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Seelenschatten (Der Auftrag des Schatten in der Sokies)
Die Wüste von Oberwelt lebte. Nicht nur die Krabbeltiere in ihr, sondern auch der Boden unter dem Geviech. Er war nicht besonders intelligent oder ein anregender Gesprächspartner, von Freundlichkeit wollen wir hier gar nicht sprechen. Solche Nebensächlichkeiten empfand er sogar als lästig, weil er seiner Passion, dem Wandern vom Rand der Wüste bis in ihr Innerste und zurück, lieber alleine nachging. Und überhaupt, wer braucht schon andere Gesellschaft, wenn man aus tausend einzelnen Körnchen besteht, die andauernd behaupten den kürzesten Weg zu kennen.
Geräuschvoll knisterten sie durch den öden Landstrich, türmten sich zu wandernden Bergen auf und schlurften und schwappten immer tiefer in die Wüste hinein. Auf dem fließendem Sand trieb ein vertrockneter Käfer umher, rutschte den Hang einer Düne hinunter, die zusehends abflachte und ihn schließlich verschluckte. Die gigantischen Berge zerflossen nach und nach zu nicht erwähnenswerten Erhebungen am flirrenden Horizont.
Ein verborgener Ort wuchs aus dem weichenden Sand und entblößte seine skurrilen Silhouetten. Gräber, eingerahmt von einem gusseisernen Zaun, eroberten die Oberfläche. Es war ein Friedhof des Oasenvolkes, das nicht weit entfernt von den wandernden Dünen der Sokies-Wüste hauste. Ihre Freunde und Ahnen lagen hier begraben.
Im Rhythmus seiner selbst auferlegten Gezeiten spülte ihn der Sokies frei oder versteckte ihn unter einer meterdicken Sandschicht. Unbehelligt von dem ewigen Hin und Her genossen seine Bewohner ihre letzte Ruhe, mumifizierten im trockenen Klima oder erwarteten die düsteren Abendstunden.
Tief unter den Erdschichten mit den mehr oder weniger Toten fraß sich der eisige Fluss Aalt durch die verzweigten Tunnel der Unterwelt und umspülte die schemenhaften Füße eines dämonischen Schatten, der in die schwarze Felsdecke der Unterwelt eintauchte, wie Andere in einen klaren Bergsee sprangen. Die mahnenden Worte des Phoenix Gris geisterten durch seine Gedankenwelt und trieben ihn zur Eile.
„Nur wenn die Botschaft rechtzeitig überbracht wird, kann es eine Rettung für die magische Gesellschaft des Oasenvolkes geben...“
Der junge Dämon glitt hastig der Oberwelt entgegen, passierte Schicht um Schicht der Erde und spürte schließlich die spröden Wände einer hölzernen Kiste um sich. Die penetranten Ausdünstungen von verrottendem Fleisch waberten fast sichtbar durch das morsche Rentnerparadies, hüllten den Schatten ein und entlockten seiner Kehle seltsame Krächzlaute. Während er sich auf den endgültigen Sprung an die Oberfläche vorbereitete, legte sich plötzlich eine klobige Hand auf seine Schulter.
„Weißt du, es ist äußerst unhöflich, uneingeladen in anderer Leute Särge hereinzuplatzen“, knitterte die Leiche.
„Und das von jemandem, der wie ein Stall voll Stumpenkacke stinkt“, dachte der Dämon und starrte sie trotzig an. Seelenlose Untote, er hasste sie.
„Sag mal, was treibst du hier eigentlich?“, die faulige Hand schloss sich fester um seine Schulter.
„Lass los!“ quietschte er und riss seinen Körper in die Höhe, der daraufhin ungebremst durch die Erde fuhr und außen auf den sandigen Grabhügel stürzte.
„Ich bin draußen“, erleichtert rappelte sich der schlaksige Schatten auf.
Irgendwo im Südosten befand sich die Oase, deren Bewohner er vor den Technikern warnen sollte, und er wollte sie unbedingt vor dieser magiehassenden Bruderschaft erreichen.
