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Schweigen

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05.07.2020
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Schweigen

Wenn wir uns im Treppenhaus begegnen, sage ich: „Hallo!“ Ich sage: „Guten Morgen!“, oder sage: „Abend!“ Sie schaut mich nicht an. Grüßt nicht. Sagt nie etwas. Manchmal, wenn ich unten am Briefkasten stehen bleibe, um nach der Post zu sehen, höre ich, wie sie ihre Schlüssel hervorkramt. Wie sie einen Moment abwartet, bevor sie den Schlüssel ins Schloss steckt, öffnet und die Tür hinter sich schließt.

Die Fenster in meiner Wohnung sind schlecht isoliert und die Heizung funktioniert nicht gut. Man muss lüften, sonst schimmelt es sofort. Sechziger- oder Siebzigerjahre-Bau. Manchmal fällt im Treppenhaus das Licht aus. Dann muss man abwarten, bis die Hausverwaltung jemanden schickt. Dafür ist die Miete in Ordnung und ab und an ein bisschen Dunkelheit kann ich verkraften. Nur die Wände und Decken, die sind ziemlich dünn.

Manchmal denke ich daran, nach oben zu gehen. Überlege, zu klingeln. Einmal hatte ich sogar schon meine Schuhe an. Ich stand in meinem Flur, mein Herz schlug schnell und ich sah mich in dem kleinen Spiegel, den ich neben das Schuhregal gehängt hatte. Irgendwann hab ich die Schuhe wieder ausgezogen. Hab Musik angemacht. Wieder ausgemacht. Am Küchenfenster Zigarette geraucht und den Kids auf dem Hof beim Kicken zugesehen.

Gerade eben sind wir uns wieder auf der Treppe begegnet. Für einen kurzen Moment hat sie mich angeschaut und ich konnte ihr blaues Auge sehen. Eigentlich ist es eher grünlich-gelb. Dann war sie auch schon an mir vorbei auf dem Weg nach oben. Gegrüßt habe ich nicht.

 

Wenn wir uns im Treppenhaus begegnen, sage ich höflich: „Hallo.“ Ich sage: „Guten Morgen“, oder sage: „Abend.“ Manchmal hebe ich auch die Hand. Sie sagt nie etwas

Bei der Kürze muss alles passen. Ich würde das noch eindampfen.

Wenn wir uns im Treppenhaus begegnen, sagt sie nie etwas.

Da steckt das im Grunde alles schon drin. Das ist ein wenig die Kunst beim Verkürzen, dass man nicht einfach nur Worte wegstreicht, sondern die Stimmung komprimiert. Also verdichten, so dass mehrere Schichten der Erzählung näher aneinanderrücken: ist etwas umständlich ausgedrückt, aber du weißt, was ich meine.

Manchmal, wenn ich unten am Briefkasten stehen bleibe, um nach meiner Post zu sehen, höre ich, wie sie ihre Schlüssel hervorkramt.
Jedes Wort bekommt eine Bedeutung. Manchmal; intendiert nicht immer. Er muss sie dazu aber schon öfter gehört haben. Nur manchmal hört er sie eben. Warum wird das jetzt in dieser Erzählung wichtig? Wenn er sie fragen will, wenn er nachher darüber nachdenkt, ob er nicht einmal nach oben geht und klopft oder klingelt, dann ist sie ihm wichtig. Müsste es dann nicht so sein, dass er jedes Mal unten am Briefkasten wartet, bis sie den Schlüssel hervorgekramt hat? Und wie oft sehen sie sich denn dann überhaupt? Also er geht runter, sie kommt hoch, er wartet am Briefkasten, wie oft verpassen die sich da? Demnach müssten diese Momente ja etwas Besonderes sein: das würde ich vielleicht noch betonen.
Manchmal fällt im Treppenhaus das Licht aus. Dann muss man abwarten, bis die Hausverwaltung jemanden schickt. Dafür ist die Miete in Ordnung und ab und an ein bisschen Dunkelheit kann ich verkraften. Nur die Wände und Decken, die sind ziemlich dünn. Man hört einander.
Schon wieder; manchmal. Ich weiß, es ist verführerisch, weil es auch vergehende Zeit impliziert, aber ich wäre da vorsichtig mit, vor allem auf die Kürze. Vielleicht: oft. Oft fällt im Treppenhaus das Licht aus. Die Wände und Decken sind dünn.
Ah!
Da ist Transferleistung vom Leser erforderlich. Er hört sie. Er hört, was oben in der Wohnung geschieht. Was kann das sein, was ist es? So wird das Geheimnis angedeutet, aber es wird nichts verraten.
Manchmal denke ich daran, nach oben zu gehen. Überlege zu klingeln. Einmal hatte ich sogar schon meine Schuhe an. Aber dann war es plötzlich wieder ganz still. Ich stand in meinem Flur, wartete und lauschte. Mein Herz schlug schnell und ich sah mich in dem kleinen Spiegel, den ich neben das Schuhregal gehängt hatte. Ich kam mir bescheuert vor. Da war nichts mehr. Irgendwann hab ich meine Schuhe wieder ausgezogen. Ganz langsam. Wusste nichts mit mir anzufangen. Hab Musik angemacht. Schnell wieder ausgemacht. Am Küchenfenster Zigarette geraucht und den Kids auf dem Hof beim Kicken zugesehen.
Hier wäre ich sehr radikal: Einmal hatte ich sogar schon meine Schuhe an. Mein Herz schlug schneller und ich sah mich in dem kleinen Spiegel, den ich neben das Schuhregal gehängt hatte. Irgendwann hab ich meine Schuhe wieder ausgezogen. Am Küchenfenster Zigarette geraucht und den Kids auf dem Hof beim Kicken zugesehen.

Keine Regung verraten! Ich denke, das wirkt dann einfach mehr, verlorener, tiefer, intensiver.

Gerade eben sind wir uns wieder auf der Treppe begegnet. Sie hat ein blaues Auge.
Das ist ja der Kern, diese Gewalt, der Mißbrauch, und wie er damit umgeht. Da würde ich nicht so mit der Tür ins Haus fallen. Sie schweigt ja, er schweigt aber auch. Im Grunde wissen es aber beide, oder sie müssten es wissen: jeder weiß hier über den anderen Bescheid. Du müsstest es nun so hinkriegen, dass du den Leser quasi zum Komplizen machst; also der Leser muss stellvertretend mitfühlen, in welchem Zwiespalt sich der Erzähler befindet. Vielleicht sogar erlebte Rede: Ich bleibe stehen, sehe sie an, sehe was passiert ist, was ihr passiert ist, und sie erwidert meinen Blick für einen kurzen Moment, doch dann geht sie weiter. Sie weiß, ich kann nichts tun, und ich weiß es auch. Nur so in die Tonne gesprochen das jetzt. Dass du etwas mehr drumherumschleichst, es verrätseltst, aber eben nicht zu sehr. Ich denke, das wirkt nachhaltiger.

Gruss, Jimmy

 

Manchmal fällt im Treppenhaus das Licht aus. Dann muss man abwarten, bis die Hausverwaltung jemanden schickt. Dafür ist die Miete in Ordnung und ab und an ein bisschen Dunkelheit kann ich verkraften. Nur die Wände und Decken, die sind ziemlich dünn. Man hört einander.
Mögliche Lesart: wenn die Wände dicker wären, müsste ich nichts hören?? Und: warten auf die Hausverwaltung=warten auf Hilfe??
Ich kam mir bescheuert vor. Da war nichts mehr. Irgendwann hab ich meine Schuhe wieder ausgezogen. Ganz langsam. Wusste nichts mit mir anzufangen. Hab Musik angemacht. Schnell wieder ausgemacht. Am Küchenfenster Zigarette geraucht und den Kids auf dem Hof beim Kicken zugesehe
Ich möchte deinem Protagonisten gerne sagen: Geh doch endlich hoch, du unentschlossener Typ, oder willst du so lange warten wie auf die Hausverwaltung?
Scghöner Text, kurz und berührend.
Viele Grüße,
Jutta

 

Hallo @AWM und @jimmysalaryman. Danke euch für eure Kommentare und eure guten Anmerkungen!

Würde ich streichen. Da steckt für mich keine Information drin, mit der ich etwas anfangen kann.
Ja, sehe ich ein. Den braucht es nicht. Vermutlich habe ich, weil der Text sowieso schon so kurz ist, unnötigerweise versucht zu strecken. Fliegt raus.

Das finde ich unnötig und würde es streichen.
Hmm, ich habe gedacht, dass es ansonsten nicht so ganz klar wird und es deswegen diesen kurzen Satz braucht. Andererseits ist das direkt im nächsten Absatz eigentlich auch schon wieder überflüssig. Ich werde es streichen.

Das ist ein wenig die Kunst beim Verkürzen, dass man nicht einfach nur Worte wegstreicht, sondern die Stimmung komprimiert. Also verdichten, so dass mehrere Schichten der Erzählung näher aneinanderrücken: ist etwas umständlich ausgedrückt, aber du weißt, was ich meine.
Ja, ich denke, dass ich weiß, was du meinst. Nur die Umsetzung ist natürlich nicht so einfach. Eure Anmerkungen helfen aber schon mal.

Jedes Wort bekommt eine Bedeutung. Manchmal; intendiert nicht immer. Er muss sie dazu aber schon öfter gehört haben. Nur manchmal hört er sie eben. Warum wird das jetzt in dieser Erzählung wichtig? Wenn er sie fragen will, wenn er nachher darüber nachdenkt, ob er nicht einmal nach oben geht und klopft oder klingelt, dann ist sie ihm wichtig. Müsste es dann nicht so sein, dass er jedes Mal unten am Briefkasten wartet, bis sie den Schlüssel hervorgekramt hat? Und wie oft sehen sie sich denn dann überhaupt? Also er geht runter, sie kommt hoch, er wartet am Briefkasten, wie oft verpassen die sich da? Demnach müssten diese Momente ja etwas Besonderes sein: das würde ich vielleicht noch betonen.
Ich verstehe deinen Punkt. Meine Überlegung war Folgende: Ich dachte zum einen, dass er ja eben nicht jedes Mal stehen bleibt, um zu hören, wie sie in ihrer Wohnung verschwindet. Sondern, dass er stehen bleibt, um seine Post zu holen und es eben dann mitbekommt. Weil, wenn er jedes Mal stehen bleiben würde, also aktiv, um zu hören, wie sie sich verhält, dann glaube ich, dass der Druck (vlt. falsches Wort) jetzt dann doch mal zu Handeln zu groß wäre und er tatsächlich irgendwann nach oben gehen würde. Das tut er aber ja nicht. Eben auch, weil er ein Feigling ist. Und eben deshalb bleibt er nicht immer stehen, sondern nur manchmal, wenn es sich ergibt.
Zum anderen ging es mir um diese Wiederholung als Stilmittel. Manchmal wiederholt sich ja immer wieder im Text. Manchmal hebt er die Hand zum Gruß, manchmal trifft er sie auf der Treppe, manchmal überlegt er, nach oben zu gehen. Ich dachte, dass es sprachlich einfach gut passt. Aber ich werde mir darüber noch mal Gedanken machen.

Ah! Da ist Transferleistung vom Leser erforderlich. Er hört sie. Er hört, was oben in der Wohnung geschieht. Was kann das sein, was ist es? So wird das Geheimnis angedeutet, aber es wird nichts verraten.
Ja, das hatte auch @AWM angemerkt. Und ich sehe es ein. Die Stelle braucht es nicht so explizit ausformuliert mit dem Man hört einander.

Keine Regung verraten! Ich denke, das wirkt dann einfach mehr, verlorener, tiefer, intensiver.
Ja, macht Sinn. Werde ich übernehmen. Dachte, ich muss es irgendwie erklären, irgendwie nachvollziehbar machen, aber du hast recht. Das nimmt Intensität und schwächt die Situation ab. Danke dir!

Ich bleibe stehen, sehe sie an, sehe was passiert ist, was ihr passiert ist, und sie erwidert meinen Blick für einen kurzen Moment, doch dann geht sie weiter. Sie weiß, ich kann nichts tun, und ich weiß es auch. Nur so in die Tonne gesprochen das jetzt. Dass du etwas mehr drumherumschleichst, es verrätseltst, aber eben nicht zu sehr. Ich denke, das wirkt nachhaltiger.
Ja, tatsächlich habe ich hier überlegt, entweder die Situation umzudrehen und ihn schweigen zu lassen und sie sprechen zu lasse. Das fand ich dann aber recht unpassend. Dann hab ich darüber nachgedacht, dass sie ihn anschaut, ihm also noch mal das Gefühl bestätigt, dass er nichts tut, obwohl sie natürlich auch weiß, dass er weiß, dass sie in der Wohnung über ihm geschlagen wird. Dann wusste ich aber nicht so richtig, wie ich das umsetzen kann und wollte erst mal schauen, ob der Text überhaupt funktioniert und wie so die Reaktionen auch auf das Ende sind. Ich werd mir da noch mal den Kopf zerbrechen, wie ich das hier besser lösen kann.

Grüße Habentus

 

Hallo @Jutta Ouwens und danke auch dir für deinen Kommentar!

Ich möchte deinem Protagonisten gerne sagen: Geh doch endlich hoch, du unentschlossener Typ, oder willst du so lange warten wie auf die Hausverwaltung?
Tja, das würde ich auch gerne. Aber ich fürchte, dass da ehrlich gesagt, wenig zu machen ist.
Scghöner Text, kurz und berührend.
Freut mich sehr, dass der Text bei dir funktioniert!

Viele Grüße
Habentus

 

Hallo @AWM @jimmysalaryman und @Jutta Ouwens ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich euch noch mal antagge. Ich habe viele eurer Vorschläge eingebaut, den ohnehin schon kurzen Text weiter gekürzt und, wie ich finde, auf das Wesentliche reduziert. Die Wiederholung mit manchmal habe ich zunächst noch dringelassen, da bin ich noch unsicher. Das Ende habe ich angepasst. Ich denke, dass es jetzt besser funktioniert. Wenn ihr möchtet, sagt mir doch gerne, wie ihr es seht.

Viele Grüße
Habentus

 

Hallo Habentus,
da hast du echt was rausgekürzt! Mir fehlt an der Stelle...nur die Wände und Decken, die sind ziemlich dünn..., und dem folgenden Satz ...Manchmal denke ich daran, nach oben zu gehen.., eine Verbindung. Bis jetzt hat er nur gehört, dass oben die Tür geschlossen wird, warum soll er nach oben gehen? Zum Schluss kommt das blaue Auge, das ist die Erklkärung, aber mir fehlt einfach eine winzige menschliche Begegnung.
Ansonsten gefallen mir kurze Kurzgeschichten, so auch deine, die aber nicht noch kürzer werden sollte!
Gruß,
Jutta

 

Für einen kurzen Moment hat sie mich angeschaut und ich konnte ihr blaues Auge sehen. Eigentlich ist es eher grünlich-gelb. Dann war sie auch schon an mir vorbei auf dem Weg nach oben. Gegrüßt habe ich nicht.

Hast dich was getraut. Mir ist was noch mal eine Sache aufgefallen, wie du da einen Dreh vielleicht reinkriegst. Wenn er denkt: Eigentlich ist ihr Auge eher grünlich-gelb als blau. Dann sagst du nicht frontal: Sie hat ein blaues Auge, oder Ich sehe ihr blaues Auge. Du sagst dann quasi, sie hat ein blaues Auge ohne zu sagen, sie hat ein blaues Auge, weißt du, wie ich das meine? Klingt etwas seltsam, aber ich hoffe, es kommt rüber. Der Leser braucht einen Moment, es schlingelt sich erst so ins Bewußtsein, und dann hast du im letzten Absatz den Punch reingebracht. Damit geht der Leser dann ja raus.

Finde ich jedenfalls so besser, wie vorher, den Text, hast gut was gemacht und ist dir sicherlich nicht leicht gefallen, weil man nie genau weiß, wie so was ankommt: deswegen liebe ich ja das Forum, weil du da einfach was testen kannst und schaust, wie und ob es funktioniert. Das ist viel wert. Es gibt da ja auch kein richtig oder falsch, sondern nur ein Bauchgefühl.

Gruss, Jimmy

 

Nabend @Habentus,

ich befürchte, die meisten von uns kennen dieses Schweigen. Das über kurz oder lang mit Scham verbunden ist, einem zunehmend drückenden Gewissen, dass bei einigen dann schlechte Laune hervorruft. Zwei Vorschläge:

Sie sagt nie etwas
Sie antwortet nie. (ein Vorschlag)
wenn ich unten am Briefkasten stehen bleibe, um nach meiner Post zu sehen
... um nach der Post zu sehen (weil in deinem Briefkasten ist meist deine Post)

Trotz der Kürze, bringt es den Moment unseres Versuches, die Welt zu retten - samt kläglichem Scheitern - auf den Punkt. Wir erfahren weder Genaues über die Geschlagene noch über die Protagonistin. Wir erfahren dafür mehr über uns - oder werden an das erinnert, was wir versäumt haben; und noch versäumen werden.

Angst, Unsicherheit, Selbstzweifel. Harte Gegner einer besseren Welt.

Ich finde die kleine Geschichte gelungen. Hab sie gerne gelesen. Auch mehrmals.

Grüße
Morphin

 

Hallo @Habentus
Die hoch gepriesene Zivilcourage. Die unmittelbar vor der eigenen Tür die Hand ausstreckt, diese dann zu ergreifen – gar nicht so einfach.

Hast du schön im Twist verpackt, bin ich doch erst auf der Romantikschiene angefahren. Doch oh weh, Sackgasse. Häussliche Gewalt ist so ziemlich das Gegenteil davon.

Fein gezeichnet und nachbearbeitet, hat mir gut gefallen.
Gruss dot

 

Hallo @Jutta Ouwens @jimmysalaryman @Morphin und @dotslash für eure Kommentare! Entschuldigt die etwas verspätete Antwort.

Mir fehlt an der Stelle...nur die Wände und Decken, die sind ziemlich dünn..., und dem folgenden Satz ...Manchmal denke ich daran, nach oben zu gehen.., eine Verbindung. Bis jetzt hat er nur gehört, dass oben die Tür geschlossen wird, warum soll er nach oben gehen? Zum Schluss kommt das blaue Auge, das ist die Erklkärung, aber mir fehlt einfach eine winzige menschliche Begegnung.
Ja, das kann ich verstehen. So ging es mir beim Schreiben auch. Deswegen hatte ich die Stelle auch überhaupt eingebaut. Ich hatte das Gefühl, dass es da einen Hinweis braucht. Aber sowohl AWM als auch Jimmy meinten, dass es für sie diese Stelle gar nicht bräuchte, dass es im Gegenteil sogar ohne stärker wirken würde. Und ich muss sagen, dass ich es ohne diesen direkten Hinweis auch besser finde. Denn dadurch kommt das um was es eigentlich geht, eigentlich erst am Ende raus. So ging es ja auch dotlash. Von daher werde ich die Stelle nun weglassen.
Mir ist was noch mal eine Sache aufgefallen, wie du da einen Dreh vielleicht reinkriegst. Wenn er denkt: Eigentlich ist ihr Auge eher grünlich-gelb als blau. Dann sagst du nicht frontal: Sie hat ein blaues Auge, oder Ich sehe ihr blaues Auge. Du sagst dann quasi, sie hat ein blaues Auge ohne zu sagen, sie hat ein blaues Auge, weißt du, wie ich das meine?
Ich bin auch noch am Überlegen, ob ich das Ende noch ein wenig besser hinbekommen kann. Ich werd mir da noch mal ein paar Gedanken einbauen und vlt. in deine Richtung etwas verändern.
deswegen liebe ich ja das Forum, weil du da einfach was testen kannst und schaust, wie und ob es funktioniert.
Geht mir tatsächlich ganz genauso und ich muss sagen, dass ich hier deshalb auch schon wirklich einiges mitnehmen konnte!

ich befürchte, die meisten von uns kennen dieses Schweigen. Das über kurz oder lang mit Scham verbunden ist, einem zunehmend drückenden Gewissen, dass bei einigen dann schlechte Laune hervorruft
Ja, das kennen wohl die allermeisten. Die Frage ist, wie damit umgehen? Gedanklich wegpacken, so gut es eben geht? Oder die Kraft haben und sich auseinandersetzen? Schwierig ...

Sie antwortet nie. (ein Vorschlag)
Ich finde die Wiederholung mit sagte zu Beginn eigentlich ganz gut. Dachte, dass das irgendwie hervorsticht. Ich werde es erst mal so lassen.
... um nach der Post zu sehen (weil in deinem Briefkasten ist meist deine Post)
ja, das macht Sinn! Werde ich so übernehmen.
Ich finde die kleine Geschichte gelungen. Hab sie gerne gelesen. Auch mehrmals.
Danke dir! Freut mich wirklich sehr

Hast du schön im Twist verpackt, bin ich doch erst auf der Romantikschiene angefahren. Doch oh weh, Sackgasse. Häussliche Gewalt ist so ziemlich das Gegenteil davon. Fein gezeichnet und nachbearbeitet, hat mir gut gefallen.
Hallo @dotslash freut mich, dass auch dir der Text gefallen hat! Und noch mehr freut es mich, dass du tatsächlich erst gegen Ende bemerkt hast, um welches Thema es sich dreht. Denn das gibt mir wiederum die Rückmeldung, dass es richtig war, die Andeutung, die vorher im Text war, herauszunehmen :)

Danke euch allen für eure Zeit und eure Kommentare!
Viele Grüße
Habentus

 

Ja, da ist das Prinzip „Dichtung“ jenseits der Partizipbildung „Gedicht“ verwirklicht, wie sie noch im althochdeutschen „tihton“ (das h ist da mutmaßlich [es gibt ja keine lautlichen Belege] kein Dehnungs-h, sondern bis an die Grenze des Neuhochdeutschen unser Reibelaut ch), die Betonung liegt auf der zwoten Silbe, dem heutigen „Ton“ und „besungen“ wird das „Schweigen“.

Eine „beredte“ Schriftform hastu da gewählt,

Habentus,
(kann man jemand, der den "Hausfrieden" stört, noch "lieb" nennen? ...)

die – wenn denn Deinem weniger lyrischen als berichtenden Ich (wie überhaupt den meisten Nachbarn) es an Zivilcourage fehlt oder – ich umschreib es mal – den Ohnemichel und dem es-geht- mich-nix-an Standpunkt im Kleinen wie im Großen. Warum nicht den literarischen „Brandbeschleuniger“ Ellipse nutzen, als nur das eine Mal

ÜberlegeKOMMA zu klingeln.

Unbedeutende Kleinigkeiten bei diesem Thema, wie hier in den Satzabschlüssen

..., sage ich: „Hallo.“ Ich sage: „Guten Morgen“, oder sage: „Abend.“ S
wo das Ausrufezeichen, das ja nebenbei gleichermaßen Aufforderung (extrem „Befehl“) Wunsch optisch schon verstärken soll.

Kann man da getrost "gern gelesen" behaupten?,

fragt sich der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus ,

manchmal merke ich, dass ich seit fast 15 Jahren im Ausland wohne. Ich lese deinen Text und denke: Wie, das gegenseitige Ignorieren von Nachbarn wird in einer KG zum Thema gemacht? Das ist in Finnland die absolute Norm. Kann sein, dass man schief angeschaut wird, wenn man im Treppenhaus 'hallo' sagt, kann sein, dass der andere auch weiterhin nix sagt oder es kommt auch mal alle Jubeljahre vor, dass tatsächlich jemand reagiert - sogar als erstes grüßt. Das ist alles nicht unfreundlich gemeint, sondern respektiert, dass das Gegenüber vielleicht grad eigenen Gedanken nachhängt, innerlich noch nicht oder schon in den eigenen vier Wänden ist, wo man nicht gestört werden will. Ich hab also völlig falsche Voraussetzungen, in deinen Text einzusteigen *gn*.

Dann hab ich aber - durch den Tonfall des Icherzählers wie auch seine Perspektive, also nicht mehr durch meine Auslandssicht - das eine blaue Auge einfach als unterschiedliche Augenfarben (wie bei Bowie) gelesen. Sogar nach der Selbst-Korrektur des Erzählers, weil ich Leute kenne, die grüne Augen mit Bernsteinsprengseln haben. Weil alles auf ein heimliches Verknalltsein mit Aussicht auf mögliches Stalking angelegt ist. Dass es um eine Gewaltbeziehung geht und der Erzähler sich da quasi mitschuldig macht, las ich erst in den Komms.
Okay, im Nachhinein kann ich sagen, dass ein Hämatom logischer gewesen wäre als zwei verschiedene Augenfarben, aber ich erwähne das mal.

Der Text funzt imA trotzdem nicht, in mehrfacher Hinsicht. Mit einem Icherzähler, der ja sehr gut weiß, was da abgeht und was er da macht (wird ja auch im letzten Satz deutlich), musst du den Leser anlügen, um eine Pointe schreiben zu können.
Das ist ja kein unzuverlässiger Erzähler, der selbst nicht sicher ist bzw. keine Möglichkeit hat, die Tatsachen zu erkennen. Ich werde einfach nicht gern vom Autor angelogen, weil mir das keine Möglichkeit gibt, mich intellektuell-emotional im Text zu engagieren - oder ich hab mich engagiert und dann heisst es Ätschibätschi, hast du dich aufs Glatteis führen lassen! Was soll das? Zudem: Häusliche Gewalt als Pointe, nuja.

Nehme ich den Text wie er ist, klappt es auch nicht: Dann bleibt eine Aussage. "Gewalt gegen Lebenspartner / Frauen ist scheiße." Äh ja, soweit war ich auch schon. Weggucken ist ebenso scheiße (außer, man kommt an einem Unfall vorbei, selbstverständlich). Auch das finde ich nicht so weltbewegend neu. Wenn ein Text also eine 'Moral von der Geschicht' an den Leser bringt, sollte es imA etwas sein, dass man sich nicht selbst denken kann, sondern etwas wirklich Interessantes, das man so noch nie hat betrachten können.

Ich denke, ein Icherzähler ist für das Thema / den Plot die ungünstigste Wahl. Du hast ja eigentlich einen Konflikt (in dem sich der Erzähler doch sehen muss, denn er ist nicht so geistig minderbemittelt oder naiv, als dass er nicht weiß, was Sache ist), aber den - das eigentlich Interessante, Komplexe - erzählst du gar nicht. Du erzählst - um deine Pointe anbringen zu können - nix von den Kämpfen, die er mit sich führen wird, wenn er da "was" durch die dünnen Wände hört. Hat er Herzrasen, hat er Angst, der Schläger bedrohe ihn, wenn er denen die Polizei in die Wohnung ruft? Hat er Angst, die Frau bekäme noch mehr Schläge? Wie rechtfertigt er seine Untätigkeit in den akuten Situationen vor sich selbst? Hat er selbst Gewalterfahrungen gemacht und das lähmt ihn? Das ist doch der Konflikt im Text.

Da würde ich raten, die Pointe rauszunehmen und genau das auszuerzählen - eben mit einer Innensicht, die einem Icherzähler angemessen ist. Oder du willst deine Leser verarschen (ich frag nochmal: Zu welchem Zweck eigentlich?), dann wäre ein neutraler, auktorialer Erzähler besser, der nicht in den Kopf des Prota schauen kann und alles so interpretieren muss, wie es sich gerade entwickelt. (Wobei - ganz haut das auch nicht hin. Wie ich es drehe und wende, es funzt für mich nicht, den Leser mit dieser Romantikandeutung hinters Licht zu führen und dann das Thema zu ändern.)

Kleinkram:

Sie sagt nie etwas. Grüßt nicht. Schaut mich nicht an.
Das ist die falsche Reihung. Wenn du schon sagst, dass sie nicht spricht, ist es logisch, dass sie auch nicht grüßt. Lieber gegendrehen, wenn du es als Steigerung haben willst.
Manchmal, wenn ich unten am Briefkasten stehen bleibe, um nach der Post zu sehen, höre ich, wie sie ihre Schlüssel hervorkramt.
Da ich an dieser Stelle nicht weiß, wo sie steht (ob sie noch draußen vorm Haus oder schon oben vor der Wohnung steht oder noch Treppe steigt ...). Das kommt seltsam, weil - wenn sie nach Hause kommt, und das soll es ja wohl bedeuten - sie doch an ihm vorbeigegangen sein muss - das aber erwähnt er an der Stelle nicht. Vielleicht hab ich auch nur einen Knick in der Optik.

Hier ist noch ein Reihungsproblem. Ich finde eh, dass dieser Absatz auf 50% gekürzt werden könnte, a) ist es total auffällig, dass du etwas vorbereitest und b) wirkt der Erzähler seltsam unverständig, als wären das ungeheuer komplizierte Sachverhalte, die er sich erst mal selbst erklären müsste. Von der Reihung her mit den implizierten abers, besser als Negatives -> Positives. Du wechselst hier noch:

Die Fenster in meiner Wohnung sind schlecht isoliert und die Heizung funktioniert auch nicht gut.
Dafür ist die Miete in Ordnung und ab und an ein bisschen Dunkelheit kann ich verkraften.
Nur die Wände und Decken, die sind ziemlich dünn.
Lieber: Die Wände sind dünn, es zieht durch die Fenster, die Heizung heizt nicht richtig, aber dafür ist die Miete niedrig [kennst du eigentlich meine Wohnung, sag mal?
:D
]
Dann geht der Leser mit der Idee raus, dass der Prota ganz zufrieden mit dem Deal ist - und das wäre eher in deinem Sinne, dass du verschleierst, was die dünnen Wände da eigentlich für eine Bedeutung haben, implizieren. (Wie gesagt, es ergibt imA keinen Sinn, das zu verschleiern.)
Manchmal denke ich daran, nach oben zu gehen. Überlege zu klingeln. Einmal hatte ich sogar schon meine Schuhe an. Ich stand in meinem Flur, mein Herz schlug schnell und ich sah mich in dem kleinen Spiegel, den ich neben das Schuhregal gehängt hatte. Irgendwann hab ich die Schuhe wieder ausgezogen. Hab Musik angemacht. Wieder ausgemacht. Am Küchenfenster Zigarette geraucht und den Kids auf dem Hof beim Kicken zugesehen.
Das ist alles bissl auf nachdenklich-poetisch-deep gebürstet, aber so verpeilt oder so verdrängend kann dein Prota gar nicht drauf sein. Das ist also eine platte, dreiste Lüge des Icherzählers - eigentlich sogar mehr die des Autors. Das ist imA die vollkommen falsche Anwendung von show, don't tell. Denn wenn du den Erzähler so reflektieren lässt, würde er auch über anderes reflektieren - das, was dem Leser verriete, worum es geht. So kann man das nur lösen, wenn man keine Icherzähler nimmt.
Gegrüßt habe ich nicht.
Das finde ich ein sehr schwaches Ende, denn hier greifst du noch mal auf die vorgegebene Naivität / Unwissen zurück, die ja faktisch nicht besteht. Dann hattest du deine Pointe - for good or worse - und machst so weiter, als gäbe es die gar nicht. Und dazu stellst du als Autor deinen Erzähler bloß, das finde ich - auf die falsche Art - unangenehm.

Ich denke, dass der Text nix über Gewalt oder die Untätigkeit von Zeugen aussagt. Er sagt: Hey, das passiert in der Welt. Klar passiert das, aber das dürfte jedem bekannt sein. Willst du eine Aussage gegen häusliche Gewalt - oder das Wegschauen Unbeteiligter - treffen, müsstest du tatsächlich davon erzählen, das erlebbar machen, also genau in die Konflikte, Emotionen des Protas / Erzählers reingehen, bis es wehtut.

Meine 5 Cent. Ich wünsche dir einen schönen Start ins Wochenende, herzlichst,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Rob F @Friedrichard und @Katla und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

ein kurzer und inhaltlich stimmiger Text. Die Wohnsituation und der Konflikt des Erzählers, sein fehlender Mut, werden trotz der Kürze deutlich.
freut mich natürlich, dass der Text bei dir funktioniert!

ggf. nur "stehe" ?
Mmh, ich habe stehen bleibe genommen, weil es mir ja darum geht, dass er eben stehen bleibt um nach der Post zu sehen. Er steht nicht da und wartet darauf, was er so von oben hört. Weiß nicht, ob rauskommt, was ich meine?

"funktioniert auch nicht" bezieht sich ja auf die zuvor erwähnten schlecht isolierten Fenster, da passt also mE das Wort "funktioniert" nicht so ganz.
Also eigentlich bezieht es sich ja auf die Heizung und die Aufzählung. Aber du hast schon recht, irgendwas passt da nicht. Ich werde das auch rausnehmen. Dann passt es, glaube ich.

Hier wechselt du in die Gegenwart, ist das Absicht?
Ja, weil ich davon geschrieben habe, dass er sie ja kurz vorher trifft. Das Auge hat also noch immer diese Färbung. Glaube, dann geht das so schon oder?

Zu Beginn verwendest du mehrfach "sagen", aber wahrscheinlich hast du es bewusst so geschrieben?
Genau, ich fand, dass das sich irgendwie ganz stimmig liest. Bist aber auch nicht der Einzige, dem das aufgefallen ist. Ich überlege noch mal, ob ich es rausnehme.

Danke für deinen Kommentar!


wo das Ausrufezeichen, das ja nebenbei gleichermaßen Aufforderung (extrem „Befehl“) Wunsch optisch schon verstärken soll
Werde ich ändern!

Kann man da getrost "gern gelesen" behaupten?,
Ich finde (unabhängig vom Thema) schon
:)

Danke dir für deine klitzekleine Flusenlese und Rückmeldung!

Der Text funzt imA trotzdem nicht, in mehrfacher Hinsicht.
Ach @Katla jetzt habe ich mich gerade mit der jetzigen Fassung angefreundet und fand die eigentlich ganz stimmig und dann kommst du und reißt quasi im Handstreich alles wieder zusammen, haha. Nein, du hast ja einige nachvollziehbare Punkte mitgebracht. Danke dir dafür! Ich gehe mal drauf ein.

Wie, das gegenseitige Ignorieren von Nachbarn wird in einer KG zum Thema gemacht? Das ist in Finnland die absolute Norm.
Ich denke, dass das auch hier in Deutschland eher die Regel als Ausnahme ist. Wobei es in Finnland möglicherweise noch bisschen distanzierter zugeht. Andererseits warst du mal in Niedersachsen?

Ich hab also völlig falsche Voraussetzungen, in deinen Text einzusteigen *gn*.
Glaube ich eigentlich nicht.

Weil alles auf ein heimliches Verknalltsein mit Aussicht auf mögliches Stalking angelegt ist.
Hmm, schwierig. Das ist ja einer deiner Hauptkritikpunkte. Warum das Thema häusliche Gewalt als Pointe missbrauchen? Und ja, wenn ich das so höre, würde ich dir zustimmen. Zumal ich den Text ja auch in diese Richtung abgeändert habe. Dahingehend, dass eben eigentlich erst am Ende so richtig klar wird, worum es geht.
Ich würde dir dennoch widersprechen wollen. Denn ich glaube eigentlich nicht, dass ich bewusst durch irgendwelche Tricks verschleiere, worum es geht. Es bleibt dem Leser überlassen, was ihm dabei als Erstes in den Sinn kommt. Ich habe durchaus unterschiedliche Rückmeldungen bekommen. Manchen lesen den Erzähler als eine Frau, manche als einen Mann. Manche lesen es in Richtung Stalking, manche in Richtung, da stimmt doch was nicht und wieder andere vermuten eine heimliche Liebschaft. An keiner Stelle deute ich etwas fälschlicherweise an, um den Leser in die falsche Richtung zu lotsen. Es bleibt alleine dem Leser überlassen. Oder ging dir das an irgendeiner Stelle so?

musst du den Leser anlügen, um eine Pointe schreiben zu können.
Ich frage, wo ich das tue? Eine Lüge wäre es doch, wenn ich offensiv behaupten würde, der Erzähler hätten amouröse Hintergedanken, um dann am Ende zu sagen: Haha, es geht gar nicht um Liebe, es geht um mangelnde Zivilcourage. Aber das tue ich ja nicht.

Dann bleibt eine Aussage. "Gewalt gegen Lebenspartner / Frauen ist scheiße."
Wenn ein Text also eine 'Moral von der Geschicht' an den Leser bringt, sollte es imA etwas sein, dass man sich nicht selbst denken kann, sondern etwas wirklich Interessantes, das man so noch nie hat betrachten können
Meine Intention war es eigentlich nicht, irgendeine Moralkeule zu schwingen. Das Thema war (weniger häusliche Gewalt), mangelnde Zivilcourage. Du kannst es auch Feigheit nennen. Das hat mich einfach beschäftigt. Und ich wollte das in möglichst wenigen Worten verpacken. Da jetzt irgendeine Moral zu suchen, wird nichts bringen, denn die ist in diesem Text nicht vorhanden. Natürlich ist es nicht schön, sich derart zu verhalten. Aber es passiert eben. Und mir ging es darum, dass in einem Text zu verpacken. Ob das jetzt gelungen ist, ist eine andere Sache. Und es ging mir nicht darum, da jetzt irgendwelche Forderungen abzuleiten oder darauf zu verweisen, wie kalt unsere Gesellschaft ist. Oder dass es, trotz allem Gerede, eben doch recht unsolidarisch bei uns zugeht. Das würde ich in einem persönlichen Gespräch thematisieren, nicht in diesem (sehr kurzen) Text.
Dann natürlich die Frage, ob das Thema zu ausgelutscht ist. Das deutest du ja schon zu Beginn deines Kommentars an. Ich weiß nicht. Was ist denn eigentlich nicht ausgelutscht? Oder anders: Warum kann es nicht trotzdem in Ordnung sein, ein altbekanntes Thema schriftlich verarbeiten zu wollen. Wenn es handwerklich nicht gut gemacht ist, die Perspektive nicht stimmt, oder eine Pointe fehl platziert wirkt, sind das alles Punkte, die ich nachvollziehen kann (auch, wenn ich da ja teilweise widerspreche). Nur dass das Thema altbekannt ist, greift für mich aber nicht.

nix von den Kämpfen, die er mit sich führen wird, wenn er da "was" durch die dünnen Wände hört. Hat er Herzrasen, hat er Angst, der Schläger bedrohe ihn, wenn er denen die Polizei in die Wohnung ruft? Hat er Angst, die Frau bekäme noch mehr Schläge? Wie rechtfertigt er seine Untätigkeit in den akuten Situationen vor sich selbst? Hat er selbst Gewalterfahrungen gemacht und das lähmt ihn? Das ist doch der Konflikt im Text.
Stimmt. Und in einem längeren Text hätte das drin sein müssen. Aber es ist ja wirklich ein sehr überschaubarer Text in Format der flash fiction. Daher habe ich eben wirklich versucht, das komplett einzudampfen, zu verdichten, wie Friedrichard es genannt hat, und auf das Allernötigste runterzubrechen. Und ehrlich gesagt funktioniert das für mich jetzt eigentlich schon ganz gut. Auch wenn ich deinen Punkt hier nachvollziehen kann, so ist es nicht.

Das ist die falsche Reihung. Wenn du schon sagst, dass sie nicht spricht, ist es logisch, dass sie auch nicht grüßt. Lieber gegendrehen, wenn du es als Steigerung haben willst.
Ja, das stimmt. Werde ich ändern.

sie doch an ihm vorbeigegangen sein muss - das aber erwähnt er an der Stelle nicht. Vielleicht hab ich auch nur einen Knick in der Optik.
Hatte es in einer früheren Version drin, dass sie nach oben geht. Aber muss ich das wirklich explizit erwähnen? Es ergibt sich doch ziemlich aus dem Zusammenhang oder?

a) ist es total auffällig, dass du etwas vorbereitest und b) wirkt der Erzähler seltsam unverständig, als wären das ungeheuer komplizierte Sachverhalte, die er sich erst mal selbst erklären müsste.
Ist das schlimm, dass ich was vorbereite? Andere meinten, dass sie eben diesen Satz gelungen und wichtig fanden. Ich finde den eigentlich auch ganz gut. Aber ich mache mir noch mal Gedanken.

Lieber: Die Wände sind dünn,
Wollte ich ans Ende setzen, dass eben (durch die Betonung) ersichtlich wird, dass irgendetwas wohl durch die Wände dringt. Auch das spricht ja dagegen, dass ich irgendetwas verschleiern möchte oder den Leser belüge.

kennst du eigentlich meine Wohnung, sag mal?
Jetzt sag bloß, dass wir in derselben Wohnung wohnen, haha.

Das ist alles bissl auf nachdenklich-poetisch-deep gebürstet
Findest du? Warum?

Das finde ich ein sehr schwaches Ende, denn hier greifst du noch mal auf die vorgegebene Naivität / Unwissen zurück, die ja faktisch nicht besteht. Dann hattest du deine Pointe - for good or worse - und machst so weiter, als gäbe es die gar nicht. Und dazu stellst du als Autor deinen Erzähler bloß, das finde ich - auf die falsche Art - unangenehm.
Tja, auch hier verunsicherst du mich, haha. Ich fand das Ende nämlich einigermaßen gelungen. Ich verstehe auch nicht, auf wessen Naivität/ Unwissen du dich hier beziehst?
Dass er nicht mehr grüßt, verdeutlicht seine Scham. Die finde ich jetzt nicht weit hergeholt, sondern nachvollziehbar. Ich stelle ihn jetzt aber ja nicht als einen absoluten Feigling dar, der aus purem Konfliktvermeidungsbedürfnis nicht eingreift, sondern ich beschreibe bloß, dass er eben nicht mehr grüßt. Und deute damit an, wie es in ihm aussieht. Das aber in diesem Format zu beschreiben, wäre einerseits aufgrund der Kürze nicht wirklich möglich, andererseits braucht es das doch auch gar nicht. Denn es ist doch klar, wie es in ihm aussieht. Das muss ich doch nicht haarklein ausbuchstabieren?

Auch wenn ich dir jetzt viel widersprochen habe, danke ich dir sehr für deinen Kommentar @Katla! Denn ich werde mir da sicherlich noch Gedanken machen. Und wer weiß, vielleicht habe ich dann auch das Bedürfnis, da tatsächlich noch mal etwas in die Richtung, die du vorgeschlagen hast, zu verändern.

Viele Grüße und euch allen ein schönes Wochenende!
Habentus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus ,

wenn dir der Text gefällt und du zufrieden damit bist, ist doch gut. Ich hab dir nur meine Gedanken dagelassen.

Dahingehend, dass eben eigentlich erst am Ende so richtig klar wird, worum es geht.
Ich würde dir dennoch widersprechen wollen. Denn ich glaube eigentlich nicht, dass ich bewusst durch irgendwelche Tricks verschleiere, worum es geht.
Im ersten Satz sagst du, wie du den Text aufgebaut hast: Erst am Ende wird gesagt, worum es geht, vorher wird so erzählt, dass es nicht - oder nicht eindeutig bzw. ggfs. im Widerspruch dazu - deutlich wird.
Im zweiten sagst du, dass du bewusst keine Tricks angewandt hast - also hast du den Text gar nicht so geplant, sondern der entstand unbewusst? Wenn er so geplant war, ist doch in der Konstruktion dein Trick und die Lüge.
Es bleibt dem Leser überlassen, was ihm dabei als Erstes in den Sinn kommt.
Und was soll das bringen? Ich lese eine Geschichte und die kann alles und nix erzählen. Warum sollte ich die lesen?
Ich frage, wo ich das tue? Eine Lüge wäre es doch, wenn ich offensiv behaupten würde, der Erzähler hätten amouröse Hintergedanken
Durch die Konzeption / den Aufbau der Geschichte. Das hab ich oben im ersten Komm beschrieben.
Was ist denn eigentlich nicht ausgelutscht?
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt massenhaft innovative Literatur und Filme, ganz individuelle Protas, Erzählhaltungen, Konflikte. Ich kann nicht nachvollziehen, warum so viele sagen, man könnte nix Neues mehr erzählen, das stimmt so einfach nicht.
Daher habe ich eben wirklich versucht, das komplett einzudampfen, zu verdichten, wie Friedrichard es genannt hat, und auf das Allernötigste runterzubrechen.
Sorry, dieser Text ist nicht verdichtet, er ist kurz. Das sind zwei paar Schuhe.
Wollte ich ans Ende setzen, dass eben (durch die Betonung) ersichtlich wird, dass irgendetwas wohl durch die Wände dringt. Auch das spricht ja dagegen, dass ich irgendetwas verschleiern möchte oder den Leser belüge.
Ja, aber a) steht es nicht am Ende und b) genau: "Irgendwas".
Dein Prota spricht nicht aus, was er hört, warum er vielleicht zur Frau da hochgehen sollte. Etc. p.p. in der gesamten Geschichte weiß der Erzähler, worum es geht und worin für ihn der Konflikt besteht, er redet aber um den heißen Brei rum, damit am Ende das Aha-Ding kommt. Das ist anlügen durch Auslassung.
Ich verstehe auch nicht, auf wessen Naivität/ Unwissen du dich hier beziehst?
Auf die des Erzählers.
Oder ging dir das an irgendeiner Stelle so?
Im ganzen Text. Ich denke, das hab ich im ersten Komm ausgeführt.

Ich fände es auch nicht gut, wenn hier mit einer Moralkeule operiert würde - aber ich möchte gern etwas vom Prota erfahren, was in ihm vorgeht, warum was für ihn schwierig ist. Ich möchte nicht einen Text lesen und am Ende gesagt bekommen: Das ist kein gutes Verhalten (ja, dass es um Feigheit geht, hab ich gesehen, aber ohne die Gewalt wäre die - in dieser Situation zumindest - nicht existent; es geht also um beides, denke ich).

Ganz herzliche Grüße,
Katla

 

Hallo @Katla entschuldige bitte meine verspätete Antwort! Und danke dir auch noch mal für deine Zeit und Mühe beim Kommentieren!

Im zweiten sagst du, dass du bewusst keine Tricks angewandt hast - also hast du den Text gar nicht so geplant, sondern der entstand unbewusst? Wenn er so geplant war, ist doch in der Konstruktion dein Trick und die Lüge.
Na ja, ich finde schon, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Konstruktion des Textes, dem bewussten Weglassen bestimmter Elemente und dem offensiven Lügen. Du sagst, Lügen durch Weglassen, aber das sehe ich anders. Es ist doch so, dass viele Texte nicht mit der Tür ins Haus fallen, Informationen zurückhalten usw. Es wäre ja auch todlangweilig immer sofort alles haarklein auszubuchstabieren. Und du sagst ja dann sicherlich nicht, dass andere Texte sich hier einer Lügerei bedienen würden? Wo ist das bei mir anders? Gar nicht blöde gemeint, aber ich kann es nicht so recht nachvollziehen.

Und was soll das bringen? Ich lese eine Geschichte und die kann alles und nix erzählen. Warum sollte ich die lesen?
Kann ich leider ebenfalls nicht teilen. Dieser Text (ob gut oder schlecht gelöst sei mal dahingestellt), erzählt doch eben nicht irgendwas, sondern ist in der Thematik relativ klar. Nur eben nicht in dem Sinne, etwas gleich im ersten Satz vorwegzunehmen. Ich sehe das Problem nicht.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt massenhaft innovative Literatur und Filme, ganz individuelle Protas, Erzählhaltungen, Konflikte. Ich kann nicht nachvollziehen, warum so viele sagen, man könnte nix Neues mehr erzählen, das stimmt so einfach nicht.
Das stimmt. Aber du lässt den zweiten Teil meines Kommentars weg. Dort sage ich:
Warum kann es nicht trotzdem in Ordnung sein, ein altbekanntes Thema schriftlich verarbeiten zu wollen. Wenn es handwerklich nicht gut gemacht ist, die Perspektive nicht stimmt, oder eine Pointe fehl platziert wirkt, sind das alles Punkte, die ich nachvollziehen kann (auch, wenn ich da ja teilweise widerspreche). Nur dass das Thema altbekannt ist, greift für mich aber nicht.
Und dabei bleibe ich. Natürlich gibt es massenhaft Innovatives. Aber in diesem Text ging es doch um etwas ganz anderes. Nämlich eine Thematik (altbekannt, sicherlich), die mich beschäftigt hat und ich versucht habe, das in geschriebener Form zu verarbeiten. Das mag gelungen sein oder auch nicht. Vielleicht war auch das Format zu kurz, auch das kann ich nachvollziehen. Aber alleine der Vorwurf, nicht innovativ genug zu sein, zieht in meinen Augen hier nicht.

Sorry, dieser Text ist nicht verdichtet, er ist kurz. Das sind zwei paar Schuhe.
Wie gesagt, war es ja auch nur der Versuch, etwas verdichtet darzustellen. Dass das in deinen Augen nicht funktioniert, ist ja auch völlig in Ordnung.

Ich fände es auch nicht gut, wenn hier mit einer Moralkeule operiert würde - aber ich möchte gern etwas vom Prota erfahren, was in ihm vorgeht, warum was für ihn schwierig ist. Ich möchte nicht einen Text lesen und am Ende gesagt bekommen: Das ist kein gutes Verhalten (ja, dass es um Feigheit geht, hab ich gesehen, aber ohne die Gewalt wäre die - in dieser Situation zumindest - nicht existent; es geht also um beides, denke ich).
Na ja, aber so ist es doch nicht. Der Text sagt doch nicht, das ist aber jetzt kein gutes Verhalten, mein lieber Protagonist. Sondern er enthält sich einer Bewertung. Und das Innenleben des Protagonisten wird natürlich nicht wortreich ausgestaltet, aber doch zumindest angedeutet. Verstehen kann ich aber, dass es eventuell nicht ausreicht. Das wiederum ist dann dem Format geschuldet. Vielleicht hätte die Thematik mehr als flashfiction gebraucht. Da kann ich deine Position auf jeden Fall nachvollziehen.

Dir noch einen schönen Abend!
Habentus

 

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