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Schwarzweiße Kunst

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09.08.2017
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Schwarzweiße Kunst

Fetzige Musik dröhnte durch die großen Lautsprecher. Tiefe Bässe wummerten wie Dampfhämmer. Junge Männer und Frauen zuckten rhythmisch zu den wilden Klängen. Auf der Tanzfläche drängelten sich die schwitzenden Leiber. Kein Wunder, das war der angesagteste Nachtklub der Stadt.
Martin hatte endgültig genug von dem Trubel. Schweißüberströmt ließ er seine Partnerin stehen und zuckte nur entschuldigend mit den Schultern, schließlich kannte er sie ohnehin kaum. Dann schlängelte er sich durch die dichte Menge zur wohlgefüllten Bar.
»Ein Bier«, verlangte er schreiend, um den Krach zu übertönen, sank auf seinem Hocker nieder und schloss erschöpft die Augen. Der Barkeeper brachte das verlangte Getränk, durstig stürzte Martin die kalte Flüssigkeit herunter.
Ein warmer Körper drängelte sich an ihn, unwillig blickte Martin auf; das war ein junges Mädchen. Sie grinste ihn an: »Genug?«, fragte sie und fuhr fort, »Komm!« Sie zerrte ihn zur nächsten Party und seit dieser Nacht waren die beiden unzertrennlich.
Doch Verena hatte noch eine Leidenschaft. Sie besuchte einen kulturellen Höhepunkt nach dem anderen und ließ keine derartige Veranstaltung aus. Martin schleppte sie immer mit. Sie kannte jeden Kunstschaffenden, war mit allen befreundet und huldigte sämtlichen zeitgenössischen Werken.
Dagegen schwärmte ihr Freund von der Kunst der alten Meister, von deren unübertrefflichen handwerklichen Fertigkeiten, von der ungeheuren Mühe, die sie bei ihrem Wirken aufgewendet hatten und von der ellenlangen Zeit, die sie für die Herstellung ihrer Kunstwerke benötigten. Die modernen Künstler sahen ihn an, als käme er von einem anderen Stern.
Martin schauderte es vor dem sogenannten Können dieser jungen Leute. Sie schufen Scheußliches, Absurdes und Monströses; trotzdem wurde von ihm große Bewunderung erwartet.
Da war zum Beispiel ein stinkender Käse, den man an eine Fensterscheibe geklatscht hatte. Es fand sich eine einfache Säule aus Beton, die angeblich das Maß aller Dinge war. Er sah ein Bild, auf dem man lediglich ein dummes Rechteck bestaunen konnte. Und da gab es eine ausgestellte Toilette, die nicht richtig gespült worden war.
Der junge Mann galt in der Kunstszene bald als übler Ignorant, Dummkopf und Banause, weil es ihm nicht gelang seine Ablehnung zu verbergen. Er wurde für seine Ansichten verspottet und geschmäht. Verena war darüber sehr unglücklich und die Beziehung der beiden litt darunter.
Dann schleppte ihn seine Freundin zu einem wichtigen Ereignis mit. Ein moderner Künstler wollte in der Öffentlichkeit ein bedeutendes Werk schaffen. Dazu mussten halb nackte, bekleckste und verschmierte junge Mädchen, Farbbeutel auf eine große leere Leinwand schleudern. Die Zuschauer beklatschten die Spritzer und Flecken von jedem Wurf mit überschwänglichem Beifall.
Das würde ein sehr teures und berühmtes Gemälde werden. Die Kunstliebhaber und Mäzene konnten es gar nicht abwarten und boten bereits jetzt irrsinnige Summen, um dieses Bild zu erwerben.
Verena drängte ihren Freund, an diesem wunderbaren Schaffensprozess teilzunehmen und mit den jungen Mädchen Farbe auf die Leinwand zu werfen. Aber Martin weigerte sich voller Abscheu.
Doch auch seine Freundin war empört, wie konnte er es nur wagen, sich so abfällig gegen diese einzigartige Kunst zu stellen. Das war das Ende ihrer Beziehung, die beiden trennten sich in bitterem Streit.
Jedoch nicht nur Verena wetterte gegen Martin, ihre Gesinnungsgenossen beschimpften den jungen Mann ebenso abscheulich. Diesem blieb schließlich nichts anderes übrig, als wütend und gedemütigt davonzustürzen. Er konnte sich vor den Beleidigungen nicht anders retten.
Martin litt sehr unter den Kränkungen. In Zukunft wollte er mit Künstlern nichts mehr zu tun haben, doch er vermisste Verena. Diese war nicht ganz so traurig, sie hatte genug Freunde und taumelte von einer Vergnügung in die nächste.
Bald darauf sprach man von einem neuen Meister. Durch die Konzertsäle zog ein namenloser Pianist und feierte riesige Erfolge. Niemand kannte seine Identität, denn er hatte einen Tick. Bei allen seinen Auftritten wurde ein weißer Vorhang aufgespannt, hinter dem er sich versteckte. Die frenetischen Zuschauer bekamen ihn nie zu sehen. Er war ein rätselhaftes Buch mit sieben Siegeln.
Der Künstler bot viele Darbietungen. Jeder wollte ihn hören, wenn man ihn schon nicht sehen konnte. Sein Geheimnis machte alle neugierig. Begierig rissen sich die Musikliebhaber um Karten für seine Konzerte.
Die wohlmeinenden Kritiker rühmten den Meister in den höchsten Tönen. Doch selbst die schlimmsten Nörgelfritzen, welche sonst keine guten Worte fanden, hatten viel Lob für ihn übrig.
Bald wollte man ihn auch in den berühmten Konzertsälen der Welt haben. Angeblich wurde bereits eine Welttournee mit vielen Auftritten geplant. Nicht mehr lange würde man den Virtuosen bei den kleinen Veranstaltungen in der Nähe erleben können. Umso freudiger wurden die letzten Gelegenheiten genutzt. Verena hatte großes Glück und bekam einige der seltenen Eintrittskarten. Sie fragte ihre Freunde und diese wollten alle mitgehen.
Dann geschah das Unglaubliche: Die ansässigen Künstler der Szene erhielten eine Einladung zur letzten Vorstellung in der Stadt. Verena und ihre Freunde hätten ihre Karten gar nicht kaufen müssen. Endlich kam der bedeutende Tag.
Vor dem Theater drängten sich erwartungsvoll die Menschen. Es war Einlass, der Gong ertönte, die Zuschauer klatschten begeistert und dann fing die ersehnte Aufführung an. Hinter dem weißen Vorhang begann der große Künstler, zu spielen.
Unsichtbar hämmerten die Tasten. Die geübten Finger des kunstvollen Virtuosen vollbrachten wahre Meisterschaft: Donnernde Töne erschütterten das teure Piano, tosende Gewalten füllten die Halle, schreckliche Disharmonien schwebten zum Himmel. Das waren keine Akkorde, keine Melodien, kein Takt und kein Rhythmus; kreischender fürchterlicher Lärm war zu hören. Doch das war einzigartige, geniale, meisterhafte, nie zuvor erlebte Kunst. Verzückt lauschten die Zuhörer den göttlichen Klängen.
Dieses Erlebnis wollten sie nie vergessen. Sie würden es für immer in ihren Herzen bewahren. Alles andere wurde bedeutungslos. Es zählte nur noch der herrliche Augenblick.
Der großartige Vortrag endete mit einem furiosen Finale. Die jauchzenden Zuschauer spendeten stürmischen Beifall. Dann gab der Meister eine Zugabe. Die Menschen drängten begeistert heran. Was geschah da? Der weiße Vorhang fiel herunter und endlich war die Sicht auf die Bühne frei. Wer war der große Künstler? Doch was musste das Publikum da sehen. Die Leute waren zutiefst entsetzt. Ein riesenhafter bösartiger Pavian saß an dem edlen Konzertflügel und schlug fürchterlich auf die schwarzen und weißen Tasten ein. Hinter ihm stand ein schmächtiger junger Mann und hielt sich abwehrend die Ohren zu.
Das Publikum begann fassungslos, zu toben und zu brüllen, immer wütendere Buhrufe ertönten, in dem Lärm war kaum noch etwas von dem Flügel zu hören. Der Affe hörte auf zu spielen. Der junge Mann sah zu den fuchsteufelswilden Zuschauern.
Verena war fassungslos. Das war ihr Freund Martin. Auch die jungen Künstler waren entgeistert von dem Schauspiel.
Der Affe stand auf und wartete regungslos. Der junge Mann trat vor und hob den Arm. Es wurde still in der Halle. Das Publikum lauschte.
Martin zeigte dramatisch, mit ausgestrecktem Arm, auf Verena und ihre Freunde, die sogenannten Künstler: »Wer ist hier der Dummkopf, der Banause und der Ignorant? Wer ist hier ein wirklicher Künstler? Was ist wahre Kunst? Eure bestimmt nicht! Ihr habt mich beschimpft, beleidigt und gedemütigt! Doch mein Affe versteht mehr von Kunst als ihr! Ich bin nicht der Idiot! Ich bin der Meister! Denn zuletzt lache ich!« Zornig ballte er die Faust.
Der gefährliche Pavian aber begann drohend, zu kreischen und zu schreien, grimmig bleckte er die ungeheuren Zähne, wutschnaubend vollführte er mächtige Sprünge, böse zeigte er seinen bloßen roten Hintern. Das Publikum erschrak und rührte sich nicht.
Dann schritten der hagere junge Mann und der massige ergraute Affe erhobenen Hauptes und mit stolzgeschwellter Brust davon. Verena und ihre Freunde, die jungen Künstler und die schockierten Zuschauer, blieben mit verstörten Gesichtern zurück.

 

Die Geschichte ist natürlich bitterböse und sowohl moralisch, wie politisch und kulturell inkorrekt.

Jeder ist wohl zu verurteilen, der eine solche Moral und Ethik vertritt und sich so verhält. Zwei Bibelzitate zu dem Thema: „Die Rache ist mein, spricht der Herr.“ Und: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

Und wer eine solche Meinung über die Kunst vertritt, der wird als Ignorant, Dummkopf und Banause verurteilt. Gegenüber Künstlern darf man sich so keinesfalls äußern. Dabei gibt es aber wahrscheinlich doch Menschen, die so ähnlich denken.

Jedenfalls würde ich mich sehr darüber freuen, wenn ihr einen Kommentar darüber abgeben würdet, für wie gut oder schlecht ihr denn diese Geschichte sprachlich findet und wie sie inhaltlich, künstlerisch und moralisch zu bewerten ist.

 
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Hallo Federstrich,
die Sache hat hier ja zwei Ebenen, auf die Du dezidiert ansprichst: die Art der Darstellung, ob die Geschichte funktioniert, unabhängig vom Inhalt; dann die Absicht, die Konzeptkunst der Postmoderne als willkürlich und beliebig zu demaskieren im Kontrast zu einem Kunstbegriff, der Handwerklichkeit und künstlerischen Ausdruck gleichsetzt oder als gegenseitig sich bedingend beschreibt.
Dann also erst zur Geschichte: Von meiner Warte aus erscheint sie völlig unentschlossen, was sie eigentlich sein will. Worum soll es jetzt gehen? Um eine Beziehung? Um Kunstkritik? Um das Nachtleben der modernen Boheme? Der Anfang lässt eine Beziehungskiste erahnen. Dann geht es in eine ganz andere Richtung. Irgendwie erscheint die Story aufgeklebt und konstruiert, damit eine Botschaft vermittelt werden kann. Das erinnert mich übrigens an ein Problem, das ich mit einer Geschichte auch schon genau so hatte. Die Bezüge zur Kunstwelt sind für mich dann schlichtweg auch zu vage. Die Kollision der Kunstanschauungen aus dem bürgerlichen und avantgardistischen Lager, das ist ja eine ganz komplexe Ausgangslage, die mir da einfach zu sehr eingedampft ist auf den klischeehaften Vorwurf der mangelnden Handwerklichkeit.
Diese Passage zum Beispiel. Das geht so rappeldizappel gleich in die Kunsttheorie. Wenn es eine Geschichte ist, und kein diskursiver Beitrag zur Kunstgeschichte, dann möchte ich auch ein wenig Geschichte haben, nicht spröde Fakten. Lass sie doch mal über etwas Konkretes reden. Ein Battle: Dürer gegen Klein, Bach gegen Cage, Mann gegen Schwitters. Was weiß ich. Dann könnte sich ein Bewußtsein entfalten auch für Deine Figuren. So ist mir das viel zu oberflächlich.

Doch Verena hatte noch eine Leidenschaft. Sie besuchte einen kulturellen Höhepunkt nach dem anderen und ließ keine derartige Veranstaltung aus. Martin schleppte sie immer mit. Sie kannte jeden Kunstschaffenden, war mit allen befreundet und huldigte sämtlichen zeitgenössischen Werken.
Dagegen schwärmte ihr Freund von der Kunst der alten Meister, von deren unübertrefflichen handwerklichen Fertigkeiten, von der ungeheuren Mühe, die sie bei ihrem Wirken aufgewendet hatten und von der ellenlangen Zeit, die sie für die Herstellung ihrer Kunstwerke benötigten. Die modernen Künstler sahen ihn an, als käme er von einem anderen Stern.

Abgesehen von der wirklich irrealen Situation, die man, wenn man das Ganze als eine Art Parabel nimmt schon verkraften kann, ist das auch wieder so ein Bruch, so eine gewaltsame Biegung der Story. Sie geht ihren Vergnügungen nach und plötzlich ist dann der neue Meister im Spiel. Plötzlich geht es um Musik. Nicht mehr um Bildende Kunst. Und eben, für den relativ kurzen Text ein Schwenk, der sehr abrupt und unmotiviert wirkt. Ja, er löst sich dann schon in der "Pointe" auf und bezieht sich auf den Text. Aber mir erscheint es trotzdem unelegant.
Bald darauf sprach man von einem neuen Meister. Durch die Konzertsäle zog ein namenloser Pianist und feierte riesige Erfolge. Niemand kannte seine Identität, denn er hatte einen Tick. Bei allen seinen Auftritten wurde ein weißer Vorhang aufgespannt, hinter dem er sich versteckte. Die frenetischen Zuschauer bekamen ihn nie zu sehen. Er war ein rätselhaftes Buch mit sieben Siegeln.
Sprachlich finde ich den Text ganz solide gemacht.

Nun zur Frage, die Du gestellt hast, wie man das bewerten soll. Du schreibst, der Text sei politisch unkorrekt. Das finde ich vor allem in einer Beziehung, und zwar in Bezug auf den Pavian. Ich finde es nicht in Ordnung, dass dieses kluge Tier mit der Demonstration seines Hinterteils hier herabgewürdigt wird und herhalten muss, um dem Publikum eine Lektion zu erteilen. Da finde ich Hape Kerkelings "Hurz, das Lamm" schon eleganter, wenngleich auch er inhaltlich Animalisches verarbeitet, aber nicht in verunglimpfender Weise. Ja, man hat die Structures von Boulez als Katzenmusik bezeichnet, weil sie so beliebig klingen, als würde eine Katze übers Klavier steigen. Also, da gibt es schon Parallelen. Allerdings war die serielle Musik im Höchstmaß rational durchorganisiert, wie keine Musik im Abendland es je war, was man aber nicht hört.
Also, was ich sagen will: Man kann doch jeden Standpunkt vertreten. Kunst muss einem nicht gefallen und steht auch immer im Diskurs. Das hat sie immer getan. Es gibt genügend Kunstwerke der Vergangenheit, da muss man gar nicht nur auf die Moderne und Postmoderne fixiert sein, die zur Zeit der Entstehung nicht verstanden wurden. Bachs Kunst der Fuge, Beethovens späte Streichquartette. Da gibt es haufenweise Beispiele. Und da kann man auch jeden Standpunkt vertreten. Wobei ich sagen muss, dass mir eine unterhaltsame und ironische Art dabei am besten gefällt, wie es Kerkeling oder auch Loriot gemacht haben. Da kann man über diese bierernsten Fragen dann eben auch lachen. Und das befreit und tut gut und relativiert dann wieder die eigene, vielleicht oft zu moralinsauer vertretene Meinung.
Herzliche Grüße
rieger

 

Hallo Federstrich,

vielen Dank für deine Geschichte.

Ich bin ein absoluter Kunstbanause, wahrscheinlich würden weder Martin noch Verena viel von mir halten. Ich versuche trotzdem meine Eindrücke zu schildern.

Ich verstehe nicht, was der erste Abschnitt mit dem Rest der Geschichte zu tun hat. Würde es die Botschaft verändern, wenn du diesen weglässt?

Der junge Mann galt in der Kunstszene bald als übler Ignorant, Dummkopf und Banause, weil es ihm nicht gelang seine Ablehnung zu verbergen.

Du beschreibst sehr viel, aber mir bleiben die Figuren fern. Wie zeigt Martin sein Ablehnung? Diskutiert er? Beschimpft er die anderen Künstler? Putzt er das Klo? Anstatt die Auswüchse der modernen Kunst aufzuzählen, würde ich ihn vielleicht einen besonders krassen Moment mit Verena erleben lassen.

Was passiert als er auf den Käse an der Scheibe trifft? Lacht er? Schimpft er? Wie reagiert Verena? Schämt sie sich für Ihren Freund? Diskutiert sie?

Auch die Szene mit den nackten Mädchen und den Farbbeuteln find ich sehr nüchtern beschrieben. Die beiden trennen sich! Aber mir ist es ziemlich egal....

Der zweite Teil kommt mir dann sehr konstruiert vor, das sehe ich ähnlich wie rieger. Wie praktisch, dass Martin mal schnell zum neuen Stern am Virtuosenhimmel aufsteigt, bzw. der arme Affe, nur um sich dann rächen zu können. Und wieso sollten die Künstler empört sein, nur weil da ein Pavian spielt? Würde das nicht grade begeistern eben weil es so kontrovers ist?

Ich verstehe was du mit dieser Geschichte sagen willst, aber ich würde mir auf jeden Fall mehr Emotionen wünschen.

Viele Grüße und weiterhin viel Spaß,
Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Vielen Dank für eure Antworten. Da habt ihr mir ja viel zum Nachdenken aufgegeben. Doch vielleicht würde es bei eurer Beurteilung helfen, wenn ich euch sagte, das die Geschichte eine vorgegebene Länge nicht überschreiten durfte. Ich hatte also nicht viel Platz, um all das unterzubringen, worüber ich schreiben wollte. Und das Thema war im weitesten Sinne vorgegeben. Es ging um böse Geschichten, ohne Happy End, oder mit einer zweifelhaften moralischen Aussage, oder mit schwarzem Humor etc. ...

 

Hallo Federstrich,

ich habe in deinem Profil gelesen, dass du an einem halbfertigen Roman hängst.
Wenn ich mir vorstelle, dass der Schreibstil ein ähnlicher ist wie hier deine Kurzgeschichte, würde es wohl auf Romanlänge für mich sehr langweilig sein.

Der Hauptgrund liegt darin, dass du viel zu viel erzählst und die Personen zu wenig agieren läßt. Von außen wirken große Teile der Geschichte wie von einem Erzähler aus dem Off erzählt, aber nicht wie ein Theaterstück oder ein Film, wo man die Protagonisten tatsächlich etwas tun oder sagen sieht.

Mir fehlen hauptsächlich auch Dialoge.

Schau z.B. mal diesen Absatz:

Das würde ein sehr teures und berühmtes Gemälde werden. Die Kunstliebhaber und Mäzene konnten es gar nicht abwarten und boten bereits jetzt irrsinnige Summen, um dieses Bild zu erwerben.
Verena drängte ihren Freund, an diesem wunderbaren Schaffensprozess teilzunehmen und mit den jungen Mädchen Farbe auf die Leinwand zu werfen. Aber Martin weigerte sich voller Abscheu.
Doch auch seine Freundin war empört, wie konnte er es nur wagen, sich so abfällig gegen diese einzigartige Kunst zu stellen. Das war das Ende ihrer Beziehung, die beiden trennten sich in bitterem Streit.

Gerade fettmarkierten Zeilen sind für mich ein gutes Beispiel, wie man es nicht machen sollte.

"Jetzt komm', mach doch mit. Das ist doch lustig, die Farbbeutel zu schmeißen."
"Hast du sie noch alle? Meinst du, ich mache diesen Affenzirkus mit? Merkst du eigentlich gar nicht, dass es hier nicht mehr um Kunst, sondern nur noch um Kommerz geht?"
"Jetzt ist aber genug. Fredo Flor ist ein anerkannter Künstler und das hier ist eine wichtige Performance für ihn - schau mal, sogar ARTE filmt. Wie kannst du dich so aufspielen? Es bist du, der keine Ahnung hat."

usw.

Sieht du, was ich meine? Ich möchte viel näher am Geschehen sein.

Du hast geschrieben, dass du nur eine bestimmte Anzahl an Wörtern verwenden durftest. Damit beschneidest du dich doch selber, wenn du noch in der Findungsphase bist!
Du hast eine Geschichte im Kopf, die braucht Raum und Zeit und Wörter. Nun hast du sie durch eine distanzierte Erzählweise, die natürlich mehr Informationen in weniger Wörter bringt, dem guten Erzählen untergeordnet, nur, um die Anzahl der Worte nicht zu überschreiten.
Damti hast du eine derartige Langeweile für mich entwickelt, dass die Geschichte verloren hat, was die Umsetzung des Themas betrifft.

Schreiben kannst du gut, ich habe keinen Fehler entdeckt, also das Handwerkszeug ist ja gut gepflegt :).

Nun trau' dich mehr an die Protagonisten heran.

Inhaltlich - ja mei. Die Diskussion um die Kunst. Alt wie die Kunst selbst. Die Kurve zum Affen finde ich dann auch etwas fragwürdig, so wie rieger. Da wird die Pointe irgendwie hergezogen und mir wird auch nicht ganz klar, wieso er über mein Affe spricht.

Ich würde gerne mal eine Alltagsgeschichte von dir lesen. Satire ist auch immer schwer, so darzubieten, dass es dem Leser gefällt. Da haben viele Schwierigkeiten.

Liebe Grüße
bernadette

 
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"Jetzt komm', mach doch mit. Das ist doch lustig, die Farbbeutel zu schmeißen."
"Hast du sie noch alle? Meinst du, ich mache diesen Affenzirkus mit? Merkst du eigentlich gar nicht, dass es hier nicht mehr um Kunst, sondern nur noch um Kommerz geht?"
"Jetzt ist aber genug. Fredo Flor ist ein anerkannter Künstler und das hier ist eine wichtige Performance für ihn - schau mal, sogar ARTE filmt. Wie kannst du dich so aufspielen? Es bist du, der keine Ahnung hat."

Hallo bernadette,

die Zeilen, die du da geschrieben hast, gefallen mir sehr gut. Sie sind anschaulich und bildhaft geschrieben, es macht Spaß sie zu lesen und ich werde sie mir als Vorbild nehmen.

Aber eigentlich, bemühe ich mich schon, möglichst viele Dialoge und bildhafte Beschreibungen zu verwenden. Ich möchte meine Geschichten anschaulich machen, und nicht nur einen langweiligen Erzähler sprechen lassen. Genauso, wie du es beschrieben hast, möchte ich dadurch besser schreiben. Mein Roman ist, hoffentlich, so. In dieser Geschichte war meine Erzählweise vielleicht etwas anders, wegen des mangelnden Platzes und weil es mir auch so gefallen hat. Es macht mich betroffen, das du diese Geschichte deshalb, für ziemlich langweilig hältst. Vielleicht stelle ich ja mal so eine Geschichte ein, wie du es möchtest. Jedenfalls werde ich mich bemühen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Vielen Dank für deinen Beitrag.

Grüße von Federstrich

 

Es macht mich betroffen, das du diese Geschichte deshalb, für ziemlich langweilig hältst

Betroffen hört sich für mich sehr arg an. Ich hoffe, du kannst meine Bemerkungen einfach als "Tipp" für Zukünftiges verwenden und lässt dir dadurch jetzt nicht die Laune verderben :)

 

Hallo Federstrich,

nun bin ich auch dazugekommen, deine Geschichte zu lesen.

Über Geschmack lässt sich streiten. Über Kunst auch. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich von zeitgenössischer Kunst nicht viel verstehe und mir mit dem bekannten Poster manchmal die Frage stelle: "Ist das Kunst oder kann das weg?".
Dementsprechend finde ich deinen Ansatz witzig. Um die Aussage besser rüberzubringen, würde ich mich an deiner Stelle allerdings eher auf eine Kunstgattung, z. B. die Musik konzentrieren. So ergibt sich für Charaktere und Leser eine bessere Vergleichsgrundlage. Wenn du konkrete Beispiele gibst und dich etwas detaillierter mit den unverstandenen, kritisierten und gelobten Stücken auseinandersetzt, vermeidest du auch Klischeehaftigkeit.

Ich fände es außerdem wunderbar, wenn du den Konflikt darstellen könntest, ohne den Eindruck zu vermitteln, dass du Martins Standpunkt vertrittst. Deine Charaktere haben Vorlieben und Meinungen. Meiner Ansicht nach müsste es nicht so sehr darum gehen, zeitgenössische Kunst pauschal als großen Schwindel zu entlarven, sondern eher die Ahnungslosigkeit ihrer Fans und Gegner.
Martins Verständnislosigkeit führt zu einer Beziehungskrise und zu seinem Ausschluss aus einem bestimmten Freundeskreis. Am Ende wird hingegen offenbar, dass auch Vera und ihre Freunde nicht viel Ahnung haben. Gleichzeitig ist Martins Performance an sich wieder eine Art moderner Kunst und Gesellschaftskritik und revidiert so seine anfängliche Unbeholfenheit.

Stilistisch gefällt es mir nicht so gut, wenn Hauptsätze mit Kommas aneinandergereiht werden. Das ist aber Geschmackssache. Etwas, worüber sich streiten lässt. ;-)

Die Form eher distanzierten Erzählens finde ich persönlich hingegen sehr in Ordnung, denn sie passt zum Inhalt.

Lieben Gruß
Bellona

 
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Hallo bellona,

es freut mich, das du diese Geschichte gelesen hast.

Du hast da eine sehr schöne Analyse meiner Erzählung, und besonders der handelnden Personen, abgeliefert.

Es ist vollkommen richtig, das ich nicht so den Eindruck erwecken solte, als wäre Martins Standpunkt der einzig richtige. Ich sollte im Gegenteil der modernen Kunst eine bessere Chance geben. Verena müsste wenigstens einige Worte sprechen dürfen, um Martin ihren Standpunkt zu erklären.

Als Autor hätte ich in diesem Falle neutraler sein müssen. Und die Leser, welche die moderne Kunst schätzen, müßten ihre Meinung auch wiederfinden und sich mit dem Inhalt identifizieren können. Das könnte ich vielleicht noch ändern und verbessern, indem ich noch einigen Text hinzufüge. Doch ist nun einmal Martin der Hauptheld der Geschichte und deshalb habe ich hauptsächlich in seinem Sinne erzählt.

Ich habe mich aber bisher auch noch nicht viel mit Kunstkritik auseinandergesetzt, und so müsste ich erst einmal etwas darüber lesen, was denn die Experten und Fans denken, bevor ich ein vernünftiges und nachvollziehbares Urteil und Lob der modernen Kunst im Sinne Verenas einfügen könnte.

Vielen Dank jedenfalls für deinen Beitrag.

Grüße von Federstrich

 
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"e kunst kein gröszern feind pflegt zu han
dann denselbigen der sie nicht kann."
Grimmsches Wörterbuch, Stichwort "kunst"​

„Du siehst, warum die freien Künste [im Gegensatz zu den praktischen Künsten, Anm. v. mir] so genannt werden: weil sie eines freien Menschen würdig sind“, Seneca, zu dessen Zeit als freier Mann galt, der nicht zum Broterwerb arbeiten musste.

Die Brüder Grimm lassen sich im 11. Band ihres Wörterbuches (heute: Deutsches Wörterbuch, DWB) auf 20 Seiten über Herkunft und Bedeutung des Wortes "Kunst", ahd. "chunst", mhd. bereits verhärtet zu "kunst" aus, wo der Duden sich mit wenigen Zeilen begnügt. Tatsächlich kommt die Kunst vom Verb "können" und das ist in seiner binären Auslegung recht eindeutig: Entweder man kann etwas oder kann es eben nicht. Und wenn einer vor einem anerkannten Kunstwerk steht und behauptet, das könnte er auch,

lieber Federstrich -
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts -

dann sollte ers doch beweisen - und da könnte er durchaus in Deiner Geschichte mithalten. Oder? Was jeder kann, kann schwerlich den freien Künsten zugeschlagen werden. Was keine - um Deinen Titel zu kolportieren - Schwarzweißmalerei ist.

Und selbst eine Erscheinung wie Jeff Koons, der vor allem die Kunst des übers Ohr hauen versteht - scheint schon im frühen nhd. / in der frühen Neuzeit mit dem Zitat von "...der kunst, vor allem geld zu machen durch schelmerei" (http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GK16254#XGK16254) dagewesen zu sein. Also nichts Neues unterm weiten Himmelszelt, wo zwischen der brotlosen Kunst, dem Luxus, über die spaßige Kunst, sich mit Farbbeuteln zu beklexen, dem Kunsthandwerk und dem hand- und/oder kopfwerklichem Können unendliche Möglichkeiten liegen.

Atempause der Trivialitäten

..., unwillig blickte Martin auf; das war ein junges Mädchen. Sie grinste ihn an:...
Das Mädchen emanzipiert sich rasch bei Dir. Aber was soll das für eine Emanzipation der grammatischen Geschlechter sein? Der Niederländer kennt nur de (mask. + fem.) und het (neutr.), der Angelsachse gar nur "the" und doch gibt's auch da Ungleichheiten ... Gönn dem Mädchen - einer kleinen Magd, dem Mägdelein - doch "das" gramm. korrekte Geschlecht. Selbst wer so spricht, muss nicht also schreiben.

Der junge Mann galt in der Kunstszene bald als übler Ignorant, Dummkopf und Banause, weil es ihm nicht gelang[,] seine Ablehnung zu verbergen.
(Komma, wegen der Abhängigkeit der Infinitivgruppe von einem Substantiv) - wogegen hier
Dazu mussten halb nackte, bekleckste und verschmierte junge Mädchen, Farbbeutel auf eine große leere Leinwand schleudern.
nicht das zwote Komma eher entbehrlich?

Her fehlt m. E. was

Der junge Mann sah zu den fuchsteufelswilden Zuschauern.
ein "hin", evtl. je nach Lage zusammengesetzt mit "ab" oder "unter", eher weniger einem "auf".

Der olle Schiller nun ergänzt fast zwo Jahrtausende später den älteren Seneca, indem er in seinen Briefen zur ästhetischen Erziehung (ein Aufruf, nahe bei den Idealen der bürgerlichen Revolution von Gleichheit und Brüderlichkeit), dass der Mensch nur im Spiel frei sei. Und damit sind nicht Computerspiele gemeint, die durch ihre Programmierung nahe der Arbeitswelt liegen - wie ja auch die Freizeit ökonomisch durchrationalisiert wird zum Geschäft.

Ich hoffe, der Federstrich nimmt's federleicht, dass mir hier zur Satire der rechte Biss fehlt, der ja bei dem von einem Vorredner erwähnten Kerkeling Klassiker "Hurz" (https://www.youtube.com/watch?v=RAx0P-8n5K4) immer noch zubeißt ...

Gleichwohl, gern gelesen und es wird schon werden, wenn auch nicht federleicht,

meint der

Friedel,

der noch einen schönen Restsonntag wünscht!

 

Hallo Friedrichrard,

danke für deine Reflektionen über die Kunst. Ich bin eben kein großer Kunstkritiker, wenn ich mich auch hier an diesem Thema versucht habe.

Mit den Kommas habe ich es nicht so hundertprozentig, da überlege ich manchmal, wie es richtig ist.

Die Verwendung der richtigen Geschlechts werde ich üben, wenngleich das heute, bei manchen Leuten, etwas schwierig ist.

Satire ist eigentlich nicht mein Genre, es war mal eine Übung und nicht gleich die größte Meisterschaft zu erwarten.

Doch, wenn du meine Geschichte gern gelesen hast, so ist mein wichtigstes Ziel schon erreicht.

Viele Grüße Federstrich

 
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Nix zu danken,

liebe/r Federstrich,

bin auch kein Kunstkritiker, sondern eher einer des Gebarens, dass sich auf dem Kunstmarkt breitmacht (einen Namen, den Jeff Koons hab ich ja genannt, eher ein Geschäftsmann denn ein Künstler - und selbst die Bundesregierung ist auf seinen Kinds-oder Modekram reingefallen - hoffentlich nicht nur, weil's halt unter Milliarären chic ist - und hat buchstäblich Steuergelder verpulvert. Da kann die Kunstwelt sich nur wundern) und den Mechanismen des Tausches und der Täuschung unterliegt.

Aber

Mit den Kommas habe ich es nicht so hundertprozentig, da überlege ich manchmal, wie es richtig ist.
Es gibt im Internet (für irgendwas muss es ja nützlich sein außerhalb unseres kleinen Lagers der Wortkrieger) mehrere PDF-Dateien zu den Kommaregeln nach der Rechtschreibreform. Die beste scheint mir derzeit die der Uni Passau zu sein, als man die hoffentlich nur modische Rechtschreibschwäche der neuen Generationen der Studierenden feststellte. Also mein Tipp: http://www.phil.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/lehrstuehle/mueller/Kommaregeln.pdfherunterladen, verknüpfen und im Not- oder Zweifelfall anklicken und schau'n, was zutrifft.

Die Verwendung der richtigen Geschlechts werde ich üben, wenngleich das heute, bei manchen Leuten, etwas schwierig ist.

Ich sehe, wir verstehn uns und bis zur Satire über die Ehe für alle und alles (Kinder!) kann's ja sprachlich nicht mehr weit sein. Ich würde bevorzugt meinen Lieblingsköter heiraten. Leider ist der seit 2008 auf Wolke neun/cloud nine - je nach Standort, ohne zu frohlocken und "Luja" zu singen und sagen.

Satire zielt nicht nur auf Politik oder gesellschaftliche Zustände. Sprachgebaren schreit derzeit danach! Und das ist wahrlich ein weites Feld!

Und weil "Federstrich" gramm. (aufgrund - kann's eigentlich anders sein? - des Strichs) männlich ist, wüsst' ich gerne nach einigen stilistischen Zweifeln ob "der" nicht Tarnung ist ... der korrekten Ansprache halber, denn die leichte Feder wohnt ja nicht weit vom federstrich.

Tschüss

Friedel

 

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