vorhänge.
"auf" denke ich und will es Dir entgegenbrüllen :D Er bläht die Vorhänge auf! Aber ich weiß. dass es voll ok ist, wenn du das "auf" nicht schreibst. Es definiert Deine Sprache - setzt schon mit dem ersten kleinen Satz Maßstäbe, dass jedes gesetzte - oder eben nicht gesetzte - Wort wohl bedacht ist. Von daher: (Im wahrsten Sinne des Wortes) Hervorragender erster Satz ;)
»Hör auf, mich anzustarren«, sage ich.
Roth lächelt, öffnet die Augen. »Du bist so schön, wenn du schläfst.«
Da wiederhole ich von den Vorkommentatoren, dass ich das auch verwirrend fand, dass der, der starrt, erst danach die Augen aufmacht. Auch wenn ich später die Sonderrolle von ihm erkenne, schließe ich nicht hierrauf zurück. Gut - vielleicht hat er auch nicht gestarrt, sondern der Prot dachte nur er starrt. Egal was die Auflösung ist, ich finde, es ist zu viel Irritation an dieser Stelle im Text. Reicht es nicht, wenn er lächelt und dann antwortet?
Da, in der Reflexion der Aufzugtüren, das ist sein wahres Gesicht.
Sehr schöne Charakterisierung - hat mir gefallen! Großartig.
Der Concierge eilt herbei. »Ihr Wagen wartet, Frau Erickson.«
Hotel oder "reiches" Appartmenthaus?
»War mal das Land der Roten, hat mir dein Großvater erzählt.«
Er schaut mich an. »Blackfoot, Crow – was weiß ich.«
Das läßt mich die Geschichte in Amerika ansiedeln und oben eher auf reiches Appartmenthaus schließen. OK - vielleicht schaue ich gerade auch zu oft Suits und habe vom Brioni-Anzug auch noch auf die Lokalität in Amerika geschlossen.
Im Westen setzt der Glutball der Sonne die Frankfurter Skyline in Brand.
Frankfurt!? Ich bin enttäuscht, meine "Örtlichkeit" ist durcheinander. Auf welchem Kontinent sind wir?
»Werde dich vermissen«, sagt er zu mir.
Ich Dich auch - schöner Schluss, schöne Geschichte.

Soweit mein kleiner Leseeindruck
gern gelesen
pantoholli

 

Hallo @Achillus !

Eine sehr starke Geschichte - ich schließe mich den Vorkommentaren an -, die mich durch die Vieldeutigkeit, der düsteren, kühlen Atmosphäre und den Perspektivwechseln überzeugt hat. Mir erschloss sich zwar der Plot (mangelnde literarische Bildung meinerseits? Bestimmt^^) nicht beim ersten Lesen, jedoch regten mich die eben angesprochenen Punkte zum Nachdenken und Interpretieren an. Ich habe deinen Text zweifach gelesen, einmal auf "Plot", einmal auf "Atmosphäre". Bereits in "Spurensuche" schätzte ich deinen atmosphärischen mutigen Schreibstil.

Der bereits von @pantoholli analysierte hervorragende erste Satz lebt vom Weglassen der Vorsilbe "auf" und lässt auf eine sorgfältige, konzentrierte Wortwahl schließen, die ich im Satz

Roth lehnt in der Tür und hält mir den Anzug von Brioni entgegen.

mit der kursiven Verwendung eines hübschen italienischen Wortes aufgenommen sah.

Ich schlage die Decke zurück, steige benommen aus dem Bett, halte inne. Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter. Sie knistern unter meinen Füßen, als ich ins Badezimmer gehe.
Wasser, eiskalt, rinnt über meinen Körper.

Die Nachtfalter erinnerten mich an das Filmplakat von "Das Schweigen der Lämmer", sicherlich durch eine mögliche Psychopathie Roths ("Du bist so schön, wenn du schläfst") miterzeugt.

