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- 09.01.2023
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Selma, Ina & die Liebe
Freitag am frühen Abend in dem meiner Meinung nach besten Club der gesamten Stadt. Ich trage meine langen, welligen, blonden Haare offen. Dazu habe ich ein dezentes Makeup und trage ein rotes Rockabilly Kleid mit weißen Punkten. Meine Eltern sind recht locker, daher haben sie mir schon mit sechzehn Jahren erlaubt mich tätowieren zu lassen, somit zieren meine beiden Arme mehrere Tattoos.
Alles, also absolut alles ist wie immer: gute Musik, die besten Freunde, die man nur haben kann um mich herum und ein großes, gut gelauntes Party-Volk füllt die Tanzhalle.
Wobei … Moment mal, eine Sache ist doch anders. Es ist sehr ungewöhnlich hier in diesem Club, doch es gibt tatsächlich ein Grüppchen, dass besonders hervorsticht.
Vier äußerst gut gelaunte Jungs, veranstalten ein Wettspringen. Wer springt wohl am höchsten? Aufgrund dessen, dass ich die Jungs schon mehrfach im Skater-Park gesehen habe weiß ich, dass sie Skater sind. Vielleicht soll das ja eine neue Trainingsart sein, um Ollis und Slides zu üben.
Ein Schmunzeln kann ich mir ehrlich gesagt nicht verkneifen. Ich habe mir solche Jungs damals in meinem Freundeskreis gewünscht, doch leider gehe ich auf so eine Spießer Schule. Alle halten sich an die Regeln und machen nie Stress. Alle haben gute Noten und sind am Boden zerstört, wenn sie mal doch nur eine zwei anstelle von einer eins haben.
Dazu geht es dort nur um Status, Autos, Tennis und Markenklamotten. Es ist nicht so, dass ich was dagegen habe, aber ein bisschen mehr Gelassenheit würde den Menschen schon gut tun.
Wir waren zwar erst eine Stunde in der Disco, so langsam kommt dennoch die Müdigkeit durch, und dass obwohl der laufende Song echt tanzbar ist. Ich bin es halt nicht gewohnt, feiern zu gehen.
Ich beschließe zu den Toiletten zu gehen, um mich etwas frisch zu machen. Nachdem ich fertig bin, mache ich mich wieder auf den Weg zurück. Plötzlich sehe ich einen der vier Skater. Er lächelt mich an und kommt immer näher zu mir. Er ist etwa 1,90m groß, trägt eine schwarze, zerrissene Jeans, schwarze Vans und ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf. Er hat Ozeanblaue Augen und schulterlange, schwarze, gewellte Haare.
Verwirrt schaue ich mich um, weil ich nicht glauben kann, dass er wirklich auf mich zu kommt. Doch er kommt tatsächlich auf mich zu, denn unmittelbar vor, neben und hinter mir, ist niemand zu sehen und könnte gemeint sein. Ich frage mich, was er wohl vorhat. Vielleicht will er ja auch nur zur Toilette.
Mein Blick wandert wieder zu ihm. Erschrocken schaue ich ihn an, da er mittlerweile direkt vor mir steht.
„Hey“, begrüßt er mich.
„Hi!?“, begrüße ich ihn fragend.
„Ich bin Niels.“
„Hallo Niels.“
„Und wie heißt du?“
„Selma“
„Selma. Ein sehr schöner Name. Hast du vielleicht Lust etwas mit mir zu trinken?“, fragt er lächelnd.
Er möchte etwas trinken? Mit mir? Nach kurzer Überlegung nicke ich schüchtern und gehe mit ihm zum Vorraum. Dort ist es so viel ruhiger als in dem Disco-Raum. Wir setzen uns an die Bar, wo er uns beiden einen Sex on the Beach bestellt. Nun schauen wir uns an.
„Ich habe dich hier noch nie gesehen“, ich lege meinen Kopf ein wenig nach links, ziehe meinen Augenbrauen hoch. Niels lacht, dabei funkeln seine Augen und die langen Haare fallen ihm ins Gesicht, als er seinen Kopf beim Lachen bewegt. Ich ziehe meine Schultern an, er lacht schon lange und so langsam habe ich das Gefühl, er lacht mich aus. Als ich gerade dabei bin meine Arme zu verschränken, beruhigt er sich. Sein Lachen ist tief und hat meinen Körper beinahe zum Vibrieren gebracht, das abrupte Ende lässt mich mit stille in meinem Kopf zurück.
