Was ist neu

Schlussakkord

Challenge 3. Platz
Challenge 3. Platz

svg

Monster-WG
Seniors
Beitritt
15.07.2004
Beiträge
837
Zuletzt bearbeitet:

Schlussakkord

Heute, November 2015, The Burning Hips
Drei Dinge nehme ich gleichzeitig wahr.
Plauze übergibt sich lautstark in meinen Gitarrenkoffer.
Im VW-Bus brüllt Cleo ihren Orgasmus in die Welt.
Und mich überkommt mit einem Mal ein Gefühl von grenzenloser Wehmut.
Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Schon klar!
Aber ganz ehrlich!
Wer zur Hölle will ausgerechnet dann aufhören?

„Biste okay, Lenny? Du siehst irgendwie extremst scheiße aus.“
Plauze wischt sich mit dem Ärmel den Mund sauber. Sein Gesicht ist kreidebleich, die Augen blicken glasig.
Ich versuche mich an einem Grinsen. „Witzig, dass gerade du das sagst. Wer hat sich denn gerade die Seele aus dem Leib gekotzt?“
„Scheiß Magen- und Darm“, lallt Plauze und kickt mit einem unbeholfenen Tritt eine der leeren Bierdosen weg, die ihn wie ein Burgwall umgeben.
„Sicher doch! Magen- und Darm!“
Dieses Mal ist mein Grinsen echt.
„Ich schwöre, Alter!“ Plauze wirkt ehrlich entrüstet. „Schon seit gestern. Aber ich verzichte doch nicht auf einen ordentlichen Rausch wegen dem bisschen Gekotze. Nicht heute Abend. Heute wird es nämlich magisch.“
Er verzieht sein Gesicht zu etwas, dass er für seinen ureigenen Adam-Levine-Blick hält. Ultrageil und unwiderstehlich. In Wirklichkeit sieht er einfach nur sturzbesoffen aus. Was er ja auch ist.
Ich zucke mit den Achseln. „Wenn du meinst.“
Ich bin nicht in der Stimmung, Begeisterung zu heucheln. Nicht heute.
Plauze scheint das nicht weiter zu stören. Keine Ahnung, was er außer Bier noch so geschluckt hat. Er wirkt auf geradezu unangenehme Weise gut gelaunt. „Ich habe da noch was in petto. Wirst schon sehen. Den ganz großen Wurf.“
Er blickt mich an wie ein Hundewelpe, der auf ein Leckerli wartet.
„Schnauze, Plauze!“
Es klingt schärfer als beabsichtigt und ich spiele kurz mit dem Gedanken, mich zu entschuldigen. Was ich dann doch nicht tue, denn eigentlich meine ich es genauso. Ich will nicht nett sein. Ich will auch nicht reden. Ich will einfach nur meinen trüben Gedanken nachhängen. Ist mein schließlich verdammtes Recht.
Das ist er also: der finale Gig. Die ultimative Abschiedsvorstellung. Einmal noch mit The Burning Hips auf die Bühne und sich ein letztes Mal die Seele aus dem Leib rocken.
Und danach?
Schluss, aus, vorbei! Finito! Ende der Geschichte. Nicht, dass es irgendjemanden sonst besonders kratzen würde. Aber ich, ich könnte heulen.
Ein schriller Schrei durchbricht die Stille. Cleo kommt schon wieder. Oder noch immer. Kann man bei ihr nie so genau sagen.
Aber jetzt höre ich auch Frank, der offenbar ebenfalls zum Höhepunkt kommt. Während Cleo einfach nur laut ist, klingt es bei ihm seltsam harmonisch. Kein abgehaktes Schnaufen wie im Porno. Nein, jeder Ton sitzt. Als hätte jemand Gestöhne komponiert. Ein Choral der Lust. Und wie immer ertappte ich mich beim Gedanken, dass Franks Stimme reine Musik ist.
Selbst dann, wenn er nicht singt.

Mai 2006, Lenny Metal
Ich spiele in der Band, seitdem ich dreizehn bin.
Die Band, das waren am Anfang nur Frank und ich. Wir hatten in fast zehn Jahren gefühlt einhundert Namen und mindestens zwei Dutzend unterschiedliche Mitstreiter. Aber Frank und ich – das war immer die Konstante, der Grundrhythmus, der das ganze Ding am Laufen gehalten hat.
Wir haben uns auf der Musikschule in Rendsburg kennengelernt. Im Kurs: Wir musizieren in der Gruppe (Anfänger) – Dienstag, 15.00 Uhr.
Ich hatte mir in Eigenregie ein wenig das Klampfen beigebracht und auf der Konfi-Fahrt mit mehr schlecht als recht geschrammelten Songs wie Lady in black, Under the bridge und Westerland erste bescheidene Erfolge gefeiert. An und für sich absolut nichts Besonderes. Aber die Reaktion der Mädchen auf die Musik, ihr anerkennendes Lächeln, ihre interessierten Blicke, ihre freundliche Aufmerksamkeit, bis dato für mich absolutes Neuland, hatten mir eine Zukunft gezeigt, die ich nie für möglich gehalten hatte. Zwei von ihnen hatten mir nach einer nächtlichen Privatperfomance von Talkin‘ bout a Revolution sogar erlaubt, gewisse Körperteile, die ich sonst so explizit nur auf youporn studieren konnte, mit den Fingern meiner Greifhand zu erkunden. (Mein ewiger Dank sei dir gewiss, Tracy Chapman!) Jedenfalls wollte ich mehr davon, viel mehr, und war nun bereit für den nächsten Schritt.
Nüchtern formuliert.
In Wirklichkeit brannte ich.
Scheiße Mann, mit was für großen Illusionen bin ich damals dort aufgeschlagen. Ein aufstrebender Gitarrengott mit der Gabe, den Mädchen Stück für Stück die Kleider vom Leib zu spielen. Ich wollte Stadien füllen, Groupies vögeln, stinkreich werden und die Welt rocken. Ich hatte sogar schon einen Namen für meine zukünftige Band: Lenny Metal!
Gott, ich war überzeugt davon, am richtigen Ort zu sein, um andere aufstrebende Rockstars kennenzulernen. Born to be wild!

Die Ernüchterung folgte schon bei der ersten Kennenlernrunde. Fast ein Drittel der Anwesenden spielte Block- oder Querflöte. Es gab vier Geigen, zwei Klarinetten und jeweils ein Akkordeon sowie eine Posaune. Außer mir noch zwei Gitarren, ich hatte allerdings die einzige elektrische. Nicht ein einziger Schlagzeuger, es sei denn man rechnete den seltsamen Kerl dazu, der Klanghölzer mitgebracht hatte.
Klanghölzer!
Halleluja, das knallt!
Das hatte rein gar nichts mit dem abgefuckten Scheiß zu tun, den ich mir erträumt hatte. Wir waren der erbärmlichste Spielmannszug der Welt.
Immerhin war das Mädchen, das neben mir hockte und sich krampfhaft an ihre nagelneue Aura Barock klammerte, ziemlich hübsch. Verdammt hübsch sogar! Definitiv nicht meine Liga, aber hey, seit wann lässt sich ein Rock’n’Roller davon abhalten? Ich sage nur Pete Doherty und Kate Moss. Zudem hatten mich meine jüngsten, wenn auch keinesfalls sonderlich beeindruckenden Erfolgserlebnisse komplett größenwahnsinnig werden lassen. Es kam, wie es kommen musste: Die Gäule gingen mit mir durch.
Für das Folgende schäme ich mich bis heute.
„Wie krass. Eine Frau, die blasen kann!“
Mein Lächeln muss irgendwo zwischen Kehlkopf und Unterkiefer verreckt sein, es kam jedenfalls nie auf meinen Lippen an.
Was vor allem an ihrem Blick lag. Wäre er angewidert, zornig, ja sogar verachtend gewesen, ich hätte damit irgendwie leben können. Kein Problem, Ablehnung musst du als Rockstar vertragen können.
Aber das, was da in ihren Augen schimmerte, war eindeutig Mitleid. „Das ist echt ein total witziger Spruch“, antwortete sie mit einer Stimme, die gleichgültiger nicht hätte sein können. „Daran hast du bestimmt wochenlang gearbeitet, was? Hat sich wirklich voll gelohnt. Respekt. Du merkst es vielleicht nicht, aber bin echt total geflasht!“
Hätte man diesen Moment auf einem Zeitstrahl festgehalten, er hätte so ausgesehen: 1. Lenny in red, 2. peinliche Pause, 3. panischer Seitenblick auf ihr Instrument, 4. kläglicher Rettungsversuch!
„Ich … ähm … ich habe flöten gemeint!“
„Das macht es nicht besser. Echt nicht.“
„Ehrlich. Ich steh voll auf Flöten.“
„Jetzt wird es richtig schräg.“
„Nee … so doch nicht. Anders. Musikmäßig. Jethro Tull. Ian Anderson. Living in the past. Weißt schon. So psychodelisch halt. Die Art von Flöten!“
„Vorschlag zur Güte: Bis die hier anfangen, guckst du einfach in die eine Richtung und ich in die andere.“
„Ähm …okay.“
„Reizend!“
Das war der Moment, an dem ich eigentlich nur noch nach Hause wollte.

Und dann kam er.
Trotz unseres Vorsatzes in gegensätzliche Richtungen zu schauen, bemerkten ihn das Blockflötenmädchen und ich im selben Moment. Ganz kurz entgleiste ihr Blick. Darin lag keine Spur mehr von Mitleid. Stattdessen: die absolute Euphorie.
Ich bin sicher, dass es mir nicht anders erging.
Frank sah damals schon unverschämt gut aus. Ein Dreizehnjähriger, in den sich fünfzehn- oder sechzehnjährige Frauen vergucken. Was ungefähr so wahrscheinlich ist, wie für einen Normalsterblichen in seinem Leben irgendwann mal mit Scarlett Johansson im Bett zu landen.
Frank kam eine Viertelstunde zu spät. Anstatt sich zu entschuldigen, wie ich es mit Sicherheit getan hätte, formte er die linke Hand zum Metal-Gruß, schnitt dabei eine Grimasse, die Gene Simmons hätte neidisch werden lassen, und fläzte sich dann auf den einzig verbliebenen freien Platz im pädagogisch ach so wertvollen Stuhlkreis. Er trug ein abgewetztes System-of-a-Down-T-Shirt und war der einzige, der kein Instrument mitgebracht hatte.
Auf Nachfrage des Kursleiters, der, obwohl mindestens fünf Jahre älter, gegen die Aura von Frank wie ein Grundschüler wirkte, kam die knappe Entgegnung: „Ich spiele gar nichts. Ich bin Sänger.“

Ich weiß, dass klingt jetzt dick aufgetragen, aber ganz ehrlich: Mir war sofort klar, dass ich meine Band gefunden hatte.
Es war die Art, wie er diese beiden kurzen Sätze aussprach. Das war… irgendwie betörend. Während ich gerade – im wahrsten Sinne des Wortes – alle Höhen und Tiefen des Stimmbruchs durchlief, klang Frank bereits unglaublich abgewichst, genauso, wie ich mir bis heute wünsche, nur ein einziges Mal zu klingen. Seine Stimme war unglaublich heiß. Sie war wie ein Feuerwerk, purer Rock’n‘Roll.
Und ich, ich wollte die Musik dazu machen.

Während der verbleibenden fünfundsiebzig Minuten Unterricht habe ich nichts Anderes getan als ihn angestarrt. Ich muss wie ein verliebtes Schulmädchen gewirkt haben, mit einem schwärmerischen Grinsen auf den Lippen.
Natürlich bemerkte er es.
Am Ende der Stunde stand er auf und kam geradewegs auf mich zu.
„Bin dir aufgefallen, was?“
Scheiße, wer rechnet denn mit so was? Für einen Moment ergriff mich Panik. Jetzt nur nichts Falsches sagen. Also am besten ganz die Fresse halten.
Zu meinem Glück fühlte sich das Blockflöten-Mädchen neben mir angesprochen. „Aber so was von!“ Sie kicherte glucksend. „Du bist voll...“
Frank wandte ihr nicht einmal seinen Kopf zu, als er sie unterbrach.
„Ja klar... ist das dein Freund?“ Er deutete auf mich.
„Der?“
Ein Nein, oh Gott, oh Gott, selbst dann nicht, wenn er der letzte lebende Kerl auf der Welt wäre hätte nicht deutlicher formuliert sein können.
Frank nickte bedächtig.
„Super. Dann macht es dir doch bestimmt nicht aus, mal kurz deinen Platz zu räumen? Ich muss was mit ihm besprechen.“
Der Blockflöten-Prinzessin stand deutlich ins Gesicht geschrieben, dass sie keinesfalls gewillt war, die Schlacht um Franks Gunst kampflos aufzugeben. Trotzdem stand sie auf.
Ein Fehler.
Frank ließ sich wortlos auf ihren Stuhl fallen und drehte sich so, dass sie nur noch seinen Rücken bewundern konnte.
Sie unternahm einen neuerlichen Anlauf. „Ich heiße übrigens…“
Mit einer lässigen Handbewegung brachte er sie zum Schweigen.
„Ehrlich. Das hier ist echt wichtig. Also könntest du vielleicht bitte irgendwoanders … süß sein?“
„Aber…ich...“ Das Mädchen warf ihm einen letzten verzweifelten Blick zu. Dann schien sie in sich zusammenzusacken, drehte sich langsam um und schlurfte mit hängenden Schultern in Richtung Ausgang.
"Du spielst nicht zufällig Schlagzeug?", rief Frank ihr hinterher.
Als Antwort pfefferte das Mädchen ihre Blockflöte in die Ecke und verließ dann ohne sich noch einmal umzudrehen den Raum.
Ich blickte ihr entgeistert hinterher.
„Scheiße, die war total scharf auf dich“, keuchte ich.
Frank grinste schief.
„Schon möglich“, sagte er knapp und nickte dann in Richtung meiner Gitarre. „Aber ehrlich gesagt: Das Baby da gefällt mir viel besser.“
Meine Verwunderung verwandelte sich schlagartig in ein begeistertes Hochgefühl. Er fuhr tatsächlich auf meine Klampfe ab.
„Ja, die ist geil. Das ist eine Yamaha Pac-112.“
„Und? Kannste darauf spielen?“
„Aber so was von!“
Was in meinen Ohren irgendwie bedeutend besser klang, als „na ja, ich lerne es gerade“.
„Cool! Haste Bock, dass wir es mal zusammen versuchen? Du mit dem Ding und ich mit meiner Stimme?“
Mein Herz schlug so wild, als würde es von John Bonham persönlich mit einem Dutzend Drumsticks bearbeitet.
„Klar! Warum nicht?“
„Super! Damit können wir diesem Witzladen auf Wiedersehen sagen. Aber vorher...“, er schob seinen Stuhl so nah an meinen, dass sich die Lehnen berührten. Und dann sagte er zum ersten Mal das Wort, dass ich aus seinem Mund noch hunderte Male hören sollte:
„...Bandbesprechung!“

Heute, November 2015, The Burning Hips
„Bandbesprechung!“
Frank zieht sich den Hosenstall zu, als er den kleinen, muffigen Raum betritt, der uns bei diesem Gig als Back-Stage-Bereich zur Verfügung gestellt worden ist. Ohne Fenster, aber mit einer Extraportion Schimmel. Auf einem Biertisch steht ein halbvoller Kasten Mineralwasser und etwas, das offenkundig Verpflegung darstellen soll. Ich habe die vergangene Viertelstunde damit zugebracht, einigen Salatblättern beim Welken zuzusehen, die in vollkommender Verkennung der Bedeutung des Wortes Dekoration scheinbar willkürlich auf ein Dutzend Schmierkäsebrötchen drapiert worden sind.
Frank lässt sich ungalant in einen ausrangierten Sessel fallen, der in dieser Katakombe seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Jetzt ist die Band vollzählig: Frank, Plauze, Cem, unser Bassist, und meine Wenigkeit.
Einen Moment lang sagt niemand ein Wort. Möglicherweise ist uns allen die unbestreitbare Tiefe dieses Moments bewusst. Aber wahrscheinlich sind wir einfach nur mundfaul.
Endlich räuspert sich Frank.
„Machen wir es doch wie immer“, sagt er. „Wir gehen raus, heizen den Leute ordentlich ein und dann...“
Eine Tür fällt knallend ins Schloss.
„...und dann ist endlich Feierabend.“ Cleo tritt ein. Sie sieht wunderbar befriedigt aus.
Ich spüre, wie mir die Galle hochkommt. Cleo ist so ziemlich der letzte Mensch, den ich jetzt sehen will.
„Hey... das ist hier gerade ziemlich intern.“ Ich bemühe mich nicht einmal, meinen Unmut zu verbergen.
Cleo zuckt nur mit den Schultern und macht es sich dann auf Franks Schoss bequem. „Ja und?“ Sie streichelt übertrieben zärtlich seine bandagierte Nase, was mir natürlich einen Stich versetzt.
„Hab dich nicht so, Lenny!“ Frank zieht entschuldigend eine Augenbraue hoch. „Es ist doch das letzte Mal.“
Eben drum. Genau deswegen will ich sie nicht hier haben. Weil es das letzte Mal ist!
Cleo steckt Frank ihre Zunge in den Hals.
Verpiss dich!
Plauze lacht auf. Er wirkt immer noch seltsam wibbelig. Aber immerhin scheint er das Kotzen eingestellt zu haben.
„Wer sagt das eigentlich?“
Cem schaut irritiert auf. „Wer sagt was, Alter?“
„Na ja, dass the Burning Hips heute in die ewigen Jagdgründe eingehen? Ihr tut alle so, als wäre das ein Naturgesetz.“
Plauze war noch nie für besondere Feinfühligkeit bekannt. Aber das hier geht jetzt zu weit.
Cleo kichert.
„Halt einfach deine dumme Fresse“, entgegne ich mit ausgestrecktem Mittelfinger und meine damit gleichzeitig Plauze und Cleo. „Das wäre entschieden besser für alle.“
Plauze grinst feist. Es braucht mehr als einen Stinkefinger, um ihn zu erschüttern.
„Na dann passt mal auf!“ Er verschränkt die Arme vor seiner Brust und sieht aus wie ein übergewichtiger Buddha. „Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist noch lange nicht gesprochen. Der Onkel Plauze hat nämlich dafür gesorgt, dass wir heute Abend endlich entdeckt werden.“

Juli 2006, Chewing Scum
Natürlich hießen wir niemals Lenny Metal. Allein schon deshalb nicht, weil es mir viel zu peinlich gewesen wäre, diesen Vorschlag öffentlich zu äußern. Unser allererster Bandname war Trashflow, weil das irgendwie total sozialkritisch und trotzdem wunderbar rotzig klang und damit exakt die Richtung beschrieb, die wir für unser künftiges musikalisches Wirken vorgesehen hatten. Als Drummer war Torben bei uns eingestiegen, ein Klassenkamerad von mir, der zu Weihnachten ein irre teures Schlagzeug geschenkt bekommen, dieses bislang aber noch nicht einmal richtig ausprobiert hatte. Müßig zu erwähnen, dass er dementsprechend scheiße spielte.
Aber damals war uns das egal. Wir legten einfach los und coverten ein paar Songs. Harte Sachen von Rage Against the Machine, Social Distortion, Bad Religion und solcher Kram. Franks Stimme war eigentlich viel zu schön für diese Art von Musik. Ich arbeite mich tapfer durch die circa neun unterschiedlichen Riffs, die ich inzwischen draufhatte. Und Torben... na ja, dazu ist eigentlich alles gesagt.
Nach zwei Wochen regelmäßiger Probe gaben wir vor meinen Eltern und meiner kleinen Schwester ein triumphales, wenn auch leider von der Öffentlichkeit nahezu unbemerktes erstes Konzert in unserem Keller. Der Applaus war berauschend. The Sky was the limit, wir waren definitiv unaufhaltsam auf dem Weg nach oben.
Sechs Tage später lösten wir uns aufgrund unüberwindbarer musikalischer Differenzen auf, weil Torben lieber etwas in Richtung Silbermond machen wollte.
Nach Torben kam Jan und mit Jan kamen ein neuer Name und neuer Ehrgeiz. Von nun an hießen wir Kofi Annal und beschlossen, profane Coverversionen lieber Bands mit deutlich weniger Talent zu überlassen und fortan unsere Lieder selbst zu schreiben.
Da ich der Einzige war, der wenigstens ein bisschen Noten lesen konnte, wurde ich von einem Moment zum anderen offiziell zum Songwriter befördert. Nach einer durchgearbeiteten Nacht stellte ich der Band übermüdet aber total euphorisiert meine erste eigene Komposition vor.
Es war ein knapp siebenminütiges Rock-Epos namens „Spread your legs and try to fly“ und handelte von einer bemitleidenswerten Nutte, die in einer nur oberflächlich glitzernden Scheinwelt aus „silk and money“ ein erbarmungswürdiges Dasein ganz nach dem Willen ihres durch und durch verabscheuungswürdigen Zuhälters fristete, und die sich immer dann in blütenreine Mädchenliebesfantasien flüchtete, wenn ihre ausnahmslos widerwärtigen Freier ungeschützt in ihr abspritzten.
Kurz gesagt: Realistisch bis zum Abwinken und exakt das Metier, mit dem sich ein Dreizehnjähriger perfekt auskennt.
Mit klopfendem Herz wartete ich auf das Urteil.
„Endgeil!“ Frank war ehrlich ergriffen. „Voll sozialkritisch. Aber trotzdem nicht platt, oder so. Ganz große Kunst!“
Jan starrte mich mit ernster Miene an. „Mal ganz ehrlich: Warst du schon mal im Puff?“
„Nee! Wieso?“
„Weil das alles so verdammt echt klingt!“
„Ich habe ein bisschen gegoogelt.“
„Und dann die Musik. Richtig geil retro.“
„Findeste? Ich habe das ja extra eher klassisch angelegt. Nicht so modern wie der Scheiß, der derzeit so in den Charts zu hören ist.“
„Nee, hört man total. Klingt irgendwie voll nach Weezer. Also nach den alten Sachen von denen.“
„Einfach nur der Hammer!“, zollte mir Frank erneut seine Begeisterung. „Also wenn das kein Hit wird, weiß ich auch nicht.“
Ich kenne bis heute niemanden außer uns drei, der dieses Lied wirklich mochte. Trotzdem spielen wir es immer noch ab und an, dann allerdings in der Rubrik unfreiwillig komische Zugaben.

Als wir ein paar Monate später unseren ersten richtigen Gig hatten, also vor Leuten auftraten, die nicht mit uns verwandt waren und deshalb zuhören mussten, war ein Bassist namens Arne dazugekommen, sechs weitere potenzielle Welthits aus meiner Feder und ein neuer Bandname, dem Umstand geschuldet, dass uns als Kofi Annal niemand auftreten lassen wollte. Von nun an würden wir als Chewing Scum die Charts stürmen.
Wir spielten als Headliner beim Sommerfest meiner Schule. Glücklicherweise war die Konkurrenz überschaubar. Vor uns sang der Unterstufenchor „Der Jäger längs dem Weiher ging“.
Dann waren wir dran. Man hatte uns sage und schreibe drei Songs zugebilligt, und ehrlich gesagt war ich selten nervöser vor einem Konzert als damals. Immerhin spielte ich vor meinen Mitschülern, also Leuten, mit denen ich noch jahrelang irgendwie auskommen musste. Wenn die Sache gut ging, konnte ich im besten Fall als verdammt cooler Typ von der Bühne gehen. Falls sich das alles aber als Desaster herausstellte, würde ich hier und jetzt gesellschaftlichen Selbstmord begehen. Je näher unser Auftritt rückte, desto sicherer war ich, den größten Fehler meines Lebens zu begehen.
Doch erstaunlicherweise funktionierte es. Als Frank die ersten Töne von „Tuna War“ anstimmte, einer auf gewollt disharmonischen Akkorden aufgebauten Anklage gegen den Schleppnetzfischfang, merkte ich sofort, dass wir uns nicht blamieren würden. Diese Gabe habe ich bis heute behalten. Ich kann nach ein paar Tönen zuverlässig vorhersagen, wie ein Konzert laufen wird, ob wir richtig gut sein oder einfach nur Bullshit abliefern werden.
Dieses Mal blamierten wir uns nicht. Im Gegenteil. Das Publikum – und wir reden hier von mindestens achtzig Leuten, was für uns vergleichbar mit dem ausverkauften Wembley-Stadion war – hörte uns zu, wippte mit, johlte dann und wann zustimmend, klatschte lautstark am Ende und forderte sogar eine Zugabe. (Wir spielten „Spread your legs and try to fly“ und damit war die Sache dann auch schnell erledigt.)
Aber zwei Sachen haben sich bis zum heutigen Tag in mein Gehirn gefräst.
Zum einen war da dieses atemberaubend hübsche Mädchen, die zu unserer Musik tanzte und uns abfeierte, als wären wir keine pubertäre Möchtegern-Band, sondern U2 höchstpersönlich. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, ich war mir aber sicher, sie an unserem Gymnasium nie zuvor gesehen zu haben. Erst später habe ich dann gerafft, dass es die Blockflötenprinzessin aus der Musikschule gewesen ist und dass ihre beinahe schon kosmische Begeisterung einzig und allein Frank gegolten hatte.
Das andere, was ich nie vergessen werde, ist das Gefühl, das ich auf der Bühne hatte, während wir spielten. Alles, wirklich alles, schien sich in diesem Moment richtig zusammenzufügen. Frank sang mit seiner Zauberstimme und ich konnte ihr mit meinem Gitarrenspiel eine Straße bahnen, die sie in vollkommener Harmonie entlang schwebte, um dann in den Köpfen der Zuhörer zu purem Rock’n’Roll zu manifestieren.
Und in diesem Augenblick begriff ich: Frank und ich würden für immer und ewig zusammen Musik machen. Schicksal! Manche Dinge sind einfach vorherbestimmt.

Oktober 2015, The Burning Hips
Wir sind erledigt.
Ich weiß es seit ungefähr zwei Wochen und es traf mich vollkommen unvorbereitet. Eigentlich hätte es nur eine gewöhnliche Bandbesprechung sein sollen. So wie hunderte vorher. Aber diesmal war alles anders.
„Sorry, Jungs, aber ich steige aus“, hatte Frank unvermittelt gesagt. „Die zwei Konzerte im November mach ich noch. Aber danach ist für mich Schluss. Endgültig.“
Seine Stimme klang warm, harmonisch... und müde.
Ich wusste sofort, dass er es ernst meinte. Dass er etwas derartig Elementares niemals einfach nur so daher sagen würde. Und trotzdem redete ich mir ein, dass es ein schlechter Scherz sein musste, und wartete auf den entlarvenden Lacher.
Aber er kam nicht.
Einen Moment lang glotzten wir uns alle an wie ein Schwarm Guppys im Aquarium.
„Wie? Du bist draußen?“, fragte schließlich Cem.
Frank seufzte schwer. „Ich hör auf mit dem ganzen Scheiß. Mit der Singerei.“
„Krass“, grunzte Plauze. „Ein bisschen sehr spontan, oder?“
„Laber nicht so einen Scheiß, Alter“, platzte es aus mir raus. „Du kannst nicht aufhören. Unmöglich! Du bist die Band, Mann. Wenn du aufhörst, dann sind the Burning Hips am Arsch.“
„Ziemlich geiler Bandname! Burning Hips am Arsch! Hätten wir mal früher darauf kommen sollen!“ prustete Plauze.
„Dann sind the Burning Hips eben am Arsch“, fuhr mich Frank an. „Hey, mir fällt das auch nicht leicht, echt nicht. Aber irgendwann muss man halt auch mal an die Zukunft denken. An das, was du später mit deinem Leben mal anfangen willst.“
„Diesen ganzen Scheißdreck hat dir doch Cleo ins Ohr gesetzt. Das ist doch ein zu eins exakt die Kacke, die sie dir seit Jahren eintrichtern will.“
„Das hat gar nichts mit Cleo zu tun“, entgegnete Frank. Aber sein Tonfall, die Art wie er es abstreitet, verheißt das Gegenteil. „Dieser ganze Scheiß bringt doch nichts mehr. Ich bin jetzt vierundzwanzig, Mann. Ich sitze seit drei Jahren an einem Studium, in dem ich nicht einen Deut weiterkomme, weil ich, anstatt zu lernen, jedes Wochenende in irgendwelchen versifften Clubs vor zwanzig oder dreißig strunzbesoffenen Leuten spiele. Als wir angefangen haben, Lenny, da klang das super. Sex, Drugs und Rock’n’Roll! Und ich habe das wirklich genossen, Alter. Das war echt geil. Aber ganz ehrlich, Mann: Jetzt ist es an der Zeit mal erwachsen zu werden.“
„Ach, leck mich!“
Frank stand auf. Schaute mich an. Seufzte. Sah aus als, als wolle er sich entschuldigen. Und sagte dann bloß: „Ich geh mal pissen!“
Mit eiligen Schritten lief er zu Tür und ließ sie lautstark in Schloss knallen.
„Fick dich!“ schrie ich ihm hinterher.
Verdammt, dass tat weh. Nicht nur, weil es so plötzlich und quasi aus dem Nichts kam. Es schmerzte, weil wir gerade anfingen, wirklich gut zu sein. Weil ich endlich in der Lage war, Lieder zu schreiben, die Franks Gesangstalent gerecht wurden. Und weil ich mir ganz sicher war, dass wir kurz vor dem Durchbruch standen und genau das schaffen konnten, wovon wir immer geträumt hatten. Und ausgerechnet jetzt wollte Frank hinschmeißen?
„Bok!“, fluchte Cem. „Und nun?“
„Ach, ich finde schon was Neues.“ Plauze trommelte gedankenversunken mit den Zeigefingern auf seinen Oberschenkeln. „Gute Drummer finden immer eine Band.“ Seine Stimme klang merkwürdig zittrig.
Cem biss sich versonnen auf die Unterlippe. „Ich könnte bei meinem Cousin Ali anfangen. Der hat mich schon öfters angefragt. Er hat eine Coverband, die bei türkischen Festen aufspielt. Hochzeiten und so. Werden wirklich gut gebucht. Da kann man richtig fette Kohle abkassieren. Und ab und an machen die auch eigene Sachen. So Richtung Tocotronic. Aber in Türkisch.“ Er zögert einen Moment. „Leider haben die einen total peinlichen Namen.“
Plauze horchte auf. „Wie heißen die denn? Ali and the Dschihads?“ Er grinste schief.
„Wie lüstüg!“, antworte Cem, ohne eine Miene zu verziehen.
„Nein, jetzt mal ernsthaft. Wie heißen die?“
Cem murmelte irgendetwas Unverständliches.
„Was? Nuschel nicht so!“
„Ich sag's nicht!“
„Nee, Mann. Ich will das jetzt wissen!“
„Komm! Lass gut sein!!“
„Als ob ich Ruhe geben würde. Na komm! Mach schon! Los! Erzähl! Spuck es aus, Dicker. Pronto! Raus damit! Hab dich nicht so, du willst es doch auch.“
Kebabcici!“, brüllte Cem. „Und? Bist du jetzt zufrieden, du Wichser?“
„Geht’s noch?“ Es gelang mir kaum, meine Wut zu zügeln. Gegen das, was sich in mir zusammenbraute, war das Gitarrenintro von „Master of puppets“ ein launiger Kinderreigen. „Unsere Band geht gerade komplett den Bach runter und ihr redet über irgendeine verfickte Hochzeitscombo?“
Ich nahm den nächstbesten Gegenstand, den ich in die Finger bekam, und schmiss ihn mit vollem Karacho gegen die Wand. Manchmal muss ein Statement brutal und brachial sein. Der Effekt war allerdings ziemlich enttäuschend, weil ich lediglich ein Plektron geworfen hatte. Was meine Wut nur noch mehr anstachelte.
„Und du?“, frage Cem. „Was machst du, wenn Frank wirklich aufhört?“
„Aufhören!“, fuhr ich ihn an. „Was für eine bescheuerte Frage! Ohne Frank keine Band. Uns beide gibt es nur zusammen. Er singt, ich spiele! Verdammte Scheiße, das war immer schon so! “
In diesem Moment öffnete Frank die Tür.
Die Wut in mir wurde zu einem Feuerwerk aus roten Funken, das sich krachend in meinem Hirn entlud.
Ich trat Frank schwungvoll entgegen, holte aus und schlug zu. Es knirschte und Frank heulte auf. Natürlich ein perfektes, beschissen melodisches Heulen. Was für ein Arschloch!
Ich schlug nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Viervierteltakt. Exakt so wie bei Slades „Far far away.“
Das Heulen wurde lauter.
Als ich endlich aufhörte und schwer atmend ins Franks blutverschmiertes Gesicht blickte, war es Plauzes Kommentar, der mich endgültig auf den Boden der Tatsachen zurückholte: „Scheiße auch! Aber diese Nase ist nur noch Brei.“

Heute, November 2015, The Burning Hips
„Ich will es mal so sagen: Ich – und nur ich – habe höchstwahrscheinlich die Band gerettet.“ Plauze deutet pathetisch mit beiden Zeigefingern auf sich. Dann breitet er die Arme aus, so, als wolle er uns alle umschlingen, und sagt: „Wenn ihr Idioten es nicht gleich wieder verbockt.“
„Was soll der Mist! Das ist absolut uncool, Plauze!“ Frank wirkt ernsthaft angepisst. Erstaunlich doll angepisst für jemanden, der doch angeblich mit der Band längst abgeschlossen hat.
Mir liegt ein bissiger Kommentar auf den Lippen, aber ein Blick auf Franks dick bandagierte Nase hält mich davon ab.
„Ach lass ihn doch! Plauze ist einfach voll“, sagt Cleo betont gelangweilt. Aber ihre Stimme zittert kaum merklich. Sie ist tatsächlich beunruhigt.
Und plötzlich habe ich wieder Hoffnung.
„Was willst du uns sagen“, dränge ich Plauze. „Spuck es endlich aus, Mann!“
Plauze nickt. Dann sagt er erstaunlich sachlich: „Ich habe eine unserer Demos an die Managerin von Social Netword geschickt. Und zudem ein paar von unseren Links auf youtube.“
„Du hast was?“ Cem ist ein netter Kerl, aber mit Sicherheit nicht die hellste Kerze auf der Torte. Jetzt wirkt er komplett überfordert. Ehrlich gesagt geht es mir wie ihm.
Social Netword ist die deutsche Rockhoffnung schlechthin. Thomas, Jonny, Farid und Hagen. Fleischgewordene Mädchenträume, aber mit Talent. Die Aufsteiger des Jahres. So gefragt, dass sie es in sämtliche TV-Jahresrückblicke geschafft haben, sogar auf ARTE. Ihr Debütalbum hat elf Wochen die Charts angeführt. Vier Single-Auskopplungen, alles Top-Ten-Hits. Europaweit. Und jetzt mit berechtigten Ambitionen, es sogar in Übersee zu schaffen.

„Warum hast du das gemacht?“, frage ich. Ich habe immer noch keine Ahnung, worauf das Ganze hinauslaufen soll.
„Weil mir an dieser Band was liegt“, antwortet Plauze. Mit einem Mal wirkt er vollkommen nüchtern.
„Das ist doch Bullshit“, entgegnet Cleo, aber eine Spur zu schrill, um souverän zu wirken. „Wie biste denn ausgerechnet an die Dame gekommen?“
„Beziehungen!“, sagt Plauze schlicht und merkwürdigerweise glaube ich ihm.
„Und?“ Ich traue mich kaum, den Satz auszusprechen. „Was hat sie zum Demo und den Videos gesagt?“
Plauze sagt nichts, sondern reckt einfach nur den linken Daumen in die Luft.
Alles dreht sich. Die Band war mausetot. Und jetzt das. Scheiße, Mann. Nur nicht zu viel erwarten. Was kann Plauze schon erreicht haben? Ausgerechnet Plauze? Und trotzdem spüre ich, wie freudige Erregung von mir Besitz ergreift. Plauze scheint sich so sicher zu sei, dass sie endlich da ist. Die Chance, auf die wir immer gewartet haben. Die erste. Und mit Sicherheit auch letzte.
Cool bleiben. Oh Gott, wird das wirklich die größte Auferstehung seit Jesus Christus?
„Sie findet, dass unsere Sachen Potenzial haben“, sagt Plauze und wirkt beinahe ein bisschen verlegen.
Cleo schnaubt laut auf: „Potenzial. Wow! Ein bisschen vage das Ganze, oder?“
„Wie wäre es, wenn du einfach mal ruhig bist und Plauze ausreden lässt.“ Franks harscher Einwand lässt Cleo augenblicklich verstummen.
Jetzt sind alle Augen auf Plauze gerichtet, der uns mit blassem Gesicht entgegenstarrt. Schweiß steht auf seiner Stirn und er beginnt zu würgen.
„Verdammt. Mein Magen! Nicht gut.“
„Du kannst gleich kotzen“, ruft Cem. „Aber was ist jetzt mit dieser Managerin?“
Plauze hält sich eine Hand vor den Mund.
„Sie hat vor drei Stunden angerufen und gesagt, dass sie zum Konzert kommt“, stößt er hervor. „Sie will abchecken, was wir...oh Gott, scheiße... was wir so draufhaben.“
Er springt auf und will zur Toilette laufen. Er schafft es genau bis zu meinen Schuhen. Dann erbricht er sich lautstark darauf.
Es ist heute schon das dritte Mal, dass ich mit Plauzes Kotze konfrontiert werde. Gewisse Sachen scheinen einfach an einem kleben zu bleiben.

Februar bis Oktober 2011, Fagin & Twist
Die Blockflötenprinzessin werden wir einfach nicht los.
Nicht, dass mich das hätte wundern sollen. Im Laufe der Jahre war sie fast zu einer Art Band-Accessoire geworden. Wann immer wir irgendwo auftraten, war auch sie da, stand in der ersten Reihe und warf Frank schmachtende Blicke zu. Ich kann es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, glaube aber, dass sie nicht ein einziges unserer Konzerte verpasst hat. Wir hatten uns inzwischen an sie gewöhnt, sie gehörte irgendwie dazu – und um ehrlich zu sein, profitierten wir sogar ein bisschen von ihr. Ihre ständige Anwesenheit bei unseren Gigs hatte sich ebenso herumgesprochen wie ihr außergewöhnlich gutes Aussehen. Und es gab mindestens eine Handvoll männlicher Fans, wahrscheinlich eher mehr, die nicht wegen unserer Musik, sondern in erste Linie ihretwegen kamen.

Dennoch überraschte es mich, sie an jenem trüben Februarnachmittag in unserem Probenraum anzutreffen. Wir gaben kein Konzert, sondern veranstalteten lediglich ein Vorspielen für die wieder einmal verwaiste Stelle des Drummers.
Unser letzter Schlagzeuger, Magic Malte, war nach Ulm umgezogen, auch wenn wir auf unserer nigelnagelneuen Homepage (www.jahrhundert-rock.org) großspurig behaupteten, er sei nach einem aus dem Ruder gelaufenen Event im Schlaf an seinem Erbrochenen erstickt. Was bei einer Entfernung von rund achthundert Kilometern in etwa auf das Gleiche rauskam.
Das Blockflötenmädchen kam sofort zur Sache.
„Ich bin Cleo.“
Das wusste ich natürlich. Sie hatte sich mir zwar nie persönlich vorgestellt, aber wenn jemand seit fast sechs Jahren zu jedem deiner Konzerte kommt, dann kennst du den Namen dieser Person irgendwann auch so.
„Ich will bei euch vorspielen“, sagte sie, den Blick stur nur auf Frank gerichtet.
„Theoretisch spitze, praktisch schwierig“, entgegnete ich. „Wir suchen nämlich keine Flötistin. Wir brauchen ganz dringend einen Drummer.“
Sie musterte mich kurz, verlor aber sofort wieder das Interesse. Ich war eindeutig nicht der Grund, warum sie hier war.
„Schon klar. Ich flöte schon lange nicht mehr. Ich trommel jetzt.“
Ach Gottchen! Hatte sie wirklich trommeln gesagt? Frank und ich mussten so lachen, dass wir uns um ein Haar eingenässt hätten.
„Und? Kann ich jetzt anfangen?“, fragte sie vollkommen unbeeindruckt, als wir uns endlich wieder einigermaßen beruhigt hatten. Bevor wir antworten konnten, hatte sie sich schon hinter das Schlagzeug geschwungen.
„Soll ich euch begleiten oder erst einmal alleine loslegen?“
„Ach, weißt du … trommele doch erst mal alleine“, kicherte Frank voller Vorfreude, was zum nächsten ungehemmten Heiterkeitsanfall bei uns führte.
Dann legte sie los und das Lachen blieb uns in Halse stecken.
Sie spielte das Eröffnungssolo von Nirvanas „Stay Away“.
Scheiße, war sie gut. Es war, als würde Dave Grohl höchstpersönlich dort sitzen und spielen. Besser noch: Dave Grohl mit Brüsten!
Als sie fertig war, legte sie überlegend grinsend die Drumsticks zur Seite und sah Frank direkt in die Augen. Ich glaube nicht, dass sie mich noch wahrnahm. Das hier war eindeutig zu einem Ding zwischen ihr und Frank geworden.
„Reicht das? Oder willst du noch mehr? Du kannst alles von mir haben.“
Sie sagte es so anzüglich, dass ich augenblicklich eine Erektion bekam.
„Du … du trommelst … echt … gut“, stammelte Frank mit hochrotem Kopf.
„Ich weiß. Ich bin in fast allem gut.“
„Wo hast du so spielen gelernt?“
Sie lachte bitter. „Ob du es glaubst oder nicht. In der Musikschule. Ich bin nämlich weiter hingegangen.“
„Das ist… der Hammer! Echt jetzt!“
„Und bin ich drin?“
„Wo drin?“
„In der Band.“
Frank wirft mir einen kurzen Seitenblick zu. Ich weiß genau, was er mir sagen will: „Die Frau brauchen wir, die ist Weltklasse.“
Ist sie. Talentiert. Und hübsch. Und scharf. Trotzdem wusste ich, dass es Probleme geben wird.
Einen Augenblick lang erwog ich, den Daumen nach unten zu senken und mein Veto einzulegen. Ich wusste, dass Frank niemals gegen meinen ausdrücklichen Willen jemanden in die Band aufnehmen würde. Selbst dann nicht, wenn es der von den Toten auferstandene Kurt Cobain himself wäre.
Aber dann nickte ich widerwillig. Frank ballte zufrieden die Faust. Cleo und er, diese Zusammensetzung gefiel mir irgendwie überhaupt nicht. Aber ich hatte auch eine Verantwortung gegenüber der Band. Und Fagin & Twist konnten es sich schlichtweg nicht leisten, solch eine talentierte Schlagzeugerin abzulehnen.

Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Zunächst waren es nur Kleinigkeiten. Die Stimmung jedenfalls war bald schon im Keller. Meistens lag es an mir, weil mich Cleos Getue rund um Frank einfach nur ankotzte. Natürlich waren die beiden quasi sofort ein Paar geworden, was ich schon gewusst hatte, bevor ich sie nach lediglich vier Tagen in flagranti und komplett textilfrei im Probenraum erwischte. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, es wäre bei mir nicht auch Eifersucht im Spiel gewesen. Um es klarzustellen: Es war Cleo, auf die ich eifersüchtig war. Frank hätte ich jede Frau der Welt gegönnt, selbst dann, wenn er sich meine absolute Traumfrau geangelt hätte. Was mir aber nicht passte, war, wie schnell und gründlich sich die Dinge änderten. Innerhalb von zwei Wochen war er ihr absolut hörig. Wichtige Angelegenheiten, die die Band betrafen, hatten wir bisher als Gründungsmitglieder immer nur zu zweit entschieden. Jetzt plötzlich wollte Cleo mitreden. Was für Frank offenbar völlig in Ordnung war, für mich aber den GAU darstellte.
Cleo jedenfalls war am Ziel ihrer Träume angekommen, was sie auch jeden im Allgemeinen und mich im Speziellen spüren ließ. Die Lunte brannte und wir standen kurz vor der Explosion.

Ich war es überhaupt nicht gewohnt kritisiert zu werden. So wie ich Franks Gesang als gottgegeben hinnahm (Was hätte ich daran schon verbessern können?), war völlig klar, dass ich, als offizieller Songwriter der Band, im kreativen Bereich absolut freie Hand hatte. Ohne mich selbst loben zu wollen, will ich hier klarstellen, dass ich sowohl als Komponist als auch als Texter seit meinen Anfängen mit „Spred your legs und try to fly“ einen qualitativen Quantensprung gemacht hatte, was vor allem dran lag, dass ich mittlerweile nur noch über Themen schrieb, die ich wirklich verstand. Die meisten meiner Songs handelte daher von Liebeskummer und die frühere Sozialkritik meiner Werke war längst der Aufzählung von unerfüllten Sehnsüchten zum Opfer gefallen, wovon es mehr als genug gab. Frank stellte nichts von dem, was ich als so gut befand, um es in unser Bandrepertoire aufzunehmen, in Frage. Natürlich veränderte er mal, wenn er performte, das eine oder andere Wort, was sein gutes Recht war, aber letztlich sang er genau das, was ich für ihn schrieb.
Cleo aber wollte mitreden. Hier war ihr die Brigde zu lang, dort der Refrain nicht prägnant genug, anderswo für ihr Empfinden ein Solo völlig fehl am Platz und generell unterstellte sie mir, dass die Wortwahl in meinen Texten nicht in Richtung Romantik, sondern vielmehr zum Schwulst tendierte.
Ich muss gestehen, dass einiges von Cleos Kritik berechtigt war und ihr großes Talent als Schlagzeugerin nach wie vor völliger außer Frage stand. Sie machte uns als Band besser. Und ich habe kein Problem damit zuzugeben, dass wir unsere erfolgreichste Zeit mit ihr hatten. Auch wenn es aus unerfindlichen Gründen nicht für einen Plattenvertrag reichte, waren wir doch zumindest auf lokaler Ebene eine musikalische Größe geworden. Wir boten eine geile Show und Cleo als Drumstick schwingende Amazone hatte erheblichen Anteil daran.

Nichts davon hätte den großen Knall verhindern können. Es war ein ziemlicher Fliegenschiss, der die Explosion auslöste. Und der genaugenommen eigentlich nur wenig mit mir persönlich zu tun hatte.
Wir versuchten uns an einem Song namens „Serengeti Sunbabe“, ein harmloses und ziemlich belangloses Liebeslied und keinesfalls ein Stück, welches es auf ein künftiges Best-Of-Album schaffen würde.
Frank sang gerade den Refrain, als ihn Cleo unterbrach.
„Schatz, ich finde du müsstest hier stimmlich ein bisschen höher gehen. Nur einen kleinen Tick. So in etwa…“ Sie stellte sich hinter ihrem Schlagzeug auf und sang ihm mit klarer, sicherer Stimme ihre Version vor.
„So habe ich das aber nicht geschrieben“, murmelte ich sauer über die Unterbrechung, obwohl sich an dem Song an und für sich kaum was geändert hatte.
„Lass mal, Lenny!“ Frank summte konzentriert Cleos Vorschlag nach. „Hey, das hat was. Klingt gut.“
Cleo grinste breit. Ausnahmsweise sah sie dabei mich mal an.
So habe ich das aber nicht geschrieben“, wiederholte ich deutlich lauter.
„So klingt es aber besser“, sagte Cleo und sang den Refrain gleich noch einmal.
„Ich finde das klingt super!“, meldete sich Frank zu Wort, um dann ein Sakrileg zu begehen. „Sag mal, Lenny, wäre es nicht geil, wenn Cleo das Lied singt? Wäre doch mal eine nette Überraschung beim nächsten Auftritt.“
Ich wartete gar nicht erst, bis Cleo darauf eingehen konnte.
„Niemals. Vergiss es. Nur über meine Leiche.“
Ich schrieb meine verdammten Songs nicht für Cleo. Ich schrieb sie für Frank. Wort für Wort. Note für Note.
„Jetzt hab dich nicht so“, sagte Cleo. „Nur diesen einen Song. Ich finde sowieso, man müsste den vom Grundrhythmus her ein bisschen schneller machen. So wie er jetzt ist, klingt er so depressiv.“
„Bandbesprechung“, brüllte ich und diesmal war ich es, der ausschließlich Frank ansah. „Cleo wird nicht einen einzigen meiner Songs singen. Sie wird auch zu keinem meiner Songs mehr… trommeln.“
„Jetzt dreht er durch.“ Cleo zeigte mir einen Vogel. „Wir sind immer noch eine Band und nicht dein persönliches Soloprojekt, über das du nach Belieben bestimmen darfst. Echt jetzt. Als ob du das allein entscheiden könntest.“
Der kalte Krieg war heiß geworden. Und ich hatte vor, ihn schnell und gewaltsam zu beenden. Der Frust der gesamten letzten Monate trat aus mir hervor.
„Keine Sorge, das werde ich nicht. Ich werde es mit Frank entscheiden. Und zwar nur mit ihm. So wie es immer war.“ Ich fixierte ihn weiterhin mit meinem Blick. „Und dann muss er eine noch viel wesentlichere Entscheidung fällen. Nämlich mit wem er in Zukunft Musik machen will. Mit dir oder mit mir. Auf dein Wir scheiße ich nämlich einen riesengroßen Haufen, Cleo. Um es ganz klar zu sagen, Frank: Entweder geht Yoko Ono oder ich.“
Die beiden sahen mich fassungslos an. Sie begriffen, dass ich jedes Wort todernst meinte. Das hier war kein kleines Pipifax-Drama, das sich mit ein paar netten Worten regeln lies. Die Entscheidung würde unumstößlich sein.
Cleo oder ich!
Natürlich zockte ich. Ich ging All In, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, ob mein Blatt das überhaupt zuließ. Mir war klar, dass ich damit mein musikalisches Schicksal, mehr noch, das Schicksal der Band, in Franks Hände legte. Aber ich dachte an unseren ersten Auftritt zurück, spürte noch einmal dieses unfassbar intensive Gefühl, das mir offenbart hatte, dass es Franks und meine Bestimmung war, zusammen Musik zu machen. Wenn ich mich damals nicht komplett getäuscht hatte, dann konnte ich gar nicht verlieren.

Ich habe tatsächlich gewonnen.
Frank entschied sich für mich. Zumindest die Band betreffend, die Beziehung zu Cleo blieb natürlich bestehen. Insgeheim hatte ich bei diesem Ausgang darauf gehofft, dass Cleo aus dem Gefühl der Kränkung heraus Frank den Laufpass geben würde. Weil die Musik über die Liebe triumphiert hatte.
Aber Cleo erwies sich als harter Brocken. Sie blieb auf ihre Weise der Band treu. Da sie nicht mehr als Drummerin mit an Bord war, nahm sie wieder still und heimlich ihre Stelle als Groupie Nummer eins ein. Ihr Nachfolger wurde übrigens kurz darauf Plauze, der ein wirklich guter Schlagzeuger ist, einen Beat richtig schnell vorantreiben kann, sein Instrument aber längst nicht so filigran beherrscht, wie es Cleo tut.
Mir ging das am Arsch vorbei. Wichtig war nur, dass der Yoko-Ono-Klon ein für alle Mal aus dem Paradies vertrieben war. Cleo hatte, was die Band betraf, nichts mehr zu sagen. Der Innercircle war für sie geschlossen. Franks Entscheidung war klar und deutlich pro Lenny ausgefallen.
Der Punkt ging an mich. Okay, die Welt hatte kurz geschlingert, war aber jetzt wieder in ihrer Umlaufbahn. Plauze stand schon in den Startlöchern. In drei Monaten würde Cem zu uns stoßen. Die Geburtsstunde der aktuellenThe Burning Hips stand kurz bevor.
Hey hey, my my,
Rock and roll can never die.


Heute, November 2015, The Burning Hips
Unmittelbar vor einem Auftritt habe ich das Bedürfnis, kurz allein zu sein. Nicht lange, maximal eine halbe Stunde, um mich zu sammeln. Aber ich brauche das, um eine gute Show bieten zu können. Ich weiß, dass sowohl Axl Rose als auch Helene Fischer den selben Spleen haben. Ich habe schlichtweg das Gefühl präsenter auf der Bühne zu sein, wenn ich vorher in aller Ruhe die wichtigsten Griffe noch einmal kurz im Kopf durchspiele. Helene spricht sich in diesen letzten Minuten selbst Mut zu und Axl säuft. Vielleicht nicht die homogenste Zusammensetzung, die man sich vorstellen kann, aber immerhin: Mich eingeschlossen beträgt die Coolen-Quote dieser exklusiven Gruppe stattliche 66,6 Prozent.
Als ich den deprimierenden Backstage-Bereich noch einmal betrete, ist es draußen stockdunkel. Ich bin mir sicher, dass ich hier ungestört bin. Frank, Cem und Plauze warten schon hinter der Bühne auf den Startschuss. Ihr Ritual ist es, vor dem Auftritt noch gemeinsam eine Schachtel Zigaretten zu quarzen.
Und sonst würde sich niemand freiwillig hierhin verirren.
Das Schluchzen ist so leise, dass man es kaum hören kann. Im matten Funzellicht der Teelichter erkenne ich schemenhaft eine Gestalt.
Verwundert trete ich einige Schritte näher heran. „Alles in Ordnung?“
„Verpiss dich, Lenny!“
Erst jetzt begreife ich, dass es Cleo ist, die da heult. Mein erster Impuls ist es, ihrer überdeutlichen Aufforderung zu folgen und einfach zu gehen. Was kümmern mich Cleos Gefühle? Bis gerade war ich mir nicht mal sicher, dass sie welche hat. Außer für Frank natürlich.
Ich zögere. Damit habe ich wahrscheinlich den springenden Punkt getroffen.
Es fällt mir nicht leicht, mich neben sie zu setzen, aber irgendetwas sagt mir, dass es das Richtige ist. Das hier ist nicht die taffe Cleo, die ich kenne.
„Ist irgendwas mit dir und Frank?“
Keine Antwort.
„Ich meine, natürlich nur, wenn du drüber reden willst.“
Wieder folgt nur Stille auf meine Frage. Als ich mich gerade damit abfinde, dass das hier verlorene Liebesmüh ist, sagt Cleo leise: „Ich liebe ihn so sehr, Lenny. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie doll.“
„Das weiß ich doch.“ Es ist mir ein bisschen unangenehm, mit ihr über ihr Seelenleben zu sprechen.
„Einen Scheißdreck weißt du!“ Trotz ihrer harten Worte bleibt ihre Stimme weich. „Hast du eigentlich eine Ahnung, seit wann ich ihn schon liebe?“
Ich grinse schief.
„Wahrscheinlich seit dem Moment, als wir beide ihn zum ersten Mal gesehen haben? Damals in der Musikschule.“
Ich höre Cleo leise glucksen und bin mir nicht sicher, ob sie lacht oder weint.
„Damals hast du ihn zum ersten Mal gesehen, Lenny. Ich kenne ihn schon, seitdem wir neun sind.“ Das Glucksen wird lauter und jetzt weiß ich, dass es ein Weinen ist. „Er hat nur einige Straßen von meinem Zuhause entfernt gewohnt, aber weit genug weg, dass man sich theoretisch ein Leben lang verfehlen könnte. Haben wir aber nicht. Eines Tages habe ich ihn zufällig gesehen und mich in ihn verliebt. Weißt du, was das erste war, was mich an ihm faszinierte? Seine Stimme. Gerade du müsstest das doch verstehen, Lenny. Mit neun! Ich weiß, wie dämlich das klingt, aber es stimmt: Ich habe mich in ihn verliebt. Und ich liebe ihn bis heute.“ Sie schnaubt laut auf. „Kannste ja vielleicht mal einen Song draus machen. Ist doch eine tolle Geschichte. Ziemlich kitschig, aber verflucht noch mal wahr.“
Ich weiß nicht, wie ich auf ihr Geständnis reagieren soll. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, ihre Hand zu nehmen, traue mich dann aber doch nicht.
„Das wusste ich nicht.“
„Woher auch? Frank weiß es bis heute nicht. Und das soll er auch gar nicht. Der hatte doch all die Jahre keine Ahnung, dass es mich gibt. Ich bin zu jedem, wirklich jedem, eurer beschissenen Konzerte gegangen, damit er mich endlich bemerkt. Und glaub mir, das ist durchaus eine Leistung, denn früher wart ihr nicht mal ansatzweise so gut wie heute.“
Sie wischt sich mit der Handfläche den Rotz von der Nase. Was sie merkwürdiger Weise nicht unattraktiver werden lässt.
„Klar, irgendwann bin ich ihm dann aufgefallen, aber er hat nie mich wirklich gesehen, sondern mich bloß als einen durchgeknallten Fan wahrgenommen. Eine von vielen. Ich hatte immer das Gefühl ihn teilen zu müssen.“ Sie seufzt. „Und jetzt, wo ich Frank endlich für mich habe, jetzt, wo ich weiß, dass er mich auch liebt, will ich das nicht mehr. Ich will ihn nie mehr teilen müssen.“
Eine Weile starren wir wortlos in die Dunkelheit.
„Ist das der Grund, warum du möchtest, dass er mit der Musik aufhört? Wegen all der anderen Fans, die ihn anhimmeln?“
Ich versuche sie wirklich zu verstehen, aber mein Gott, dass gehörte zum Rock’n’Roll nun einmal dazu. Insbesondere wenn man aussah wie Frank.
Cleo lacht bitter.
„Du verstehst es immer noch nicht, oder? Mit all den anderen Fans kann ich leben, die sind nicht das Problem. Ich weiß, dass ich ihm wichtiger bin als die.“ Sie zögert einen Moment lang. Dann tut sie etwas vollkommen Unerwartetes. Sie dreht mir ihr Gesicht zu, so nah, dass ich ihren Atem auf meiner Haut spüren kann und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Und für eine Nanosekunde löst sich der Knoten in meinem Herz und ich bin bereit ihr zu verzeihen.
„Lenny“, flüstert mir Cleo in Ohr, „ich wollte nie gegen dich Krieg führen. Aber der größte Feind warst immer du.“
Ich starre sie erschrocken an. Ihr Gesicht ist zu einer undurchdringlichen Maske erstarrt, als sie weiterspricht.
„Er liebt dich, Lenny. Nicht körperlich, also vergiss gleich diesen ganzen Schwul-sein-Kram. Wenn es so wäre, hätte es das alles viel leichter für mich gemacht. Und trotzdem ist es so, wie ich sage: Er liebt dich. Ich glaube nicht, dass es in den vergangenen Jahren irgendeinen Menschen gab, der ihm nähergestanden hat als du.“
Cleo wirkt mit einem Mal zwanzig Jahre älter. „Damals in der Musikschule. Ich bin da nur hin, um ihn endlich richtig kennenzulernen. Das war der mutigste Schritt in Sachen Frank, den ich jemals unternommen habe.“ Sie schließt die Augen, während sie in ihren Erinnerungen schwelgt. „Und dann entscheidet er sich für dich und die blöde Gitarre, die um deine Schulter hing. Mich hat er behandelt, als ob ich Luft wäre. Es ist nicht deine Schuld, aber von dem Tag an musste ich dich einfach hassen. Dich und deine Musik.“ Sie verstummt und ihr Mund wird zu einem schmalen Strich. Als sie fortfährt, ist ihre Stimme rau. „Wir haben zweimal offen um ihn gekämpft, Lenny. In der Musikschule und damals, als es darum ging, wer deinen blöden Song singen darf. Und er hat sich beide Male für dich entschieden.“ Ihre Augen funkeln plötzlich wie die eines Raubtieres. „Du hast keine Ahnung, wie sehr Frank dich für dein Talent bewundert. Wie hätte ich dagegen anstinken können?“
Jetzt bin ich es, der bitter auflacht. „Moment mal, du spielst Schlagzeug wie eine Halbgöttin.“
„Weil ich es musste, um an ihn ranzukommen. Er musste mich offenbar erst hören, bevor er mich sehen konnte. Deshalb habe ich geübt wie eine Bekloppte. Ja, natürlich bin ich gut. Aber im Grunde war ich nie mehr als ein Drumstick-Zombie. Technisch brillant, aber trotzdem seelenlos. Aber du spielst, weil du es liebst zu spielen. Und wenn du spielst, dann…“ Sie öffnet die Augen und blickt mich durchdringend an: „Scheiße! Du weißt wirklich nicht, wie gut du bist, oder? Und was deine Musik mit Menschen machen kann. Was sie mit Frank macht…“
Ich merke, dass ich rot werde. Das alles kann nicht stimmen, denn erst durch Franks Stimme wird meine Musik das, was sie ist. Ohne ihn bin ich gar nichts. Aber als ich widersprechen will, ist mein Mund plötzlich so trocken wie die Sahara. Es ist mir unmöglich, meine Zunge vom Gaumen zu lösen.
Cleo zwinkert mir zu. „Wenn ich übrigens wirklich so böse wäre, wie du insgeheim glaubst, würde ich dich jetzt weiter vollquatschen und dir nicht sagen, dass gleich der wichtigste Gig deines Lebens anfängt. Du solltest zusehen, so schnell wie möglich auf die Bühne zu kommen.“
Entsetzt springe ich auf. Blicke auf die Uhr. Fünf Minuten noch. Allerhöchste Eisenbahn.
„Danke!“, stammele ich. Ich will gerade losspurten, als ich mich eines Besseren besinne. Eine Frage brennt mir noch auf der Seele. Dafür ist noch Zeit.
„Wünschst du dir eigentlich nicht, dass wir es packen? Dass wir heute entdeckt werden? Ich mein, wenn nicht für dich, dann zumindest für Frank.“
Ich weiß schließlich, dass wir uns nicht nur meinen, sondern auch seinen Traum erfüllen können.
Cleo senkt ihren Blick. „Du wünscht es dir, oder?“
„Natürlich. Mehr als alles andere.“
Ich kann sehen, wie sehr sie mit sich ringt, bevor sie antwortet.
„Ich kann nicht behaupten, dass ich dir für das Konzert alles Gute wünsche. Das wäre gelogen. Unter anderen Umständen würde ich es dir sicher gönnen, dass es klappt. Aber wenn du mich nach dem fragst, was ich wirklich will, dann geht ihr gleich mit Pauken und Trompeten unter. Dann trifft Frank heute nicht einen einzigen geraden Ton. Es tut mir leid: Aber ich will nur, dass dieses ganze Drama endlich ein Ende hat.“

Meine Beine sind aus Pudding, als ich zu den anderen laufe. Ein Wunder, dass sie mich tragen. Doch als ich die Bühne betrete und meine Washburn PX-Solar in die Hand nehme, ist alle Aufregung wie weggeblassen. Jetzt will ich nur noch spielen. Scheißegal, was am Ende dabei rausspringt. Alles was ich jetzt noch tun kann, ist mein Bestes geben.
Ich nicke Frank, Cem und Plauze zu, denen die Erleichterung, dass ich es auch endlich hier heraufgeschafft habe, deutlich ins Gesicht geschrieben steht. Mein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen. Ich spiele den ersten Ton an – und augenblicklich merke ich, dass wir heute in Topform sind. Besser als jemals zuvor. Plauze hatte vorhin recht: Dieser Abend wird magisch.
Während ich die perfekte Klangautobahn für Franks Mörderstimme schaffe, blicke ich ins Publikum, um zu sehen, ob ich irgendwo diese mysteriöse Managerin entdecken kann. Aber ich sehe nur Cleo, die mit rotgeweinten Augen und zusammengepressten Lippen zu uns hochschaut. Ihr gequälter Blick sagt alles: Wir sind gigantisch. Frank klingt etwas nasaler als sonst, aber er trifft jeden Ton.
Ein Glücksgefühl durchströmt mich. Und plötzlich läuft die gesamte Bandgeschichte an meinem inneren Auge vorbei. So als hätte ich eine musikalische Nahtoderfahrung.
Ich denke an all diejenigen, die uns ein Stück weit auf diesem Weg begleitet haben. Torben, Jan, Arne, Magic Malte, Thies, Sebastian, Marvin, Ronny, Paul, Cleo natürlich, und all die anderen, von denen ich mir zum Teil kaum noch ihre Gesichter vor Augen rufen könnte, aber immer noch ganz genau weiß, wie ihre Instrumente geklungen haben.
Wir hatten die unmöglichsten Namen: Django Triste, Westerrönfeld, Westerrönfeld reloaded, Frottee in your face, Dorsch, Peppermind oder Dieter Hoeness Kopfverband, um nur ein paar zu nennen. Einige davon begleiteten uns ein paar Wochen, andere nicht länger als ein oder zwei Stunden, bis der Gig vorbei war.
Ich erinnere mich an Lieder, die wir gespielt hatten, und die ich eigentlich schon längst vergessen glaubte. Unbedeutende, aber zumindest kurzzeitig mit hochtrabenden Hoffnungen behaftete Songs wie Body- and Mindmaschine, Drugdog Blues, Seafood Association, Sophisticated Kartoffelsalad und ein besonders krudes Stück namens Pretty, Prettier, Wiebke Barumeit, das mir aber immerhin eine höchst erfreuliche Liebesnacht mit der Besungenen eingebracht hatte.
All das schießt mir durch den Kopf, während ich wie in Trance auf meine Gitarrensaiten eindresche. Ich bin eins mit meiner Musik, eins mit Franks Stimme, eins mit der Band.
Für diesen einen Moment ist alles gut.


Knapp zwei Stunden später schüttelt mich die nackte Angst. Das Konzert ist vorbei; es ist wie von mir vorhergesehen ein Triumph gewesen. Die Leute sind ausgerastet, haben uns gefeiert, wir hätten endlos Zugaben spielen können. Was wir vielleicht sogar getan hätten, wenn Plauze nicht irgendwann im hohen Bogen auf sein Schlagzeug gekotzt hätte. Ziemlich ekelig, aber eigentlich gar kein so übler Effekt. Vielleicht ein bisschen zu sehr Bloodhound-Gang-Style. Na ja, drauf geschissen, denn selbst das scheint den Leuten gefallen zu haben.
Das Problem mit dem Adrenalin ist, dass man sich so unglaublich leer fühlt, wenn der Körper es abgebaut hat. Alles Heldenhafte ist von uns inzwischen abgefallen. Wir sitzen zusammengesunken im muffigen Back-Stage-Bereich, zu müde um zu reden, und warten darauf, dass irgendwas passiert.
Ich weiß immer noch nicht, ob die angebliche Managerin wirklich da ist. Frank wiegt Cleo im Arm. Cem döst. Selbst Plauzes Euphorie ist wie weggeblasen. Er hat seinen Kopf auf die Knie gelegt und verschmilzt auf unwirkliche Weise mit dem Raum. Er sieht wie Mensch gewordener Schimmel aus.
„Keine Ahnung, wo sie bleibt. Wahrscheinlich hat sie sich verfahren. Typisch Frau.“
„Quatsch. So ‘ne Managerin hat doch bestimmt ein Navi“, sagt Cem auf seine ihm ganz eigene Art.
Eigentlich eine perfekte Vorlage, aber Plauze ist zu müde, um sie zu verwandeln.
„Na auf jeden Fall wird sie sich in den Arsch beißen, wenn sie uns heute nicht entdeckt“, murmelt Frank. „Das wird an der als ewiger Makel hängenbleiben. So wie an diesem Plattenfirma-Typen, der statt den Beatles lieber Brian Poole and The Tremeloes unter Vertrag genommen hat. Dessen Name ist für immer ein Treppenwitz der Rockgeschichte. Den hält doch bis heute jeder für ‘nen Loser.“
„Ich kenn den gar nicht“, sagt Cem. „Wie hieß der Spacko denn?“
Frank zuckt mit den Achseln. „Vergessen. Kann aber eigentlich nur Ralph Siegel gewesen sein.“
Cem nickt zufrieden und speichert das im Kopfordner Trival-Pursuit-Wissen für alle Fälle ab.
Ich lehne mich zurück und starre an die Decke. Die arme Sau hieß Dick Rowe. Sicher, einmal hat er kolossal falsch gelegen. Und trotzdem hat er mehr erreicht als wir alle zusammen. Immerhin hat er später die Rolling Stones entdeckt. Die gibt es übrigens immer noch. Während the Burning Hips wohl schon Geschichte sind.
In diesem Moment öffnet sich quietschend die Tür und eine mir unbekannte Frau tritt ein. Mit einem Ruck sitzen wir alle gerade. Wenn das die Managerin ist, entspricht sie überhaupt nicht dem Bild, das ich von ihr hatte. Keine blondgefärbte Femme fatale mit üppiger Oberweite und großflächigen Tattoos. Die Dame ist klein, gedrungen und hat irgendwie eine Spitzmaus-Attitüde. Sie trägt ein mintgrünes Businesskostüm und ihre Haare sind zu einem Dutt gesteckt.
Fuck, unser aller Schicksal hängt von der Meinung einer Oberstudienrätin ab.
Sie schaut ein wenig skeptisch in die Runde.
„Ich heiße Helena Cassetti.“
Boah! Zumindest der Name ist geil.
„Das ist sie“, schreit Plauze und plötzlich ist das Adrenalin zurück. „Das ist die, die kommen wollte. Mit der ich telefoniert habe.“ Er springt grinsend auf und umarmt die Frau.
Kacke, wie professionell ist das denn? Erster Eindruck: Schülerband.
Cassetti bleibt sogar professionell, als sie Plauze freundlich aber bestimmt von sich schiebt. „Ich habe mir eure Show angesehen.“ Das hätte jetzt auch irgendwie einen Tick begeisterter rüberkommen können.
Für einen Augenblick ist die Stille greifbar. Dann verkündet Barbara Salesch das Urteil.
Es ist ein knapper Satz, der alles zusammenstürzen lässt. „Das war ganz ordentlich, Jungs.“
Plauzes Honigkuchenpferdgrinsen verwandelt sich in eine schiefe Fratze des Entsetzens. Auf unserem Los steht definitiv nicht Hauptgewinn.
Ganz ordentlich! Das bedeutet so viel wie: Ich bin zu höflich, um euch Scheiße zu nennen.
Selbst Cem hat den Ernst der Lage verstanden. „Das ist doch alles Rotze“, sagt er und wischt mit der Hand eine leere Bierdose vom Tisch.
Frau Cassetti hat den Anstand sich zu uns zu setzen, obgleich dieser Entschluss wahrscheinlich ihren Rock ruinieren dürfte.
„Versteht mich nicht falsch“, sagt sie und man merkt, dass sie diese Art von Gesprächen schon hunderte Male führen musste. „Für das Level, auf dem ihr spielt, seid ihr echt nicht übel. Nein, ihr seid sogar gut. Die Leute da draußen hatten jedenfalls ihren Spaß. Mich eingeschlossen. Aber für den nächsten Schritt…“ Sie schüttelt den Kopf. „Tut mir leid Jungs, dafür reicht es einfach nicht.“
Automatisch blicke ich rüber zu Cleo. Dicke Tränen rollen ihr über die Wangen. Man könnte meinen sie trauert. Aber ich weiß es besser. Sie sieht atemberaubend schön und unglaublich glücklich aus.
Trotz meiner grenzenlosen Enttäuschung kann ich nicht anders und lächele ihr zu. Sie erwidert mein Lächeln. Dieser Krieg ist endgültig vorbei.
Cassetti erhebt sich wieder und klopft sich mechanisch den Rock ab. Als ob das was nützen würde.
„Ich will euch nichts vormachen. Eigentlich wusste ich schon als ich die Videos gesehen habe, dass ich mit the Burning Hips meine Zeit verschwende.“
„Na super!“, sagt Plauze. „Und warum sind sie dann überhaupt gekommen?“
Cassetti streicht sich eine einzelne, verirrte Strähne aus dem Gesicht, der es irgendwie gelungen ist, dem Duttgefängnis zu entgehen. Dann zeigt sie auf mich.
„Ich bin seinetwegen hier!“
Ich verstehe nur Bahnhof. „Was?“
Sie räuspert sich. „Die Sache ist so. Die Jungs haben Hagen vergangene Woche aus Social Netword rausgeworfen.“
„Das ist der Gitarrist“, erklärt Plauze unnötigerweise.
„Hagen war der Gitarrist“, berichtigt ihn Cassetti. „Aber er war einfach zu undiszipliniert. Weiber, Alkohol, Drogen. Ein Klischee auf zwei Beinen und damit eine tickende Zeitbombe. Anfangs hatten wir das noch einigermaßen im Griff. Aber in der aktuellen Lage ist das Risiko schlicht zu groß. Ich kann nicht riskieren, dass ein Kindskopf das ganze Projekt kaputt macht. Also mussten wir handeln.“
„Und was hat das alles mit mir zu tun?“ Mein Kopf dreht sich und mir ist schwindelig. Ich will einfach nur noch, das dieser katastrophale Abend vorrübergeht.
Frank schaltet entschieden schneller.
„Krass, Alter. Die wollen dich! Die wollen, dass du Gitarrist bei Social Netword wirst!“
Ich höre seine Worte, verstehe sie aber nicht.
Cassetti nickt. „Die Jungs waren von deiner Perfomance in den Videos sehr angetan. Und sie lieben die Lieder, die du schreibst. Du hast Talent und einen ganz eigenen Stil. Und was mindestens ebenso wichtig ist: Offenbar bist du geerdet und hast keine Starallüren. Ich habe mich da mal ein bisschen umgehört.“ Ihr Blick bekommt mit einem Mal etwas Geschäftsmäßiges. „Kurzum: Die Entscheidung ist gefallen. Du wärest als vollwertiges Mitglied mit an Bord. Kein Musiker zweiter Klasse. Wenn du willst, kannst du gleich morgen den Vertrag unterzeichnen.“
Jetzt endlich beginne ich zu begreifen, auch wenn meine Synapsen das Gesagte lediglich in Zeitlupe zu übertragen scheinen.
„Aber was ist mit Frank?“, höre ich mich fragen. Plauze stößt ein beleidigtes Schnaufen aus. Ich ignoriere ihn: „Ohne Frank bin ich ein Niemand.“
Cassetti fährt sich mit dem Zeigefinger die Augenbrauen entlang.
„Du meinst euren schnuckeligen Sänger?“ Sie grinst ein bisschen lüstern und es ist das erste Mal, dass ihre professionelle Aura für einen Moment aufbricht. Schon eine Sekunde später hat sie sich wieder im Griff.
„Ich habe bereits gemerkt, dass zwischen euch beiden auf der Bühne eine besondere Verbindung besteht.“ Sie lässt ihren Blick zwischen uns hin und her schweifen. „Seid ihr…“
„Nein“, sagt Cleo bestimmt. „Sind sie definitiv nicht!“ Womit das auch geklärt wäre.
Cassetti lacht. „Wäre in dem Fall auch schade.“ Sie wendet sich an Frank. „Wie offen darf ich sprechen?“
Er scheint völlig entspannt. „Nur los. Ist für mich völlig in Ordnung.“
„Du hast was, Junge. Du kannst singen und optisch bist du ein richtiges Sahnestückchen. Ich finde gut, was du tust. Aber es berührt mich nicht.“ Sie zuckt mit den Schultern und deutet dann auf mich. „Tut mir leid es so deutlich zu sagen, aber das Besondere in eurer Band ist er.“
Frank strahlt über das ganze Gesicht. „Ich weiß das“, sagt er. „Ich wusste das schon die ganze Zeit. Vom ersten Tag an. Das Herz der Band ist immer Lenny gewesen. Ich hätte niemals so singen können, wenn ich ihm nicht zu einhundert Prozent vertrauen würde. Ich habe nur bis gerade eben nicht gerafft, dass er davon anscheinend nicht den geringsten Schimmer hatte.“

Februar 2007, PAB
Dieses Mal waren wir als Duo gebucht. Es war Karneval und einen Abend lang würden wir – Achtung Flachwitz – PAB heißen. Frank und ich sollten ein Lied bei der Rosenmontagveranstaltung der Rendsburger JUSOS singen. Mit klar ausformulierten Anforderungen.
„Die spinnen doch!“, sagte Frank. „Etwas mit politischem Hintergrund und trotzdem total albern. Wie soll denn das gehen?“
Ich boxte ihm freundschaftlich gegen die Schulter.
„Ach was, das packen wir. Den Refrain haben wir doch schon fast fertig.“ Bis zum Auftritt hatten wir noch vier Stunden Zeit.
Er blickte auf das bekritzelte Blatt Papier in seiner Hand.
„Aber das ist so unglaublich blöd.“
Bingo! Wir bekamen beide einen Lachanfall.
„Ja ist es!“, stimmte ich zu. „Los jetzt! Noch mal von vorn…!“
„Okay!“, Frank gab sich sichtlich Mühe wieder ernst zu werden. Dann begann er zu singen: „Der Baader war Legastheniker…“
„Nein, halt… du musst es anders betonen… in etwa so: Der Baader war Legasthenikaaaaa.“
„Scheiße, das ist sooooo dämlich.“
„Auftragsarbeit“, hielt ich dagegen. „Wir liefern exakt das Gewünschte. Der Weg zum Ruhm ist nun mal steinig.“
Er sang noch einmal: „Der Baader war Legasthenikaaaa, er gründete die R.F.AAAAAA…“
Mit einer schwungvollen Bewegung knüllte er das Textblatt zusammen und ließ es als Papierkugel durchs Zimmer fliegen.
„Das kann ich nicht singen, echt nicht, ich mach mich doch nicht zum Vollhorst. Scheiß auf Fasching!“
„Hey! Die zählen auf uns.“
Er lachte wieder.
„Und du meinst wirklich, dass das funktioniert?“
„Ich weiß, dass es funktionieren wird.“
„Die werden uns aus der Halle jagen!“
„Quatsch. Die werden das lieben. Vertrau mir! Darüber sprechen die noch in hundert Jahren!“
„Okay!“, sagte Frank und stand auf, um dem Zettel zurückzuholen.
„Also, du singst das heute?“
Einen Moment lang sah er mich einfach nur an.
„Ja“, sagte er dann. „Natürlich singe ich das heute.“


Heute, November 2015, The Burning Hips
Die Band ist tot.
Nach beinahe zehn Jahren ist es nun endgültig und offiziell. Wir haben noch ein bisschen gefeiert, wobei meine Zukunft bei Social Netword mehr thematisiert wurde als die glorreiche Vergangenheit von The Burning Hips. Ich muss gestehen, dass ich in einem Anfall wehmütiger Loyalität kurzzeitig ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, Cassettis Angebot abzulehnen. Was einen Shitstorm meiner ehemaligen Bandmitglieder zur Folge hatte. Sogar Plauze, den die Absage vielleicht am härtesten getroffen hatte, bekniete mich, doch bitte endlich ein Rockstar zu werden, allein schon deshalb, damit er zukünftig als mein persönlicher Gast in Backstage-Bereiche käme, die diesen Namen auch verdienen. Ich musste allen hoch und heilig versprechen, diese einmalige Chance zu ergreifen.
Natürlich werde ich das auch!
Bevor wir uns trennten, nahm ich noch einmal meine Gitarre in die Hand und wir sangen zusammen zwei oder drei unserer Songs. Klar ist das sentimental, und es war der Moment, wo ich den Tränen am nächsten war. Der Abschied selbst war kurz und schmerzlos. Plauze hatte darauf bestanden, mir eine selbstgebastelte Glückwunschkarte zu überreichen. Es ist eine von ihm persönlich umgestaltete Serviette, auf die er alle hat unterschreiben lassen.
Dann haben wir uns alle umarmt und das war’s.

Zum ersten Mal bin ich an diesem Abend wirklich allein. Es dämmert schon, als ich den Schimmelraum endlich verlasse, in dem sich mein Leben so plötzlich und nachhaltig verändert hat. Ich trete raus in die frische Morgenluft und atme tief durch.
Jetzt erst komme ich dazu, Plauzes Karte zu lesen.
Er bietet darauf in seiner selbstlosen Art an, mich künftig zu managen und hat zur Sicherheit seine vier Handynummern dazugeschrieben. Ich fürchte, dass die beiden bräunlichen Flecken daneben Reste von Erbrochenem sind.
Cem schreibt, dass es ihm eine große Ehre sein wird, künftig mit Kebabcici meine für Social Netword verfassten Lieder zu covern. Auf Türkisch.
Frank hat mir schon vorher alles Notwendige gesagt, in seiner ihm eigene Art, wir scheiden absolut ohne Groll, so dass er sich auf der Karte mit einem Witz begnügt.
Save the Date, hat er geschrieben: Reunion von The Burning Hips im November 2036!!!!
Cleo hat ganz unten in der Ecke unterschrieben. Als ich ihren Kommentar lese, muss ich lachen. Zwischen einem Herzchen und einem zwinkernden Grinse-Smiley steht da in ordentlichen Großbuchstaben:
YOKO ONO HAT GEWONNEN!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi svg und Happy New Year!

Das andere, was ich nie vergessen werde, ist das Gefühl, das(s) ich auf der Bühne hatte, während wir spielten.
Zweites s weg.
„Das ist doch Bullshit“, entgegnet Caro
Wo kommt auf einmal eine Caro her?
„Weil mir an dieser Band was liegt“, antwortet Frettchen.
Und Frettchen?
Aber im Grunde war ich nie mehr als ein Drumstick-Zombi.
als dazu.
weißmachen
weismachen.
Nur, um überhaupt was zum Meckern zu haben :-).
Deine Geschichte ist so lebendig, man singt, tanzt, trinkt und reihert mit deinen Figuren, einfach nur gut! Und mehr als dies brauche ich dazu gar nicht sagen: sehr, sehr gerne gelesen!

Grüße,

Eva

 

Hallo svg!

Ein wenig Korrektur:

Einen Augenblick lang erwog ich den Daumen nach unten zu senken und mein Veto einzulegen.
Komma fehlt
Aber dann nickte ich wiederwillig.
widerwillig
„Hast du eigentlich eine Ahnung seit wann ich ihn schon liebe?“
Komma fehlt
Frank schalltet entschieden schneller.
schaltet
Es ist eine von ihm persönlich umgestaltete Serviette auf die er alle hat unterschreiben lassen.
Komma fehlt

Grundsätzliche Kritik werde ich nicht üben, die Geschichte ist großartig.

Gruß

Henning

 

Liebe Eva, lieber Henning, danke dafür, dass ihr euch am Neujahrstag durch diese XXL-Geschichte gekämpft habt. Über
Euer großes Lob habe ich mich gefreut. Es fällt mir immer schwer, die Qualität einer Geschichte richtig einzuschätzen, wenn sie noch so frisch ist...
Danke auch fürs Fehlerfinden. Leider hat sich als erstes 2016 mein Router verabschiedet, so dass ich derzeit nur recht umständlich mit meinem uralten Handy ins Netz komme. Insofern kann ich die Korrekturen erst Montag am (nicht verraten ;)) Dienstrechner einbauen.
LG und ein frohes Neues, svg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo svg

ich kann gar nicht so viel über deine Geschichte sage, der Anfang hat mich rausgeschmissen und danach habe ich mich so durchgeblättert... der Tonfall hat sich unterwegs nicht großartig verändert, klang aber alles ganz nett melancholisch, so zwischen all dem scheißen, kotzen, ficken und irgendwas mit Musik noch...

Plauze übergibt sich lautstark in meinen Gitarrenkoffer.
Im VW-Bus brüllt Cleo ihren Orgasmus in die Welt.
Und mich überkommt mit einem Mal ein Gefühl von grenzenloser Wehmut.
Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. Schon klar!
Aber ganz ehrlich!
Wer zur Hölle will ausgerechnet dann aufhören?

„Biste okay, Lenny? Du siehst irgendwie extremst scheiße aus.“
Plauze wischt sich mit dem Ärmel den Mund sauber. Sein Gesicht ist kreidebleich, die Augen blicken glasig.
Ich versuche mich an einem Grinsen. „Witzig, dass gerade du das sagst. Wer hat sich denn gerade die Seele aus dem Leib gekotzt?“
Scheiß Magen- und Darm“, lallt Plauze und kickt mit einem unbeholfenen Tritt eine der leeren Bierdosen weg, die ihn wie einen Burgwall umgeben.
„Sicher doch! Magen- und Darm!“
Dieses Mal ist mein Grinsen echt.
„Ich schwöre, Alter!“ Plauze wirkt ehrlich entrüstet. „Schon seit gestern. Aber ich verzichte doch nicht auf einen ordentlichen Rausch wegen dem bisschen Gekotze. Nicht heute Abend. Heute wird es nämlich magisch.“


und so geht es weiter, wo immer ich mein Blick hinwende, wär's kürzer, würde ich es wohl noch sorgfältig lesen: aber so: nö :) vielleicht ja auch wegen der Party gestern :)

viele Grüße
und ein gutes neues Jahr
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Dir auch ein gutes Neues, Isegrims...
Klingt nach einer langen Nacht gestern ;)
Nein ernsthaft, schade, dass die Geschichte sprachlich nicht so dein Ding und dir offenbar zu gewollt derb ist. Ich behaupte einfach mal, dass du irgendwann aufgehört hast, deinen Blick zu wenden, denn nach einer Weile wird es deutlich weniger mit dem Bier, dem Sex und dem Gekotze ;)...
Bitte verstehe das nicht als Vorwurf, bei der Länge der Geschichte erwarte ich keinesfalls, dass du, nachdem der Anfang bei dir nicht funktioniert hat, dich weiter durchquältst.

Wäre die Geschichte nicht so lang, würde ich dir noch ne cleanere Version davon anbieten ;)...

Deswegen ganz ehrlich... Danke für den Versuch...
LG svg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo svg,

Ich schreib einfach mal mit ...

Was in meinen Ohren irgendwie bedeutet besser klang, als „na ja, ich lerne es gerade“.

bedeutend besser

Das andere, was ich nie vergessen werde, ist das Gefühl, dass ich auf der Bühne hatte,

... , das ich auf der Bühne hatte,

die sie in vollkommender Harmonie entlang schwebte

... in vollkommener Harmonie

„Wie[,] du bist draußen?“, fragte schließlich Cem.

Ich kann mich auch täuschen, aber ich glaube, das Komma muss da hin.

„Wir wäre es, wenn du einfach mal ruhig bist und Plauze ausreden lässt.“

Wie wäre es

Dennoch[,] es überraschte mich, sie an jenem trüben Februarnachmittag in unserem Probenraum anzutreffen.

Oder du schreibst Dennoch überraschte es mich, ...

er sei nach einem aus dem Ruder gelaufenen Event im Schlaf an seinem Erbrochenem erstickt.

an seinem Erbrochenen

aber wenn jemand seit fast sechs Jahren zu jedem deiner Konzerte kommst,

deiner Konzerte kommt,

„Du[ ]… du trommelst[ ]… echt[ ]… gut“,

Es muss immer ein Leerzeichen eingefügt werden, wenn die Auslassungszeichen nicht anzeigen, dass noch Buchstaben am Wort folgen. Kommt später im Text noch mal.

„Kannste ja vielleicht ja mal einen Song draus machen.

Ich weiß nicht, ob du das zweimal ja absichtlich gemacht hast, aber das holpert.

Und trotzdem ist es so, wie ich sage: Er liebt er dich.

Da ist ein er zu viel

„Weil ich es musste, um an ihn ranzukommen. Er musste mich offenbar erst hören, bevor er mich sehen konnte. Deshalb habe ich geübt wie eine Bekloppte. Ja, natürlich bin ich gut. Aber im Grunde war ich nie mehr ein Drumstick-Zombi. Technisch brillant, aber trotzdem seelenlos. Aber du spielst, weil du es liebst zu spielen. Und wenn du spielst, dann…“ Sie öffnet die Augen und blickt mich durchdringend an: „Scheiße! Du weißt wirklich nicht, wie gut du bist, oder? Und was deine Musik mit Menschen machen kann. Was sie mit Frank macht…“

Das ist eine ausgesprochen rührende Stelle. Großartig!

Es ist mir unmöglich[,] meine Zunge vom Gaumen zu lösen.

„Ich kann nicht behauptet, dass ich dir für das Konzert alles Gute wünsche.

Ich kann nicht behaupten, ...

Als ich ihren Kommentar lesen, muss ich lachen.

... ihren Kommentar lese, ...

Deine Geschichte ist ganz schön lang, aber sie hat mich gepackt. Ich habe das Gefühl, du schreibst über ein Milieu, in dem du dich auskennst. Ganz großes Kino, die Geschichte ist dir absolut gelungen und verdient einen der oberen Plätze.

Schönen Gruß
khnebel

P.S.: Hatte gerade gemerkt, dass ich Kommas statt Leerzeichen eingefügt hatte, habs geändert :sealed:

 

Hallo svg,

ich erstarre in Ehrfurcht ... eine saugeile Geschichte. Gemein ist nur, dass sie auf den letzten Drücker kommt, als ich schon zu wissen glaubte, an wen ich meine drei Stimmen vergebe. Jetzt muss ich neu nachdenken, und Du bist schuld.

Außer dem dumpfen Gefühl, dass es irgendwie kürzer hätte gehen sollen - aber ohne blassen Schimmer, welche Stellen man hätte opfern sollen - habe ich echt nichts Kritisches anzubieten. Deshalb wende ich mich in Demut dem einzig Nützlichen zu, das ich hier beitragen kann, und flöhe die kleinen Fehler heraus, die bei einem Text dieser Länge unvermeidlich sind:

Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist.
"am schönsten"

Was er ja auch ist.
Was ich dann doch nicht tue, denn eigentlich meine ich es genauso.
Was mein verdammtes Recht ist.
Kleine Häufung von Sätzen, die mit "Was" anfangen.

Einmal noch mit the Burning Hips auf die Bühne und sich ein letztes Mal die Seele aus dem Leib rocken.
Ich würde "the" als Teil des Namens großschreiben. Kommt noch öfter vor.

Im Kurs: Wir musizieren in der Gruppe (Anfänger) – Dienstag, 15.00 Uhr.
Vielleicht den Kursnamen kursiv (logisch, harhar). Ich würde Kursivschrift überhaupt öfter einsetzen für Bandnamen, Songtitel, englische Phrasen und so, das ist noch nicht ganz einheitlich.

Songs wie Lady in black, Under the bridge und Westerland
Das "und" ist irrtümlich kursiv.

„Ich… ähm… ich habe flöten gemeint!“
„Nee… so doch nicht. (...)!“
„Ähm…okay.“
Leerschritte um die Auslassungspunkte. Kommt häufig vor.

Er deute auf mich.
"deutete"

Er fuhr tatsächlich auf meine Klampe ab.
"Klampfe"?

Ohne Fenster, aber mit einer extra Portion Schimmel.
"Extraportion"

etwas, dass offenkundig Verpflegung darstellen soll.
"das"

die in vollkommender Verkennung der Bedeutung des Wortes Dekoration scheinbar willkürlich auf ein dutzend Schmierkäsebrötchen drapiert worden sind.
"Dutzend"

Genau deswegen, will ich sie nicht hier haben.
Komma weg

Harte Sachen von Rage Against the Machine, Social Distortion, Bad Religion und solch ein Kram.
"solch ein" klingt formal. "so ein" oder "solcher"?

Vor uns sang der Unterstufenchor „Ein Jäger längs des Weihers ging“.
Das Volkslied heißt "Ein/Der Jäger längs dem Weiher ging", und ich werde rot, dass ich das weiß ... :D

Und trotzdem redete ich mir ein, dass es ein schlechter Scherz sein mussteK und wartete auf den entlarvenden Lacher.

prustete Plauze lachend.
Klingt redundant.

ein Blick auf Franks dick bandagierte Nase lässt mich eines Besseren besinnen.
Grammatikalisch korrekt bräuchte man zwei "mich". Liest sich aber mies. Vielleicht den Satz anders bauen.

auf unserer nigelnagelneuen Homepage (www.jahrundert-rock.org)
Ist der Tippfehler in der URL Absicht?

Was bei einer Entfernung von rund 800 Kilometern in etwa auf das Gleiche rauskam.
"achthundert" als Wort?

Du kannst alles von mir haben.“
Das "u" in "Du" ist kursiv.

für mich aber den Gau darstellte.
Die Abkürzung "GAU" würde ich in Großbuchstaben schreiben.

was sie auch jedem im Allgemeinen und mich im Speziellen spüren ließ.
"jeden"

und generell unterstellte sie mir, dass die Wortwahl in meinen Texten generell nicht in Richtung RomantikK sondern vielmehr zum Schwulst tendierte.
"generell" doppelt

„Jetzt dreht er durch“.
Punkt mit in die Anführungsstriche.

„Keine Sorge, dass werde ich nicht.
"das"

Die Entscheidung, würde unumstößlich sein.
Komma weg

„Verpiss dich, Lennie!“
"Lenny"

Ziemlich kitschig, aber verflucht noch einmal wahr.“
"noch einmal" klingt formal. "noch mal"?

Er liebt er dich.
ein "er" zu viel

Ich mein, wenn nicht für dichK dann zumindest für Frank.“

„Du wünscht es dir, oder?“
"wünschst"

„Ich kann nicht behauptet, dass ich dir für das Konzert alles Gute wünsche.
"behaupten"

So als hätte ich eine musikalische Nahtoterfahrung.
"Nahtoderfahrung"

Unbedeutende, aber zumindest kurzzeitig mit hochtrabenden Hoffnungen behangenen Songs
"behangene"

während ich wie in Trance auf meine Gitarrenseiten eindresche
"Gitarrensaiten"

Das Problem mit dem Adrenalin ist, dass man sich so unglaublich leer fühlt, wen der Körper es abgebaut hat.
"wenn"

Kann aber eigentlich nur Ralf Siegel gewesen sein
"Ralph" ... ich werde wieder rot ... :D

Ich will einfach nur noch das dieser katastrophale Abend vorrübergeht.
"Komma dass ... vorübergeht"

Die Jungs waren von deiner Perfomance in den Videos sehr angetan.
"Performance"

Du hast wasK Junge.

Bestimmt gibt es noch mehr Kommas zu korrigieren, aber das muss erst mal genügen.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo svg,
habe deine Geschichte zu Beginn sehr gerne gelesen. Man kommt schnell in die Geschichte rein, die Figuren sind sympathisch und exzellent gezeichnet. Man kann regelrecht den Bierdunst (und anderes) riechen. Alles sehr gut geschrieben, aber dann kamen doch große Längen, wo ich als Leser begann abzuschalten.
Ich habe dann zwar immer mal wieder in die Geschichte zurückgefunden, aber leider finde ich sie viel, viel zu lang.
Wirklich sehr gut geschrieben, nur zu lang.

Grüße
Lind

 

Hallo Khnebel, vielen Dank für die fleißige Fehlersuche. Immer wieder erschreckend, wie viel dann doch immer noch drin ist. Wie schon oben geschrieben, werde ich am Montag, wenn ich wieder einen internetfähigen Rechner hier habe, die Korrekturen einbauen.
Es freut mich natürlich, dass dir die Geschichte so gut gefällt. Ich habe in der Tat in einer Band gespielt, wenn auch nicht so lange und intensiv wie mein Prot. Allerdings: der hier geschilderte erste Song ist absolut authentisch :).... Vielen Dank nochmal.

Hallo Holg, wow,,was für eine beeindruckende Arbeit, kann man dich als Lektor buchen ;), vielen Dank dafür, auch hier gilt, Montag ist alles drin... Zum Lob einfach nur danke. Ich erröten und freue mich. Und zwar sehr.

Hallo Lind, schön dass dir die Geschichte teilweise gefällt. Die Länge ist in der Tat grenzwertig für eine Kurzgeschichte. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck für zehn Jahre Bandgeschichte und Beziehungsgeflecht brauche ich Raum. Längen sind natürlich doof. Insofern bin ich sehr dankbar für Vorschläge, wo aus deiner Sicht Kürzungen möglich ist. Als ich am 31. nach zwei Nächten Dauerschreiben fertig war, habe ich noch eine Kurzversion gebastelt, die aber zumindest für mich gar nicht funktioniert hat. Deshalb: Ich bin gespannt :)...

P.S.: Boah ist auf dem Handy antworten mühsam :0

 

Servus svg,

I like ! von ganz vorne bis ganz hinten, auch wenn es lang war, war mir alles andere als langweilig.
:thumbsup::thumbsup::thumbsup:

lG aus Tirol,

Luigi

 

Hallo Luigi...
mal ehrlich: So ne lange Geschichte und dann so ein kurzer Kommentar :0 ;)...

... über den ich mich übrigens vom ersten bis zum letzten Wort gefreut habe. Danke dafür... :)

LG svg

 

Hallo svg,

ich habe deine Geschichte sehr gemocht, nicht zuletzt weil ich mit den meisten "Referenzbands" etwas anfangen kann ;). Eine der besten im Wettbewerb, fand ich, lebendig und unterhaltsam.

Trotzdem gibt es einige Punkte, die für mich das Leseerlebnis getrübt haben. Ich weiß, das Thema lässt einiges an Schnoddrigkeit zu, gebietet es sogar, aber hier wird gefickt/gefucked, gekotzt, gerotzt, Scheiße geflucht, dass es mich abtörnt. Ich war noch nie in einer Band, aber für mich würde die Geschichte von einem mehr punktuellen Einsatz der Gosse profitieren.

Zum Anderen ist da noch die Handlung selbst. Das Yoko-Ono-Syndrom ist wunderbar beschrieben, aber das jahrelange Bemühen der schönen Cleo um Franks Gunst, seit sie neun (!) war, ebenso wie sein lässiges Abwimmeln - immerhin wird sie als außergewöhnlich hübsch beschrieben - ist für mich nicht glaubwürdig. Dass sie Drums bis zur Perfektion übt, um in seine Band aufgenommen zu werden, damit er sie wirklich wahrnimmt, ist für mich zu konstruiert, zu dick aufgetragen. Auch, dass der Protagonist erst ganz am Schluss erfährt, wie gut er wirklich ist, und von dieser Einsicht ebenso überrascht wird wie der Leser, ist nicht nachvollziehbar. Hat er über all die Jahre gar nichts davon mitbekommen? Meistens wissen es Leute, wenn sie gut sind in dem, was sie tun.

Und dann ist da noch die Szene, wo der Prot Frank zusammenschlägt. Die Nase bricht beim ersten Schlag, und Lenny macht immer weiter, bis die Nase nur noch Brei ist. Trotzdem sind sie einen Monat später wieder auf Achse und spielen ihren letzten Gig, als wäre nichts gewesen? Abgesehen von Franks Motivation, trotzdem wieder aufzutreten: Kann er das überhaupt so schnell wieder?

Alles in allem wie gesagt unterhaltsam geschrieben, mit lebendigen Charakteren, die mit viel Herz beschrieben werden. Deswegen habe ich die Story gerne gelesen, und sie kam mir nicht wirklich "zu lang" vor. Aber wie gesagt, sehe ich einige Schwächen im Plot.

Dreivierteltakt. Exakt so wie bei Slades „Far far away.“
Ist in Viervierteltakt :).

 

Hey svg

Ich lese deinen Text und grinse die ganze Zeit. Das kommt alles so unmittelbar daher; witzig, intelligent, unterhaltsam. Ich habe das wirklich sehr gerne gelesen und zwar in einem Rutsch. Persönlich war ich ebenfalls angesprochen, denn auch ich stand einmal - das erste und letzte Mal - auf der Bühne und spielte mit "meiner" Band vor der versammelten Schülerschaft unseres Gymnasiums. Und ich hatte mal Guppys.
Dein Stil ist zugleich salopp und elegant, ich habe das einfach so runtergelesen und mich dabei glänzend unterhalten. Klasse gemacht! Einzig mit Cleo hatte ich etwas Mühe und die Passage, in der sie erzählt, sie sei in Frank verliebt, seit sie neun sei: na ja. Ich hätte mir gewünscht, sie bleibe so rotzig, wie sie zu Beginn geschildert wird.

Noch so orthographisches Zeugs:


Müßig zu erwähnen, dass er dementsprechend scheiße spielte.

Finde ich auch. Würde ich steichen.


jahrhundert. Und ich erwarte, dass du unter diesem link eine Seite aufschaltest!

aber wenn jemand seit fast sechs Jahren zu jedem deiner Konzerte kommst,

kommt

Aber dann nickte ich wiederwillig.

widerwillig

auf ein künftiges Best-Off-Album schaffen würde.

Best-of

. Note für Note.“

Anführungszeichen weg.

Aber im Grunde war ich nie mehr ein Drumstick-Zombi.

Nie mehr als ein Drumstick-Zombie

Ich kann nicht behauptet, dass ich dir für das Konzert alles Gute wünsche.

behaupten

Das Problem mit dem Adrenalin ist, dass man sich so unglaublich leer fühlt, wen der Körper es abgebaut hat.

wenn

Als ich ihren Kommentar lesen, muss ich lachen.

lese

Frank hat mir schon vorher alles Notwenige gesagt, in seiner ihm eigene Art, wir scheiden absolut ohne Groll, so dass er sich auf der Karte mit einem Witz begnügt.

Notwendige

Frank schalltet entschieden schneller.

schaltet

Sehr gerne gelesen
Peeperkorn

 

Hallo svg,
dein Protagonist könnte zwar mein Enkel sein, aber dein Text hat mir sehr gut gefallen. Etwas lang ist er ja schon, immerhin weiß ich jetzt viel über die neuesten Musiktrends und kann ein wissendes Grinsen aufsetzen.
Im Ernst: Deine Dialoge sind echt witzig und authentisch. Hier ist mal überzeugend dargestellt, wie die Hormone die Sprache steuern. Und am Ende wird der Held auch noch erwachsen!
Übrigens steht irgendwo im Text " Bockflötenmädchen".
Ist das Absicht??

Gruß
wieselmaus

 

Hallo Hooper, ersteinmal danke für dein nettes Lob. Es freut mich natürlich, dass dir dir Geschichte gefallen hat, und Attribute wie "lebndig" und "unterhaltsam" sind natürlich Balsam für meine Autorenseele... ;) Thank you!
Zu deinen weiteren berechtigten Anmerkungen:

Trotzdem gibt es einige Punkte, die für mich das Leseerlebnis getrübt haben. Ich weiß, das Thema lässt einiges an Schnoddrigkeit zu, gebietet es sogar, aber hier wird gefickt/gefucked, gekotzt, gerotzt, Scheiße geflucht, dass es mich abtörnt. Ich war noch nie in einer Band, aber für mich würde die Geschichte von einem mehr punktuellen Einsatz der Gosse profitieren.
Ich lese im Moment die Biografie von John Lydon, also Johnny Rotten, dem Sänger der Sex Pistols, und denke während der Lektüre die ganze Zeit: "Scheiße, ich war viel zu harmlos" ;-)... Nein, du bist ja nicht der erste hier, der die derbe Sprache anficht. Ich fand es - auch aus selbsterlebten - authentisch, kann aber total verstehen, dass es gerade zu Beginn ein bisschen ausufernt wirklen kann. Stimmt denn mein Eindruck, dass es gerade im Mittelteil weniger damit wird? Bei der Art von Musik, die die machen, würde ich mich aber ehrlich gesagt, schwer damit tun, die Sprache zu glätten. Das wäre dann eher in der Geschichte von Torben der Fall, der ja was in Richtung Silbermond machen will ;-)... Und ja, hier bemühe ich ein Klischee.
Das Yoko-Ono-Syndrom ist wunderbar beschrieben, aber das jahrelange Bemühen der schönen Cleo um Franks Gunst, seit sie neun (!) war, ebenso wie sein lässiges Abwimmeln - immerhin wird sie als außergewöhnlich hübsch beschrieben - ist für mich nicht glaubwürdig.
Verstehe hier deine Bedenken voll und ganz und in der nächtlichen runtergerotzten Erstversion war Cleo sogar erst sechs, was mir dann im Morgengrauen ein bisschen zu dick aufgetragen vorgekommen ist. Allerdings: Es gibt zwei, drei Stellen, die sind in dann doch ziemlich autobiografisch, und witziger Weise gehört diese hier dazu: Ich habe mich im Alter von zehn Hals über Kopf in deine dreieinhalb Jahre ältere Mitschülerin verknallt, die ich in Aufführung der Theater-AG unserer Schule das erste Mal gesehen habe. Von dem Moment war mir völlig klar, dass ich mit ihr zusammen auf die Bühne musste, um ihr so meine grenzenlose Bewunderung in einer subtilen Form erweisen zu können (wie sonst wäre ich an eine sooo alte und sooo schöne Frau herangekommen ,-))?). Das Dumme war das man in die AG erst in der Mittelstufe eintreten konnte, was ich dann Jahre später, als ich durfte, dann prompt gemacht habe. Ob wir dann Zusammengekommen sind oder nicht, überlasse ich der Fantasie der Leser... was ich aber verraten kann, wir sind heute noch gut befreundet und sie ist die einzige Grimme-Preisträgerin im meinem Freundeskreis. ;-P

Dass sie Drums bis zur Perfektion übt, um in seine Band aufgenommen zu werden, damit er sie wirklich wahrnimmt, ist für mich zu konstruiert, zu dick aufgetragen.
Erwischt. Ich gebe zu, dass ist die Stelle, wo ich ernsthaft überlegt habe, ist das möglich - und wo ich mir schon gedacht habe, dass der eine oder die andere, es als zu dick empfindet. Hier ist die Geschichte möglicherweise etwas pilcheresk ;-). Ich sag mal so: Für möglich halte ich es, ob es realistisch ist, tja... aber mein Gott, sie liebt ihn seid sie nun ist (siehe oben), da muss sie sich schon ins Zeug legen ;-)... Ich schau mir das nochmal an und werde es gegebenenfalls abschwächen.
Auch, dass der Protagonist erst ganz am Schluss erfährt, wie gut er wirklich ist, und von dieser Einsicht ebenso überrascht wird wie der Leser, ist nicht nachvollziehbar. Hat er über all die Jahre gar nichts davon mitbekommen? Meistens wissen es Leute, wenn sie gut sind in dem, was sie tun.
Das hingegen halte ich nicht nur für möglich, sondern für sehr real, da ich es selbst erlebt habe. Da sind Menschen halt doch sehr verschieden. Es gibt die Plauze-Typen, die sich einfach für überragend halten, und die Lenny-Typen, die es nicht schnallen, egal wie oft man es ihnen sagt. Als Beispiel sei hier nochmals und letztmalig ;-) die Grimmepreisträgerin erwähnt, die auch immer davon überzeugt war, nur eine von ganz vielen zu sein... (Absolut absurd, aber meine Meinung ist hier zugebener Weise nicht ganz neutral, ich habe wahrscheinlich hier immer noch den vollverknallten Blick des 10jährigen ;-))

Und dann ist da noch die Szene, wo der Prot Frank zusammenschlägt. Die Nase bricht beim ersten Schlag, und Lenny macht immer weiter, bis die Nase nur noch Brei ist. Trotzdem sind sie einen Monat später wieder auf Achse und spielen ihren letzten Gig, als wäre nichts gewesen? Abgesehen von Franks Motivation, trotzdem wieder aufzutreten: Kann er das überhaupt so schnell wieder?
Ich hatte das ursprünglich noch ausführlicher dargestellt, warum sie weiterzusammen spielen, diese Szene ist dann aber aufgrund der Länge rausgefallen (wir zwei weitere übrigens auch, ich dachte, ich übertreibe es eh schon, da sollte ich nicht gänzlich unverschämt werden ,-))
Kurz gefasst: Sie spielen noch zusammen, weil Frank den Prot. auf seine Art wirklich liebt, weil er im musikalisch ebenso verfallen ist wie andersrum. Aber danke für den Hinweis. Ich guck mal, wie ich das – ohne den Text wieder zu verlängern – noch etwas deutlicher bekomme.
Das mit der Nase habe ich recherchiert. Auch mit mehrfach gebrochener Nase kannst du singen, du hörst dich selbst offenbar nur deutlich dumpfer und klingst eventuell stimmlich nasaler als vorher. So hat es mir zumindest ein befreundeter Arzt per E-Mail erklärt, der jedoch, wie ich zugeben muss, kein HNO-Experte ist, aber hoffentlich genug über die Materie wissen sollte, um da zuverlässig Rede und Antwort stehen zu können. (An dieser Stelle übrigens danke für die kostenlose medizinische Beratung am 30.12. um 22.20 Uhr ;-))
Ist in Viervierteltakt :).
Autsch... Du hast Recht. Wird geändert. Nochmals vielen Dank!!!

Hallo Peeperkorn ,
auch dir herzlichen Dank für die herzlichen Worte. Klar ist Kritik auch immer was Feines, weil man die Geschichte dann daran noch verbessern kann, aber so richtig dolles Lob ist eben auch ganz super. Habe mich sehr gefreut, zumal es vom derzeit Führenden kommt ;-) („Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey, hey...“). Danke auch für das Raussuchen der Fehler, um die ich mich gleich kümmere.
Und frag mal Frank, wie rotzig Cleo nach wie vor ist ;)... aber ein kleines bisschen wollte ich ihr auch eine weiche Seite zugestehen ;)...

Hallo Wieselmaus,
ganz ehrlich, ich hatte zuvor gelesen, dass du altersmäßig um die 70 bist und dachte, als ich sah, dass du die Geschichte kommentiert hast, au Backe, das gibt bestimmt Saures, wegen der drastischen Sprache. Daran sieht man mal wieder, wie sehr man doch Opfer seiner Vorstellungen und Vorurteile ist ;-)... ich danke dir, für deine nette Kritik, über die ich mich ebenfalls gefreut habe...
Nur in einem muss ich dir zur Vorsicht raten: So neu sind die hier genannten Musiktrends auch nicht mehr, denn altersmäßig biste eher meine Mutter als Oma ;-)...
Das Bockflötenmädchen ist unabsichtlich und wird, wenn ich es denn in diesem megalangen Text wiederfinde, sofort mit einem l aufgehübscht.
Euch allen nochmals vielen Dank.
Es ist übrigens viel einfacher am Rechner als mit dem handy zu antworten... :0

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

Axl Rose säuft nicht vor einem Gig. Er war der einzige der Gunners, der nie längerfristig Drogen gefrönt hat, vor allem nicht dem Alkohol, denn das wäre für die Art von Gesang absolut tödlich gewesen.

Jo. Das ist so ein Musikertext, der vor allem ein Konstrukt ist: Ich sehe da sofort durch. Die ganzen Bandnamen und so, die lenken davon ab, dass in den entscheidenden Momenten nichts da ist. Im Endeffekt bleibt dann ein Klischee: Der kotzende Drummer. Die menage a trois in der Band. Der Gitarrist mit den opportunities. Auch diese schwarz-weiß Malerei, die Industrie sind irgendwie graue Mäuse, denen geht es um Kohle, ich weiß nicht ...

Und dann so was: „Ich will euch nichts vormachen. Eigentlich wusste ich schon als ich die Videos gesehen habe, dass ich mit the Burning Hips meine Zeit verschwende.“

Ein Label lässt seinen AOR oder einen scout (falls sie noch einen beschäftigen) niemals zu einem solchen Gig fahren, wenn sie es vorher wissen. Und im Falle eine bestehenden Interesse eines Majors würde die Band ein extra showcase spielen, keinen normalen Gig. Vielleicht solltest du erwähnen, dass es sich um ein Indie-Label handelt, da laufen die Uhren noch anders. Aber auch da geht nix über ein Video, sondern nur über eine bereits fertig gemasterte Aufnahme. Rosinen picken ist angesagt.

Der Text bleibt immer nur an der Oberfläche, der zeigt mir nie etwas von der Dynamik innerhalb dieser Band. Das schneidet der nur an. Du hälst dich da mit "derber Sprache" auf, wie du es nennst, aber mir kommen die Typen alle schon viel zu ernsthaft vor, um so pubertär zu reden. Musiker, die es tatsächlich zu etwas bringen, die haben vor allem Schneid. Die sind absolut fokussiert.

Vielleicht ist meine Meinung auch der Tatsache geschuldet, dass mich dein Text etwas an den Film "Hard Core Logo" erinnert, da geht es auch um einen Gitarristen der aus seiner Kapelle aussteigen will. Aber da erzählt mir der Film, nein besser: zeigt mir der Film etwas, die Charaktere, wie sie so wurden, wie die Chemie ist, durch Dialoge, durch Gesten, durch die Musik selbst (die kommt bei dir total zu kurz, das wird in Nebensätzen abgehandelt). Bei dir liest sich das wie eine rasche Zusammenfassung der narrativen Elemente, wo es tatsächlich um ein Bandgefüge geht, um etwas Spezielles, Individuelles.

Gruss, Jimmy

 

Hallo, Jimmy,
das nenne ich mal einen echten Verriss. Doof nur, dass es einer mit Hand und Fuß ist ;-)... Das macht es nicht unbedingt angenehmer, aber es zumindest leichter darauf einzugehen.
Erstmal danke, fürs Durcharbeiten, was ich bei so vielen Seiten nicht als selbstverständlich ansehe.

Zu den Punkten:

„Axl Rose säuft nicht vor einem Gig. Er war der einzige der Gunners, der nie längerfristig Drogen gefrönt hat, vor allem nicht dem Alkohol, denn das wäre für die Art von Gesang absolut tödlich gewesen.“
Wenn dem so ist, ärgere ich mich hier sehr über mich. Ich brauchte für die Stelle zwei, bei Helene Fischer habe ich es recherchiert, bei Axl war ich mir sicher, das sowohl in einem Interview mit der damaligen Band-Managerin Vicky Hamilton als auch in einem mit Axl himself so gelesen habe. Ist allerdings eine ganze Weile her und kann in meinem Gedächtnis kolossal falsch abgespeichert sein. Da recherchiere ich nach (obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass DU derjenige bist, der hier Recht hat, du scheinst mir da absolut überzeugt) und ändere es, wenn nötig.

Jo. Das ist so ein Musikertext, der vor allem ein Konstrukt ist: Ich sehe da sofort durch. Die ganzen Bandnamen und so, die lenken davon ab, dass in den entscheidenden Momenten nichts da ist. Im Endeffekt bleibt dann ein Klischee: Der kotzende Drummer. Die menage a trois in der Band. Der Gitarrist mit den opportunities. Auch diese schwarz-weiß Malerei, die Industrie sind irgendwie graue Mäuse, denen geht es um Kohle, ich weiß nicht ...
Wie soll ich da widersprechen, zumal einiges davon sicher nicht von der Hand zu weisen ist. Zu meiner Ehrenrettung ;-): Die Bandnamen sind eine Spielerei, und damit zu spielen hat mir einfach verdammt großen Spaß gemacht hat. Die Klischees sind definitiv da, und ehrlicherweise ein Stück weit gewollt (Warum? Ich fand‘s lustig ;-)), aber keineswegs so sehr gewollt, dass sie das einzige sind, was den Text ausmachen oder davon – nach einer Auseinandersetzung – übrig bleiben. Ich könnte jetzt behauptet, ich habe gar nicht gewollt, dass der Text realistisch rüberkommt, aber hey, das wäre gelogen. Insofern muss und werde ich mich damit auseinandersetzen.

Ein Label lässt seinen AOR oder einen scout (falls sie noch einen beschäftigen) niemals zu einem solchen Gig fahren, wenn sie es vorher wissen. Und im Falle eine bestehenden Interesse eines Majors würde die Band ein extra showcase spielen, keinen normalen Gig. Vielleicht solltest du erwähnen, dass es sich um ein Indie-Label handelt, da laufen die Uhren noch anders. Aber auch da geht nix über ein Video, sondern nur über eine bereits fertig gemasterte Aufnahme. Rosinen picken ist angesagt.
Ich hatte hier in der Tat ein Indie-Label im Blick. Und werde das deutlicher machen. Danke für den Hinweis. Die Aufnahmen sind ebenfalls mitgeschickt. Kommt aber nicht raus? Wird überarbeitet.

Der Text bleibt immer nur an der Oberfläche, der zeigt mir nie etwas von der Dynamik innerhalb dieser Band. Das schneidet der nur an.
In dem Fall muss ich sagen, ja, aber es ging mir weniger um die band, als um Lenny, Frank und Cleo. Das macht es nicht besser und will ebenfalls von mir überdacht werden, aber die Band selbst habe ich beim Schreiben nur als Mittel zum Zweck gesehen.

Vielleicht ist meine Meinung auch der Tatsache geschuldet, dass mich dein Text etwas an den Film "Hard Core Logo" erinnert, da geht es auch um einen Gitarristen der aus seiner Kapelle aussteigen will.
Ich kenne den Film nicht, aber er klingt sehr interessant. Ich werde ihn mir auf jeden Fall in Bälde geben. Danke für den Tipp.
Tja, Jimmy, nochmal danke für die ehrlichen Worte, ich teile nicht alles, kann aber vieles davon nachvollziehen. Bei dir hat es nicht funktioniert, schade, aber die Begründung ist plausibel.

Und als letztes Statement: Ist es ein Sakrileg, wenn ich schreibe, dass ich den Text trotzdem immer noch irgendwie mag ;)...?
LG svg

 

Hallo,

Axl hat schon während der Aufnahmen zu AFD mit Saufen und Koksen aufgehört. Du musst überlegen: Der Mann hat jede Zeile einzeln aufgenommen. Das machst du nicht, wenn du brack bist oder drupp.

Das ist auch kein Verriss. Verstehe mich nicht falsch, der Text ist mir schon sympathisch, aber so ein Muckertext, der muss für mich nah dran sein. Liegt vielleicht auch bißchen daran, dass ich selber Musik mache (und auch die ganzen Enttäuschungen mit split auf dem Klimax und Abfuck von Labeln kenne). Das tut aber nichts zur Sache. Ich denke, du müsstest, um deine Figuren nachvollziehbar(er) zu machen, mehr von ihrem Innenleben zeigen. Warum spielen sie gerade in dieser Band und was bedeutet ihnen das? Das fände ich interessant. Der Text hat auf jeden Fall Potenzial.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Und nochmals Hallo,

in meiner Erinnerung ist es so, dass Hamilton gerade herausgestellt hat, wie unberechenbar Rose war. Nämlich, dass er bei Aufnahme super professionell gewesen ist, vor Konzerten aber kaum zu bändigen war, teilweise sogar besoffen auf der Bühne stand. Ich werde mal in den Keller und in den alten Musikzeitschriften kramen, in der Hoffnung, den Artikel zu finden. Aber spannend... ich möchte jetzt wirklich gern wissen, ob ich es so falsch im Kopf habe. Er ist seit AFD komplett clean?

Danke für die netten Worten im zweiten Abschnitt. Ich habe weiter oben schon geschrieben, dass ich diesen Monstertext vor der Veröffentlichung noch deutlich gekürzt habe. Der Hauptabschnitt, der dieser Kürzung zum Opfer gefallen ist, ist witzigerweise ausgerechnet der, wo es genau darum geht, was Fank und Lenny, aber auch Cem und Plauze mit der Band verbindet... warum ist sie ihnen wichtig.
Ich bin mir aber echt unsicher, ob es sinnvoll ist den Text noch länger zu machen? Zumal die Frage auch ist, ob ein weitere Abschnitt als Verdeutlichung reicht. Ich verstehe dich eher so, dass sich diese Problematik generell mehr im Text wiederfinden müsste?

LG svg

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom