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Schreiben wir bald nur noch für eine Elite?

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Schreiben wir bald nur noch für eine Elite?

Michael Faber vom Verlag Faber & Faber in der SZ vom 31. Oktober 2019 (leider hinter der Bezahlschranke) – Zitat:

Wir haben augenblicklich in der relevanten Zielgruppe der sieben- bis 25-Jährigen 18 Prozent funktionale Analphabeten. Wenn das anhält, haben wir bald Menschen, die an demokratischen Gesellschaftsprozessen nicht mehr teilnehmen können. In den Buchhandlungen spiegelt sich das wider, weil Leser und Kunden ausfallen. Ich muss das als Verleger wissen und entscheiden: Gehe ich in den Massenmarkt oder werde ich elitär? Es wird in der Zukunft sicher ein Verlegersterben geben, wie es schon ein Buchhandlungssterben gegeben hat.

Was ich zuerst nicht glauben wollte: Mehr als die Hälfte dieser sogenannten funktionalen Analphabeten haben Deutsch als Muttersprache gelernt.

 

Lieber Dion,
die Zahl hat mich doch überrascht, scheint jedoch richtig zu sein. Ich selbst bin erst 16 Jahre alt und kenne mich also in der Zielgruppe relativ gut aus. Da ich auf einem Gymnasium bin und nur wenige Freunde, die nicht auf einem Gymnasium waren, habe, kann ich hauptsächlich für Gymnasiasten sprechen. Wer nicht lesen kann, ist klar im Nachteil, und kann sich in einer Demokratie nicht gut genug bilden. Das ist schade, es birgt gar Gefahren für unsere Grundordnung.
Der Trend geht weg vom klassischen Lesen von Geschichten, hin zu Chats, Internetblogs und Nachrichten. Erzählende Literatur wird immer unbeliebter, sie haben ja schließlich auf den ersten Blick fast nichts mit der Realität zu tun. Es gibt für viele viel viel mehr zu entdecken, als Bücher. Wenn der Lehrer in der Schule mit Kafka ankommt, blickt man in weite Gesichter. Als spießig wird solch Prosa abgestempelt (bin selbst Kafka-Fan). Wenn sie dann aber doch schreiben/lesen ist es fast immer Trivialliteratur. Von Fanfictions (was soll man damit?) bis hin zu klischeehaften Liebesschnulzen ist alles dabei. Da ich persönlich nicht nachvollziehen kann, wie man einen solchen Quark lesen kann, ist meine Sorge um die Welt der Literatur ebenfalls groß. Was passiert wenn die Vierzigjährigen einmal sterben? Es wird zwar noch massig Autoren geben, jedoch mindert sich die Qualität, das glaube ich zumindest ziemlich fest. Wenn man dumm angeschaut wird, wenn man in seiner Freizeit Hochliteratur liest (ja, man kann über den Begriff auch streiten), dann halten alle einen für verrückt.
Zusammenfassend lässt sich meiner Meinung nach also sagen, dass der Analphabetismus und der Hang weg von der erzählenden Literatur die Gemüter der Buchliebenden frieren lassen muss.

Gruß

Achim :-)

 

Hallo @Dion,
diese Sorge treibt mich auch um. Nicht nur die hohe Anzahl der funktionalen Analphabeten ist erschreckend, auch die Tatsache, dass viele in dieser Altersgruppe eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne haben. Anders ausgedrückt: sie können einer komplexeren Geschichte gar nicht mehr folgen. Das würde sie überfordern.

Auch im Alltag, abseits von Literatur, treiben diese jungen Menschen auf echte Dramen zu. Sie sind im Umgang mit Arbeitgebern, Kollegen, aber auch mit z.B. Behörden hilflos und befinden sich in einem permanten Status der Unsicherheit. Kein Wunder, dass gerade in diesen Altersgruppen die Zahl der Suizide dramatisch gestiegen ist.
Wenn ich beobachte, wie heutige Eltern mit ihren Kindern umgehen, steigt meine Angst. Es gibt Eltern, denen das Handy offenkundig wichtiger ist, als die Kinder. Die Kinder sind sich selbst überlassen und wachsen ohne Ansprache und ohne Förderung auf. Es gibt Eltern, die den Kindern alle Mühe abnehmen und sie so zur Unselbstständigkeit erziehen. Und andere schlimme Erziehungsfehler mehr ...
Die jungen Menschen stoßen dann in ihren ersten Jahren im Berufsleben auf ein völlig anderes Umfeld. Eines, das sie nicht beschützt, sondern Leistung einfordert. Eines, das ihre Unfähigkeit nach längerer oder kürzerer Zeit nicht mehr hinnimmt. Eines, das ein Mindestmaß an Erziehung erwartet und aussortiert, wer sich nicht einfügen kann.

Doch zurück zum Thema:
Viele der jungen Leute werden niemals einen längeren Text lesen können. Schon bei Zeitungsartikeln kann man beobachten, dass diese verkürzt werden, dass wichtige Inhalte nicht mehr erklärt sind, dass sie an einem eingeschränkte Aufnahmevermögen orientiert sind. Deshalb denke ich, dass sich auch die Qualität der Literatur definitiv verschlechtern wird, da gebe ich @Achim02 absolut Recht. Aber nicht nur, weil die Kreativität der Autoren abnimmt, sondern auch weil Schreib-Bots das Geschäft übernehmen werden (bei bildender Kunst hat eine derartige Entwicklung bereits begonnen).

Viele Grüße
Karlchen

 
Zuletzt bearbeitet:

Na, liebe alle,

da muss ich doch gleich die Unterhaltungsliteratur verteidigen. Gerade Jugendliche und Schüler brauchen auch Enklaven, die sie in andere Welten führen und sie dabei nicht mit einem Sprachniveau eines Thomas Mann konfrontieren. Oberstes Motto sollte doch sein, dass Lesen Freude machen soll. Und wenn jemand Freude an Rosamunde Pilcher hat, an Fifty Shades of Grey oder Harry Potter, dann ist das doch besser als gar nicht zu lesen. Immerhin ist diese triviale Literatur auch häufig die Einstiegsdroge.
Ich hätte als Teenager auch kein Kafka lesen wollen, habe aber über die Fantasyromane von Wolfgang und Heike Hohlbein meine Vorliebe für Geschichte und vor allem Mythologien gefunden, was dann in Folge dazu führte, dass ich einige Jahre später die Edda und sogar die Nibelungensage mit Übersetzungshilfen auf Mittelhochdeutsch gelesen habe.

Und durch Unterhaltungsliteratur wird man auch nicht zum Analphabeten. Dass so viele Menschen trotz Schulpflicht nicht richtig schreiben und lesen können, ist doch eher ein Systemfehler außerhalb des Literaturmarktes. Nachdem ich selbst keine Kinder habe, kann ich nicht sagen, was konkret in Schulen falsch läuft ... aber da wird man wohl in erster Linie ansetzen müssen.

Liebe Grüße
Mae


P.S.: Man muss natürlich aufpassen, dass man die "Jugend" nicht vorschnell verurteilt, nur weil man selbst eine andere Jugend genossen und andere Gepflogenheiten erlernt hat. Analphabetismus ist natürlich ein Problem. Das Verändern der Vorlieben, das Integrieren neuer Techniken in den Alltag, das ist Teil der menschlichen Fortentwicklung. Und gerne weise ich da auf Sokrates (!) hin: "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." Also echt, so viel schlimmer ist es doch in den letzten zweitausendfünfhundert Jahren gar nicht geworden. :D

 

Wenn ich das so lese, kommt mir ein (schlimmer?) Gedanke:
Wir leben seit geraumer Zeit in einer offenen, freien Gesellschaft. Es kommt zu komischen Auswuchsen wie das Nachmittagsprogramm von RTL II. (ich verallgemeinere mal) Die Menschen sind frei und dürften alles direkt sagen. Dabei werden die Aussagen immer platter, obwohl man offen die grundlegenden Dinge Diskutieren dürfte.
Mittlerweile denke ich des öfteren an meine Schulzeit und die Frage: Was wollte der Autor damit sagen? Warum haben wir überhaupt diese Frage gestellt? Weil der Autor anscheinend das, was er sagen wollte, nicht direkt durfte.
Was mich zu der These bring: je freier die Gesellschaft, desto trivialer die Literatur.

mhm - wie bekomme ich jetzt den Bogen zu den Analphabeten? Gehören die, die Lesen können, mittlerweile schon wieder zur Elite? (wir kommen dem Mittelalter wieder näher, oder?)


Aber ich gebe @Maedy auch Recht, dass triviale Werke durchaus ihre Berechtigung haben! Ich will meinem 5-jährigen ja auch nicht Kafka vorlesen :D

Gruß
pantoholli

 

Hey @Dion ,

Willkommen im Zeitalter der Streaming-Dienste.

Den Artikel habe ich nicht gelesen, was an der von dir erwähnten Bezahlschranke liegt. Ich schließe mich da @Maedy an. Am Wichtigsten ist doch, dass der Leser Spaß hat. Ob es nun Kafka, Martin oder King ist. Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und können sich ändern. Wobei es interessant zu sehen ist, wie der Kinomarkt sich wie der Buchmarkt auch in Locker-Flocker-Popcorn (siehe Avengers) und südkoreanische Arthouse-Filme teilt. Beides hat seine Berechtigung.

Was mich zu der These bring: je freier die Gesellschaft, desto trivialer die Literatur.

Finde ich mega interessant, deine These. Einen Traum für jeden Komparatisten.

 

Hallo Dion, ein interessantes Thema, wenn auch mit reißerischer Überschrift. Elitär war das gedruckte Wort schon immer. Das hat sich (hier im Westen) erst in den letzten hundert Jahren geändert. Der Großteil der Bevölkerung hat aber nie ein Buch nach dem anderen verschlungen. Klar, Bücher stehen in vielen Regalen, aber ein Leben ist lang.

18% der sieben- bis fünfundzwanzigjährigen sind heute funktionale Analphabeten. Die Hälfte Muttersprachler, im Umkehrschluss 9% davon, die mit ihren Eltern am Esstisch kein Deutsch sprechen. Wird in dem Artikel aufgeschlüsselt, wieviel Prozent auf welches Alter entfallen? Dass ein Siebenjähriger ein funktionaler Analphabet ist, sollte nichts besonderes sein. Auch von einer Zwölfjährigen erwarte ich nicht zwingend, dass sie einem komplexen Sachtext zügig Informationen entfiltern kann.

26% der Männer kamen 2015 wöchentlich mehrmals dazu, ein Buch in die Hand zu nehmen. Bei den Frauen waren es 43%. 66% der Frauen kauften jährlich mindestens ein Buch, 52% der Männer ebenfalls. (Quelle: Buchmarkt: Jungs lesen mehr)

Hmm, tja, ist es ein Problem, wenn von den 34% bzw. 48% oder 57% bzw. 74% Nichtlesern nun 4,5%, 9% oder 18% nicht lesen können? :)

Es gibt im Jahr 2019 eine Flut an Medien. (Ich würde es nicht anders wollen.) Jugendliche, die lieber Fortnite spielen, als Bücher zu lesen sind halt Jugendliche, die lieber Fortnite spielen, als Bücher zu lesen. Kleine Drecksblagen, aber was soll man machen? Sie zum Lesen zwingen? Das Buch hat vierhundert Jahre Zeitung überlebt, es wird auch sowas überleben. Chinesen lesen gerne, habe ich mir sagen lassen. Die Leser, die hier wegfallen, werden dort gerade geboren. 2070 gibt es vielleicht einen ganz neuen, echten globalen Buchmarkt. Wer weiß das schon.

Das Verlegersterben bei uns wird mit Sicherheit kommen. Das in einem Satz mit dem Buchhandelssterben zu nennen, naja. Für das Buchhandelssterben gab es vielfältige Gründe. Weniger eine ausbleibende Leserschaft als eine ausbleibende Käuferschaft. Das geht eher in Richtung Aussterben der Innenstädte.

Ich sehe im heimischen Phantastik-Bereich viele relativ neue kleine Verlage, mit großartigem Programm. Die großen Verlage werden es vielleicht schwer haben, werden schrumpfen und Programme streichen müssen, aber ich denke nicht, dass am Ende der Leser das Nachsehen hat.

Wobei, um den geht es hier ja gar nicht. Oder doch?

Gruß vom Analog

 

Immerhin ist diese triviale Literatur auch häufig die Einstiegsdroge.
Klar, das war auch bei mir so. Ich habe solche Bücher verschlungen, aber irgendwann genügte das nicht mehr. Deswegen habe ich z.B. auch nichts gegen Dan Brown, denn auch diese Art von Literatur muss es geben – aus eben genannten Gründen.

Also echt, so viel schlimmer ist es doch in den letzten zweitausendfünfhundert Jahren gar nicht geworden.
Natürlich nicht – die Situation hat sich insgesamt sogar gebessert. Aber es gibt auch den Begriff des Sekundären Analphabetismus. Das sind Menschen, die die Fähigkeit, mit der Schrift umzugehen, verloren haben, weil sie so gut wie nicht mehr lesen, sondern nur noch Bilder schauen. Höchstens lesen sie noch kleine Häppchen, wie sie die Bildzeitung in einfachsten Worten anbietet.

Ich will meinem 5-jährigen ja auch nicht Kafka vorlesen
Ja, vor allem nicht so Geschichten wie „In der Strafkolonie“, bei der, als Kafka sie in München vorlas, manche Dame in Ohnmacht gefallen ist. :D

 

Wird in dem Artikel aufgeschlüsselt, wieviel Prozent auf welches Alter entfallen? Dass ein Siebenjähriger ein funktionaler Analphabet ist, sollte nichts besonderes sein. Auch von einer Zwölfjährigen erwarte ich nicht zwingend, dass sie einem komplexen Sachtext zügig Informationen entfiltern kann.
Es wird nicht weiter aufgeschlüsselt, aber das ist auch nicht der Punkt, wenn damit altersbezogene Texte gemeint sind. Jedenfalls habe ich noch aus den früheren Pisastudien in Erinnerung, dass so und so viel Prozent der Schüler in den jeweiligen Altersklassen einen altersgerechten Text nicht richtig verstanden haben.

 

Ich bezweifle, dass die prozentuale Zahl an funktionalen Analphabeten tatsächlich im Großen etwas mit dem Rückgang der Buchverkäufe zu tun hat. Ich hatte in Jobs und privat einige Male mit Analphabeten zu tun, und, verzeiht mir, dass sich das jetzt eklig anhört, aber ich habe nicht das Gefühl, dass jene Leute im Allgemeinen Menschen sind, die, wenn sie besser lesen könnten, begeisterte Buchkäufer geworden wären. Ich meine das keinesfalls abwertend, ich hoffe, das ist klar.

Ich habe eher das Gefühl, dass der Rückgang an Lesern/Kunden im Buchmarkt aus den neuen Technologien und ihren Möglichkeiten resultiert. Das hat einerseits damit zu tun, dass talentierte Leute, die vor 20 Jahren vielleicht exzellente Pop- oder "Hochliteratur" geschrieben hätten, heute vielleicht eher Youtube-Artists werden oder einen Podcast eröffnen. Da gehen der Literatur viele Talente verloren - ist zumindest meine Theorie - die wiederum Leser angezogen hätten. Das ist zumindest jetzt so. Es gibt auch gegenteilige Beispiele, von sehr talentierten Leuten, die erst im Internet bekannt wurden und als Folge dessen Bestseller rausgehauen haben und sich in der Literatur wiedergefunden haben. Ob das Hochliteratur ist, keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht.
Zum anderen ist die Konkurrenz im Bereich der Erzählungen durch Netflix & Co. einfach gigantisch geworden. Der Film/Die Fernsehserien der 90er und 00er Jahre konnten mit der Dimension, die das Format Roman bieten kann, oft nicht mithalten. Die moderne Serie der letzten 10 Jahre ist eine gebürtige Konkurrenz in vielerlei Hinsicht, was die leichte Konsumierbarkeit, das Visuelle oder die Vorteile eines Writing Rooms bei der Entwicklung exzellenter Figuren und Plots angeht. Das muss man auch einfach mal anerkennen im Buchhandel oder in den Verlagen und Agenturen. Und das vielleicht als Chance begreifen und daraus lernen.

 

Die modernen Serien basieren aber häufig auf Buchvorlagen ... A Handmaid’s Tale, Shadowhunters, The Vampire Diaries, True Blood (im Buch mit Elvis Presley als Vampir, so genial ...), um nur ein paar Beispiele zu nennen.

 

Ich muss auch sagen, ich finde es völlig egal, was gelesen wird, Hauptsache überhaupt. Bei mir fing das Lesen an mit Comics, Fünf Freunde, Burg Schreckenstein und son Kram. Dann Agatha Christie, Michael Ende und Hesse. Es geht ja auch erst mal darum, die Technik zu trainieren und an den Punkt zu kommen, ab dem Lesen nicht mehr an sich anstrengend ist. Das gleiche gilt mMn auch für andere analoge Kulturtechniken, wie Kopfrechnen, Auswendiglernen oder das Schreiben von Hand, das zunehmend von digitaler Technik und ihrer Reizinflation verdrängt wird. Wozu sollte ich das können müssen, wenn ich mit zwei Klicks im Youtube-Tutorial komprimierte Infos absaugen kann, die mir für den Moment weiterhelfen? Ich als prädigital aufgewachsener Mensch stelle mir generell die Frage: Wohin geht die Reise? Niemand weiß, was der ganze digitale Hausrat mit und macht. Und wenn ich so was lese: Internetsucht, nährt das die Zweifel.

 

Es wird nicht weiter aufgeschlüsselt, aber das ist auch nicht der Punkt, wenn damit altersbezogene Texte gemeint sind.

Doch, das ist der Punkt. Nur weil ein Sieben- oder Zwölfjähriger Probleme in der Schule hat, heißt das nicht, dass er in zwanzig Jahren funktionaler Analphabet ist.

Ein fünfundzwanzigjähriger funktionaler Analphabet ist etwas vollkommen anderes als ein siebenjähriger funktionaler Analphabet.

 

die sie in andere Welten führen und sie dabei nicht mit einem Sprachniveau eines Thomas Mann konfrontieren. Oberstes Motto sollte doch sein, dass Lesen Freude machen soll.
Ab davon, dass ich Thomas Mann nicht ausstehen kann und dass seine Charaktere super trivial sind, frage ich mich, warum gute Literatur mit harter Arbeit gleichgesetzt wird. Das ist doch völliger Blödsinn. Lesen ist Freude, wenn man ein gutes Buch liest. Worüber sich Leute beim Lesen freuen, ist unterschiedlich. Mir irgendeinen Klischeequatsch reinzuziehen, hat mir auch als Teenie keinen Spaß gemacht.

Nix gegen reine Unterhaltungs-/Trivialliteratur, die hat auch ihre Funktion, warum nicht? Aber diese Verteidigung, dass nur das entspannen, und 'hohe' Literatur ja so fürchterlich anstrengend sein soll, regt mich echt auf. Diese Vorurteile halten mAn jüngere Leute davon ab, gute Bücher zu lesen. Man kann sehr wohl Sachen wie Shakespeare als Entspannung lesen, Macbeth oder Coriolanus haben durchaus moderne Krimistruktur, da gibt es überhaupt keinen Grund für Berührungsängste. Wenn Kids bei GoT durchsteigen, dürfte das kein Problem sein, wenn man es nicht zu einem macht.

 

Liebe @Katla ,

Ausnahmen bestätigen die Regel. Es gibt immer auch Teenies, die gerne Mann, Shakespeare und so weiter lesen und es gibt Teenies, die Fantasy hassen. So ziemlich alle von meinen Schulfreundinnen konnten damit nichts anfangen.
Aber generell ist es schon schwerer, sich bei anspruchsvoller Sprache zu entspannen. Seine Gedanken fließen zu lassen. Automatisch konzentriert man sich mehr auf den Text und hat weniger Bilder im Kopf. Geht mir jedenfalls noch heute so.
Da ich als Teenie fünf Stücke von Shakespeare im Englischunterricht gelesen habe und eins davon von unserer Theater-AG aufgeführt wurde, kann ich zumindest behaupten, dass mich damals der gute Willy mit seiner Sprache weitaus weniger entspannt hat als z.B. Jane Austen.

Aber vielleicht ticken wir da unterschiedlich ...

LG
Mae

 

Aber generell ist es schon schwerer, sich bei anspruchsvoller Sprache zu entspannen. Seine Gedanken fließen zu lassen. Automatisch konzentriert man sich mehr auf den Text und hat weniger Bilder im Kopf.
Ja, da ticken wir wohl ganz extrem unterschiedlich. Ich habe keine Bilder im Kopf, wenn der Text platt, klischeehaft und nichtssagend ist. Dann bin ich nur dabei, auf die Sprache zu achten, weil ich mich über die abgenutzten Bilder und die dusseligen Formulierungen aufrege. Bei einem guten Buch, das stimmig ist, bei dem der Autor ganz bewusst etwas Interessantes auf passende Art erzählt - sei das ein Altenglisches Epos, ironischer Surrealismus oder ein Psychothriller - tauche ich viel eher in die Geschichte ein.

Kommt wohl drauf an, was einen ablenkt, und was einen inspiriert. Trotzdem sollte man 'hohe' Literatur nicht wie ein Art Schreckgespenst vorführen. Wenn da die Hemmschwellen abgebaut werden, und Teens sich an sowas gewöhnen, haben sie auch später keine solchen Probleme, anspruchvolle Literatur als entspannende Unterhaltung zu lesen.

 

Liebe @Katla ,

ich will es auch nicht als Schreckgespenst vorführen. Dafür sind Schulen ja m.E. da. Aber ich finde es okay, wenn Schüler sich daheim mit Harry Potter „entspannen“ und nicht wieder zu Shakespeare greifen.
Meine Schulerfahrungen sind leider über zwanzig Jahre her. Aber damals war das Problem, dass Lehrer wenig Hilfestellung geleistet haben, wie man sich so einen Text erschließt. Weil ich per se neugierig war, habe ich sehr früh zu Philosophen gegriffen und diese gelesen, wenn ich mich einmal nicht entspannen, sondern etwas lernen wollte. Ich habe dann häufig den Erklärbär gemacht, als später einige der Texte auch in der Schule drankamen. Textverständnis ist etwas, das eigentlich gute Lehrer vermitteln können sollten. Keine Ahnung, ob sich da heute etwas an der pädagogischen Herangehensweise geändert hat.

LG
Mae

 
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Wenn ich heute höre, dass Eltern jahrelang auf einen freien Platz für einen Schwimmkurs warten, dann ergeben sich für mich nur zwei Erklärungen: entweder die Eltern können es selbst nicht oder sie haben keine Zeit (oder Lust), es ihren Kindern beizubringen.
:lol: Wie vielen deiner Kinder hast du denn das Schwimmen selbst beigebracht?
Und wie sauber ist deren Schwimmstil jetzt?
Problematischer finde ich es, wenn Eltern sich gar nicht mit der Schwimmfähigkeit ihrer Kinder auseinandersetzen.

Für das Lesenlernen und der scheinbar aufkeimenden Berührungsangst gegenüber Büchern, stimme ich dir zu: Die Vorbildfunktion ist nicht zu unterschätzen. Wobei das nicht zwangsläufig die Eltern sein müssen.

 

Ich kenne den Artikel nicht, aber finde die Auswahl der untersuchten Gruppe merkwürdig:

sieben- bis 25-Jährigen 18 Prozent funktionale Analphabeten

Da kann ich die Statistik nicht wirklich ernst nehmen.

Wenn ich meine Kinder und deren Umfeld ansehe, frage ich mich wo die Analphabeten sein sollen, denn dort gibt es keine. Natürlich wird es die geben und die Statistik weist sicher auf einen Missstand hin.

Aber wahr ist auch, dass die Konkurrenz zum Buch groß geworden ist und es einfacher ist, sich ein Youtube-Video (oder gestreamten Film/Serie, etc.) reinzuziehen, als ein dickes Buch zu lesen. Das bedeutet gar nicht so sehr, dass die Kinder nicht lesen möchten, aber der Anspruch an die Bücher wird höher oder anders, denn die müssen mit den modernen Medien mithalten. Bücher, die einen nicht gleich von der ersten Seite an in den Bann ziehen, werden wieder weggelegt. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die Konzentrationsspanne bei der Zielgruppe eher geringer geworden ist, aber die Bereitschaft, sich durch die ersten Kapitel zu quälen, bis die Geschichte einen in den Bann gezogen hat, ist eben auch kleiner geworden. Letzteres finde ich gar nicht so schlimm.

Und mal ehrlich, ich glaube nicht, dass "früher" (wann immer das gewesen sein soll), die breite Masse die sogenannte Hochliteratur gelesen hat. Insofern war diese immer schon eher an eine Elite (oder Bildungsbürgertum) gerichtet.

Der Markt wird sich verändern und Verlage und Autoren müssen sich darauf einstellen. So ist eben das Leben, aber das bedeutet nicht gleich den Untergang des Abendlands (hoffe ich).

 
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Hallo Gemeinde,

und wieder einmal ist die Demokratie bedroht. Grund genug für mich, meine Internet-Sperre zu beenden!
Denn:
Bei so viel sozialem Engagement des Ex-Verlegers, ex-Politikers, wieder-Verlegers M. Faber, der eigentlich vollauf beschäftigt sein müsste, nach fünf Jahren Marktabwesenheit einen Neubeginn für sein Unternehmen zu managen ... Moment mal! Das ist ja ein Zufall.
Ach was soll's! Er ist sicher nur ein besorgter Bürger.
Also: ich ziehe mir schon die Winterjacke über, trommle meine Freunde Erwin Hinz und Beate Kunz zusammen, um eine Montagsdemo gegen Alphabete zu organisieren. Ich starte einen "me-too" twitter-Dings ... Doch dann lese ich (rein zufällig) einen anderen Artikel zur aktuellsten Studie zu Analphabetismus in Deutschland:
Funktionaler Analphabetismus: Buchstäblich ganz unten

Fazit: In Deutschland leben 6,2 Millionen Menschen mit geringer Literalität*(12,1 Prozent der Deutsch sprechenden Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren). 2010 waren es noch 7,5 Millionen.

Also ist innerhalb der letzten neun Jahre die Zahl der fkt. Analphabeten um 17% gesunken.
Ach – so!
Kann man von seriösen Aussage ausgehen, wenn der Analphabetismus von 7-Jährigen thematisiert wird? Oder wenn Scheinkorrelationen präsentiert werden, wie dieser Quatsch: "In den Buchhandlungen spiegelt sich das wider, weil Leser und Kunden ausfallen."
Mein lieber Schwan! In den Buchhandlungen spiegeln sich die technologischen Entwicklungen und verändertes Medienverhalten der Bürger wider; Ebooks, social media und Film Streaming Services. Aber davon hat man in der elitären Faber-Blase wohl nichts mitbekommen.

Warum regt sich das Kellerkind so auf?
Weil hier jemand Schwachsinn in die Welt pustet, um sein Unternehmen in den Fokus zu rücken. Klar: Das machen alle Unternehmer und nennen das Werbung. Aber der erfolglose Ex-Politiker M. Faber manipuliert hier mit gesellschaftlich relevanten Themen herum. Wie lange dauert es bei solchen Aussagen, bis wieder irgendwelche Sarrazinis über die Parallelkulturen schwadronieren oder über die Langzeitarbeitslosen, die lieber das Hartz 4 versaufen, als Bücher zu kaufen.
Und zu guter letzt liefert Herr Faber noch ein bisschen Chauvinismus a la Massenmarkt vs. Elite.
Spätestens da wird klar, dass die Demokratie das letzte ist, worum der Herr fürchtet. Er verdeutlicht potenziellen Kunden, wo man die Bücher kaufen sollte, die man im Eichenholz-Regal stehen haben sollte, wenn man zur Elite zählen will. Das neoliberale Bildungsbürgertum zeigt sich von seiner hässlichsten Seite.i

Freundliche Grüße
Kellerkind


* Der Ausdruck geringe Literalität steht in der Studie für funktionellen Analphabetismus.

 

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