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Seine Tränen
Seine Tränen
Und ich sah ihn an, blickte ihm direkt in die Augen: braun, weich, süß, wie Schokolade. Einfach himmlisch. Ich fiel in ein Meer aus Kissen, die so zart und warm waren, dass ich zu schweben schien. Die Emotionen liefen mir über. Freude, Trauer, Schuld. Wut, Glück, Verzweiflung. Ich glitt in meinen Sitz im hinteren Teil des Busses. Doch mein Blick wich nicht von ihm. Ein Kraftfeld zwischen uns. Nicht nur ich spürte die Energie, die Spannung, die Feuergefahr, sondern auch die Menschen um uns herum. Aber die waren mir in diesem Augenblick unwichtig.
Es gab nur uns. Er schaute mich ganz ruhig an, keine Regung in seinem Gesicht zu spüren. Dieses Gefühl, dass er mich wieder wahrnahm, nach all diesen schlechten, bitteren Zeiten, war zu viel für mich. Ich spürte unsichtbare Tränen, hörte lautlos meine Schreie. Dennoch konnte mein Blick nicht von ihm weichen. Den ich so verletzte und verwundete. Dem ich das Herz nahm. Den ich ohne Hoffnung auf Leben zurückließ. Es war schön, aber auch unheimlich ihn nach einer halben Ewigkeit wiederzusehen. Ich dachte, ich würde sein Zorn, seine Qualen in seiner Miene erkennen, doch dieses Nichts, verunsicherte mich zu tiefst. Gewissensbisse, Hass auf mich allein, Hilflosigkeit durchströmten mich.
Und diesmal waren meine Tränen nicht unsichtbar. Ich empfand Ozeane auf meinen Wangen, Tsunamis, die mich zerstören wollten, Stürme die töteten, Säure, die auf meiner Haut brannte, Durst. Das Salz konnte ich schmecken. Alles verschwamm vor mir, nur er war noch da. Wir beide. Und dann weinte auch er. Es strömte alles aus ihm heraus. Und seine Tränen hielten die Welt an. Ich spürte sie auf meinem Gesicht. Sie berührten meine und heilten mich von aller Schuld. So wundervoll traurig sie auch waren, sie kamen aus reinster Verzweiflung, aus tiefstem Herzen. Sie löschten mein Feuer, das in mir brannte und nur er besänftigen konnte. Er trug mein Boot, verankert in seinem Herzen. Er bewahrte mich kurz vor dem Ertrinken als Schiffbrüchiger. Er gab mir das Wasser des Lebens in der Wüste. Er befreite mich von einer einsamen Insel, rings herum meine Tränenmeere.
Dann huschte ein kleines, unbekümmertes Lächeln über sein Gesicht. Wir liefen an der Küste entlang, hinter uns die Brandung und schöpften neuen Mut.