Was ist neu

Spätfolgen

Mitglied
Beitritt
04.04.2008
Beiträge
443
Zuletzt bearbeitet:

Spätfolgen

Meine Mutter ist der Meinung, dass wichtige Entscheidungen erst dann getroffen werden sollten, wenn ein untrügliches Bauchgefühl den Zeitpunkt signalisiert.
Mag sein, dass da was dran ist, doch haben wir noch Zeit, auf solche Signale zu warten? Außerdem grummelt mein Bauch seit Wochen, ich bin nervös und sitze halbe Nächte grübelnd im Wohnzimmer. Meine Mutter hält mein Empfinden für Panikmache und empfiehlt Yoga.
»Findest du nicht, dass du maßlos übertreibst?«, sagte sie gestern am Telefon. Ich konnte ihr spöttisches Lächeln vor mir sehen, den Blick wohlgefällig auf die tadellos manikürte Hand gerichtet.
»Nein Mama, das finde ich nicht!« Ich wollte nicht wie ein trotziges Kind klingen, klang aber genau so.
»Das ist doch lächerlich, Vera, als wenn du damit die Welt retten könntest!« Ihre Stimme bekam eine unheilvolle Schärfe.
»Sicher nicht, Mama. Wer kann das denn überhaupt noch? Es geht mir um so etwas wie Selbstachtung, verstehst du? Ich muss endlich Stellung beziehen, sichtbar, nicht immer nur reden und mich aufregen.«
Ich hörte sie genervt seufzen. Sie malte sich bestimmt aus, was Tom sagen würde, und ahnte den Tobsuchtsanfall der Zwillinge. Alles sehr unangenehm für meine Mutter.
»Mein Gott, Vera«, sagte sie, »diesen einen Flug noch, dann kannst du den Rest deines Lebens in Wanderschuhen rumlaufen!« Sie legte eine Pause ein, ich schwieg,
»Weißt du was, Vera? Ich glaube, dir geht es einfach zu gut!«
Ich drückte das Gespräch weg.

Stimmt, Mama, dachte ich. Mir geht es tatsächlich gut, ich bin wohlhabend, gesättigt, verwöhnt und genau deshalb geht es mir von Tag zu Tag schlechter. Abends sitze ich mit einem gekühlten Weißwein auf der Couch und betrachte die Katastrophen der Welt auf unserem 75 Zoll Bildschirm.
Tom sitzt daneben und blättert in einer juristischen Fachzeitschrift. Die Jungs kommen dann und wann vorbei, ständig auf dem Sprung, haben Verabredungen oder gehen zum Sport. Ich habe versucht, mit Tom über meine Beklemmungen zu reden, über das Gefühl, dass wir unsere Lebensgrundlagen zerstören, doch Tom wuschelte durch mein Haar und meinte, ich sei mal wieder ein Sorgenpüppchen!
»Alles wird sich regeln«, meinte er, »wir fahren doch schon elektrisch und essen viel weniger Fleisch; wenn das mehr Leute machen, geht es dem Klima bald besser!«
Sprach's, sprang auf, weil er noch was ganz dringendes zu tun hatte, oder noch einmal in die Kanzlei musste.

Unsere Jungs sind wunderbar, haben im Sommer Abitur gemacht und wollen beide Jura studieren, sehr zu Toms Freude, der genau dies von ihnen erwartet hat. Sie eifern ihrem Vater nach, zielstrebig, freundlich und charmant wie Tom. Tom ist sehr stolz auf seine Söhne, deshalb hat er sich eine riesige Überraschung ausgedacht: Wir fliegen gemeinsam nach New York, vielleicht ein letztes Mal alle zusammen, denn Jan und Henry werden zum Studium wegziehen. Zehn Tage mit Kunst, Kultur, Jazz, Theater, Musik; Tom hat an alles gedacht. Er überlässt nie etwas dem Zufall.
Tom trifft Entscheidungen und setzt mein Einverständnis voraus. Oft ist das auch prima, er überrascht mich mit Unternehmungen, seine Einfälle sind beneidenswert kreativ und er freut sich wie ein Kind, wenn ich vor Begeisterung sprachlos bin. Tom ist liebevoll und großzügig, doch sehr enttäuscht, wenn seine Entscheidungen nicht vorbehaltlos angenommen werden.
Ein heikler Punkt, den ich lange bagatellisiert habe.