Das "eiskalt" empfand ich als unrund und unpassend im Satz, es bedarf mMn keiner näheren Beschreibung des Wassers, du verknappst ja über den ersten Satz und die Szenenwechsel in Deiner Geschichte.

»Hatten hier eine Bestattungsstätte [«] sagte er: [››] Mann, in meiner Kindheit habe ich mir nachts fast in die Hosen gepisst.«

Oder habe ich etwas übersehen?

Brendler sinkt in die Polster des Sofas und richtet seine Krawatte. Die Pflanzen des Wintergartens verströmen einen zarten Dunst.

Und jetzt der Herr Brendler. Die neuen Figuren nahm ich beim "Enträtseln" deiner Geschichte als Ausgangspunkte.

In der Vorszene beschreibst Du einen Waldboden im feuchten Spätsommer, hier nimmst du dieses Motiv wieder auf, schön.

erwidert Brendler und in eigenartigem Ton, wie zu sich selbst:

Hier las ich direkt "...erwidert Brendler in eigenartigem Ton zu sich selbst". Vielleicht kannst du ja verknappen?

Ich bemerke, dass die Fensterscheiben des Glasanbaus beschlagen.

Auch hier: Vielleicht "Die Fensterscheiben des Glasanbaus beschlagen" oder "Die Fensterscheiben des Wintergartens beschlagen" (Exkurs: Hat ein Wintergarten eigentlich Fenster?).

...Frankfurter Skyline in Brand.

In die Stimmung deiner Geschichte, kühl, düster, konzentriert, passt ein Brand mMn nicht hinein.

aber ich weiß, dass er uns zuhört.

Vielleicht "aber ich weiß, er hört uns zu"?

Die Tür ist nur einen Spaltbreit geöffnet, aber auf diesem schmalen Streifen tobt alles Grauen meiner Kindheit.

Toller Satz!

Er lacht, und selbst im Dämmerlicht des Waldes sehe ich das Weiß seiner Eckzähne, das Rot seiner Zunge

Noch ein toller Satz, speziell die Erwähnung der "Eckzähne".

@Achillus, ich lese deine Geschichten sehr gerne und freue mich auf weiteres, vielleicht konntest du mit dem Kommentar etwas anfangen.

Lg
kiroly

 
Zuletzt bearbeitet:

Auf den Dielen wieder tote Nachtfalter. Sie knistern unter meinen Füßen, als ich ins Badezimmer gehe.
Und schon stellen sich mir die Härchen auf den Unterarmen auf ...

Dass ausgerechnet @Peeperkorn diesen Text, als „eine der besten Storys seit langer Zeit hier im Forum“ bezeichnet, überrascht mich jetzt nicht groß, Achillus.
Abgesehen davon, dass ich sein Urteil blindlings unterschreibe, ließen mich die prägnante Sprache, die packende Dramaturgie, das latent Rätselhafte deiner Geschichte hier sehr bald an „Glanzmann muss gehen“ denken, jenen brillanten, haarsträubenden Text aus Peeperkorns Totentanz-Zyklus.

Und genauso wie Peeperkorns Geschichte lässt auch deine verschiedenen Lesarten zu:
Die nächstliegende ist natürlich, dass der Protagonist schlicht ein pathologischer Irrer ist, oder, um es weniger drastisch auszudrücken, ein aufgrund schrecklicher Kindheitserlebnisse schwerst traumatisierter Mann, der mit der Schuld des Vatermordes nicht zurande kommt, sich mehr und mehr in Wahnvorstellungen verliert und letztlich zum Serienmörder wird.
Die andere Lesart wäre, dass sich „das Böse“ tatsächlich in einer leibhaftigen Figur manifestieren kann, in deinem Fall in der Gestalt des Teufels (Satan, Beelzebub, Luzifer, Herrseibeiuns … what ever).
Wobei ich persönlich die erste Lesart vorziehe. Zum einen, weil die (realen) Abgründe der menschlichen Psyche für mich weitaus erschreckender sind als jeder noch so gut ausgedachte paranormale Hokuspokus, bzw. dass mein Nachdenken darüber, was da im Kopf des Protagonisten möglicherweise vor sich geht, mir unvergleichlich beklemmender erscheint als die Vorstellung, im Grunde lediglich eine Geistergeschichte zu lesen.
Zum anderen, weil ich dann nicht über Logikprobleme nachdenken muss.
Logikprobleme zum Beispiel dieser Art:
Angenommen, der Teufel (der Satan, der Beelzebub, der Herrseibeiuns, usw.) existiert wirklich und wahrhaftig. Angenommen, er tritt hin und wieder leibhaftig in Erscheinung, um arme Menschlein zu fragwürdigen Deals zu überreden; und weiters angenommen, er bietet ihnen etwas an (Reichtum, Schönheit, ein Königreich, what ever) und bekommt im Gegenzug etwas vom armen Menschlein. (In aller Regel dessen Seele). Also das alles angenommen: Was nun ist in deiner Geschichte der Deal?
Was bekommt der Prot vom Teufel, außer dem lapidaren Tipp, wie er den Vater am besten um die Ecke bringen kann? („Vergiss das Messer. Nimm eine Axt.“) Oder ist es in Wahrheit der Teufel selber, der den Vater abmurkst? Und was verlangt er dafür?

»Zehn für einen«, sage ich irgendwann erschöpft. »Ist das gerecht?«
Offenbar will er nicht die Seele des Prot, sondern zehn Seelen irgendwelcher anderer Menschen, die auf die eine oder andere Art Schuld auf sich geladen haben. Die aber, den Spielregeln dieser Geschichtenwelt entsprechend, ohnehin zur Hölle fahren würden. Wozu also der ganze Aufwand? Beziehungsweise, wozu der ganze Aufwand, wenn der Teufel doch ohnehin alles und jedes vom Leben zum Tode bringen könnte, übermächtig, wie er wohl ist? Oder geht es nur um die „Verführung zum Bösen"?
Aber egal, das sind halt einfach so Fragen, die sich mir im Grunde bei jeder Geschichte mit übernatürlichen Phänomenen stellen.

Was nichts dran ändert, dass ich diese Geschichte ganz großartig finde, Achillus, um nicht zu sagen, auch für mich ist das „eine der besten Storys seit langer Zeit hier im Forum.“

offshore

 

Nabend @Achillus ,
nach dem ersten Absatz dachte ich nur: Bitte, lass den Plot jetzt nicht sch...e werden oder zu abgefahren! Ich lese mich gerade (mit großem Spaß) durch sämtliche Texte von Quinn und gelegnetlich fühle ich mich da wie übersättigt mit fantastischen Einfällen oder im schlimmsten Fall, absichtlich zu sehr im Unklaren gelassen. Hier stimmt die Dosis, der Ton, das Tempo, in dem Fragezeichen gesäht werden und sich das ganze Bild offenbart.
Ich finde es übrigens völlig legitim, wenn man einen Text erst nach dem zweiten Mal in seiner Gesamtheit erkennt. (Ich muss grad an einen Roman von Dean Koontz denken, in dem praktisch im ersten Kapitel die Pointe des ganzen Buches prästentiert wird und nach 700 Seiten, in denen du rätselst und zweifelst und umhergeworfen wirst, sitzt du dann da und denkst "Himmelherrgottnochmal!". Es ist eines meines Lieblingsbücher von ihm.)

Worauf ich hinaus will: Du hast geliefert, was du im ersten Absatz versprochen hast. Danke dafür.
Es ist ein wenig spät, zum Feilen und eigentlich mag ich auch gar nicht. Das ist wie nach ner richtig guten Nummer Manöverkritik üben zu wollen. Ich steck mir lieber metaphorisch eine Zigarette an und freue mich aufs nächste Mal.

man liest sich (hell yeah!)
huxley

 

Hallo Geschichtenwerker, vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text. Halte seit einiger Zeit Ausschau nach einer neuen Geschichte von Dir, aber zur Zeit konzentrierst Du Dich wohl auf andere Dinge. Geht mir auch so, dass ich Zeiten habe, in denen andere Projekte wichtiger sind.

Schön, dass der Text für Dich funktioniert hat. Sprachliche Verbesserungen haben auch andere Kommentatoren vorgeschlagen, da gibt es noch Luft nach oben. Werde ich auf jeden Fall noch einmal drüber schauen, z.B. Im Westen setzt der Glutball der Sonne die Frankfurter Skyline in Brand ist schon so semi-lyrisch. Ist vielleicht zuviel. Danke für Deine Hinweise, Geschichtenwerker.

Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn insgesamt hat mir das sehr gut gefallen (besser übrigens als die letzte … hier finde ich die Distanziertheit besser passend).

Meinst Du die »Spurensuche«?

Gruß Achillus


Hallo Friedrichard, habe mich sehr gefreut, dass Du auch in meine neue wieder reingeschaut hast. Vielen Dank dafür! Ich habe Deine Ausführungen zur Wortherkunft der verschiedenen Begriffe wieder mit Spannung gelesen.

aber es ist nur ein quantitativer Sprung, ob Vater, Mutter oder Bruder, eine Familie, ein Clan umgebracht oder ein ganzes Volk ausgerottet wird. Jeder Mord ist einer zu viel!, da werden wir uns einig sein,

Ja, der Hinweis zu Majdanek sollte auf das Verbrechen der Bereicherung am Elend Verfolgter deuten. Moralische Verworfenheit hat so viele Gesichter.

Das Komma muss um eine Position verschoben werden, denn die Konjunktion „und“ verbindet die zwei gleichrangigen Hauptsätze"

Hm, wohin soll das Komma verschoben werden? Sein Blick presst meine Brust zusammen, und ohne zu wissen, weshalb ich das sage, stoße ich hervor …

Habe ansonsten schon einige Verbesserungen vorgenommen, vielen Dank für Deine Hinweise, Friedrichard.

Gruß Achillus


Hey Raindog, toll, dass Du bei meiner Geschichte reinschaust, vielen Dank für Deinen Kommentar!

Zu Beginn ging es mir aber ganz genau wie @Nichtgeburtstagskind: Ich habe angenommen, der Prot wäre eine Frau … Einfach durch dieses : Du bist so schön … Ganz egal, dass es auch eine gleichgeschlechtliche Beziehung sein könnte, der Einduck bei mir war zunächst: Roth ist ein Mann, Prot eine Frau.

War mir schon bewusst, dass man das am Anfang so liest. Die Idee dahinter bestand im Motiv der Verbindung zwischen dem Dämonischen und der Erotik, etwas, das in der Literatur ja nun weidlich durchgeackert worden ist (siehe Bram Stoker »Dracula«), aber trotzdem noch einige Faszination (auf mich) ausübt.

Vielleicht könnte Roth ja sagen „Du solltest dich mal wieder rasieren“, oder etwas anderes, was deutlicher macht, dass der Prot ein Mann ist? (edit: Ist mir jetzt gerade eingefallen, würde noch besser passen: »Wenn du schläfst, siehst du aus wie dein Vater.«)

Ja, aber ich wollte ja eine sexuelle Ambivalenz von Roth da reinbringen, das würde so nicht ganz klappen.

Es gibt keinen Grund, warum dein Prot kein Amerikaner sein kann, aber es gibt auch keinen, warum er einer sein muss. Das ehemalige Indianerland, auf dem sich die Hütte befindet, spielt für die Geschichte keine Rolle, finde ich, weckt Erwartungen. Oder habe ich etwas übersehen? Die Bestattungsstätte, das ist klar. Aber die Hütte könnte auch in einer Gegend stehen, wo früher z.B. die alten Germanen Blutopfer dargebracht haben ...

Das ist ein guter Punkt. Das Hin und Her zwischen Nordamerika und Deutschland bringt vielleicht etwas Unruhe in das Ganze. Meine Idee war, dass der Indianerfriedhof ein Wohnort von Dämonen/ Geistern sein oder/ und andererseits die Phantasie des Protagonisten in diese Richtung stimulieren könnte. Eine germanische Bestattungsstätte kam mir da nicht in den Sinn, aber das ist auf jeden Fall überlegenswert.

Als Wortkriegerleser ist man (bin ich) ja geneigt, erst einmal schnell hineinzulesen in eine Geschichte, ob das was ist, womit man etwas anfangen kann, was Spaß macht – und genau dieses „schnell“ hat mich den Satz „Roth lächelt, öffnet die Augen“ zunächst flüchtig überlesen lassen, anstatt dort schon aufzumerken. Aber da ich im Verlauf natürlich gemerkt habe, dass es mit Roth etwas Besonders auf sich hat, habe ich dann noch einmal aufmerksamer von vorn gelesen. Und zwar sehr gern.

Danke für das Lob. Ja, die ganze Frage, wie rätselhaft eine Geschichte sein darf, das ist ein Thema, mit dem ich mich schon länger befasse. Ich hatte ja auch in früheren Texten häufig einen Hang ins Mystische/ Mysteriöse. Daran werde ich weiter arbeiten und dabei helfen mir Deine Rückmeldungen und die der anderen sehr. Vielen Dank dafür.

Gruß Achillus


Wird fortgesetzt ...

 

Ich noch mal,

Achillus

Hm, wohin soll das Komma verschoben werden? Sein Blick presst meine Brust zusammen, und, ohne zu wissen, weshalb ich das sage, stoße ich hervor
(Fettdruck = Hauptsätze)

Sein Blick presst meine Brust zusammen und ich stoße hervor, ohne es zu wissen ...

Bis bald und angenehmen Restsonntag

Friedel

 

Hallo @Achillus,

Meinst Du die »Spurensuche«?

In der Tat meinte ich diese, aber ich hatte mich zu wenig mit dem Text auseinandergesetzt, um ein echtes Feedback zu geben (war ja hier schon grenzwertig wenig).

Halte seit einiger Zeit Ausschau nach einer neuen Geschichte von Dir, aber zur Zeit konzentrierst Du Dich wohl auf andere Dinge. Geht mir auch so, dass ich Zeiten habe, in denen andere Projekte wichtiger sind.

Das finde ich sehr nett von Dir. Ich stecke da gerade in einer Zeitkrise. Ich bin zwar noch weiter am Schreiben und mein Kopf steckt voller Ideen, aber um hier einen Text einzustellen, fehlen mir einfach die Zeit und Nerven für die Bearbeitung der anschließenden Kommentare. Aber es kommt sicher mal wieder etwas von mir.

Lieber Gruß
Geschichtenwerker

 

Lieber Achillus,

der Erfolg einer Geschichte ist wahrscheinlich immer auch abhängig vom Leser, von seiner Kompetenz und von der Stimmung, in der er sich gerade befindet. Ich war auf der Suche nach einem Text, der mich schnell packt, einen Sog entwickelt und klar verständlich/ strukturiert ist. Leider ist dieser Text m. E. genau der falsche Text zum falschen Moment. Ich war von Absatz zu Absatz verwirrter, mir war nicht klar, wer da spricht, wieviele und worum es überhaupt geht. Andere Kommentatoren berichteten bereits, dass ihnen nach mehrmaligem Lesen die Augen aufgingen. Und ich will beizeiten gerne noch mal die Lektüre wagen. Aber mein erster Eindruck jetzt: zu verworren, zu verschchtelt, zu kompliziert.

LG,

HerrLehrer

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom