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So sind Kinder eben

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12.06.2010
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So sind Kinder eben

Manchmal muss man eben tun, was man tun muss, dachte die Frau. Sie hatte es ihrem Kind ja gesagt. Ja, sie hatte es ausdrücklich gewarnt. Immer und immer wieder! Die Frau brauchte sich nicht zu schämen. Nein, nein. Sie hatte ihr Kind ja gewarnt. Sie hat es gewarnt und es hat trotzdem nicht hören wollen. So waren Kinder eben. Die Frau hatte das einzig Richtige getan. Ja, ihr Kind war doch selber daran schuld. Es ist ja ermahnt worden, dachte die Frau und nickte sich versichernd zu. Strafe musste sein. Ganz recht. Sie hatte es dem Kind gesagt und es hat nicht hören wollen. Dann musste es halt fühlen. So war das eben mit Kindern. Ja, ganz recht. Manchmal muss man eben durchgreifen, sprach sich die Frau zu, erhob sich ruckartig vom Bett und tigerte im Zimmer auf und ab.
„Du musst mich jetzt gar nicht so ansehen“, sagte sie zu ihrem Kind, das wie eingefroren auf dem Bett hockte und seine Mutter mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
„Du hast ja nicht hören wollen!“
Die Frau rieb die Handflächen gegeneinander. Immer fester, so dass es richtig heiß wurde und sich ein stechender Schmerz bis in die Fingerkuppen ausbreitete. Es hat ja nicht hören wollen! Was hätte die Frau denn tun sollen? Etwa nichts? Nein, nein. Sie hatte das Richtige getan.
„Du weißt genau, ich hatte keine Wahl. Du hast sie mir ja nicht gelassen! Du hast es ja nicht anders gewollt. Und jetzt hör endlich auf mich so anzustarren! Du bist selber daran schuld!“
Ich kann nichts dafür, dachte die Frau. Das Kind hat mich provoziert, ja regelrecht dazu gezwungen. Ich habe das Richtige getan. Bestimmt. Die Frau nickte erneut, ohne auch nur einen Moment stehen zu bleiben. Sie schaute kurz aus dem Fenster. Ihr Blick kam nicht weiter als zu der grauen, dicken Mauer, die sich um ihr Haus zog. Sie schaute wieder zu ihrem Kind, auf den Boden, schließlich wieder geradeaus und dann wieder aus dem Fenster. Ihre Handflächen waren vor lauter Reibung schon ganz rot.
„Wieso hast du auch nicht aufgehört?“, fragte die Frau, während sie die Hände noch fester gegeneinander rieb.
„Man muss doch auf seine Mutter hören! Ich habe immer auf meine Mutter gehört. Sie hat gesagt hör auf, ich habe aufgehört. Sie hat gesagt sei lieb zu dem Mann, ich war lieb zu dem Mann. Sie hat gesagt tu was der Mann sagt, ich hab getan was der Mann sagte. Ja, so ist das nun Mal. Man muss tun, was die Mutter von einem verlangt, hörst du! Sonst … sonst hat man doch Strafe verdient.“
Die Frau starrte wieder auf die Mauer. Bislang hatte sie ihr immer Sicherheit vermittelt, doch nun schien sie irgendwie beklemmend, als würde der Beton immer näher rücken und der Frau den Atem rauben.
„Ich habe dich gewarnt. Jetzt siehst du, was du davon hast!“
Die Frau schüttelte den Kopf. Sie hatte das Richtige getan. Natürlich hatte sie das! Das Kind hat nicht gehorcht und die Strafe verdient. Die Frau ballte ihre Hände nun zu Fäusten. So fest, dass das ganze Blut aus ihren Fingern gepresst wurde. Ihre Hände wurden dadurch ganz weiß. Weiß. Weiß wie das Kind, dachte die Frau und drückte dabei ein verzweifeltes Gelächter aus ihrer Kehle. Weiß wie ihr Kind, weiß wie ihre Weste. Schließlich traf sie keine Schuld. Nein, das kleine Kind war daran schuld, nicht sie. Die Frau blickte verächtlich auf es hinab. Sie hatte es erst vor sechs Monaten auf die Welt gebracht. Vorher war alles schöner gewesen. Vorher hatte sie noch ihre Ruhe gehabt! Und dann kam dieses Ding aus ihr heraus und schrie nur noch herum! Sie hatte es dem Kind doch gesagt, aber es hat einfach nicht hören wollen! Schreien war nicht gut, schreien brachte nur Ärger. Ihre Mutter war immer wütend geworden, wenn sie geschrien hatte. „Halt deine Fresse!“, hatte sie immer gesagt, die Frau wusste es noch ganz genau. Was hätte sie also tun sollen? Schreien war nicht gut. Und dann lag da plötzlich das Kissen neben dem Bett. Sie hatte es genommen und das Kind ruhig gestellt, so wie es ihre Mutter auch getan hatte. Ja, es musste doch wieder Ruhe einkehren. Sie musste grob sein, ja, denn das Kind hatte ihr nicht gehorcht. Jetzt saß es da und starrte sie an. Das Gesichtchen ganz weiß, die Ärmchen ganz weiß, die Beinchen ganz weiß. Es hatte ja nicht hören wollen. Die Frau traf keine Schuld. Es hat einfach nicht hören wollen. Kinder wollten nie hören! Aber so waren sie eben, die Kinder.

