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Schlittenfahren

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21.03.2003
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Schlittenfahren

Schlittenfahren

Die Schlittenpiste ist am Schönberg.
Dort, wo das Walddunkel beginnt.
Von Zuhause bis zum Schönberg brauch ich eine Stunde, höchstens. Bevor es Abend wird, muss ich zurück sein.
Halb sechs, spätestens, hat Vater gemahnt.
Zuerst geht’s durchs Dorf. Entlang der Straße schieben Schneeschaufeln Schneematsch zur Seite, kratzen die Gehwege frei. Ab und zu machen die Leute eine Pause, dann stehen sie in kleinen Gruppen beisammen und unterhalten sich. Sie reden über das Wetter und das Faschingsfest. Das Fest, hat Mutter gesagt, findet nächste Woche statt. In der Sporthalle.
Ich werde mich als Zauberer verkleiden.
Beim Vorbeigehen grüßen die Erwachsenen mich manchmal, und ich grüße dann zurück. Die Vorgärten der Häuser sind alle weiß verschneit. Hin und wieder kauern dort Schneemänner. Die schwitzen in der Sonne.
Bald gehe ich die Hauptstraße entlang: Der plattgefahrene Straßenschnee dort ist über und über mit winzigen Steinen verhagelt, damit niemand ausrutscht.
Manche Häuser hier sind ganz aus Holz, die Dächer eingeschneit. Unter den Giebeln kleben Eiszapfen. Wie Lebkuchenhäuser mit Zuckerguss, denke ich. Aus den Schornsteinen kommt Rauch, schwebt wolkig in die Höhe. Die Rauchfahnen steigen weit in den Himmel auf - dort, wo die Krähen ihre Kreise ziehen. Heute ist die Luft ganz klar, über mir ein leuchtend blauer Winterhimmel.
Gleich verlasse ich das Dorf, gelange auf den Feldweg, von dort geht’s zum Schönberg. Der Weg windet sich über Schneewiesen, schlängelt sich das Tal hoch. Bis zum Wald.
Wenn ich über den Schnee gehe, knirscht es trocken. Auf dem Weg entdecke ich lauter Schuhspuren: Turnschuhe, Wanderschuhe, grosse Erwachsenenschuhe - daneben kleine Kinderschuhe. Und Schlittenspuren, überall: Die Kufenspuren verlaufen gerade wie die Gleise einer Bahnlinie. Ein wirres Muster. Die Linien ganz parallel, kreuzen bald andere Linien, gehen wieder auseinander. Dazwischen Pfotenspuren. Hunde wahrscheinlich.
Ab jetzt geht’s immer mehr bergauf. Das ist anstrengend.
Ich muss eine kurze Verschnaufpause machen, setze mich quer auf den Schlitten - und blicke über das Tal:
Die Landschaft glänzt im Sonnenlicht.
Schmelzende Schneefelder weit und breit. Die Wintersonne blendet schräg. Unten im Tal liegt Schneetau - dort ist auch mein Dorf.
Die Welt wie in einen Kokon aus Stille gewebt.
Irgendwo unter mir, auf dem Weg, taucht plötzlich eine Gruppe älterer Jungen auf. Die Jungen kenne ich, die gehen auch auf meine Schule. Das ist eine richtige Bande. Ganz schlimm: Wenn sie einen auf dem Klo oder im Raucherversteck hinter der Schule erwischen, wollen die immer das Taschengeld haben – sonst gibt’s Schläge.
Ich sehe, dass die Jungen Schlitten hinter sich herziehen. Hoffentlich wollen die nicht auch zur Schönberg-Piste. Das wäre furchtbar.
Jetzt laufe ich schneller. Die Luft ist kalt. Mein Atem gefriert sofort, wird knisternder Rauch.
Schneekristalle auf dem Fußweg. Es glitzert. Wie tausend Diamanten. Mein Schlitten im Schlepptau, schaukelt hinter mir her. Immer schwerer und schwerer wird der Schlitten jetzt, zieht an der Schnur, und die Schnur schneidet durch den Stoff vom Kältehandschuh. In meine Hand hinein.
Ab und an fällt Schnee auf meinen Kopf. Er rieselt aus den Bäumen und raschelt dann. In den Zweigen. Das Glitzerpulver hat sich auf meine Pudelmütze gelegt, ich nehme die Mütze vom Kopf, und die Kristalle funkeln nun im Sonnenlicht.
Vor mir der Schönberg. Endlich! Jetzt kann ich auch die Piste erkennen: Meine Freunde sind bereits da. Auch andere Kinder aus dem Dorf, ich höre Jungen und Mädchen schreien, jeder ruft jedem irgendetwas zu.
Gleich hab ich’s geschafft. Aber die Beine sind müde geworden. Vom Wandern. Noch eine kurze Pause einlegen – dann geht’s weiter.
Manchmal knacken Bäume. Wegen dem Eisregen letzte Nacht. Die Äste sind gefroren, das Holz ganz gläsern, es klirrt und bricht.
Die Welt wie eingeschmolzen. Konserviert im Eis. In einen gläsernen Mantel aus frostiger Kälte gebacken. Direkt vor mir, zwischen den Bäumen, fällt wieder Schnee.
Es rieselt Sternenstaub.
„He, da ist ja der Peter!“, höre ich jemanden schreien. „Auf, den schnappen wir uns!“ Die Jungen sind aus einem Hinterhalt gekommen, stürmen alle auf mich zu.
Sofort lasse ich den Schlitten los. Ich laufe und laufe...
Aber jetzt falle ich hin.
Schon haben sich zwei auf mich geworfen und halten mich im Polizeigriff. Die großen Jungs packen mich, drücken meine Arme auf den Boden. Ganz fest. Sie tun mir weh. Dann beugt sich der Anführer zu mir hinunter, sagt:
„Dich werden wir jetzt gründlich einseifen!“
Die anderen lachen blöd. Sofort spüre ich kalten Schnee im Gesicht. Und am Hals. Einer stopft mir das Eis unter den Kragen und sogar in den Ärmel vom Pulli. Für einen Moment sehe ich meine Mütze, wie sie in den Schnee fällt.
Dann ziehen sie mir die Schuhe aus, schaufeln Schnee hinein - bis beide Schuhe ganz mit weißer Kälte ausgestopft sind. Solange scheuern sie Schnee über mein Gesicht, bis die Haut rot wird und brennt.
Die Jungen johlen nun, rennen und hüpfen dabei im Kreis um mich herum. Sie quieken vor Freude - während ihr Anführer höhnisch lacht.
Bevor sich die Bande endlich davonmacht, nehmen sie mir noch den Schlitten weg, stoßen ihn den Abhang hinunter.
Ich schaue meinem Schlitten hinterher, wie er blind den Hang hinunterrodelt. Eine irre Talfahrt. Wie ein Geisterschiff, denke ich, jagt der alte Holzschlitten über den Schnee – dann ist er verschwunden.
Die großen Jungs sind auch verschwunden.
Zum Glück wollten sie diesmal kein Geld, nur mich einseifen.
Ich beschließe jetzt, wieder umzukehren. Laufe heimwärts.

Heute werde ich nicht mehr Schlittenfahren.


Wolf. W. 2003

 

Hallo Leute. Das ist meine erste "Geschichte" bei Kurzgeschichten.de - Viel Spass beim Lesen!

 

Hallo kleiner Wolf,

Formatiere den Text bitte um, so dass er sich auch wie eine Geschichte, und kein Gedicht, liest.

Gruss,

I3en

 

Hallo kleiner Wolf, Deine Geschichte ist sehr schön und lebendig geschrieben. Ich finde auch, dass Du sie umformatieren solltest. Dann liest sie sich besser.
Gruß! Ediehla

 

Hallo kleinerWolf!

Hab Dir Deine Geschichte zurückverschoben, Fehler sind keine mehr drin. :)

Die Handlung finde ich nett beschrieben, Du zeigst auf, wie Dein Protagonist unschuldig zum Handkuss kommt und ein paar halbstarke Idioten sich an ihm abreagieren. - Was leider immer wieder auch in der Realität vorkommt.

Was Deinen Stil betrifft, solltest Du vielleicht noch ein bisschen feilen. Sehr viele Sätze in Deiner Geschichte sind kurz und abgehackt, in manchen Fällen wirkt es so, als wolltest Du immer hintennach erklären, z.B. hier:

"Schneekristalle auf dem Fußweg. Es glitzert. Wie tausend Diamanten."

Warum nicht etwa: Schneekristalle glitzern auf dem Fußweg wie tausend Diamanten.

Aber im Großen und Ganzen hat mir die Geschichte gut gefallen. :)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo kleinerWolf,

ich habe Deine Geschichte gerne gelesen.

Mir hat es gefallen, wie Du die sonnige Winterwanderung Deines Protagonisten geschildert hast. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie kleine Kinder auf eine so lange Wegbeschreibung reagieren, ob sie nicht die Lust verlieren, wenn ziemlich lange nichts passiert? - Aber das wirst Du ja sicher an einigen "Versuchskindern" ausprobieren...

Spannend wird Deine Geschichte allemal, wenn die "bösen, großen Jungen" auftauchen. Bei der Schilderung des gemeinen Überfalles werden die Kinder sicher mitzittern, denn die meisten kennen ja solche Vorfälle selber.

Ein kleiner Widerspruch ist mir aufgefallen: An einer Stelle läßt Du die Schneemänner in der Sonne schwitzen, d.h. es ist so warm, dass es taut, dass der Schnee also matschig sein müßte. Etwas später knirscht der Schnee trocken und es ist die Rede von Glitzerpulver, das aus den Bäumen rieselt.

Auch ich bin manchmal beim Lesen über ein paar abgehackte Sätze gestolpert, die eigentlich, im strengen Sinn gar keine Sätze sind. Ein paar Beispiele:

Dort, wo das Walddunkel beginnt.
Bis zum Wald.
Ein wirres Muster.
Dazwischen Pfotenspuren.
Hunde wahrscheinlich.

Es gibt noch mehr solche "Sätze" in Deinem Text. Ich glaube, es würde sich lohnen, diese Sätze noch einmal zu überarbeiten, so wie Susi es schon vorgeschlagen hat.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo kleinerWolf!
Erst einmal ein herzliches Willkommen von mir hier auf kg.de! :)

Ich finde deine Geschichte von der Idee her interessant, doch die oft sehr kurzen und abgehackten Sätze vermiesen es. Es ist schön, zu lesen, wie Kinder die Umgebung wahrnehmen. Wir stellten vielleicht nur fest, dass da viele Schuhabdrücke sind, aber wir machten keine Gedanken darüber, von was für Schuhen die kommen könnten.

Teilweise sind die Punkte auch total unsinnig gesetzt.
Zúm Beispiel:

Das Fest, hat Mutter gesagt, findet nächste Woche statt. In der Sporthalle.
Einfach 'statt' ans Ende setzen und schon hat man einen schönen Satz.
Aber darauf wurdest ja schon hingewiesen, daher will ich darauf nicht mehr herumreiten.

An einer Stelle hab ich ziemlich gestutz.

Wenn sie einen auf dem Klo oder im Raucherversteck hinter der Schule erwischen, wollen die immer das Taschengeld haben – sonst gibt’s Schläge
Raucherversteck? Was sucht ein kleines Kind in einem Raucherversteckt? Hab ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Für mich hört es sich so an, als ob das kleine Kind manchmal da ist und raucht. :confused:

bye und tschö

 

Hallo Ben, ediehla, häferl, al-dente, und moonshadow!

Erst mal vielen Dank für das Lesen und Eure ehrliche Kritik! :)


@Häferl:

Es freut mich, dass Dir meine Geschichte gefallen hat.
Was den Schreibstil betrifft, bist Du offensichtlich nicht die Einzige gewesen, die davon irritiert war...
Zugegeben: Das mit den kurzen Sätzen war eine Art Experiment. Ich wollte einfach mal versuchen, die Eindrücke, die das Kind während seiner Wanderung aufnimmt (und die Gedanken, die ihm gleichzeitig dabei durch den Kopf gehen), in einer Art Impressions-und-Gedankenblitz-Kette sprachlich genau so wiederzugeben, wie das Gehirn sie produziert (und möglichst in einer kindgerecheten Sprache - aber kein reines Brainstorming daraus machen).
Aber das ist mir wahrscheinlich nicht so recht gelungen...


@al-dente:

Dass Du die Geschichte gerne gelesen hast, freut mich.
Und Du hast sofort einen Punkt angesprochen, der mich überrascht hat: Offensichtlich bist Du davon ausgegangen, dass ich die Geschichte für Kinder geschrieben hätte - so als "Vorlesegeschichte" oder "Bettkantengeschichte". Aber das ist nicht wahr.
Vielmehr wollte ich eine "Kindergeschichte für Erwachsene" schreiben, eine Geschichte, in der man als Erwachsener zwar einen Abstand zur Kindheit hat und viel reflektierter über alles nachdenkt - aber sich dennoch während des Lesens ein Stück weit wieder "als Kind" fühlen und wahrnehmen kann, eine Geschichte, in der frühe Erinnerungen wieder aufleben...
Das war allein schon von der Wahl der Sprache her so von mir gedacht.

Das ist übrigens kein Widerspruch:

Ein kleiner Widerspruch ist mir aufgefallen: An einer Stelle läßt Du die Schneemänner in der Sonne schwitzen, d.h. es ist so warm, dass es taut, dass der Schnee also matschig sein müßte. Etwas später knirscht der Schnee trocken und es ist die Rede von Glitzerpulver, das aus den Bäumen rieselt.
.
Da ich selbst "von den Bergen" komme, weiß ich, dass es bei Tauwetter zuerst unten in den Tälern (im Dorf) anfängt zu Tauen. Aber schon ein wenig weiter oberhalb, kann der Schnee kalt und trocken bleiben (wegen der Höhenlage).


@moonshadow:

Auch Dir vielen Dank fürs Lesen!
Herzlich Willkommen auch meinerseits! :)

Die Sache mit dem "Raucherversteck" hinter der Schule ist schon so gemeint:
Verbote (insbes. Schulverbote) reizen nunmal, und die "Ausprobierphase", in der man mal eine Kippe pafft, fällt nicht selten in das Alter von 10 Jahren und sogar noch jünger, also das Alter, in dem sich der Protagonist befindet. (Im übrigen ist es auch kein "kleines Kind" mehr, sondern ein Schulkind.)
Das mit dem "Raucherversteck" ist nicht nur eine eigene Erinnerung...
Hab zum Glück wieder damit aufgehört ;)


Grüße an Alle,
Wolf

 

Hi kleinerWolf,

wahrscheinlich hatte ich beim Lesen nicht richtig darauf geachtet, dass sich Dein Protagonist aus dem Tal immer höher in die Berge hinauf bewegt, sorry! Dann hast Du wohl recht damit, dass es kein Widerspruch ist.

Wenn Du allerdings eine Geschichte für Erwachsene schreiben wolltest, dann glaube ich, dass Deine story in dieser Rubrik nicht am Platz ist. So wie ich es bisher verstanden habe, gehören in diese Rubrik Kindergeschichten, d.h. Geschichten für Kinder.

LIebe Grüße
Barbara

 

Hallo kleiner Wolf!

Offensichtlich bist Du davon ausgegangen, dass ich die Geschichte für Kinder geschrieben hätte - so als "Vorlesegeschichte" oder "Bettkantengeschichte". Aber das ist nicht wahr. Vielmehr wollte ich eine "Kindergeschichte für Erwachsene" schreiben, eine Geschichte, in der man als Erwachsener zwar einen Abstand zur Kindheit hat und viel reflektierter über alles nachdenkt - aber sich dennoch während des Lesens ein Stück weit wieder "als Kind" fühlen und wahrnehmen kann, eine Geschichte, in der frühe Erinnerungen wieder aufleben...
...ich wollte Dir gerade schreiben, dass die Geschichte sich für mich gut liest, dass ich gerade auch die kurzen Sätze der Beschreibung sehr gern habe, aber dass sie als Kindergeschichte wohl nicht geeigent ist, als ich dann Deine Antwort an al-dente gelesen habe. Ich denke das ist Dir gelungen. Auch der negative Schluss hätte meines Erachtens nach nicht so gut in eine Vorlesegeschichte gepasst, mit Deiner Erläuterung allerdings finde ich ihn sehr gelungen. :)

schöne Grüße
Anne

 

Hallo, kleiner Wolf

mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Die kurzen Sätze oder Satzteile stören mich nicht. Ich finde sie verdeutlichen. Meistens schreibe ich auch "Kindergeschichten für Erwachsene" und habe daher Schwierigkeiten mit der Rubrikwahl. Nirgends passen sie so richtig.

Liebe Grüße
Ulla

 

Hallo Maus!

Ich freue mich sehr, dass du meine Geschichte gelesen hast - auch finde ich gut, dass dir der Erzählstil mit den "kurzen Sätzen" ebenfalls gefällt.


Hallo Assiniboin!

Auch Dir vielen Dank für das Feedback!
Ich bin jetzt froh und erleichtert, auch jemanden getroffen zu haben, der eine ähnliche Intention beim Kindergeschichten-schreiben verfolgt...
PS: Hab deine Geschichte "Oliver und der Schneemann Bo-Lie" gelesen - hat mir gefallen.

 

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