„Du hast Recht, ich bin nicht oft hier.“ Niels sieht mir in meine Augen.
„Du hast wunderschöne Augen, Selma. Hat man dir das schon einmal gesagt?“ Ich nicke.
„Meine Eltern sagen mir das oft. Aber dennoch danke“, lächelnd streiche ich meine Haare zurück.
Ich nehme einen Schluck von meinem Getränk, danach schaue ich ihm in seine Ozeanblauen Augen, in welchen ich regelrecht versinke.
„Selma… hey Selma“, holt seine Stimme mich aus meinen Gedanken.
„Hm, sorry was hast du gesagt?“, frage ich ihn. Lächelnd schaut er mich an.
„Warum bist du denn so rot?“ Oh nein. Warum passiert mir das immer?
„Ach bin ich das?“, frage ich so selbstbewusst klingend, wie ich nur kann. Ob dies funktioniert hat weiß ich allerdings nicht. „Vielleicht kommt das ja auch nur durch Alkohol.“
„Ja bestimmt.“ Er lacht leicht. „Aber darum geht es gerade nicht. Ich habe dich eigentlich gefragt, ob du Lust hast, morgen mit in den Skater-Park zu kommen. Ich kann dir meine Freunde vorstellen.“
„Wir kennen uns doch noch gar nicht und du willst mich gleich deinen Freunden vorstellen? Finden die das so gut, wenn du einfach random ein Mädchen aus der Disco mitbringst? Außerdem kann ich gar nicht skaten.“
„Die Jungs freuen sich immer neue Menschen kennen zu lernen, vor allem, wenn sie so hübsch und lustig sind wie du. Und das mit dem Skaten ist gar nicht schlimm. Viele Mädels begleiten ihre Freunde, obwohl sie es nicht können und auch viele Jungs können nicht skaten aber sind wegen ihren Freundinnen dort. Außerdem kann ich es dir gerne beibringen, heißt, wenn du es lernen möchtest“, sagt er. Allerdings habe ich nicht alles von dem, was er gesagt hat, verstanden.
„Du findest mich hübsch?“, frage ich völlig perplex. Sowas hat noch nie ein Junge zu mir oder über mich gesagt.
„Ja, ich finde dich sogar sehr hübsch“, erwidert er lächelnd. Es ist so überraschend für mich, dass ich gar nicht weiß, was ich jetzt tun soll. Soll ich ihm danken? Oder einfach lächeln? Wäre ein Kuss zu viel?
„Selma, willst du jetzt morgen mitkommen?“, Niels lacht leise. Wieder dieses Lachen. „Oh, ehm ja. Klar gerne!“ Ich lächele ihn an.
„Sehr schön. Wir treffen uns meist gegen vier. Also … sei einfach da, wenn du Zeit hast.“ Niels grinst noch einmal kurz, gibt mir einen Kuss auf die Wange und geht wieder zurück in den Disco-Raum.
Ich stehe weiterhin perplex im Vorraum und sehe ihm nach. In meine Kopf herrscht Chaos. Er hat mich auf die Wange geküsst, einfach so. Die Stelle meiner Wange kribbelt. Luft, ich bekomme auf einmal keine Luft mehr. Ein Gefühl der Enge macht sich in mir breit.
„Atme Selma. Folge meiner Stimme und Atme mit mir. Achte nur auf mich und deine Atmung.“ Die Therapeutin sitzt vor mir. Ihre Hand steckt in der Handpuppe eines Löwen. Sie bewegt die Hand in dem Körper so, als würde der Löwe atmen. Und ich atme mit ihm. „Sehr gut“, lobt sie mich. Diagnose: Angstattacken, ohne weiteren Grund. Ich war sieben als sie zum ersten Mal auftraten und ich zum Therapeuten musste.
Meine Freundin Ina kommt.
„Selma?! Hey Selma?“ sie steht vor mir. Vorsichtig nimmt sie meine Hand in ihre.
„Okay Selma, hey, konzentrier dich auf mich okay. Kannst du das?“ Leicht nicke ich.
„Gut, Selma nenne mir fünf Sachen, die du sehen kannst.“
Ich nennen ihr fünf Sachen, die ich sehen kann, danach vier die ich fühlen kann, drei die ich hören kann, zwei die ich riechen kann und zum Schluss noch eine Sache, die ich schmecken kann.
Ina kennt mich sehr gut. Sie weiß das mir die Methode immer wieder aus einer Angstattacke raus hilft, wenn ich nicht schon zu weit drin stecke. Es ist aber auch kein Wunder, das sie mich so gut kennt.
Ina und ich sind schon seit dem Kindergarten beste Freundinnen. Sie ist äußerlich betrachtet das genaue Gegenteil von mir. Sie hat braune Haare, die ihr in einem Long Bob bis zu den Schultern gehen. Sie findet sie langweilig, ich finde ihr steht das. Auch Tattoos oder Piercings hat sie keine und wird wohl auch niemals welche wollen. Ina war immer für mich da. Bis ich vierzehn wurde und ihre Tante starb. Ich kam nicht klar damit, dass und wie Ina trauerte. Sie hat alle von sich geschoben und ließ mich nicht mehr an sich ran. Ich wollte so gerne für Ina da sein, doch ich kam einfach nicht damit klar sie so traurig und von mir abgewandt zu sehen. Ich habe ihr erklärt das es mir zu viel ist, dass ich nicht weiß, wie ich mit ihrer Trauer umgehen soll. Ina fand dies nicht so toll und ging auf Abstand, bis wir beide auf eine neue Schule kamen und nur noch uns kannten.
„Geht’s wieder?“, fragt sie mich besorgt.
„Ja danke.“
„Was ist denn passiert?“
„Gar nichts. Die Attacke ist einfach so gekommen“, Ina schaut mich skeptisch, fragt allerdings nicht weiter.
„Was macht du eigentlich hier?“ Fragt sie mich nach einem Moment der Stille.
„Du wolltest doch nur zur Toilette gehen“, hängt sie hinten ran.
„Ich weiß, tut mir leid. Ich habe einen Jungen getroffen. Er hat mich zu einem Drink eingeladen.“ Ina sieht mich erneut skeptisch an.
„Ein Junge hat dich zu einem Drink eingeladen?“ Ina ist weiterhin sehr skeptisch.
Leicht sauer schaue ich sie an.
„Was soll das denn heißen Ina?“ frage ich sie leicht pissig.
„Willst du etwa sagen, dass es so abwegig ist, dass ein Junge mich toll finden kann?“ frage ich gleich danach.
„Was? Nein, Selma so war das gar nicht gemeint. Sorry. Natürlich glaube ich, dass ein Junge dich toll finden kann. Ich kenne einige Jungs, die dich toll finden. Aber es ist schon komisch, dass dich random ein Junge einfach nur zu einem Drink einlädt und nicht mehr will. Ich mache mir Sorgen um dich. Du bist doch schließlich meine beste Freundin Selma“, erklärt sie mir.
Okay. Ich kann einfach nicht lange sauer auf sie sein.
„Stimmt. Sorry ich wollte dich nicht so anfahren. Ich weiß das du dir nur Sorgen machst. Ich habe dich lieb Ina.“
„Ich habe dich auch lieb Selma“, meint sie und umarmt mich kurz.
„Ich soll morgen zu ihm in den Skaterpark kommen. Kannst du mich vielleicht begleiten? Nicht dass er noch ein Serienmörder ist und dann nur ein wunderschönes Opfer zur Verfügung hat.“ Ich lache und Ina grinst. Sie kommt nicht immer so gut mit meinem Sarkasmus und meiner Art von Humor zurecht, weswegen ich in ihrer Gegenwart versuche, möglichst darauf zu verzichten.
„Klar. Ich werde dich da bestimmt nicht alleine hingehen lassen. Wer weiß, was das wirklich für einer ist“, erwidert Ina grinsend und zerrt mich wieder zurück in den Disco-Raum.
Während wir tanzen, schaut Niels mich immer mal wieder lächelnd an. Natürlich lächle ich jedes Mal zurück, bis Ina mich wieder in den Vorraum zieht.
„Du ich bin ziemlich müde, wollen wir gehen?“ fragt sie mich. Auch ich merke, dass ich wieder sehr müde werde, weswegen ich nicke.
„Willst du vielleicht bei mir schlafen Ina? Meine Eltern sind nicht da und ich will nicht alleine sein“, meine ich.
„Klar“ antwortet Ina und gibt nur noch kurz ihren Eltern Bescheid. Gemeinsam machen wir und auf den Weg. Bei mir zu Hause angekommen, merken wir beide das wir durch die frische Luft nicht mehr ganz so müde sind. Sowohl Selma als auch ich haben Hunger. Grinsend schauen wir uns an. Nickend greife ich zu meinem Handy und bestelle uns eine Pizza. Während wir essen, schauen wir einen Film. Anschließend machen wir uns Bett fertig.
Am nächsten Morgen wachen wir beide bereits um sieben Uhr auf. Nachdem Ina duschen war und wir uns fertig gemacht haben, treffen wir uns in der Küche, wo wir gemeinsam frühstücken.
„Wann sollst du denn im Skaterpark sein?“ fragt Ina, nachdem wir mit frühstücken und aufräumen in der Küche fertig sind.
„Niels meinte, dass sie sich immer so um vier Uhr treffen. Ich soll vorbei kommen sobald ich kann“, antworte ich.
„Okay, dann haben wir ja genug Zeit endlich den Harry Potter Marathon anzufangen, den wir dann danach weiter führen werden“, meint Ina. Grinsend nicke ich. Wenn ich jetzt nein sage, wird sie mich hassen. Sie hasst es ja schon, dass ich bisher noch nie Harry Potter geschaut oder gelesen habe.
Im Wohnzimmer haben wir die Couch ausgezogen, unsere Bettwäsche ordentlich, aber gemütlich drapiert und um uns herum liegen Snacks, Softgetränke, Energy-Dosen und Taschentücher. Warum genau Ina auf Taschentücher bestanden hat, weiß ich nicht. Kurz schaut Ina mich lächelnd an, ehe sie auf Play drückt. ‚Harry Potter und der Stein der Weisen‘ beginnt. Nach nur zwanzig Minuten verstehe ich dann endlich, warum Ina Taschentücher benötigt. Sie weint, genauer gesagt heult sie sogar.
„Okay, ich weiß ja, dass du die Filme liebst, aber ist das nicht etwas übertrieben?“, frage ich sie langsam und binde mir nebenbei die Haare zusammen.
„Weißt du, ich hoffe schon seit so langer Zeit, dass du mit mir hier sitzt und diesen Film schaust. Das bedeutet mir mehr als alles andere. Ich hoffe wirklich, dass du die Filme genauso magst wie ich!“ Ich schaue sie an und blinzele.
„Das ist echt süß Ina. Für dich mache ich doch fast alles!“, ich ziehe sie in meine Arme und drücke sie fest an mich.
„Ich habe dich Lieb und werde mir definitiv Mühe geben, die Filme zu lieben!“ ich nehme mir fest vor, den Film ihr und unserer Freundschaft zuliebe, wirklich eine echte Chance zu geben!
Wir schauen also den Film in Ruhe weiter und um ehrlich zu sein, werde ich den Hype wohl nie verstehen, aber die Filme sind auch definitiv nicht die schlimmsten. Ich meine, wir haben twilight geschaut.
Um halb zwei mittags endet der zweite Teil. Ich lache Lockhart aus. „Gott, Hermine ist so klug und so dumm dabei!“, lache ich weiter und streiche mir einzelne blonde Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Na ja … sie ist ja erst dreizehn. Und … eine Hexe, die ihrem Alter definitiv voraus ist.“ Ina rechtfertig Hermine. Wir fangen beide an zu lachen. „Wir sollten uns fertig machen.“ Und mit diesen Worten stehen wir vom Sofa auf und verteilen uns auf die Badezimmer in dem Haus meiner Eltern.
Ina ist relativ schnell fertig. Das ist auch zu erwarten. Sie kam ohne Wechselklamotten und ihr Make-Up zu mir, da wir es ja relativ spontan entschieden haben das sie zu mir kommt. Zum Anziehen bekommt sie daher etwas von mir. Sie trägt nun meine schwarze Jeans und ein langes schwarzes T-Shirt mit einem großen Herz drauf, durch den ein Pfeil geschossen ist. Make-Up biete ich ihr zwar auch an, dies lehnt sie jedoch ab. Ich brauche hingegen etwas länger. Erst gehe ich duschen. Danach föhne ich mir die Haare und ziehe mich an. Ich habe mich dazu entscheiden meine schwarze Sporthose sowie ein rotes Shirt anzuziehen. Dazu trage ich meine schwarz-weißen Vans. Gleich danach trage ich mir noch dezentes Make-Up auf. Wieder im Wohnzimmer angekommen, sehe ich Ina auf dem Sofa sitzen.
„Da bist du ja. Wir haben nur noch dreißig Minuten. Wenn du um punkt vier Uhr da sein möchtest, sollten wir jetzt gehen“, sagt sie.
„Ja ich weiß, aber wir brauchen ja auch nur zehn Minuten bis dort“, erwidere ich grinsend. Gefühlt ist Ina nervöser als ich, dabei ist sie diejenige, die seit dem Tod ihrer Tante verständlicherweise so übervorsichtig ist. Es hat sie echt mitgenommen, dass ihre Tante gestorben ist, weil sie jemanden auf einer Party kennengelernt hat, welcher sie mit K.O Tropfen betäubt hat. Der Typ hat ihr zu viel gegeben, weswegen sie nie wieder aufgewacht ist. Es hat auch mich schockiert. Ich meine, ich war vierzehn und doch so bereit und erwachsen, um endlich feiern zu gehen. Aber … ich habe mich geirrt und wurde eines Besseren belehrt. Feiern und Erwachsensein kann Angsteinflößend sein, besonders als junge Frau.
Nach zehn Minuten Fußweg, kommen wir am Skaterpark an. Zu unserem Glück sind Niels und seine Freunde schon da, sodass wir nicht mehr auf sie warten müssen. Wir hätten auch nicht gewusst, was wir hätten machen sollen, während wir auf sie warten. Skaten können wir schließlich beide nicht. Als Niels uns sieht kommt er lächelnd zu uns und umarmt mich zur Begrüßung.
„Hey, schön, dass du da bist Selma. Und wer ist deine Freundin?“, fragt er lächelnd. „Hey, ich bin Ina.“
„Schön dich kennenzulernen Ina, ich bin Niels. Kommt mit ich stelle euch meinen Freunden vor.“
Gemeinsam gehen wir zu seinen drei Freunden, mit denen er auch in der Disco war. „Jo Jungs, das ist Selma, dass Mädchen, von dem ich euch erzählt habe“, er deutet auf mich, danach deutet er auf Ina. „Und das ist ihre Freundin Ina. Mädels, das sind meine Freunde Dylan, Rio und Vincent“, stellt Niels alle vor. Seine Freunde sehen sich an und lächeln dann lieb in unsere Richtung.
„Schön eure Bekanntschaft machen zu dürfen“, erwähnt Ina ausgewählt höflich.
Ich kann’s verstehen. Während Niels aussieht wie ein Engel, sehen seine Freunde aus wie typische Tunichtgute. Einer, Niels stellte ihn als Rio vor, hat seine blauschwarzen Haare mit sehr viel Gel zu vielen langen Stacheln gedreht. Es sieht … beeindruckend aus. Gelinde ausgedrückt. Seine Klamotten sind schwarz und mindestens drei Größen zu groß. Aber es sieht gut aus. Auf seiner Hose ist ein Schachbrett-Muster aus kleinen schwarzen und grauen Vierecken, sein Hoodie zeigt die Aufschrift ‚Love is love‘, in Blutroter Schrift. Neben ihm steht Vincent. Er hat ein Kreuz auf der rechten Wange tätowiert, sowie auf beiden Händen eine Skelett Hand. „Das sieht richtig echt aus“, meint Ina und greift instinktiv nach Vincents rechter Hand. Vincent lässt das zu, grinst nur etwas breiter.
„Fass ruhig an Süße, ich beiße nicht.“ Vincent versenkt die andere Hand in seiner Hosentasche. Die Hose ist auf der linken Seite rot, auf welcher mit schwarz Vierecke eingeteilt sind, und auf der rechten Seite ist sie schwarz. Dazu trägt er blaue Sneaker und ein rotes T-Shirt mit weißen Pullover drunter. Ich kann nicht einmal sagen, ob das gut aussieht, weil an ihm wahrscheinlich alles gut aussehen würde. Unter einer grünen Mütze sieht man schulterlange dunkelbraune Locken.
„Ich muss sagen, deine Hände sind unfassbar weich, dafür das du skatest“, sagt Ina und lässt seine Hand los. Vincent lacht. Und dadurch müssen auch seine Freunde lachen.
„Seine Hände sind ihm heilig“, erklärt Niels lachend.
„Wenn er könnte, würde er sie versichern lassen“, der andere Junge, Dylan, grinst und schubst Vincent leicht. Dylan sieht aus, als wäre er schon sein ganzes Leben am Kämpfen. Unter blauen Augen sind dunkle Augenringe zu sehen. Wobei die bei allen zu sehen sind. Die blonden Haare von Dylan sind hoch gegelt und im Nacken scheinen sie rot gefärbt zu sein. Im Gegensatz zu seinen Freunden sieht er mit Jeans und weißem Shirt viel zu normal aus.
Ich schaue Ina an und muss grinsen. Sie kann ihre Augen kaum von Vincent lassen. Und so rot wie sie gerade im Gesicht ist habe ich sie ja noch nie gesehen. Grinsend schaue ich Vincent an. Es scheint so, als würde Ina ihm auch gefallen. Das ich das mal erleben darf. Ina sieht so verliebt aus. Um ehrlich zu sein dachte ich immer sie sei lesbisch oder Aromantisch. Da habe ich mich wohl getäuscht. Sie sieht wirklich aus, als würde sie strahlen.
Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. Mein Blick wandert von Ina und Vincent zu den wunderschönen ozeanblauen Augen von Niels.
„Und, hast du Lust das ich dir das Skaten beibringe?“ lächelnd nicke ich. Er stellt sein Skateboard vor mir ab, nimmt meine Hand und sagt mir wie ich mich darauf stellen soll. Danach zieht er mich langsam mit sich mit. Während er mich durch die Gegend zieht falle ich mindestens acht Mal von diesem Board runter.
„Wow, das ist ja viel schwerer als es aussieht“, meine ich verlegen. Er grinst.
„Da gehört halt eine Menge Übung zu, aber glaub mir, ich habe schon anderen versucht das Skaten beizubringen und die sind alleine in der Zeit und bei der Strecke mindestens dreißig Mal runtergefallen. Da bist du mit acht Mal echt gut dran“, antwortet er.
„Na das macht mir Mut. Ich möchte noch weiter fahren, vielleicht kann ich es dann irgendwann mal alleine“, erwidere ich. Niels nickt. Nach nur einer halben Stunde schaffe ich es tatsächlich länger als fünf Minuten alleine auf dem Board zu stehen und damit zu fahren, ehe ich wieder runter falle.
„Du macht echt schnell Fortschritte“, sagt Rio lächelnd.
„Vielen Dank“, bedanke ich mich. Plötzlich fällt mir auf das Ina und Vincent gar nicht mehr da sind.
„Wo sind denn Ina und Vincent?“ frage ich verwirrt.
„Die wollten was zu essen holen“, antwortet Rio. Ein wenig Sorgen bereitet mir das schon. Ja Ina ist vorsichtig aus mehreren Gründen, aber sie kennt Vincent ja gar nicht. Und ich kenne ihn auch nicht.
„Hey, Vince kannst du vertrauen. Der ist ein ganz Lieber.“ Niels beschwichtigende Worte helfen nur bedingt. Auch ihn kenne ich immerhin kaum.
„Ja bestimmt hast du recht.“ Ich fühle mich unwohl, nun doch alleine mit drei mehr oder weniger fremden. Ich atme tief durch. Und noch mal. Doch das Gefühl der enge bleibt. Ich bekomme kaum noch Luft und muss mich setzen. Mir wird schwindelig. Ich sehe Niels und Rios besorgten Blick, danach schließe ich meine Auge und versuche nicht zu weinen. Atmen. Langsam und zittrig stoße ich nach und nach kurze Atemzüge nach außen.
„Hey Selma, kannst du mir sagen, wie ich dir helfen kann?“, höre ich Niels Stimme. Heftig schüttle ich mit dem Kopf. Zum Reden bin ich gerade nicht mehr in der Lage. Plötzlich legen sich zwei starke Arme um mich und drücken sanft. Ich hole tief Luft durch die Nase. Mein Körper bewegt sich vollständig, so tief muss ich atmen. Ich beruhige und schäme mich.
Warum muss ich sowas unbedingt vor dem Jungen habe, den ich toll find? Ohne das ich mitbekommen habe, dass sie gekommen sind, steht Ina hinter Niels, in dessen Arme ich gefangen bin. Auf ihrer Schulter die Hand von Vincent.
„Hey“, sage ich lasch, woraufhin Niels loslässt. Wir beide setzen uns hin, er nimmt meine Hand in seine. Er spielt mit meinen Fingern. Ina grinst und Falten bilden sich auf ihrer Stirn. Statt mich anzusprechen, bittet sie Vincent die Pizzen aufzuheben. Dieser geht zu den Kartons, die auf dem Boden etwa zwei Meter von uns entfernt liegen und kommt zurück. Die anderen setzen sich um uns herum und Vincent verteilt die Pizzakartons.
Während wir Essen schaut Ina mich immer wieder besorgt an. Sie weiß auch das ich schon lange keine Angstattacken mehr hatte. Ich wundere mich jedoch viel mehr darüber das Niels es durch seine Umarmung schaffte mich wieder zu beruhigen. Normalerweise kann mir da nur Ina raus helfen oder jemand mit einer sehr guten Ablenk-Methode. Doch irgendwie habe ich mich in seinen Armen so sicher gefühlt. Es fühlte sich so an, als würden wir uns schon ewig kennen. Das hatte ich noch nie, nicht mal bei Ina. Bis Ina mich aus solchen Attacken raus holen konnte brauchte es Monate und Niels schafft das ganze schon an unserem zweiten Tag.
Nachdem wir mit Essen fertig sind nimmt Ina mich an die Seite.
„Selma, was war los?“ fragt sie mich besorgt.
„Keine Ahnung, du warst auf einmal weg und ich war mit diesen beiden wildfremden Jungs alleine. Da habe ich Panik bekommen, aber jetzt bist du ja wieder da“, erwidere ich lächelnd.
„Oh ja, es tut mir leid, wir hatten Hunger und du hattest so viel Spaß beim Skaten da wollten wir dich nicht stören. Das wird aber nie wieder vorkommen, versprochen.“
„Ist schon okay. Ist ja alles gut gegangen. Aber sag mal, kann es sein das du Vincent magst?“ frage ich grinsen. So schnell habe ich Ina noch nie rot werden sehen.
„Was? Wie kommst du denn darauf?“ fragt sie mich.
„Ach komm schon, ich sehe doch wie ihr euch anschaut. Ich sehe das du jedes Mal, wenn du zu ihm siehst grinst und verlegen auf den Boden schaust.“
„Oh man… ist das so offensichtlich?“ fragt sie. Grinsend nicke ich.
„Das ist schon sehr offensichtlich, aber ich kann es verstehen, er ist schon süß, aber ich glaube ich bleibe dann doch eher bei Niels“, grinse ich sie breit an.
„Besser ist, Vincent würde ich dir auch nicht überlassen“, lacht Ina.
Der Tag endet bald. Wir schauen uns noch den Sonnenuntergang an. Danach verabschieden wir uns. Dylan winkt nur kurz und verlässt die Gruppe schnell. Rio bietet Ina und mir eine Umarmung an. Ich akzeptiere. Rio drückt mich kurz und sagt dann zu uns beiden: „Ich hoffe man sieht sich jetzt öfter.“ Ina lächelt und nickt. Auch ich gebe meine Zustimmung. Als auch Rio uns verlässt, meint Vincent lässig, dass er Ina nach Hause bringen möchte.
„Oh, aber ich wohne etwas weiter weg. Ich würde gleich in einen Bus steigen“, erwidert diese. Niels bittet daraufhin, erst recht das Angebot anzunehmen.
„Nachts passieren viele doofe Dinge. Und dafür bist du Selma viel zu wichtig, als dass wir das zulassen würden!“, betont er energisch. Ina sieht zu mir.
„Wenn es dir damit besser geht, Ina, können du und Selma während der Fahrt telefonieren und du schickst ihr deinen Live-Standort“, reagiert Vincent sofort auf ihre Sorgen. Ina akzeptiert, beide umarmen mich und Ina schickt mir schon direkt nach der Umarmung ihren Standort. Zu einem Telefonat ist es nicht mehr gekommen.
Niels und ich stehen noch etwas in dem dunklen Park. Wir wollen beide nicht, dass der Tag endet. „Würdest du noch …“ „Magst du noch etwas …“, beginnen wir zeitgleich. „Sprich du zuerst“, erneut reden wir zusammen. Niels lacht, was auch mich ansteckt. Er macht klar, dass ich zuerst sprechen soll. Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht und räuspere mich kurz:
„Magst du noch etwas Spazieren gehen?“ Niels sieht mich an.
„Ich meine, ich wohne nicht weit weg, aber wenn du weit musst oder nach Hause musst, dann verst…“, ich komme nicht dazu meinen Satz zu beenden. Warme Lippen liegen bereits auf meinen und drängen Hitze und Weichheit in meinen Mund. Leicht lächelnd erwidere ich den sanften Kuss.