 

Hallo Zuckerwatte,

herzlich willkommen hier!

Mit deiner Geschichte ist dir ein passabler Einstieg gelungen.

Manchmal muss man eben tun, was man tun muss, dachte die Frau. Sie hatte es ihrem Kind ja gesagt. Ja, sie hatte es gesagt. Immer und immer wieder hatte sie es gesagt! Die Frau brauchte sich nicht zu schämen. Nein, nein. Sie hatte ihr Kind ja gewarnt. Sie hat es gewarnt und es hat trotzdem nicht hören wollen. So waren Kinder eben. Die Frau hatte das einzig Richtige getan. Ja, ihr Kind war doch selber daran schuld. Es ist ja gewarnt worden, dachte die Frau und nickte sich versichernd zu. Strafe musste sein. Ganz recht. Sie hatte es dem Kind gesagt und es hat nicht hören wollen.
Die vielen Wortwiederholungen und sich wiederholende Gedanken, Dinge die ich sonst gern bemängele, machen hier Sinn. Sie zwingen dem Leser die seelische Verfassung der Frau auf wie ein Hypnosependel. Du hast eben die richtigen, entscheidenden Worte wiederholt.

Durch den Wechsel von sehr kurzen und etwas längeren Sätzen lässt sich der Text flott und angenehm lesen.

Der Spannungsbogen. Du schilderst das Kind sitzend, um den Tod des Kindes eine Weile zu kaschieren. Das zeigt immerhin, dass du dir über den Spannungsbogen Gedanken gemacht hast. Für einen erfahrenen Krimileser ist der aber zu durchsichtig. Alles andere als ein totes Kind wäre am Ende eine echte Überraschung.

Das Kind sitzt schon mehrere Tage tot im Bett. Das ist eine haarige Sache. Die Augen sehen längst nicht mehr wie Augen aus, Gehirnflüssigkeit tropft aus den Ohren, der Bauch bläht sich und die Fliegen summen und es riecht kräftig, die Haut marmoriert und die Adern schimmern grünlich oder bläulich durch. Also so wirklich quasilebendig wirkt das Kindlein nach 5 oder 6 Tagen längst nicht mehr. Ich würde hier den Zeitraum auf Stunden oder höchstens 2 Tage begrenzen. Glaubwürdigkeit ist im Krimi Genre wichtig.

Zur Perspektive. Die ist nicht verkehrt, auch die Vergangenheitsform ist in Ordnung. Aber, nur eine Vermutung, würde die Geschichte nicht noch intensiver wirken, wenn du sie in der Ersten Person und im Präsens schreibst? Probier es mal aus!

Ja, ganz recht. Manchmal muss man eben durchgreifen, sprach sich die Frau zu, erhob sich ruckartig vom Bett und tigerte im Zimmer auf und ab, wie ein Tiger eben.
Das kann raus. Diese Wiederholung ist zu viel des Guten. Das ist ein Beispiel für eine schwache sinnlose Wiederholung; schwach weil sie kein Verb enthält und sinnlos weil sie keinen wichtigen, um sich selbst kreisenden Gedanken der Protagonistin aufweist, sondern nur die Außensicht zeigt.

Ihr Blick kam nicht weiter als zu der grauen, dicken Mauer, die sich um ihr Haus zog.
Der einzige Hinweis auf die Lebensumstände der Frau. Ich denke, bei der Kürze der Geschichte reicht der.

So fest, dass die Knochen weiss hindurch schimmerten.
Schweizer Tastatur? Sonst: weiß und an anderer Stelle schließlich, heiß, saß.

Knochen schimmern nicht durch die Haut. Die spannt sich eng um die Knöchel, sodass sie weiß schimmert, aufgrund (partiell) geringer Durchblutung.

Wünsche dir viel Spaß hier.

Gruß

Asterix

 

Vielen Dank für deine Kritik Asterix! :)

Da ich im Verfassen von Kurzgeschichten ehrlich gesagt noch überhaupt keine Erfahrung habe, kann ich sie gut gebrauchen und nehme sie mir gerne zu Herzen.
Kann ich die Geschichte jetzt noch einmal überarbeiten? Oder muss ich sie jetzt so stehen lassen? Ich weiss noch nicht genau wie es hier so läuft :)
(Und ja, ich habe eine Schweizertastatur ;) )

Lieber Gruss

Zuckerwatte

 

Kann ich die Geschichte jetzt noch einmal überarbeiten? Oder muss ich sie jetzt so stehen lassen?
Du kannst sie verändern. Klicke auf den Button "Bearbeiten" am unteren Rand.
Du kannst dann einzelne Wörter berichtigen, oder alles löschen und (dann aber bitte sofort) deinen vorher überarbeiteten Text aus deinem Schreibprogramm einfügen.
Anschließend auf "Speichern" klicken.

 

Hallo Zuckerwatte
und willkommen auf KG.de.

Im Gegensatz zu Asterix haben mich die vielen Wortwiederholungen etwas im Lesefluss gestört. Ich finde, Du könntest - anstatt der ständigen Wiederholungen - ruhig noch mehr Varianten reinbringen, vor allem, wenn die Geschichte über mehrere Stunden oder sogar Tage gehen soll. Da kommt doch ein ganzes Sammelsurium an (Schuld-)Gefühlen, Gedanken, Selbstvorwürfen und Zweifeln auf, da wäre noch viel mehr drin, finde ich.

Ich gebe Asterix sehr recht, was die Zeit betrifft. Ein Körper beginnt sofort nach dem Tod mit der Verwesung, deshalb ist die Zeitspanne viel zu weit gefasst. Das würde ich an Deiner Stelle dringend beschränken, mE auf höchstens ein/zwei Tage, nicht mehr.
Da wäre übrigens auch noch einiges an Gestaltungsmöglichkeit drin, wenn Du z.B. recherchierst, wie ein Körper sich nach dem Tod verändert. Asterix hat Dir da ja schon ganz tolle Hinweise geliefert, die könntest Du teilweise mit einbauen, um der Geschichte noch mehr Inhalt zu liefern, also nachdem der Leser dann weiß, dass das Kind tot ist.


Viel Spaß noch hier und schöne Grüße
Giraffe :)

 

Hallo Zuckerwatte,

auch von mir willkommen auf kg.de! :)

Du schreibst, du hast noch überhaupt keine Erfahrung mit dem Verfassen von Kurzgeschichten, insofern finde ich die Geschichte als "Einstieg" gar nicht schlecht. So richtig gefallen hat sie mir allerdings nicht.

An sich käme durchaus Spannung auf, weil ich als Leser wissen wollte, was das Kind denn schlimmes getan hat. Allerdings störten mich, ähnlich wie Giraffe, die vielen Wortwiederholungen, die ich beim Lesen ein wenig als "ärgerlich" empfunden habe. Dadurch hielt sich auch die Spannung in Grenzen. An sich könnte man einige Sätze komplett streichen, ohne dass inhaltlich etwas fehlen würde. Allerdings würde der Text dann an Tiefe verlieren. Insofern bin ich ebenfalls der Meinung, dass die Wiederholungen zwar irgendwie schon Sinn machen, aber auch ich fände es besser, wenn du an ihrer statt noch mehr unterschiedliche Varianten einbringen könntest. Insbesondere in Bezug auf die Gedanken deiner Protatonistin und im Hinblick auf den psychischen Horror erscheint mir das Manuskript noch ausbaufähig. Was verleitet sie zu der Tat, außer das Geschrei des Kindes? Wurde sie als Kind evtl. ebenfalls schlecht behandelt? Was hat sonst zu dieser Tat geführt? Hat sie vielleicht schon immer psychische Probleme? Usw.

Das Ende fand ich realitätsnah (leider), aber irgendwie enttäuschend/ernüchternd. Ein überraschendes Ende, irgendetwas Unvorhergesehenes, eine Pointe, hätte mir weit besser gefallen, als ein Kind, das einfach nur tot ist, weil es geschrien hat. Allerdings fällt mir spontan auch kein anderes Ende ein, letztendlich kommt so etwas in der Wirklichkeit bedauerlichweise immer wieder vor.

Im Präsens würde ich die Geschichte nicht schreiben, ich selbst bevorzuge prinzipiell die Vergangenheitsform. Aber in der ersten Person könnte die Story durchaus noch eindringlicher rüberkommen.

Ich hoffe, du kannst mit meinem Feedback ein bisschen was anfangen. :)

Viele Grüße
Michael

 

Vielen Dank für eure Ratschläge!

Ich habe versucht, sie so gut wie möglich umzusetzen. Aber wie gesagt, das ist so ziemlich meine erste Kurzgeschichte und ich weiss noch nicht genau, auf was es beim Schreiben einer Kurzgeschichte ankommt. Ich wollte vor allem einmal etwas Neues ausprobieren und freue mich daher sehr über eure Hilfe!
Ich hoffe sie ist jetzt ein wenig besser als vorher. Falls nicht werde ich mir bei der nächsten einfach noch mehr Mühe geben müssen. Übung macht ja bekanntlich den Meister ;)
Liebe Grüsse

Zuckerwatte

 

Hallo Zuckerwatte!

Ich hab schon ... nach dem zweiten Satz gewusst, dass das Kind tot ist. :) Was vielleicht daran liegt, dass ich schon ein paar solcher Geschichten gelesen habe, und irgendwann weiß man es.

Das hat dann leider dazu geführt, dass es langweilig wurde, weil es so gerade aufs Ende zulief, dass bei mir keine Spannung aufkam.

Und das ewige Wiederholen ("es ist ja ermahnt worden ... sie hatte das Richtige getan ...") wollte das offensichtliche Ende dann nur noch hinauszögern.

Das Problem daran ist, meiner Meinung nach, dass dein Text nur kurz die Selbstreflektion der Mutter zeigt. Aber sie ist den gesamten Text lang dieselbe, ihre Gedanken sind immer gleich, und das Kind ist immer gleich tot.

Etwas davon kann man ändern. Also vielleicht, dass die Mutter am Anfang froh ist, und am Ende in Panik erkennt, was sie getan hat ... oder andersrum, dass sie erst Panik hat und dann rechtfertigt, dass es doch okay war. Alternativ könnte sie das Kind auch in der Szene umbringen, wobei das schon arg grausig wäre.

Ja. Das wars von mir. :) Willkommen hier bei uns!

yours

 

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