Die Zeltstadt am Rande der mondhellen Wüste wirkte auf ihn wie ein ameisengroßes, friedliches Stilleben, schwarze Farbtupfer auf einer düsteren Leinwand ohne ein Anzeichen von Leben.
Er begann zu laufen, beschleunigte seine Schritte und rannte durch das rostige Friedhofstor hinaus in die Wüste. Die dünnen Stimmen der Quarzsteinchen unter seinen Füßen verbanden sich mit seinen knirschenden Schritten, rieselten ineinander und erschufen eine eigenartige Melodie über den Dünen der Sokies – Wüste, die ihn stetig begleitete.
War es schon zu spät?
Schwer atmend lehnte er sich gegen eine Zeltplane und lauschte nach verdächtigen Geräuschen. Hier am äußeren Ring der Oase drang nur das Knistern des Sokies an seine Ohren, von dem Verbleib ihrer magischen Gesellschaft hörte und sah er nichts.
„Was suchst du denn, wo willst du hin?“ Krümelte ein Steinchen in einem hellen Singsang.
„Äh die Techniker, nein die Magischen, die hier wohnen. Ich muss sie warnen“, beugte sich der Dämon hinunter.
„Warnen tust du nimmermehr, die Oase sie ist leer. Morgens waren sie noch da, Nachts das letzte Mal Sokies sie sah.“
Das transparente Schwarz des Schatten verfärbte sich in ein durchscheinend, helles Grau.
„Stumpenkacke!“
Er schlich hastig die Stoffwand des Zeltes entlang und tauchte in das Innere der Oase ein, ein verwirrendes Labyrinth aus bunten Zeltwänden.
„Zu spät, zu spät“, knisterte die Wüste unter ihm.
Vielleicht war es zu spät, oder aber auch nicht. Waren die magischen Anwohner den Technikern zum Opfer gefallen, oder gab es doch Hoffnung? Er brauchte Gewissheit.
Je mehr er sich dem Zentrum der Oase näherte, desto breiter wurden die Wege. Sie mündeten schließlich alle in einem großen Rundplatz, der von einem großen Feuer und mehreren kleineren Feuerstellen erhellt wurde. Männer in metallenen Rüstungen standen oder saßen in Gruppen zusammen und wärmten sich an den qualmenden Flammen. Sie löffelten grünen Brei aus hölzernen Schüsseln, tranken gegorenen Saft aus dicken Humpen und amüsierten sich scheinbar prächtig.
Der Schatten presste sich gegen eine geflickte Wand und näherte sich mit klopfendem Herzen einem Grüppchen.
„Das war ne Eroberung, was Salem? Nicht einmal ein Magischer im Dorf; der Widerstand leistete. Ha, ich wette, die haben schon die Hosen voll gehabt, als die uns von Weitem gesehen haben und sind alle getürmt“, hörte er eine grobschlächtige
Gestalt grölen, der er so nahe stand, dass er ihr auf die kupferglänzende Schulterplatte hätte tippen können.
„Schade, dass Yorak nicht dabei sein konnte.“
„Klar, war ein prima Kumpel.“
„Ja...“
„Im Kampf gibt es immer Verluste, so ist das nun mal.“
„Ich hätte besser aufpassen sollen.“
„Hey, wer ahnt schon, dass ein Schatten den Körper von einem Techniker übernimmt, um aus dem Bunker zu fliehen.... Ne verrückte Sache war das.“
„Er könnte noch leben.“
„Lass doch die alten Geschichten und trink noch `n Schluck, Salem. Glaub mir,... is besser so.“ Der breitschultrige Techniker reichte Salem seinen Becher.
„ Salem, das ist also der Freund von dem Techniker, der ihm während seiner Flucht vor vier Monden als Wirt diente. In dem Bewusstsein von Yorak sah er irgendwie größer aus“, erinnerte sich der junge Dämon und zog sich unauffällig zurück.
Er hatte genug erfahren und wollte sich nicht länger der Gefahr aussetzen, doch noch entdeckt zu werden. Die Magischen, Hellmagische wie Dunkelmagische, waren in Sicherheit, vorerst.
Als sich der Abstand zwischen den Zelten verringerte, hörte er auf geduckt zu schleichen und summte leise vor sich hin.
„Blut, Blut, Blut tut immer gut...“
Die stechenden Dünste von Schmieröl und alchemistischen Chemikalien der Techniker breiteten sich über die Oase aus, wie der faule Gestank von Schwefel vor einem drohenden Gewitter und überdeckten fast den modrigen Geruch von...
"verrottendes Fleisch?"
Der Schatten schnüffelte irritiert, rieb sich die Nase und runzelte seine Stirn. Er schaute sich um und entdeckte nichts Bemerkenswertes, außer einigen roten Wimpeln, die schlaff an ihren Bändern herunter hingen.
„Blut, Blut, Blut tut immer gut...“
Der faulige Moder begleitete ihn als eine unbestimmte Bedrohung durch die immer enger werdenden Gassen und in dem Schatten keimte das unangenehme Gefühl auf, verfolgt zu werden.
„Blut, Blut, Blut tut immer gut...“, flüsterte er mit brüchiger Stimme.
„ Das ist von "Brich und stirb" nicht wahr?“ knitterte plötzlich eine Stimme hinter dem Schatten, der erschrocken zusammenfuhr.
Vor ihm trat ein unappetitlich anzusehender Untoter um die Ecke und versperrte Lux zahnlos grinsend den Weg.
„Ja ... ich kenn dich doch“, misstrauisch beäugte er sein angenagtes Gegenüber.
„Natürlich, wir haben auf dem Friedhof miteinander Bekanntschaft gemacht. Findest du nicht auch, dass die Verse der Bardenkombo „Brich und stirb“ etwas von einer zeitlosen Poesie haben?“ Faselte der Zombie.
Der junge Dunkelmagische glotzte ihn verständnislos an. Die wandelnde Leiche zog ihre zerfransten Mundwinkel weiter nach oben und dem geöffnetem Mund entströmte eine stinkende Gaswolke, die den Kopf des Schatten einhüllte, der sich sehnlichst wünschte jetzt woanders zu sein.
„Ähm.... Bist du nicht Lux? Der, der sich eines Technikers bemächtigt hat und aus dem Gefängnis für Magische ausgebrochen ist?“ rief die wandelnde Leiche und riss ihre Augenhöhlen unnatürlich weit auf.
„Das bin ich, du hast mich ertappt“, krächzte der Schatten und tat sich nach jedem Moment der verstrich, mehr selbst leid.
„Was für eine Ehre, dich kennen zu lernen, alle reden über deine waghalsige Tat.“ Der Zombie schüttelte begeistert seine Hand.
„Das war doch 'ne Kleinigkeit.“ Verlegen scharrte Lux mit den Füßen.
„Für die Bruderschaft der Techniker aber nicht.“ Aus dem Gesicht des Zombies wich jede Freundlichkeit, er packte die Hand des Dämons fester und starrte ihn bösartig an.
„Alarm, Alarm, Magische!“
„Leise, du verrätst mich“ ,zischte Lux.
„Genau, was willst du dagegen tun? Meine Seele fressen? Ich bin ein Zombie du Grünschnabel. Das einzige Seelenlose auf Oberwelt. Das ist dein Untergang“, lachte der faulige Fleischsack.
In den Augenhöhlen des Dämons blitzte das blaue Licht der verlorenen Seelen gefährlich auf, er holte mit seiner freien Hand aus und schlug den randalierenden Zombie in der Mitte durch. Der Korpus des Untoten schwankte, kippte von seinen Beinen und rutschte zu Boden. Aus der trockenen Leichenkehle drang ein hässliches Gelächter, das, das wurmstichige Gesicht zu einer Maske des Wahnsinns verzerrte. Die Beine taumelten hilflos, fielen neben dem Körper in den Staub und das irre Kichern erstarb. Der Schatten streifte die Zombiehand ab, warf sie zornig fort und trat dem endgültig toten Zombie in die Rippen.
„Stumpenkacke!“
Er hörte, wie sich das metallene Klicken der Technikerrüstungen näherte, ihre stampfenden Schritte und aufgeregten Schreie. Seine geisterhaft schwarze Haut erblasste. Paralysiert von dem kommenden Unheil starrte er die enge Gasse hinauf und das metallene Klicken nahm beharrlich an Lautstärke zu.
„Laufen muss der Schatten, fließen in den Gassen. Will er bald noch leben, muss er Unterwelt anstreben“, raschelte unter ihm ein Kiesel und piekste den Schatten in seine Fußsohle, der verschreckt aufschrie.
Erwacht aus seiner Trance, rannte er los, verhedderte sich in den Wimpeln und kämpfte sich frei. Als er flüchtig hinter sich blickte, liefen die Techniker schwertschwingend den engen Pfad entlang und an ihrer Spitze fluchte Salem auf alle magischen Wesen der Oberwelt.
„Packt den verdammten Schatten!“
Lux beschleunigte seine Schritte, jagte durch die verzweigten Wege der Oase und spürte bald einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Der Eingang zur Unterwelt war nur einige Zelte entfernt, doch sein ausgehungerter Körper war so geschwächt, dass er nicht mehr durch feste Materie gehen konnte und die dicken Tücher der Zeltwände schienen ihm zum Verhängnis zu werden. Schon spürte er den kalten Luftzug eines Schwertes, das knapp sein Ohr verfehlte und hörte das Knirschen des Rüstungsarmes, der erneut zum Schlag ausholte. Der Schatten stolperte, stürzte in den Sand, verschluckte sich am Sokies und rollte keuchend zur Seite. Vor sich erkannte er verschwommen das Zelt, in dem sich der Eingang befand, seine Rettung. Neben ihm sauste die scharfe Klinge eines Technikers in den Boden, der junge Dämon wich einem weiteren Angriff panisch aus und hechtete über die Köpfe der Techniker hinweg auf das Zeltdach. Er riss ein Loch in den farbenfrohen Stoff und schlüpfte in das Innere des Zeltes. Unter dem runenbestickten Teppich in der Mitte des Raumes befand sich der Eingang zur Unterwelt, eine Falltür, die zu einer langen Steintreppe hinunter in ihre dunklen Eingeweide führte. Lux ergriff zielstrebig den schweren Läufer, zog und zerrte ihn stückchenweise von der Falltür herunter.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“
Vor ihm stand der Techniker Salem und stierte ihn grimmig an. Der Schatten erstarrte in seiner Bewegung.
„Hat es dir die Sprache verschlagen, Bestie?“
Techniker und Schatten belauerten sich, fixierten die Blicke des Gegenübers, das ihnen gleichermaßen fremd und bedrohlich erschien. Langsam, fast schon bedächtig zog Salem sein Visier herunter, die gepanzerte Hand fest um seinen Schwertknauf geschlossen. Der junge Dämon beobachtete gespannt, wie der ernste Mann sein Gesicht hinter einer scheußlichen Maske aus kupfern glänzendem Metall verbarg und den letzten Hinweis auf seine Menschlichkeit auslöschte. Tausende kleine Plättchen, verbunden mit Draht oder Lederbändern, überzogen den Techniker und legten sich um ihn wie eine zweite Haut. Sie hüllten ihn ein, schützten ihn vor der Außenwelt und verliehen ihm enorme Kräfte. In seiner Rüstung war er sicher, unverwundbar und unbesiegbar.
„Fahr zur Hölle, du Monster!“ Schrie der Techniker und im nächsten Augenblick überschlugen sich die Ereignisse.
Salem griff den Schatten mit seinem Breitschwert an, doch der bewegte sich instinktiv zurück und der Techniker verfehlte ihn. Plötzlich sprang die Falltür auf, Holzsplitter flogen ihnen um die Ohren, gefolgt von dem Runenbesticktem Teppich, der Lux unter sich begrub. Er hörte das gedämpfte Klirren zweier aufeinandertreffender Schwerter und einen überraschten Aufschrei.
„Yorak!“
Ein seltsames Bild bot sich dem Schatten, der keuchend unter dem Teppich hervorkroch. Die Schwerter von Yorak und Salem waren ineinander verkantet, beharrlich pressten sie die Waffen gegeneinander und ihre Arme zitterten vor Anstrengung. Keiner der beiden Techniker wich einen Schritt zurück, das Kräftemessen in dieser Abwehrhaltung wurde fast unerträglich und doch griffen sie den Anderen nicht an. Stumm und schwitzend standen sie da, wie ein heroisches Kriegerdenkmal. Yorak wandte sich sachte in seine Richtung und japste:
„Lux bring dich in Sicherheit und verschwinde von hier.“
Die kühlen Steinstufen unter seinen Sohlen führten den Schatten schnellen Schrittes hinab in das Dämmerlicht der Unterwelt, die Heimat aller Dunkelmagischer. Seit den ersten Handgreiflichkeiten zwischen Technikern und Magischen war die Unterwelt Dreh und Angelpunkt der magischen Widerstandsbewegung. Sie bot Flüchtlingen Schutz, ihre Schleichwege ermöglichten eine unbemerkte Fortbewegung und durch die zahlreichen Ausgänge war jeder Ort auf der Oberwelt gefahrlos zu erreichen, wenn man von den blutrünstigen Einheimischen der Unterwelt absah.
Das Brausen des unterirdischen Flusses Aalt wurde stetig lauter, Lux verlangsamte seine Schritte und fragte sich, ob Yorak oben bleiben würde. Er kannte seine Gedanken, die Bewussten wie Unbewussten und wusste welche starken Bande zwischen Yorak und der Bruderschaft der Techniker bestanden hatten. Damals hatte Lux seinen Geist als den eines Feindes unterjocht, aber das war lange her. Seit seiner Flucht aus dem Bunker war viel geschehen.
Lustlos trottete er die Treppe herunter, seine Glieder zitterten schwach und in ihm breitete sich der altbekannte Durst auf eine frische Seele aus. Vielleicht auch zwei oder drei weißbläulich leuchtende Seelen, die so schön knackten wenn er hineinbeißen würde. Lux schwelgte in Erinnerungen an vergangene Mahlzeiten, die Entsetzensschreie seiner Opfer und ihre wundersame Metamorphose in lichtene Leckerbissen, nachdem er den Fleischkokon geöffnet hatte.
„Blut, Blut, Blut tut immer gut...“, summte er, als es plötzlich hinter ihm schepperte und Yorak neben ihm trat.
„Du bist also doch zurückgekommen“, stellte der Schatten trocken fest.
Yorak nickte, schwieg und lief mit ihm tiefer in das erodierte Tunnelsystem hinein. Auf den ansonsten sauberen Rüstungsplättchen seines Armes klebte ein zäh dickflüssiger Blutfleck, der langsam seinen Handschuh hinunterkroch und lange Fäden über die Finger zog. Fasziniert starrte Lux auf den befleckten Arm, dieses kleine dunkelrote Wunder, der Beweis, dass ein Techniker nicht unbesiegbar war.
„Wessen....?“
„Blut? Meins.“
„Und der.... Andere?“
„Ich schätze, Salem ist ziemlich wütend.“
„Ihr seid keine Kumpel mehr?“
„Manchmal muss Etwas aufgegeben werden, um das Richtige zu tun.“
„Das ist doch Stumpenkacke, dieser ganze blödsinnige Auftrag. Nichts als Schwierigkeiten habe ich da oben gehabt und wofür? Für ein paar magische Oasenbewohner, die nichts besseres zu tun haben als sich in Luft aufzulösen bevor ich sie warnen kann. Und noch was, was hast du eigentlich damit zu tun? Ich hätte den Auftrag auch sehr gut ohne deine Hilfe beenden können.“
„Natürlich, es ist ja auch nicht schwer, sich aufspießen zu lassen.“
„Ich hatte alles unter Kontrolle.“
„Das hat unser Anführer Gris anders vorhergesehen und was die Oasenbewohner angeht, hinter der nächsten Biegung befindet sich ihr Lager.“
Nach der nächsten Biegung erreichten sie tatsächlich eine größere Höhle, die den Oasenbewohnern als Zufluchtsort diente. Viele waren damit beschäftigt, sich ein Bett oder passable Bleibe aus den wenigen Tüchern, die sie besaßen, zu errichten und beachteten die Neuankömmlinge kaum. Lux blinzelte verstört, folgte ungläubig dem chaotischen Treiben und vergaß, dass ein Mund nach dem Öffnen normalerweise auch wieder geschlossen werden sollte. Schließlich runzelte er seine Stirn und schaute Yorak verärgert an, der hilflos lächelnd mit seinen Achseln zuckte.
„Sind das die Magischen, die ich unbedingt vor den Technikern warnen musste? Die, für die ich quer durch die Unterwelt gelaufen bin? Die, die angeblich in höchster Gefahr schweben, wenn ich nicht rechtzeitig ankomme?“ Presste der Schatten mit wütend zitternder Stimme hervor, seine scharfen Raubtierzähne knirschten mordlustig und er verspürte das Bedürfnis, seinem Ärger schlagkräftig Ausdruck zu verleihen. Der Durst steigerte seine Wut, drängte sich mehr und mehr auf und zwang schließlich seine Selbstbeherrschung nieder. Er knurrte missgelaunt und sprang Yorak fauchend an, der den wildgewordenen Dämonen souverän abwehrte. Der Lärm scheuchte die Magischen Lagerbewohner auf, die ihre Arbeit unterbrachen und ängstlich nach seiner Ursache suchten. Nachdem sie die Lärmquelle als harmlos eingeschätzt hatten, näherten sich schaulustige Flüchtlinge verstohlen und gafften das balgende Duo an. Es versammelten sich immer mehr neugierige Magische, die sich das Spektakel belustigt anschauten, Wetten abschlossen und ihren Favoriten anfeuerten. Durch die anwachsende Menge zwängte sich ein abgerissener Halbelf nach vorne, er beäugte Lux und Yorak müde und winkte ihnen zu. Lux hielt erstaunt inne, als er den winkenden Elfen sah.
„Matteo, was treibst du denn hier?“ Quäkte er.
„Dasselbe könnte ich dich fragen, Bruder. Wieso schlagt ihr euch? Habt ihr vergessen, dass es den Mitgliedern des Widerstandes verboten ist, sich untereinander prügeln? Das solltet ihr euch lieber für die Techniker aufheben.“
Matteo verschränkte seine Arme, versuchte, seinem trägen Gesicht eine ernste Miene zu entlocken und ihnen ihr unmögliches Benehmen vor Augen zu führen. Seine wunderliche Grimasse verfehlte nicht ihre Wirkung, als er sie lange genug angestarrt hatte, unterbrachen die zwei Streithähne ihre Rangelei und ließen zögerlich voneinander ab.
Yorak fuhr sich verlegen durch seinen strohblonden Haarschopf und schielte zu dem übellaunigen Schatten hinüber, der sich den Staub von den Beinen klopfte. Eines stand fest, hungrige Schatten waren schwer zu ertragen.
„Sich prügeln ist im Widerstand verboten, aber überflüssige Aufträge beginnen, das ist erlaubt?“ Wandte sich der Schatten an Matteo und schnaubte aufgebracht.
„Du spielst auf die Oase nahe der Sokies – Wüste an. Deine Rolle bei der Sache war durchaus nicht überflüssig. Letzten Endes ist es nur dir zu verdanken, dass ich die Magischen unbeschadet hier herunter führen konnte.“
„Aber, wieso...?“
„ Gris hatte vorausgesehen, dass die Bewohner der Oase in den Wald flüchten würden. Dort konnten sie sich aber nicht ewig vor den Technikern verstecken und er hat mir angetragen, dass ich sie an einen sicheren Ort bringen sollte. Ein Ort den die Techniker niemals betreten würden und mir ist ein ideales Plätzchen für ihr neues Lager eingefallen. Die Unterwelt, sie ist doch als nichtmagische-Wesen-fressende Höhle verschrien. Aber der einzige große Eingang zur Unterwelt, der diese Menge Magischer aufnehmen konnte, befand sich am Rundplatz innerhalb der Oase, die, die Techniker besetzt hatten. Ich brauchte also eine Ablenkung, um sie unbemerkt an den Technikern vorbeilotsen zu können und die warst du.“
„Warum hast du mir das alles nicht vorher gesagt?“
„Hättest du es freiwillig getan, wenn du gewusst hättest, dass du die Techniker aufscheuchen sollst?“
Lux überlegte kurz. „Nein.“
„Dann ist ja alles klar, kleiner Bruder. Lasst uns jetzt in unser Hauptquartier zurückkehren. In diesem feuchten Loch bekomme ich noch Rheuma.“
Das Hauptquartier des Widerstandes war ein Kellerzimmer unter einer schäbigen Taverne in dem magischem Viertel von Sare, die den wohlklingenden Namen „Zur glücklichen Sumpfstumpe“ trug. Das windschiefe Blockhaus war Tag und Nacht von grünen Nebelschwaden umgeben, weil gleich nebenan der Krautsumpf seine Gase absonderte. Der Nebel war den Gästen der Spelunke nicht lästig, im Gegenteil, er war ihnen ein nützlicher Partner und versteckte, was nicht gesehen werden sollte. So auch die Mitglieder des Widerstandes, die sich nun vollzählig in ihrem Keller aufhielten. Als Lux eintrat, saßen Lorenth, Argl und Rüdger am Tisch, spielten Karten und grüßten ihn fröhlich. Yorak und Matteo lagen auf ihren Strohhaufen, ruhten sich von der langen Wanderung durch die Unterwelt aus und auf dem Regal an der morschen Wand putzte ihr Anführer Gris sein goldenes Gefieder. Er winkte Lux zu sich und fixierte ihn mit seinen schwarzen Kulleraugen.
„Wie ich sehe, hast du deine Feuerprobe gut überstanden“, schmunzelte der Phoenix.
Lux blinzelte nervös, er hatte nicht viel übrig für solche scherzhaften Anspielungen und hoffte, die Ansprache ohne weitere Phoenixwitze überstehen zu können.
„Gut, gut Scherz beiseite. Du fragst dich sicher welches zukünftige Schicksal ich für die Flüchtlinge voraussehe.“
„Nein... Ich habe Hunger und frage mich, was ich gleich essen werde.“
„Ja das ist die Ungeduld der Jugend. Aber lass dir Eines gesagt sein. Es werden mehr ihr Heim an die Techniker verlieren. Also halte dich bereit für die, die unsere Hilfe benötigen.“
Lux nickte zaghaft.
„Nun gut, erhole dich und stille deinen Hunger. Nutze die Zeit vor dem Sturm. Wer weiß wie viel Zeit uns noch bleibt.“
Der Schatten verließ den Keller mit einem flauen Gefühl im Magen und fragte sich, ob sein Hunger oder die delphische Rede des Phoenix der Grund für sein Unbehagen war. Er war froh, dass er auch diese Nacht wieder in den übelriechenden Tavernenkeller zurückkehren konnte, seine bescheidene Heimat.