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Soukup

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14.06.2022
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Soukup

Soukup glotzt „Explosiv - Das Magazin“. Vor ein paar Stunden ist ein LKW in der Fußgängerzone über Fußgänger gerollt. Über hundert Verletzte, elf Tote, bis jetzt. Der IS bekennt sich zu dem Anschlag. Handyvideos zeigen die Leichen und Verletzten, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden. Die brünette Moderatorin kündigt weitere brisante News zum Terroranschlag an. Dann ist Werbung.
Die Brünette ist ein Grund für Soukup „Explosiv - Das Magazin“ zu glotzen. Soukup steht auf Brünette. Hilda, seine Frau, war früher auch brünett gewesen. Früher, früher war da auch Liebe gewesen, als Soukup dreiundsechzig, achtzehn Jahre alt, von Polen nach Deutschland zog. Ohne Schulabschluss, aber mit Charisma und Selbstironie hatte er in der Gastronomie Karriere gemacht, war vom Kellner zum stellvertretenden Leiter eines Catering-Service aufgestiegen; die Polenwitze entpuppten sich dabei als gesellschaftlicher Türöffner, er musste nur mitlachen. Hilda war sofort in Soukup verschossen gewesen, diesen großen, schönen Mann, der so gut mit Menschen konnte; und er war auch ein bisschen in Hilda verliebt gewesen. Es folgte die Heirat, die Einbürgerung, ein Sohn, Alex.
Soukup greift zur Urinflasche, drückt den Schwanz rein, pisst, und stellt sie zurück auf den Tisch. Dann nimmt er einen Fetzen Klopapier, wischt sich die Penisspitze ab, formt ein Bällchen, zielt, wirft, verfehlt den Mülleimer. Sein Sohn Alex sagt, er sei ein Messi, eine Drecksau. Sein Sohn Alex, der Soukup das Auto wegnahm, Soukup die Kreditkarten wegnahm, weil er nicht mit Geld umgehen könne. Sein Sohn Alex, sein Bevollmächtigter, sein Betreuer, sein Gefängniswärter.

Zweitausendeins wurde Soukup arbeitslos, da war er sechsundfünfzig und zu der allabendlichen Flasche Rotwein kam Gin dazu. Die Ersparnisse reichten nicht, um sich totzusaufen, und Soukup musste Sozialhilfe beantragen. Das ausgefuchste Amt brachte Soukup in die Klapse, zum Entzug. Mit den Diagnosen Alkoholabusus und Verdacht auf schizophrene Psychose kam er wieder raus. Er begann im Park spazieren zu gehen, auf Parkbänken zu sitzen und den Vögeln zuzuhören. Soukup mochte Tiere, keine Haustiere, Tiere, die in der freien Natur lebten, Enten, Spatzen, Amseln, Raben, Schwäne - Vögel vor allem. Ein Arzt vom Amt attestierte Soukup dann eine schwere Depression. Er erhielt Invalidenrente und begann wieder zu trinken. Eine Flasche Rotwein am Abend, zwei, drei, vier, fünf Gläser Gin, Soukup lebte so dahin.
Soukup legt die Beine auf den Hocker. Die vom Pflegedienst sagen, er solle die Beine so oft wie möglich hochlagern, das sei gut für den Heilungsprozess. Soukup glaubt ihnen nicht, aber manchmal werden die Schmerzen weniger dadurch. Er betrachtet die dicken Verbände an seinen Beinen. Chronisch venöse Insuffizienz, Ulcus cruris, hatte Soukup in seiner Akte gelesen, der Akte des Pflegedienstes. Im Pflegebericht stand, er würde keine Compliance zeigen und täte sich schwer damit Hilfe anzunehmen. Seine Beine waren offen von der Wade bis vor zum Schienbein, aufgeplatzt, entzündet, wegen dem ganzen Wasser, den Ödemen.
Seine verdammten Beine ...
Vor einem Jahr hatte er das letzte Mal versucht, die vierzig Treppenstufen hinunterzusteigen, um sich im Supermarkt Rotwein und Gin zu kaufen; aber schon nach den ersten zehn Stufen war der Schmerz in seinen Beinen unerträglich geworden. Und Hilda, seine Hilda, kaufte ihm keinen Rotwein, keinen Gin. Alles was sie ihm mitbrachte war Schokolade, Chips und Zitronenlimo. Doch wenn er mit ihr schimpfte, begann der Köter zu knurren und zu bellen.
Der Köter hasste Soukup, und Soukup hasste den Köter. Diese englische Bulldogge, den hässlichen Hund. Soukup war sich sicher, dass Hilda den Köter mehr liebte als ihn. Vier Stunden war sie am Vormittag mit ihm Gassi, kam mittags nur heim, um für Soukup das Mittagessen zu kochen, um dann wieder für fünf Stunden mit dem Köter zu verschwinden. Der Köter schlief sogar bei seiner Frau im Bett, und er musste auf der Couch schlafen, als einzige Gesellschaft den Fernseher.
Schön, Soukup musste nicht, er schlief freiwillig auf der Couch, weil er die Gegenwart seiner Frau nicht mehr ertrug, und die Vorstellung, neben ihr in einem Bett zu schlafen nur noch Ekel in ihm hervorrief. Außerdem war die Gesellschaft des Fernsehers definitiv besser als die seiner Frau. Seiner Hilda, seiner Verrückten, der manisch-depressiven, die sogar mehr Pillen schlucken musste als er.
Bis vor zwei Jahren nahm Soukup fünfzehn Pillen über den Tag verteilt. Jetzt war er runter auf elf, die alle von der Pflegeversicherung bezahlt wurden. Sein Sohn Alex, sein Bevollmächtigter, hatte nämlich nachgefragt, warum die anderen vier Pillen nicht von der Pflegeversicherung bezahlt wurden, und es kam raus, dass es sich dabei um Pillen handelte, deren therapeutische Wirksamkeit nicht hundertprozentig erwiesen war, die aber höchstwahrscheinlich der Entstehung einer Demenz entgegenwirkten.
Sein Sohn Alex fand, Soukup brauchte keine fadenscheinige Hoffnung auf Demenzprävention, sparte das Geld lieber und strich ihm auch die Vitaminpräparate. Setz dich lieber mal raus an die Sonne, sagte er, sein Bevollmächtigter Alex, da kriegst du auch dein Vitamin D. Soukup wollte aber nicht raus auf den Balkon, überhaupt war der besetzt von den Pflanzen seiner Frau, und die Aussicht auf ein Gespräch mit den Nachbarn, den ständig kichernden Althippies auf dem Balkon nebenan, vertrieb ihm jegliche Lust auf Vitamin D.

„Du Idiotin“, sagt Soukup zu der Brünetten vom Pflegedienst, die den Verband um seine Beine wickelt. „Das ist zu eng. Du Idiotin.“
„Es muss eng sein, Herr Soukup“, sagt die Brünette professionell. „Sonst bringt der Verband nichts.“
„Du bist eine Idiotin“, sagt Soukup, und setzt mit ein paar polnischen Schimpfwörtern nach. Die Brünette springt auf, stemmt die Hände in die Hüften. „Ich lass mich von Ihnen nicht beleidigen, Herr Soukup. Von Ihnen nicht!“
„Ich sag nur, was ich fühle.“
„Sie beleidigen mich, Herr Soukup.“
„Ich sag nur, was ich fühle.“
„Ist mir egal, was Sie fühlen.“
Soukup schweigt, die Brünette schweigt, und nach einer Weile Schweigen kniet sie sich wieder hin und wickelt den Verband weiter, wickelt viel zu eng, aber Soukup schweigt. Er weiß, der Pflegedienst kostet seinen Sohn eine Menge Geld, und irgendwie ist er auch froh, dass er kommt. Danach sieht er auf die Uhr, zückt den Kugelschreiber, schreibt auf einen Notizblock: Zwanzig Minuten Verbandswechsel. Von Melissa Karajkovic. Pflegedienst ist Teil des Systems! Er unterstreicht Systems, und überfliegt kurz, was an diesem Tag bis jetzt passiert ist.
7:04 Uhr: Stuhlgang. Tabletten genommen. Frühstück ohne Eier. (Hilda hat versprochen, heute welche kaufen zu gehen.)
8:02 Uhr: Hilda ist mit dem Köter raus, sagt, ich soll auch mal an die Sonne. (Idiotin.)
8:45 Uhr: Urinflasche
10:30 Uhr: Urinflasche. (Die Vögel kommen heute nicht ans Fenster.)
11:11 Uhr: Zwanzig Minuten Verbandswechsel. Von Melissa Karajkovic. Pflegedienst ist Teil des Systems!

Soukup kam mit sechsundsechzig das zweite Mal in die Klapse. Diesmal hatte ihn sein Sohn eingewiesen. Sein Sohn wollte Hilda auch zur Scheidung überreden, brachte aber nicht mal die Abschiebung ins Altersheim durch. Hilda wurde überm Auge genäht und besuchte Soukup in der Klapse, als die Blutergüsse zurückgegangen waren.
Soukup bekam jetzt Seroquel und Haldol; zwischenzeitlich kam er ins Krankenhaus, weil sein Herz Zicken machte, und um Nierensteine entfernen zu lassen. Zurück in der Klapse, meinte die Ärztin irgendwann bei der Visite, er sei jetzt gut eingestellt mit den Medikamenten, solle aber Alkohol meiden.
Soukup nickte nicht.
Hilda hatte während seiner Abwesenheit einen alten Köter aus dem Tierheim aufgenommen. Der Köter haarte, stank nach Verwesung und Tod, und Hilda fütterte ihn in seinem Körbchen mit Milch und Wurst. „Eine Woche vor deiner Entlassung bin ich mit ihm noch spazieren gegangen“, sagte Hilda zu Soukup. „Doch seit drei, vier Tagen geht’s rapide bergab.“
Nach dem Köter kam der Köter, der jetzt noch lebt. Die englische Bulldogge, die ständig unter Apnoe litt. Der hässliche Hund. Soukup hasste den Köter auf Anhieb und sagte das Hilda auch. „Du hasst doch jeden“, sagte Hilda, und der Köter knurrte und bellte, als Soukup zu schreien begann. „Dich selbst auch“, sagte Hilda, und verschwand mit dem Köter die Treppe runter.
Soukup hatte Respekt vor dem Hund, Angst auch. Breites Maul, starker Kiefer, scharfe Zähne. Ein Wadenbeißer, dachte Soukup. Und wenn die Dogge gähnte, schien es Soukup, als würde der Köter ihm die Zunge rausstrecken.
Soukup konnte ganz passabel Englisch, angeeignet in seiner Tätigkeit als Partyorganisator, und glaubte, die englische Dogge in seiner Gegenwart sprechen zu hören. Hey, lazy old man. Listen! You are shit, old shit, sitting there on the couch, doing nothing but shit. I am the boss in the house now! I sleep with your wife in your bed. And she streichelt me, she streichelt me. She never streichelt you. She loves me more than you. You are just an old man, sitting on the couch, doing nothing but pissing and watching TV. You are almost dead, and I am the boss in the house now. You sleep on the couch, and I fuck your wife in your bed with my dog dick when you dream.
Soukup versuchte es mit Rattengift, aber der Köter überlebte.
„Der Tierarzt meint, es sei ein Wunder, dass Hugo überlebt hat“, sagte Hilda. „Und er wird wohl auch keine bleibenden Schäden davontragen und wieder ganz gesund werden.“
„Schade“, sagte Soukup.
„Stepan“, sagte seine Frau. „Der Tierarzt meint, Hugo sei vergiftet worden.“
„Vergiftet worden? Der Idiot hat sich sicher selbst vergiftet.“
„Tu nicht so, Stepan“, sagte seine Hilda und hielt die Packung Rattengift hoch. „Das hier hab ich unter deiner Couch gefunden.“
„Das gehört nicht mir“, sagte Soukup.
„Stepan, ich würde gerne ..."
„Und außerdem! Was schnüffelst du in meinen privaten Sachen rum, du Idiotin!“
Hilda verließ das Wohnzimmer, aber Soukup fühlte sich zu schwach, um ihr zu folgen und ihr Respekt beizubringen. Er fühlte sich sogar zu schwach zum Schreien.

Am nächsten Tag wies ihn der Arzt ins Krankenhaus ein. Soukup unternahm einen letzten erfolglosen Versuch und behauptete, vom Totenbett zurück im Leben, dass die Sepsis daher gekommen war, weil der Köter in der Nacht heimlich an seinen offenen Wunden geleckt hatte. Niemand glaubte ihm, und seine Hilda, seine verrückte Hilda, glaubte ihm schon gar nicht.
Der Köter wurde nicht eingeschläfert, aber Soukups Dosis Seroquel erhöht.
Kurz darauf kam Soukup für einen Monat ins Pflegeheim, von der Pflegeversicherung bezahlt, weil seine Ehefrau Hilda angeblich unter emotionaler Erschöpfung litt und Pause brauchte. Im Pflegeheim ging es Soukup gut. Er bekam drei Mahlzeiten am Tag, den Hintern abgewischt, und mittwochs und sonntags gab es am Nachmittag Kuchen zum Kaffee.
Er fasste Vertrauen zu einer brünetten Pflegerin mit großen Brüsten, die nicht Teil des Systems zu sein schien. Zumindest war sie die Einzige, die ihm den Kompressionsverband nicht zu eng wickelte, wenn er das verlangte.
In der Nacht, bevor er das Altersheim wieder verlassen sollte, suchte er das Gespräch.
„Morgen muss ich wieder heim.“
„Ich werd Sie vermissen, Herr Soukup“, log die Pflegerin.
„Sie verstehen nicht“, sagte Soukup. „Daheim … Daheim bin ich verloren.“
„Wieso?“
„Meine Frau liebt den Hund mehr als mich.“
„So?“
„Ach, Sie verstehen gar nichts.“
„Ich versteh schon, Herr Soukup“, sagte die Pflegerin „Aber es wird schon einen Grund haben, weshalb Ihre Frau den Hund mehr liebt als Sie.“
„Sie verstehen nicht“, sagte Soukup. „Sie Idiotin verstehen einfach gar nichts.“
Die Pflegerin zog die Kompressionsbinde straff an.
„Nicht so eng“, sagte Soukup.
„Das muss so sein“, sagte die Pflegerin und wickelte straff weiter. „Sonst bringt der Verband nichts.“

Soukup glotzt „Explosiv - Das Magazin“. Die Brünette berichtet mit ernster Miene und vorgestelltem nacktem Knie brisante News von dem Terroranschlag. Über hundert Verletzte, zwölf Tote, bis jetzt. Der IS beteuert, schwört, dass der Anschlag auf sein Konto geht. Der Rock der Brünetten hat die Farbe von Butterblumen und an der Seite einen Schlitz.
Nochmal jung sein, denkt Soukup.
Auf dem Balkongeländer landet ein Vogel. Als Soukup das Fenster öffnet, flattert der Spatz weg. Und die Brotkrumen in seiner Hosentasche zerbröseln zwischen alten Fingern.

 

Hallo,

ist das beste Debüt seit langer Zeit, wie ich finde.

Guter Sound. Warum Soukop so geworden ist, wird im Grunde gar nicht erzählt - er wird einfach arbeitslos, alles ist einfach so, er ergibt sich mehr oder weniger einfach in sein Schicksal, da ist kein Widerstand. Auch wenn er das alles - Heirat, Familie, etc - so gar nicht wollte, ich finde, da könnte etwas mehr backstory rein, sonst wirkt der Charakter recht schnell eindimensional, es braucht nicht nur das alte, zynische Arschloch, sondern auch das Herz, der Weg dahin muss nachvollziehbar sein, dann hat der eher zwei Seiten, der Soukop, bekommt noch mehr Tiefe und Substanz.

Bin gespannt auf weitere Texte von dir.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Mand,

ist das beste Debüt seit langer Zeit, wie ich finde.
Das stimmt. Willkommen hier. War spannend zu lesen. Es ist kein besonderer Inhalt, nichts, was nicht tausend Mal draußen passiert. Es ist dein Stil. Lakonisch, ohne große Schnörkel. Also mir hat es sehr gut gefallen.

Über was ich gestolpert bin, was aber nur meine Sichtweise ist, schreibe ich gerne auf. Ist also kein Muss, nur Anregungen.

Soukup greift zur Urinflasche, drückt den Schwanz rein, pisst, und stellt die Urinflasche zurück
2. Urinflasche kann man durch "sie" ersetzen

der Soukup das Auto wegnahm, Soukup die Kreditkarten wegnahm
Vielleicht eine Satzumstellung ... der Soukup Auto und Kreditkarten wegnahm ...

Ein Arzt vom Amt attestierte Soukup dann eine schwere Depression. Soukup erhielt Invalidenrente und begann wieder zu trinken. Eine Flasche Rotwein am Abend, zwei, drei, vier, fünf Gläser Gin, Soukup lebte so dahin.
Soukup legt die Beine auf den Hocker. Die vom Pflegedienst sagen, er solle die Beine so oft wie möglich hochlagern, das sei gut für den Heilungsprozess. Soukup glaubt ihnen nicht
Hier vielleicht durch Umstellung das eine oder andere Soukup ersetzen bzw. weglassen.

die sogar mehr Pillen schlucken musste als er.
Bis vor zwei Jahren schluckte Soukup fünfzehn Pillen über den Tag verteilt
Vielleicht anstatt zweites Schluckte "nahm".

wickelt fiel zu eng
viel

Ein starker Text. Das Alltägliche stark erzählt. Mir geht es genau so wie @jimmysalaryman, bin gespannt auf mehr.

Grüße
Morphin

 

Hallo @jimmysalaryman

Danke für das Lob. Freut mich sehr. Ja, man erfährt nicht, warum Soukup arbeitslos wird, aber ich finde, es lässt sich aus dem Text erahnen: Er ist Alkoholiker und hat psychische Probleme. Klar, klingt jetzt nach einer faulen Ausrede, da viele Menschen in unserer Leistungsgesellschaft Alkoholiker sind und/oder psychische Probleme haben, und trotzdem ihre Arbeit auf die Reihe kriegen. In jedem Fall würde eine explizite Beschreibung des Grundes mehr Tiefe reinbringen, da geb ich dir recht.
Zum Charakter Soukups: Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, genau zu erklären, warum er so geworden ist, wie er heute ist, also den Werdegang zum zynischen alten Sack nachvollziehbar zu machen. Klar, auch das würde mehr Tiefe reinbringen, geb ich sofort zu, aber mir gings bei der Geschichte nicht um ein genau gezeichnetes Psychogramm, sondern darum den Alltag dieses alten Mannes zu zeigen. Warum er so geworden ist? Meine einfache Antwort wäre, dass er schlecht mit dem Altern klarkam, darüber seine Lebenslust verlor, resignierte, und sich in sein Schicksal ergab.
Jedenfalls danke für deinen Kommentar, hat mir zu denken gegeben.


Hallo @Morphin

Danke auch dir für dein Lob und das Willkommen-heißen. Freu mich, diese Seite entdeckt zu haben und bin gespannt, was mich hier noch erwarten wird. Ich denke, ich werde deine Änderungsvorschläge weitestgehend übernehmen.

Grüße
Mand

 

Außerdem war die Gesellschaft des Fernsehers definitiv besser als die seiner Frau.

Nur ein paar kleine Anmerkungen zu dem auch m. E. gelungenen Debut,

lieber Soukup, sorry, Verwechselung,

liebe/r Mand

etwa hier, wenn es heißt

Im Pflegebericht stand, er zeige keine Compliance und täte sich schwer damit Hilfe anzunehmen,
wenn die indirekte Rede (… zeige …) wertet und Zweifel äußert (… täte …) - wer interpretiert da den Pflegebericht, Soukup (ich wäre erstaunt, wenn ers denn könnte, Konjunktiv II korrekt zu verwenden) schließ es „eigentlich“ aus ... Also entweder "zeige" und "tue" oder durchgägnig Konj. I I - irrealis/potentialis,

Hätte aber noch einen "natürlichen" Effekt - denn der Konj. II von zeigen ist logischerweise identisch mit dem Prät. ... und schreit somit geradezu nach der "würde" Konstruktion - "er würde keine Compliance zeigen und täte ...

Auch scheinstu eine besondere Vorliebe für die Kommasetzung zu haben (als wäre vor der additiven Konjunktion „und“ immer ein Komma zu setzen. Tatsächlich ersetzt sie i. d. R. bei Aufzählungen (aber auch zwischen Satzteilen und Sätzen) das Komma ganz hervorragend ...

Nach dem Köter, kam der Köter, der jetzt noch lebt.
Das erste Komma kann m. E. weg,

und in engl. Texten braucht nicht wie im Deutschen für jede Nase die Majuskel gewählt zu werden

Hey, lazy old man. Listen! You are Shit, old Shit, sitting there on the Couch, doing nothing but Shit. I am the Boss in the House now! I sleep with your wife in your Bed.
es sei denn, es dient der Diskriminierung … Aber die Schreibung kann im Gegensatz zur Schreibung der Zuhörer des Sprechers/Vorlesers eben nicht erkennen

„Ich versteh schon, Herr Soukup“, sagte die Pflegerin „Aber es wird schon einen Grund haben, weshalb ihre Frau den Hund mehr liebt als sie.“
Höflichkeitsform „Ihre … Sie“


und damit erst einmal – eh ichs vergess -

herzlich willkomen hierorts,
bitter böse/r Mand!,

Friedel

 

Klar, auch das würde mehr Tiefe reinbringen, geb ich sofort zu, aber mir gings bei der Geschichte nicht um ein genau gezeichnetes Psychogramm, sondern darum den Alltag dieses alten Mannes zu zeigen.

Du zeigst ja nicht einfach nur den Alltag, sondern doch vor allem eher seine Reaktion darauf, oder? Und klar hast du das schon als Ansatz drin, aber er wird mit 56 arbeitslos, weil er gesoffen hat und säuft weiter ... wie kann er sich das auch alles leisten? 1 Flasche Wein, und dann noch Gin? Ich meine, wenn du nur vage andeuten würdest, was Soukop für ein Mensch war, bevor er SO wurde, dann hast du die Medaille komplettiert, dann sind es zwei Seiten. So könnte man auch recht schnell diagnostizieren: was für ein weinerliches, selbstmitleidiges Arschloch, das alle anderen für seine Lage verantwortlich macht. Da gibt es keinen Riss. Das ist ein wenig wie bei Gran Torino's Kowalski - klar ist das ein übles, rassistisches Arschloch, ABER er hat eben auch ein weiches, unbestechliches Herz, deswegen kennen wir beide Seiten, er ist ambivalent. Das fehlt mir hier einfach etwas, in deinem Text.

Gruss, Jimmy

 

Servus @Mand,

ich finde die Geschichte ebenfalls sehr gelungen. Sie fühlt sich sehr authentisch an, und das ist hier viel wert, weil die Story mehr oder weniger ein Tapsen durch ein Minenfeld an Klischeefallen ist, meine Meinung. Du schaffst das gut, die zu umgehen. Das ist bei dem Sujet und Figurenensemble verdammt schwierig: Arbeitsloser Alkoholiker. Wirklich Lob, wie gut das gemacht ist.

In jedem Fall würde eine explizite Beschreibung des Grundes mehr Tiefe reinbringen, da geb ich dir recht.
Hierzu brennt mir unter den Nägeln: Ich
mische mich natürlich nicht in Feedback anderer ein (ich übereinstimme zu 95% mit meinen Vorrednern), aber hier würde ich nichts ändern. Ob du die Figur bewusst hier mit diesen Leerstellen gezeichnet hast oder es gewissermaßen ekn Glückstreffer war, weiß ich nicht, aber die Zeichnung der Figur - gerade - durch die Leerstelle, dass nicht gesagt wird, wie sich der Prot zu dem Arsch entwickelt hat, der er ist, finde ich hier sehr gelungen und überzeugend. Gewissermaßen ist das auch ein Klischee, wenn auch auf einer Metaebene, in die ein solcher Text über arbeitslose Alkoholiker tappen kann: Zu versuche bzw. zu beschreiben, warum er so geworden ist wie er ist. Wieso ist das eigentlich wichtig, das zu beschreiben? Kommt da nicht immer nur Klischee heraus? Selbst, wenn es gut gemacht ist, ist es immer eine Versuchsanordnung, ein Konstrukt oder eine Idee, die der Autor verfolgt. Ich habe selten, vllt nie einen Text gelesen, dem das wirklich gelungen ist: Den Grund bzw Werdegang eines deutschen Alkoholikers, arbeitslos und asozial, zu beschreiben. Ich denke, das kann immer nur in die Hose gehen und verschlimmbessern. Ich finde deine Rangehensweise da viel besser und auch erfrischend, das einfach außen vor zu lassen, da bewusst eine Leerstelle zu lassen, und nur zu zeigen, wie er als Kellner war und wie er jetzt ist. Ich finde das wirklich gelungen.

Beste Grüße
zigga

 

Ich finde deine Rangehensweise da viel besser und auch erfrischend, das einfach außen vor zu lassen, da bewusst eine Leerstelle zu lassen, und nur zu zeigen, wie er als Kellner war und wie er jetzt ist. Ich finde das wirklich gelungen.

Aber es wird ja eben nicht gezeigt, wie er als Kellner war, da wird gesagt, er war ein schöner, charmanter Mann der mit Menschen gut konnte und über Polenwitze mitlachte. Aber seine zynische Seite wird dagegen sehr breit ausgewalzt, bekommt sehr viel Gewicht. Mir (falls du mich meinst @zigga, ich fühle mich einfach mal angesprochen) ging es jetzt weniger um ein soziologisches Erzählen, sondern eher darum, auch eine andere Seite des Protagonisten kennenzulernen, auch wenn sie angedeutet ist, einfach um den Charakter runder und tiefer zu machen, vielleicht auch wegen der Fallhöhe. Das KANN, muss aber nicht unbedingt etwas mit seinem Alkoholismus oder der Arbeitslosigkeit zu tun haben. Das kann auch einfach eine Begebenheit mit seiner Hilde sein oder seinem Sohn sein, die intim ist, eine kleine, feine Beobachtung, die mir zeigt, es gibt oder gab ein Leben, das dieser Mann vermisst. Das ist ja nur meine Meinung zu diesem Text, jedem sei seine gegönnt, ich glaube, da gibt es kein richtig oder falsch.

Den Grund bzw Werdegang eines deutschen Alkoholikers, arbeitslos und asozial, zu beschreiben.
Mir fallen spontan ein: Fallada, Der Trinker. Jörg Fauser, Rohstoff. Wondratscheck, Einer von der Straße. (Na gut, keine Alki-oder-Drogi-Bio, aber ähnliche Richtung, eine Art Entwicklungsroman.)

Selbst, wenn es gut gemacht ist, ist es immer eine Versuchsanordnung, ein Konstrukt oder eine Idee, die der Autor verfolgt.

Ich weiß, was du meinst, aber ist das nicht jeder Text im Grunde, ein Konstrukt? Es geht doch um eine Entscheidung, wie ich was erzählen will. Das ist ja auch eine persönliche Sache des Autoren, hier hat sich der Autor entschieden, es einfach nicht zu tun, uns eine gewisse Seite vorzuenthalten, er wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Ich sage lediglich, wie ich den Text lese und was mir eventuell fehlt, um ihn noch runder werden zu lassen. Vielleicht auch Stoff für einen eigenen Thread, oder?

Gruss, Jimmy

 

Moin Jimmy,

ich antworte kurz:

Aber es wird ja eben nicht gezeigt, wie er als Kellner war, da wird gesagt, er war ein schöner, charmanter Mann der mit Menschen gut konnte und über Polenwitze mitlachte. Aber seine zynische Seite wird dagegen sehr breit ausgewalzt, bekommt sehr viel Gewicht.
Stimme ich dir zu, da kann man nachlegen bzw. das so sehen. Ich hab an der Stelle auch gedacht, ist das zu tellig? Aber für mich hat die Stelle gut geklappt, ich fand das auf die Kürze gut. Aber hey, absolut Geschmackssache.

Mir (falls du mich meinst @zigga, ich fühle mich einfach mal angesprochen) ging es jetzt weniger um ein soziologisches Erzählen, sondern eher darum, auch eine andere Seite des Protagonisten kennenzulernen, auch wenn sie angedeutet ist, einfach um den Charakter runder und tiefer zu machen, vielleicht auch wegen der Fallhöhe.
Dagegen hab ich nichts einzuwenden, das ist Wille des Autors, finde ich, beides möglich und kann auch dem Text sehr gut tun. Für mich hat das in der Form tatsächlich gereicht und auch funktioniert, ich finde es irgendwo auch gut - meinem Geschmack nach - dass der Autor deb Prot nicht zu schmackhaft machen will, dass ich nach dem Text immer noch denke, der Typ ist ein Wichser, aber irgendwo kann ich ihn nach dem Lesen ein bisschen besser verstehen. Dass er ein Arsch bleibt, finde ich an der Stelle gut.

Das kann auch einfach eine Begebenheit mit seiner Hilde sein oder seinem Sohn sein, die intim ist, eine kleine, feine Beobachtung, die mir zeigt, es gibt oder gab ein Leben, das dieser Mann vermisst.
Finde ich eine gute Idee. Aber wie gesagt, ich finde das Teil wie es hier steht schon rund, aber voll Geschmacksfrage an dem Punkt der Fertigstellung des Textes.

Das ist ja nur meine Meinung zu diesem Text, jedem sei seine gegönnt, ich glaube, da gibt es kein richtig oder falsch.
Voll, du weißt, auf deine Meinung lege ich immer viel wert

Mir fallen spontan ein: Fallada, Der Trinker. Jörg Fauser, Rohstoff. Wondratscheck, Einer von der Straße. (Na gut, keine Alki-oder-Drogi-Bio, aber ähnliche Richtung, eine Art Entwicklungsroman.)
Ersten beiden habe ich gelesen, ich meinte - hatte es nicht dazugetippt, meine Ausrede ist Hitze und Handy :D - ein dt. Alki in der Jetztzeit. Mit tatsächlich Schwerpunkt Arbeitslosigkeit, das Sujet, das der Autor hier bedient. Bei Fauser wie bei Fallada, falls ich mich bei letzterem nicht täusche, geht es ja auch nicht wirklich um eine Begründung, warum sind die so, Rohstoff fängt ja in Istanbul an, als er schon ein Junkie ist, und er ist einfach so, da wird nicht auf die Tränendrüse gedrückt, soweit ich das Teil noch im Kopf habe. Ich meinte das auch im Hinblick arbeitslos und Alkoholiker, Harry Gelb ist ja super aktiv, bei Fallada geht es ja auch um einen arbeitenden, soweit ich es in Erinnerung habe. Ja, will nicht ausschliessen, dass es das gibt, aber dadurch dass wir mit RTL2 zugeballert werden seit 20 Jahren, gibt es dieses Stereotyp, und da gerade in einer Shortstory nicht reinzutappen finde ich schwierig.

Ich weiß, was du meinst, aber ist das nicht jeder Text im Grunde, ein Konstrukt? Es geht doch um eine Entscheidung, wie ich was erzählen will.
Auf jeden Fall. Wir sind auch super spitzfindig, ich weiß nicht, ob Nichtautoreb dieselben feinen Fühler bei Konstrukionen des Autors, die im Text durchschimmern, haben. Ich meinte, das ist so eine typische Rangehensweise, die schon in sich stereotyp ist: Wenn über einen arbeitslosen Alkoholiker erzählt wird, in Film oder Buch, bzw. wenn man den „Grund“ für den Zustand erzählen möchte, ist der erste Impuls der Autoren, Trauma zu finden in der Vergangenheit, das ist so eine klassische Rangehensweise, die mich teilweise fürchterlich langweilt, weil es halt immer dieselbe ist. Wahrscheinlich mache ich sie selbst, haha, aber hier fand ich das gut gelöst, das einfach mal außen vor zu lassen, wieso er so wird, obwohl er früher charmant und erfolgreich und attraktiv war, es wird einfach weggelassen, und ich bin erstaunt, wie gut das funktioniert.

Beste Grüße
zigga

 

Hallo @jimmysalaryman

Ja, eine Oscar-reife Figur ist der Soukup nicht. Dafür gibt es zuwenig Licht und zuviel Schatten. Ich habe versucht, ihn dadurch ein bisschen sympathischer und "menschlicher" zu machen, indem ich ihn die Vögel füttern lasse; vielleicht sollte ich diesen Aspekt stärker ausbauen, dann wäre er nicht ganz so eindimensional. Für mich stimmt die Figur aber so. Er ist ein typischer Zwiderwurz: sich selbst und der Welt zuwider. Ich wollte ihm da auch keine Wandlung zum Guten hin erlauben, oder ein Erweckungserlebnis, indem er einsieht, was für ein Arschloch er ist und sich dann ändert. Sowas halt ich auch oft für unrealistisch, für Hollywood-Denken. Ich glaub, je älter ein Mensch wird, desto weniger verändert sich sein Charakter noch - oder, anders ausgedrückt: Es wird immer schwieriger, noch innere Wandlungen anzustoßen. Ich muss dich da also leider enttäuschen, für mich ist die Figur so okay, und ich will gar nicht, dass sie einen Rechtfertigungs-Grund dafür erhält, ein Arschloch sein zu dürfen (also irgendein Traumata, Verlust der Tochter, oder enttäuschte Karriere-Träume oder was-weiß-ich.) Also dass der Leser denken kann: Aha! Darum ist er so ein Arschloch geworden! Für mich fühlt es sich interessanter an, dass im Dunkeln zu lassen.

Wie er sich seinen Suff als Arbeitsloser leisten kann? Gute Frage. Ich denke, ich werd ihn da von Gin zu irgendeinem billigeren Schnaps wechseln lassen.

Vielen Dank dir für die tollen Kommentare!

Hallo @zigga

Freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Ich hab deine Diskussion mit @jimmysalaryman interessiert verfolgt, und hab da nicht wirklich viel hinzuzufügen. Ich denke, ihr habt da beide irgendwie recht. Der Soukup hätte mehr Fallhöhe, wenn gezeigt würde, wie er früher war, ich seh da schon auch eine Schwäche, seine Vergangenheit wirkt ein bisschen runtererzählt - gleichzeitig wollt ich den Text nicht durch Rückblenden aufblasen, es ging mir da mehr um die Gegenwart, oder die Zeit seit seiner Arbeitslosigkeit. Dadurch empfindet man als Leser halt wenig Empathie mit ihm, aber ich denke, eine Figur muss nicht unbedingt berühren, sie kann auch abstoßend sein, und den Leser trotzdem packen.

Vielen Dank auch dir für die echt guten Kommentare!

Grüße
Mand

 

Ich wollte ihm da auch keine Wandlung zum Guten hin erlauben, oder ein Erweckungserlebnis, indem er einsieht, was für ein Arschloch er ist und sich dann ändert. Sowas halt ich auch oft für unrealistisch, für Hollywood-Denken.
Nö, darum ging es auch gar nicht. Ich schaue keine Hollywoodfilme, deswegen kann ich dir das weder bestätigen noch verneinen.
Ich muss dich da also leider enttäuschen, für mich ist die Figur so okay, und ich will gar nicht, dass sie einen Rechtfertigungs-Grund dafür erhält, ein Arschloch sein zu dürfen (also irgendein Traumata, Verlust der Tochter, oder enttäuschte Karriere-Träume oder was-weiß-ich.)
Du enttäuschst mich nicht, das ist ja dein Text. Du musst dich doch auch gar nicht für deinen Text rechtfertigen. Ich glaube, ich habe mich mißverständlich ausgedrückt: Mir ging es nicht um eine Rechtfertigung im Sinne von: DAS ist jetzt der Grund, warum er so wird. Das meinte ich nicht. Deine Figur bleibt aber im gesamten Text recht eindimensional, der bleibt ein Zyniker, und natürlich kann man so einen Text schreiben, darum geht es nicht. In der Textarbeit, so wie ich sie verstehe, sollte man aber auch ruhig anmerken dürfen, was einem an einem Text persönlich auffällt. Für mich ist der Text gut so, wie er ist, nicht falsch verstehen - du brauchst da auch keine Rückblende oder sonstwas einbauen. Ich denke einfach, durch ein paar kleine Kniffe könntest du die Figur noch dreidimensionaler aufstellen und dadurch noch tragischer werden lassen. Ich empfinde auch jetzt schon Empathie mit deinem Soukop, so ist es gar nicht, und der ist ja auch kein richtiges Arschloch, sondern wirkt fast schon ein wenig bemitleidenswert. Das ist ja eine einzige Abwärtsbewegung. Wenn du das konterst mit einer kurzen Szene oder einer Erinnerung oder was weiß ich, das muss keine Erklärung oder Deutung oder sonstwas sein, dann habe ich als Leser einen Anfang, ich sehe, der ist nicht schon immer einfach nur ein Arschloch gewesen; wie genau der da hingekommen ist, wo er jetzt ist, spielt nicht die Rolle. Das ist eine Entwicklung, die der Text gar nicht benennen muss, meiner Meinung nach. Wenn der Text jetzt drei Seiten länger wäre, würde ich sagen: Nun langsam ist gut. Da müsste er mir schon einfach mehr bieten, um interessant zu bleiben, der Soukop, und um nicht einfach immer tiefer zu versinken, denn da bewegt sich dann eigentlich nichts mehr, es ist ein Level.

Das ist auch schwer, da die Waage zu halten. Es gibt einen britischen Film "Tyrannosaur", da tritt der Protagonist ganz zu Beginn seinen Hund tot, und im Grunde erarbeitet sich der Film in der folgenden Länge das Herz des Zuschauers für diesen Charakter. Da entsteht oft so eine leise Tragik zwischen den Gesten, es wird auch gewalttätig, aber das sind alles Symptome innerhalb der Narrative, es ist an sich eine Liebesgeschichte. Wenn ich da nur diesen Typen vom Anfang den ganzen Film präsentiert bekäme, wäre mein Urteil am Ende immer noch: der bleibt ein Arschloch. Aber es sind eben oft diese kleinen, unscheinbaren Facetten, die das Ganze dann rund machen, da gibt es auch keine monokausale Erklärung.

Also, mal vom langen Ende: das sind ja alles nur Ideen, wie man einen an sich schon guten Text vielleicht noch besser machen kann/könnte. Da ist, meiner Meinung nach, noch Potential. Natürlich ist das alles Geschmackssache und hochindividuell - jeder Autor behält ja immer die Verfügungsgewalt über seinen eigenen Text - aber ich finde immer, ein wenig Reibung tut allen Beteiligten gut, weil man noch mal in sich geht und auch die eigene Entscheidung, das eigene Urteil überprüft. Wenn du jetzt sagst: Nee nee, Moment mal hier, das bleibt mal schön so wie es ist, denn GENAU den Text wollte ich so schreiben, dann hat sich doch die ganze Sache schon gelohnt, oder?

So, jetzt gehe ich aber auf den Ansitz und erleg eine Sau!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Friedrichard

Danke fürs Lesen und Kommentieren. Kommasetzung ist nicht gerade meine Stärke, ich weiß, es gibt da Regeln, aber ich mach da oft nach Gefühl ... Werde deine Korrekturen einarbeiten. Danke dafür!

Grüße

Hallo @jimmysalaryman

Ich denke, ich verstehe jetzt besser was du meinst. Hab da spontan keinen Widerspruch anzumelden. Ich werde da mal in Ruhe darüber nachdenken.
Jedenfalls danke für deine konstruktive Kritik, hilft mir weiter.

Waidmannsheil
Mand

 

Hallo @Mand,

ich hab deine Geschichte ganz gebannt gelesen und bin beeindruckt, wie du es geschafft hast einen Protagonisten wie diesen nicht zu sehr in langweilige Stereotype abdriften zu lassen.

Im Folgenden einfach ein paar Fragen und Anmerkungen zu Stellen, über die ich beim Lesen gestolpert bin.

Soukup mochte Tiere, keine Haustiere, Tiere, die in der freien Natur lebten, Enten, Spatzen, Amseln, Raben, Schwäne - Vögel vor allem.
Finde ich großartig, wie hier (und auch am Ende mit dem Vogel) Soukups Sehnsucht nach Freiheit mitschwingt, wo er doch selbst in seiner Wohnung gefangen ist wie ein Haustier.

Soukup war sich sicher, dass Hilda den Köter mehr liebte als ihn. Vier Stunden war sie am Vormittag mit ihm Gassi, kam mittags nur heim, um für Soukup das Mittagessen zu kochen, um dann wieder für fünf Stunden mit dem Köter zu verschwinden.
Mir fehlt hier irgendwie ein bisschen Paranoia von Soukups Seite. Er verwendet Begriffe wie "Teil des Systems" und auch an anderen Textstellen kommt seine paranoide Neigung heraus, aber bei seiner Frau geht es davon aus, dass diese vier bis neun Stunden täglich mit dem Hund einfach nur Gassi geht...?

Der Köter schlief sogar bei seiner Frau im Bett, und er musste auf der Couch schlafen, als einzige Gesellschaft den Fernseher.
Schön, Soukup musste nicht, er schlief freiwillig auf der Couch, weil er die Gegenwart seiner Frau nicht mehr ertrug, und die Vorstellung, neben ihr in einem Bett zu schlafen nur noch Ekel in ihm hervorrief.
Den Satzanfang mit "Schön" finde ich irgendwie holprig. Könnte vielleicht mehr z.B. in solch eine Richtung gehen: "Doch eigentlich war Soukup diese Tatsache gar nicht so unrecht, weil er die Gegenwart seiner Frau..."

Er weiß, der Pflegedienst kostet seinem Sohn eine Menge Geld,
"kostet seineN Sohn"

Hilda wurde überm Auge genäht und besuchte Soukup in der Klapse, als die Blutergüsse zurückgegangen waren.
Ich finde die Schreibweise "überm" mitten im Text, keine direkte Rede, irgendwie unpassend.

Soukup konnte ein paar Fetzen Englisch, angeeignet in seiner Tätigkeit als Partyorganisator, und glaubte, die englische Dogge in seiner Gegenwart sprechen zu hören. Hey, lazy old man. Listen! You are shit, old shit, sitting there on the couch, doing nothing but shit. I am the boss in the house now! I sleep with your wife in your bed. And she streichelt me, she streichelt me. She never streichelt you. She loves me more than you. You are just an old man, sitting on the couch, doing nothing but pissing and watching TV. You are almost dead, and I am the boss in the house now. You sleep on the couch, and I fuck your wife in your bed with my dog dig when you dream.
Soll dieser Text darstellen, dass Soukup nur einige Fetzen Englisch kann? Ich stolperte darüber, dass hier nur für das Wort "streicheln" die englische Übersetzung fehlt. Ich würde entweder mehr deutsche Begriffe einbauen, um das mit den Fetzen Englisch zu verdeutlichen, oder ansonsten alles übersetzen. Über "dog dig" ("dick"?) bin ich übrigens auch gestolpert.

Er bekam drei Mahlzeiten am Tag, den Hintern abgewischt, und Mittwochs und Sonntags gab es am Nachmittag Kuchen zum Kaffee.
"mittwochs und sonntags" mit kleinem Buchstaben am Anfang.

Soukup glotzt „Explosiv - Das Magazin“. Die Brünette berichtet mit ernster Miene und vorgestelltem nacktem Knie brisante News von dem Terroranschlag. Über hundert Verletzte, zwölf Tote, bis jetzt. Der IS beteuert, schwört, dass der Anschlag auf sein Konto geht. Der Rock der Brünetten hat die Farbe von Butterblumen und an der Seite einen Schlitz.
Würde hier "brisante News" und "schwört" streichen. Irgendwie zu viel des Guten.
Viele Grüße,
Frau Lyoner

 

Hallo @fraulyoner

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Mir fehlt hier irgendwie ein bisschen Paranoia von Soukups Seite.
Stimmt, da könnte man noch was rausholen. Ich stell ihn mir aber so vor, dass er zu träge ist, um in wirklich krasse Paranoia zu verfallen und ausgefeilte Wahngebilde zu gestalten, und als Egozentriker auch zu wenig Interesse an seiner Frau zeigt, um sich da groß Gedanken zu machen.
Den Satzanfang mit "Schön" finde ich irgendwie holprig. Könnte vielleicht mehr z.B. in solch eine Richtung gehen: "Doch eigentlich war Soukup diese Tatsache gar nicht so unrecht, weil er die Gegenwart seiner Frau..."
Lässt sich drüber streiten, was besser klingt. Ich finde, in meiner Version kommt der kindische Trotz Soukups besser durch; aber vielleicht ersetze ich das "Schön" noch durch eine andere Formulierung.
Ich finde die Schreibweise "überm" mitten im Text, keine direkte Rede, irgendwie unpassend.
Ist auch Geschmackssache, find ich. Das "Überm" klingt mehr nach gesprochener Rede, und ich mag das bei Texten, wenn nicht alles so trocken literarisch klingt, sondern vom Alltagsjargon getönt ist - gibt der Erzählstimme Charakter, macht sie realer, lebendiger ...
Soll dieser Text darstellen, dass Soukup nur einige Fetzen Englisch kann?
Geb ich dir recht, das passt nicht zusammen. Werde das umschreiben.
Über "dog dig" ("dick"?) bin ich übrigens auch gestolpert.
Damit hast du mich zum Lachen gebracht. Aber klar, werd ich ändern.
Würde hier "brisante News" und "schwört" streichen. Irgendwie zu viel des Guten.
Die Wörter will ich verteidigen: "brisante News" ist für mich eine Parodie auf die überhitzte Medienlandschaft, bei der alles immer sensationell und von aufgeblasener Dringlichkeit und Bedeutsamkeit sein muss...
Und "schwört" verdeutlicht für mich die kranke Denke des IS, die ja stolz drauf sind, und es sich immer auf die Fahne schreiben, wenn ihre fanatischen Anhänger ein paar Ungläubige gemordet haben.

Vielen Dank, dass du dich mit diesem Text auseinandergesetzt hast.

Grüße
Mand

 

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