Als unser Haus vor fünfzehn Jahren fertig geworden war, hatte ich mir eingeredet, dass ich die offene Wohnform wunderbar finde, kaum Türen, Küche in den Wohnbereich intergriert, alles so transparent, wie Tom es genannt hatte. Dabei liebe ich Räume, die eine Tür haben. Ich liebe es, eine Tür hinter mir zumachen zu können. Ich mag es nicht, wenn mir jemand von der Wohnlandschaft aus beim Kochen zusehen kann. Damals war ich mir mit dieser Vorliebe altbacken vorgekommen, hatte mich bemüht, es so zu sehen wie Tom, mein weltgewandter, erfolgreicher Mann, auf den ich sehr stolz war.
Das bin ich immer noch, doch mittlerweile habe ich längst begriffen, dass Tom mit seiner Anwaltskanzlei samt den vier angestellten Anwälten nur deshalb so viel Geld verdient, weil er ausschließlich die Interessen reicher Klienten aus der Wirtschaft vertritt. Das ist nicht kriminell, aber mir ist es im Laufe der Jahre unangenehm geworden. Ich schäme mich manchmal für seine Äußerungen.
»Den Prozess XY haben wir gewonnen, da konnten die Angestellten nichts machen. Gerechtfertigte Kündigung zur Erhaltung des Betriebes.«
Er schnippt mit den Fingern, zwinkert mir zu und deutet ein unechtes Bedauern an. Die Pandemie hat Tom viel Geld eingebracht. Ich betrachte ihn immer häufiger wie einen Fremden.

Anfang des Jahres hatte ich eine Coronainfektion, trotz Impfung. Drei Tage fühlte ich mich elend und lag fiebernd und hustend im Bett.
Tom ließ mir Medikamente und Säfte von Frau Kwasinski, unserer Haushaltshilfe, ins Zimmer reichen. Frau Kwasinski hat drei Kinder und wäre lieber nicht gekommen, doch das ging natürlich nicht. Tom verdrehte die Augen und bat sie flehentlich, mich nicht im Stich zu lassen, gab ihr ein großzügiges Geldgeschenk und ließ durchblicken, dass sich viele Frauen nach so einem Job sicher die Finger lecken würden. Frau Kwasinski verstand und kam. Ich bestand darauf, dass sie sich jeden Tag testete und mir nicht begegnete.
»Aber sicher Schatz, wie du willst«, raunte Tom durch die Tür und fuhr zum Juristenkongress nach Berlin. Ich schwieg dazu. Die Jungs hatten das intermezzo mitgekriegt.
»Der Papa ist vielleicht ne Nummer«, riefen sie, trommelten ein Fingersolo an meine Tür und stürmten aus dem Haus. Sobald alle weg waren, schlich ich ins Gästebad, stand mit wackligen Füßen unter der Dusche und wünschte, dass ich die lähmende Traurigkeit einfach abwaschen könnte.

Als Putin die Ukraine überfiel, saß ich vor meinem Computer und lektorierte einen historischen Roman für meinen Hamburger Verlag. Seit fast zwei Jahren arbeitete ich im homeoffice, saß in meinem Arbeitszimmer mit Blick auf den Rhein und den alten Schlossturm und genoss diese Unabhängigkeit.
Frau Kwasinski klopfte an meine Tür und trat sofort ein. Sie konnte vor Aufregung kaum sprechen und hielt nur mühsam die Tränen zurück.
»Krieg, es ist Krieg! Putin hat Krieg gegen Ukraine angefangen, ich weiß nicht, was wird jetzt mit Polen, ich habe Angst!«
Ich tauchte langsam aus dem mittelalterlichen England auf und versuchte zu verstehen.
In den Tagen danach war ich wie betäubt. Ein Gefühl der Unwirklichkeit ergriff mich, ich konsumierte Nachrichten und sprach mit Freundinnen, rief im Verlag an und sehnte mich plötzlich nach meinen Kollegen.
Nur mit Tom konnte ich wieder nicht über meine Angst und Unsicherheit sprechen. Bei einem Abendessen mit seinen Kollegen samt Frauen, betonte er seine guten Kontakte zur Landesregierung, gab er den abgeklärten Insider, der genau wusste, dass dieser Spuk bald enden würde. Ich verstand nie, woher er diese Behauptung nahm, die ihm sowieso niemand glaubte. Der Zweckoptimismus gehörte zu seinem gesellschaftlichen Auftreten.
Als die Menschen aus der Ukraine flohen, spendete Tom große Summen an Caritas und Diakonie.
Als ich Deutschunterricht für Geflüchtete anbot und zwei Kurse bei der Volkshochschule gab, nahm er mich in die Arme und küsste mich.
»Du bist wunderbar, Vera, ganz wunderbar.«
Als ich ihn fragte, ob wir nicht eine ukrainische Mutter mit ihrem Sohn aufnehmen können, unser Haus ist schließlich riesig und im Herbst ziehen die Jungs aus, schüttelte er vehement den Kopf.
»Dein Engagement in allen Ehren, mein Schatz, doch hier zuhause ist unser Privatbereich, den ich dringend brauche, das verstehst du doch.«
Tom lächelte, streichelte meine Wange und wir redeten nie mehr darüber.

Als der Hitzesommer begann, der vierte in Folge, rief sein Bruder aus Franken an und erzählte, dass er Sorge habe, seinen Biohof nicht mehr halten zu können. Schon im letzten Jahr musste er Kühe verkaufen, Winterfutter viel zu früh verfüttern und nun gehe es bald um die Existenz. Tom hörte ihm geduldig zu, signalisierte Verständnis, sagte ihm dann, dass sich in Zukunft wahrscheinlich viele Menschen eine neue Existenz werden schaffen müssen, Frank habe da als studierter Ökonom und Landwirt sicher gute Chancen.
Natürlich bot er ihm auch Geld an, einen Teil als zinslosen Kredit mit unbestimmter Laufzeit.
Alles, was Tom sagte, war faktisch richtig. Ich saß vor meinem Schreibtisch und hatte Steine auf den Schultern. Meine Finger fanden die Tastatur nicht.
Als Jan und Henry ihr Abitur bestanden hatten, gab Tom eine 'kleine Party' in den Rheinterrassen, achtzig coronafreie Gäste, ein erlesenes Büffett und eine Band.
Meine Mutter rief mich am nächsten Tag an.
»Was war denn mit dir gestern los? Du hast Tom ganz schön enttäuscht, und die Jungs auch!«
»Mir ging es nicht gut, Mama. Ich habe seit Tagen Kopfschmerzen und alles war zu laut, verstehst du? Einfach zu laut!« Mir kamen die Tränen. Meine Mutter hörte das sofort.
»Meine Güte, Vera, da kann man doch mal zwei Tabletten nehmen und sich zusammenreißen! Oder sind das Spätfolgen von deiner Coronainfektion?«

Als die Energiekrise thematisiert wurde, die Rezession deutlich wurde und die Flughäfen überquollen, sagte Tom gut gelaunt, dass er sich nun um die Tickets nach New York kümmern werde und Ende September ginge es dann 'ab über den großen Teich'.
»Wir können deinen 45. Geburtstag ja am Broadway vorfeiern, was meinst du, Schatz?«

Ich sah ihn an, wusste, dass ich ihn immer noch liebte und nicht mitfliegen würde. Ich dachte an die Menschen in meinen Deutschkursen, die zum Teil in Zeltstädten lebten, an die Kinder, die noch keinen Schulplatz hatten, an die verstopften Autobahnen, den bald wieder verstopften Luftraum, an die Menschen, die schon jetzt verhungerten und an die, die bald nicht mehr in ihren Heimatländern würden leben können.
Ich dachte an Tom, der so viel arbeitete, der glaubte, durch seinen Erfolg ein Recht auf unseren Wohlstand zu haben, der mir jetzt so schamlos vorkam. Ich dachte an unsere Söhne, die bald eigene Apartments in Berlin haben würden, die ebenso fleißig, mit einem selbstverständlichen Machtinteresse ausgestattet waren wie ihr Vater.
Ich dachte an meine Mutter, die so stolz auf ihren Schwiegersohn war und mit ihm und unserer Familie bei ihren Freundinnen angab.
Ich dachte an mich, die ich aus dieser Welt herausgefallen war, nach zweiundzwanzig Jahren traurig, hilflos und beschämt hier saß.

Gestern Abend habe ich meiner Familie gesagt, dass ich nicht mit nach Amerika fliegen werde. Sonst habe ich nichts gesagt. Jan und Henry sahen zunächst einander, dann ihren Vater an. Tom hielt den Blick einen Moment auf den Teller gesenkt, dann schaute er mir ins Gesicht und lächelte.
»Das ist sehr schade, mein Schatz. Ich habe deine Erschöpfung durchaus bemerkt, doch ich wusste nicht, dass es so schlimm ist. Vielleicht sind es wirklich Spätfolgen. Erhol dich, kurier dich aus, geh in die Sauna und schlaf ganz viel, okay?«

Ich nickte und sah die Erleichterung in ihren Gesichtern.

 

Hallo @Jutta Ouwens!

Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen - sie liest sich wie etwas, dass wirklich so stattgefunden hat, womit ich sagen will, dass die Charaktere alle sehr greifbar sind und auch die Dialoge sehr authentisch wirken. Ich wünsche mir natürlich, dass das nicht der Fall ist. Denn es kann mitunter sehr anstrengend sein, nicht verstanden zu werden und die Protagonistin in deiner Geschichte scheint von ihrer Familie hier (auch teilweise bewusst) missverstanden zu werden, weil es nunmal in der Natur des Menschen liegt, unliebsame Dinge - dazu zählen vor allem auch die, die man nicht ändern kann oder von denen man zumindest glaubt, sie nicht ändern zu können - von sich zu schieben. Aber ich gehe mal auf die Einzelheiten ein.

Sprach's, sprang auf, weil er noch was ganz dringendes zu tun hatte, oder nochmal in die Kanzlei musste.
Der Satz hat mich ein wenig raus gerissen. Über das "Sprach's" am Satzanfang bin ich drüber gestolpert.

Als unser Haus vor fünfzehn Jahren fertig war, habe ich mir eingeredet, dass ich die offene Wohnform wunderbar finde, kaum Türen, Küche in den Wohnbereich intergriert, alles so transparent, wie Tom es nannte. Dabei liebe ich Räume, die eine Tür haben. Ich liebe es, eine Tür hinter mir zumachen zu können.
Diesen Absatz fand ich sehr stark - man kennt ja die Verknüpfung zwischen Türen (die man schließen kann) und Privatsphäre - die Art wie du das fast wie "nebenbei" einfließen lässt, gefällt mir und es zeigt auch schön, das die Protagonistin (Vera glaube ich) eigentlich lange mit Tom mitgeschwommen ist und jetzt - da sie sich missverstanden fühlt (so hab ich das interpretiert) - langsam aufwacht und sich auch an anderen Dingen zu stören beginnt. Eben auch diese fehlende Privatsphäre, wenn es auch "nur die Küche" und "nur das Kochen" betrifft.

Bei einem Abendessen mit seinen Kollegen samt Frauen, betonte er seine guten Kontakte zur Landesregierung, gab er den abgeklärten Insider, der genau wusste, dass dieser Spuk bald enden würde.
Der Satz klingt holprig so, den würde ich noch mal überarbeiten.

Alles, was Tom sagte, war faktisch richtig.
Den Satz finde ich sehr gut, er zeigt noch einmal schön diese "emotionale Distanz" die sich immer mehr abzeichnet. Und es impliziert unausgesprochen ein Hinterfragen, ob Tom (ich schreib hier dauernd Tom, ich hoffe er heißt wirklich so, ich bin verdammt mies mit Namen) wirklich "mitfühlt", ob seine Empathie, seine Sorge zumindest seinem Bruder gegenüber aufrichtig ist und selbst das wird hier aber schon unterschwellig angezweifelt, obwohl er seine Hilfe anbietet. Das fand ich auch sehr gut.

Ich saß vor meinem Schreibtisch und hatte Steine auf den Schultern. Meine Finger fanden die Tastatur nicht.
Die Stelle fand ich auch sehr schön. Das Bild mit den Steinen auf den SChultern und die Finger, die nicht wissen, was sie schreiben sollen, weil man einfach keinen klaren Kopf hat.

an die Menschen, die schon jetzt verhungerten und die, die bald nicht mehr in ihren Heimatländern würden leben können.
Hier würde ich nach dem und noch ein "an" einfügen - einfach weil der Satz lang ist und man ihm dann vielleicht leichter folgen kann.

Ich dachte an Tom, der so viel arbeitete, der glaubte, er habe deshalb ein Recht auf unseren Wohlstand, der mir jetzt so schamlos vorkam.
Den Satz fand ich vom Aufbau her auch etwas holprig, aber die Aussage fand ich sehr stark.

Ich nickte und sah die Erleichterung in ihren Gesichtern.
Auch das Ende fand ich gut gewählt. Ich habe beim ersten Mal lesen noch gedacht, die Erleichterung bezieht sich darauf, dass sie nicht mitfliegt, beim zweiten Mal kam ich dann zu dem SChluss, dass sie vielleicht erleichtert sind, weil sie "keine Szene" macht, sondern einfach nur nickt; weil eben die Familie selbst Angst vor der Diskussion über diese Themen hat.

Insgesamt eine gute Geschichte, ich habe sie gerne gelesen.

LG Luzifermortus

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @Jutta Ouwens,

vielen Dank für Deine Geschichte.

Zuallererst eine "technische" Nachfrage: Hat es dem Text beim Übertragen ins Forum die Form zerschossen? Es sieht an vielen Stellen so aus, als könntest Du Absätze einsparen, besonders dann, wenn wörtliche Rede direkt an Beschreibungen grenzt.

Ich habe den Text gerne gelesen, Du schaffst es, mir die Protagonistin ein Stück weit näherzubringen, auch wenn ich die ganze Zeit über das Gefühl hatte, dass die Perspektive eine gewisse Distanz wahrt. Ganz nah an Vera herangekommen bin ich nicht. War das beabsichtigt?

Und auch wenn ich das Geschehen in einem Rutsch weggelesen habe, nicht über Flüchtigkeitsfehler gestolpert bin und das Ganze als technisch sauber empfinde (abgesehen von den o.g. Absätzen): Irgendwie bleibt die Frage, warum Deine Prota so (geworden) ist, wie sie ist?

Wenn Tom ihr über den Kopf streichelt und sie "Sorgenpüppchen" nennt, warum steht sie nicht ihre Frau, geht mit ihm in den Konflikt und klärt ihn auf, über ihre Sorgen, ihre Ängste, ihre Weltsicht, bis er es verdammt noch mal versteht?
Das habe ich nur bedingt verstanden, da fehlt mir noch ein bisschen der Werdegang. Ansonsten zwingst Du den Leser, das so hinzunehmen, so á la: Die Vera. Die ist halt so. Macht 22 Jahre lang gute Miene. Jetzt ist aber auch mal gut.

Apropos: Was genau bewirkt bei ihr überhaupt diesen Wandel? Ist es die schleichende Summe aller bislang angehäuften Teile? So habe ich es verstanden. Oder gab es ein spezielles Ereignis, was als Auslöser fungiert? Habe ich das überlesen?

Du merkst schon, ein bisschen was hat Deine Geschichte mit mir gemacht, was ich erstmal gut finde. Für den ganz großen Wurf müsstest Du tiefer in den Charakter eintauchen, was vielleicht den Rahmen einer KG sprengen würde?

Wie auch immer,
gerne gelesen
beste Grüße
Seth

 

Ich dachte an mich, die ich aus dieser Welt herausgefallen war, nach zweiundzwanzig Jahren traurig, hilflos und beschämt hier saß.
Hallo Jutta Ouwens
Ich zitiere diesen Satz, weil er für mich zeigt, dass es um eine Lebenskrise geht in Deiner Geschichte, die Vera durchmacht. Die Beziehung funktioniert nicht meh, die Söhne ziehen aus, werden erwachsen, das Klima verändert sich, der Krieg macht hilflos, zwei Jahre Corona, Energiekrise, soziale Themen.... Und anstatt ernst genommen zu werden, möchten alle (Mutter, Mann), dass sie sich zusammen reisst und weiter so funktioniert wie bisher.

Ich finde Deine Geschichte gut geschrieben, nachvollziehbar und authentisch wirkend. Tatsächlich ist mir beim Lesen eine gute Freundin in den Sinn gekommen, etwas älter als Vera, aber in ähnliche Lebensumständen, die sich vor etwa einem Jahr den Klimaseniorinnen angeschlossen hat und jetzt an so ziemlich jeder Demo und Veranstaltung anzutreffen ist, die es zu diesem Thema gibt und recht zufrieden wirkt.

Zwischendurch fand ich Deine Geschichte auch witzig. Zum Beispiel als Du beschreibst, wie Tom sich verhält, als Vera Corona hat. Wobei lustig ist das Ganze ja nicht, denn die Putzhilfe muss alles ausbügeln und begibt sich in Gefahr. Und so war es ja auch "im echten Leben". Kenne viele solcher Beispiele.

Den Schluss fand ich sehr gelungen. Man gibt Corona und den Spätfolgen die Schuld und muss so nicht wirklich hinschauen und thematisierten, worum es wirklich geht. Natürlich wünschte ich mir von Vera, sie würde sich wehren und für sich einstehen. Aber ich verstehe auch, dass sie dies (noch) nicht kann.

Das sind meine Gedanken zu Deiner Geschichte, die mir wirklich gut gefallen hat.

Viele Grüsse
Aida Selina

 

»Das ist doch lächerlich[,] Vera, als wenn du damit die Welt retten könntest!«

»Das ist sehr schade, mein Schatz. Ich habe deine Erschöpfung durchaus bemerkt, doch ich wusste nicht, dass es so schlimm ist. Vielleicht sind es wirklich Spätfolgen. Erhol dich, kurier dich aus, geh in die Sauna und schlaf ganz viel, okay?«

Nun, nicht nur Tim Bendzko muss[te] mal eben „nur noch kurz die Welt retten“ und was sich zwischen den Eingangszitaten abspielt wirkt auf mich auch wie eine kleine Emanzipation. Aber dass der Krisenmodus die schöne „moderne“ Welt überraschend heimsuche, ist nichts Neues seit dem Erdbeben von Lissabon (das ja selbst in der Philosophie Eingang gefunden hat). Und sicherlich hat die Mutter unserer Heldin nicht Unrecht, sich auf ein ruhiges Bauchgefühl zu verlassen, sofern sie dabei nicht den Kopf abschaltet – denn ein mehr oder weniger beunruhigter Magen ist sicherlich kein guter Ratgeber ...,

liebe Vera,

pardon,

liebe Jutta,

womit wir schon bei der Flusenlese sind:

Sie malte sich bestimmt aus, was Tom sagen würde[,] und ahnte den Tobsuchtsanfall der Zwillinge.
(Komma, denn das „und“ führt keinen weiteren Nebensatz ein, sondern den Hauptsatz fort)

»Mein Gott[,] Vera«, sagte sie, »diesen einen ….

HIer
Ich habe versucht, mit Tom über meine Beklemmungen zu reden, über das Gefühl, dass wir unsere Lebensgrundlagen zerstören, doch Tom wuschelte durch mein Haar und meinte, ich sei mal wieder ein Sorgenpüppchen!
zugleich ein kleiner Beleg des aufgeklärten Patriarchats, aber warum es überhaupt hier zitiert wird – ist ja so weit nix falsch (so spricht man halt) – aber im Satz sollte schon die Zeitenfolge beachtet werden … „Ich hatte …“
dto. hier
Als unser Haus vor fünfzehn Jahren fertig war, habe ich mir eingeredet, dass ich die offene Wohnform wunderbar finde, kaum Türen, Küche in den Wohnbereich intergriert, alles so transparent, wie Tom es nannte.

Sprach's, sprang auf, weil er noch was ganz dringendes zu tun hatte, oder noch[...]mal in die Kanzlei musste.
(eigentlich ein verkürztes „noch einmal“, anders bei der Verwendung eine „nochmals“)

Tom ist liebevoll und großzügig, doch sehr enttäuscht, wenn seine Entscheidungen nicht vorbehaltlos angenommen werden.
Da haben wir doch den Beleg durch den (Rest an) Patriarchen, denn enttäuscht kann nur der werden, der sich selbst hat täuschen lassen

Dabei liebe ich Räume, die eine Tür haben. Ich liebe es, eine Tür hinter mir zumachen zu können.
Nicht falsch und wahrscheinlich sprich frau/man auch eher so als das treffendere „schließen“ zu verwenden … Aber eine schreibende Person sollte das Verb kennnen ...

Ich schäme mich manchmal für seine Äußerungen.
Das nennt man Solidarität … eigentlich wichtiger als die „Liebe“, die ja „ein seltsames Spiel“ ist und bekanntlich von einem zum andern wandert ...

»Aber sicher[,] Schatz, wie du willst«, raunte Tom durch die Tür und fuhr zum Juristenkongress nach Berlin. … Die Jungs hatten das ntermezzo mitgekriegt.

Bei einem Abendessen mit seinen Kollegen samt Frauen[…] betonte er seine guten Kontakte zur Landesregierung, gab …

Gern gelessen vom

Friedel

 

Hallo Luzifermortus!
Danke fürs Lesen und Kommentieren.
Gleich zu Beginn: Vera ist nicht Jutta, (danke für deine Besorgnis!;)), aber die Gefühle aller ProtagonistInnen der Geschichte sind mir durchaus bekannt. Deshalb habe ich gegensätzliche Figuren erfunden, die weder besonders gut, noch besonders böse sind.
Vera gehört zur Generation, die nur Sicherheit und Wohlstand kennt und plötzlich mit grundsätzlichen Veränderungen konfrontiert wird, die sie tief erschüttern. Tom ist ein Meister des Verdrängens und will unbedingt weiter an Erfolg und kapitalistische Tugenden glauben. Die Mutter kennt beide Welten, will aber noch nicht so genau hinsehen.
In allem bleibt viel Spielraum für Interpretation, das gefällt mir.
Ich habe alle Anregungen versucht, aufzunehmen und die Geschichte überarbeitet.
Viele Grüße,
Jutta

Hallo Seth Gecko!
Auch dir herzlichen Dank! Mir gefällt, wie du für Veras Emanzipation eintrittst, doch sie ist halt, wie sie ist, Veränderungen zeichnen sich aber ab, oder? Im Kommentar an Luzifermortus habe ich meine Intention erklärt.
Dir danke ich besonders für den Hinweis auf die grottige Formatierung! Ehrlich gesagt, bin ich einfach froh, wenn ich einen Text hier hineingeschubst kriege! Habe es überarbeitet, besser so?
Viele Grüße,
Jutta

Halo Aida Selina!
Schön, dass du mit der Geschichte etwas anfangen konntest.Mich freut, dass du Parallelen zur realen Lebenswelt erkennst, denn wir alle bewegen uns doch zwischen Schreck, Angst, Verdrängen und Hoffnung.
Selbst etwas zu tun ist sicher der einzige Weg, den jede/r gehen kann.
Hoffnungsvolle Grüße,
Jutta

Hallo Friedel!
Bevor ich mich ans Flusenzupfen mache, muss ich dir sagen, wie froh ich bin, dass du mich noch erkannt hast! Danke dafür und die lästigen, aber, ach so nötigen Korrekturen!
P.S. Natürlich kann man eine Tür schließen, doch Vera will sie zumachen.
Danke und beste Grüße,
Jutta

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom