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Studers letzter Fall

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18.10.2021
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Studers letzter Fall

Studers letzter Fall

Die Morgensonne fällt durch das gardinenlose Fenster ins ehemalige Kinderzimmer, das Studer für seine Ermittlungen nutzt. Die neuen Gläser funkeln. „Eine neue Brille, in deinem Alter!“ Studer, der sonst jeden Cent zweimal umdreht, schüttelt verwundert den Kopf. Er entfaltet das Putztuch und sieht die orangefarbenen Lettern aufgeregt vor sich tanzen: „Mit neuen Augen sehen“. Studer murrt und muss an den Ausspruch seines Kommissars denken: „Mit deinen Augen kannst du die Dinge sehen, aber nicht die Augen, die sie sehen.“ Hatte sich Studer in diesem Fall bereits vergaloppiert? In seinem Alter konnte es immer sein letzter sein. Und nichts erschien ihm schlimmer, als einmal „dumm sterben“ zu müssen, das hatte er schon zu seiner Hilde gesagt.

Immerhin erkennt er das Tatopfer auf der mit Plastikfolie ausgeschlagenen Schreibtischplatte jetzt glasklar: ausgestreckter Schwanz, weit aufgerissene Augen, an der linken Flanke eine klaffende Wunde mit verkrustetem Blut. „Schau ihr ins Gesicht, schau dir die Augen der Toten an!“, erinnert sich Studer an die Aufforderung des kleinen Mannes mit Schnauzbart und Baskenmütze. Und der Kommissar hatte Recht, wenn man Glück hatte, erzählten die Augen etwas vom Hergang der Tat. In diesem Fall aber sieht Studer nur zwei stecknadelgroße Knopfaugen, die ihn leblos anstarren. An der länglichen Kopfform erkennt er die Spitzmaus. Für Katzenmägen ungenießbar, das weiß er, da er früher selbst mal Katzen hatte. Mehr Kopfzerbrechen bereitet ihm das aufgeblähte Maiskorn, das man ihr nachträglich zwischen die Zähne gesteckt hat. Bei der ersten Maus war es ein Stück aufgeschäumte Zuckerwatte, bei der zweiten ein Stück Fruchtgummi in der Form eines Schnullers gewesen.

Während er einen Schluck aus der Kaffeeschale nimmt, schielt Studer auf die „sieben goldenen W“, die in einer Klarsichthülle an der Wand hängen. Er weiß bisher nur eine Antwort auf das „Wo“ und „Wann“. Beim „Womit“ hängt er fest, vom „Wer“ und „Wie“ hat er noch keinen Schimmer, geschweige denn vom „Warum“. Sechs Unbekannte sind noch zu enträtseln, er hat also keine Zeit zu verlieren. Er geht noch einmal systematisch die Kette der Ereignisse durch, irgendwann musste er ja auf ein Detail stoßen, das ihm durchgerutscht war. Er sieht die dritte tote Maus wieder vor sich, grauer Körper auf grauem Grund. Er konnte also nicht einmal sagen, ob die tote Maus nicht schon dagelegen hatte, bevor er in den Keller gegangen war, um Besen und Schippe zu holen und das frisch gejätete Unkraut zu beseitigen. Sein Werkzeug fand er an der gewohnten Stelle im Flur. Er klemmte sich den Besenstiel unter den linken Arm und nahm die Aufhängung am Schippenstiel in die linke Hand. Mit seiner stärkeren Rechten wollte er sich am Geländer hochziehen, da geschah etwas Ungewöhnliches: Die Schippe baumelte an seiner Linken, als würde sie von einer unsichtbaren Hand bewegt. „Mal sehen, wie lang du ihm noch von der Schippe springen wirst“, sagte er und stapfte lachend die schmale Holzstiege hinauf. Beim Knarren der Stufen musste er an die letzten Monate denken, als Hilde noch gelebt hatte. Nein, Hilde hatte es nicht mehr vor ihm geschafft, sie sprang ihm nicht mehr von der Schippe. Krokusse und Narzissen waren bereits abgeblüht, als er an einem Karsamstag die Flügeltüren für die beiden Männer in Schwarz öffnete.

Studer nippt gedankenverloren an der leeren Schale und fragt sich, warum ihm das mit der Schippe und Hildes letzter Lebenszeit unmittelbar vor seiner Begegnung mit der toten Maus eingefallen ist. Abergläubisch war er nie gewesen, immer hatte er nur dem getraut, was er mit eigenen Augen sehen konnte. Also wieder zurück zu den Fakten: Die dritte Maus in drei Wochen, immer an einem Samstagmorgen, immer mit etwas Süßem zwischen den Zähnen. Studer hatte gleich beim ersten Vorfall seine Nachbarin auf dem Gang angesprochen und in ihren Zügen eine Mischung von Ausrufe- und Fragezeichen entdeckt. Ihre Mimi sei zwar dumm wie Brot - aber Spitzmäuse? Nein, die jage sie nun wirklich nicht. Beim zweiten Mal reagierte die Frau in ihrer grauen Schürze fast ungehalten: Sie habe es ihm doch schon letzten Samstag gesagt … Doch als sie den Schnuller im Maul der Leiche entdeckte, verzog sie angeekelt ihren Mund: Wer macht denn sowas? „Gute Frage“, antwortete Studer und sah ihr ins Gesicht, das plötzlich einen kecken, ironischen Ausdruck annahm: „Sind Sie Polizist oder ich?“ Studer verschlug es die Sprache, er drehte sich grußlos ab.

Er streift sich die Plastikhandschuhe über seine schrumpeligen Hände und macht an der Flanke des Tierkadavers eine rissförmige Verletzung aus. Wegen des verkrusteten Blutes kann er ihre Tiefe nicht bestimmen. Vermutlich Fremdeinwirkung, aber welcher Art? Eine Mäusefalle hätte den zarten Rücken des Nagers sichtbar deformiert. Er ruft sich die Szene in Erinnerung, wie er den Leichnam morgens auf die Schippe nahm: Die Borsten des Besens aus rotem Plastik bogen sich, als sie ihn berührten. Er war also schon fest geworden, die Leichenstarre hatte eingesetzt. Folglich hatte die Maus schon am Freitagabend oder in der Nacht zum Samstag das Zeitliche gesegnet. Früher nicht, denn Studer kann keine Zeichen von Verwesung entdecken. Er kehrt wieder zu dem Gedanken zurück, der ihm bei der ersten toten Maus gekommen war: ein Kind, vielleicht auch ein gelangweilter Jugendlicher, der den alten Mann erschrecken wollte. Hatte er nicht am gleichen Morgen eine kleine Gestalt hinter seiner Hecke verschwinden sehen? Aber sicher war er sich nicht, welches Kind war schon Samstag morgens unterwegs?

Er muss einräumen, dass er nichts in der Hand hat und kommt sich in seiner Polizeiuniform plötzlich etwas lächerlich vor. Studer trägt immer seine Uniform, wenn er ermittelt, schon Hilde hatte sich darüber lustig gemacht. Aber als Polizist funktioniert er eben nur in seiner gewohnten Umgebung. Beim Blick auf die Wand drängt sich ihm eine weitere Frage auf: Wenn irgendeiner (Wer?) irgendeinem (Wem?) mit der toten Maus (Womit?) etwas mitteilen wollte, wenn also die Maus nur ein Zeichen war: Wer war dann der Adressat, und wie lautete die Botschaft? Studer fischt mit dem Kaffeelöffel die letzten aufgeweichten Brocken Hefezopf aus der Schale. „Süßes, Süßes“, stammelt vor sich hin, manchmal brachte es was, frei zu assoziieren. Und siehe da, ihm fällt doch noch ein Detail ein: Kurze Zeit, nachdem er die zweite tote Maus auf der Betonplatte entdeckt hatte, kehrte seine Mieterin aus dem Nachtdienst zurück. Wenige Monate nach Hildes Tod hatte er das Erdgeschoss seines Hauses an die junge Ärztin vermietet. Über die hübsche, etwas zerbrechlich wirkende Frau wusste er nur wenig, außer dass sie viel arbeitete, zurückgezogen lebte und ihre Augen etwas zu ernst wirkten für eine junge Frau. Schon bei der ersten toten Maus war ihm aufgefallen, dass die junge Ärztin in der Nacht zuvor Dienst gehabt hatte. Galt ihr der Anschlag, war die tote Maus vielleicht der makabre Gruß eines verschmähten Liebhabers? In seiner letzten Berufsphase hatte Studer ein paarmal in Fällen von Stalking ermittelt, fast immer waren es junge, hübsche, etwas unnahbare Frauen gewesen. Und heute Morgen? Er erinnert sich plötzlich an die Haustür, die um sieben Uhr ins Schloss gefallen ist. Danach hat er sich noch einmal herumgedreht. Studer wird heiß und kalt, Scham erfasst ihn wegen seiner Nachlässigkeit.

***​

Die junge Frau im Türspalt trägt noch um elf Uhr einen Morgenmantel und starrt ihn verdutzt an. Studer schaut an sich herunter und entdeckt an seinem feisten Körper die Polizeiuniform, die er abzulegen vergessen hat.

„Verzeihen Sie, eine alte Marotte von mir“, sagt er und entschuldigt sich auch für die Störung. Die kleinen, braunen, noch etwas verschlafenen Augen der Frau erinnern ihn an die Maus vom Morgen.

„Kennen Sie jemanden, der Ihnen nachstellt?“, fragt er die junge Frau in der direkten Art, die er stets anschlägt, wenn er ermittelt. Aus der ersten Gefühlsreaktion würde er vielleicht etwas ablesen können.

Die Ärztin schüttelt nur müde den Kopf und sagt leise: „Nein, warum?“ Knapp klärt er sie auf über die drei Mäuse, immer an einem Samstagmorgen, tot mit Süßigkeiten zwischen den Zähnen im Gang; alles Spitzmäuse übrigens. Dann holt er sein As, den Nachtdienst, aus dem Ärmel und schaut der jungen Frau tief in die Augen. Sie scheint zu überlegen.

„Halloween“, sagt sie mit einem plötzlichen Funkeln in den Augen.

„Wie bitte?“, fragt er überrascht zurück. Die junge Frau öffnet die Tür noch ein kleines Stück, so dass er ihre nackten Beine unter dem Morgenrock sehen kann. Jung müsste man noch einmal sein, sagt er sich, vertreibt seinen Impuls aber gleich wieder, wie eine lästige Fliege, die ihn von den Ermittlungen abhält.

Die Frau wird plötzlich munter und gestikuliert mit flinken Bewegungen: „Die Ratte hatte so eine spitz zulaufende Gesichtsmaske mit zwei abstehenden Zähnen und kleine Öhrchen aus zartrosa Fell, etwa wie die Lamellen von Champignons.“ In ihrem Gesicht entdeckt Studer den Stolz eines Schulmädchens, das gerade eine Aufgabe gelöst hat.

„Sind denn die Kinder nicht auch bei Ihnen vorbeigekommen, Herr Studer?“

In seinem Hirn beginnt es dumpf zu dämmern, aus dem Schoß der Dunkelheit flackert ein Licht vor ihm auf. Er muss an den Kommissar denken, der ihn immer mit seinem Namen ansprach, wenn er einen Bock geschossen hatte: „Studer, sollten Sie nicht den Tatort absperren? Studer, wie konnten Sie nur diese Spur übersehen?“

Also doch der Junge … Studer sieht den kleinen Haufen wieder vor sich, der sich am letzten Oktoberabend vor seiner Haustür versammelte: Kinder in schwarzen Kutten mit aufgemalten Skeletten, Spinnen und Fledermäusen. Nach einem kurzen „Guten Abend“ streckten ihm die Gestalten schwarze Beutel vor die Nase.

„Bedaure, keine Süßigkeiten im Haus, mein Arzt hat es mir verboten. Altersdiabetes“, erklärte Studer, die überdimensionierte Rattenmaske direkt vor seinen Augen. Im schmalen Schlitz konnte er die Augen ihres Trägers nicht erkennen. Die jungen Leute verharrten, als glaubten sie ihm nicht. Er wurde fuchtig: „Was soll das überhaupt werden? Mit Gevatter Tod erschreckt man keine alten Leute!“ Und an den Typen mit der Maske gewandt: „Wisst ihr denn nicht, was die Ratten den Menschen gebracht haben? Gar nichts scheint ihr zu wissen. Pest und Cholera haben sie gebracht! Aus der Stadt hat man sie hinausgejagt!“

Viel lauter, als Studer es gewollt hatte, war ihm der letzte Satz herausgerutscht. Mit einem Ruck drehte sich das Kind mit der Maske um, riss sie sich vom Kopf und rannte davon. Auch die anderen machten sich mit gesenkten Köpfen vom Acker. „Dein Beutel!“, rief Studer noch hinterher, da waren aber schon alle um die Ecke verschwunden. Er stellte den halb gefüllten Sack vor sein Haus, damit ihn die Kinder später wiederfänden.


***​

„Herr Studer?“ Er zuckt kurz zusammen und sieht die junge Frau vor sich. Wie vor wenigen Stunden starren ihn wieder zwei bräune Äuglein an. „Nur mit den Augen der andern kann man seine Fehler sehen“, hatte der Kommissar einmal gesagt. Studer muss trocken schlucken.

„Ja, natürlich waren sie auch bei mir“, sagt er kleinlaut und mit müder Stimme. Dann entschuldigt er sich für die Störung und wünscht ihr noch einen schönen Tag. Während er über die Treppe in seine Wohnung entschwindet, sieht er noch den verwunderten Blick der Frau im Morgenrock auf sich gerichtet.

 

Hallo @A. Martin

leider habe ich nicht so viel Zeit, die Geschichte nochmal ganz durchzusehen und ausführlich zu schreiben. Ich denke, der Text hätte es verdient, weil er in der Tat gut geschrieben ist.

Ich kann mich grundsätzlich in allem Rob F anschließen. Gut und witzig geschrieben, aber die Spannung kommt nicht so richtig in Gang, und es ging mir genauso: die Lösung des Falls beginnt mich einfach nicht zu interessieren. Das liegt wohl nicht daran, dass es nur um Mäuse geht. Sondern es fehlen einfach die mysteriösen Umstände drumrum. Er könnte auch jeden Samstag eine menschliche Leiche auf der Straße finden. Das wäre natürlich sehr schlimm, würde aber allein noch nicht den Kitzel einer Kriminalgeschichte erzeugen. Alles, was mysteriös ist, ist diese zeitliche Regelmäßigkeit.

Zwei Absätze vor dem Dreifachstern habe ich übrigens gestern Abend irgendwann aufgehört zu lesen. Obwohl ja nicht mehr viel Text übrig blieb, bin ich einfach so müde geworden, dass ich drüber eingenickt bin (es war aber auch spät). Das könnte ein Indiz sein, dass du bis dahin deine Leser irgendwie gepackt haben musst, sonst steigen sie an der Stelle aus. So ähnlich war es bei Rob F ja auch. Also, im ersten Teil scheint etwas noch nicht zu stimmen.

Heute dachte ich dann, egal, lese ich noch zu Ende. Da erst realisierte ich den Verdacht, dass die Mausmorde eine Warnung an einen Menschen gewesen sein könnten. Mist - hätte ich den Punkt gestern noch überwunden, ich denke, ich hätte direkt weitergelesen. Das war ein Weichensteller, ein Wachmacher. Vielleicht kannst du ein oder mehrere Wachmacher etwas früher platzieren.

Die Szene nach dem Dreifach-Stern, die fand ich dann allerdings saukomisch. Diese skurrile Situation, in der der pensionierte Polizist in Uniform vor der unausgeschlafenen Ärztin steht, die eigentlich sagen müsste, hauen Sie doch ab, was soll der Quatsch, aber genau das nicht tut, sondern brav die Fragen beantwortet, hat mir richtig gefallen. Man kann ihre verkaterte Stimme richtig hören.

@Rob F, wenn du magst, lies doch ab dem Dreifach-Stern nochmal ein paar Sätze, falls das schon zu dem von dir nur überflogenen Teil gehört. Da finde ich den Text am besten.

Dann die Rückblende auf das Halloween-Erlebnis, die müsste für mein Gefühl mehr Tempo haben, weil das ja der Moment ist, in dem sich alles zusammenfügt. Die Klärung müsste noch ein bisschen deutlicher sein. Ich denke schon, dass ich die Lösung des Falls verstanden habe, aber für hundertprozentige Sicherheit müsste ich nochmal nachlesen. Vielleicht kann man es so machen, dass es mir beim ersten Lesen schon wie Schuppen von den Augen fällt.

Die Rückblende müsste auch deutlicher abgesetzt sein. Es ergibt sich zwar aus dem Zusammenhang, wo die wörtliche Rede in die Vergangenheit springt und dann wieder in die Erzählzeit zurückkehrt, aber das könnte noch deutlicher abgesetzt werden. Das wird gerade bei der Rückkehr deutlich:

„Nichts für ungut.“ Studer entschuldigt sich bei seiner Mieterin für die Störung und wünscht ihr noch einen schönen Tag. Die junge Frau zuckt mit den Schultern und lächelt ihrem Vermieter noch einmal etwas unschlüssig zu.
Das finde ich ehrlich gesagt etwas lahm. Studer muss doch eigentlich die ganze Zeit vor sich hingestarrt haben, während er sich erinnerte. Entweder wird ihm das jetzt deutlich, er wird wieder wach, merkt, dass er gerade ziemlich doof ausgesehen hat, schüttelt sich einmal und entschuldigt sich dann erst bei der Mieterin. Oder aber, mitten in dem Halloween-Krimi hört er von fern eine Stimme "Herr Studer" sagen, "Herr Studer, ist Ihnen nicht gut?" - "Äh was? Nein, alles bestens.", so in der Art. Ich will nur sagen: Dieser Aufwach-Vorgang, der müsste doch stärker gehen.

"lächelt ihrem Vermieter zu" kommt mir komisch vor, man lächelt jemanden an, lächelt ihm vielleicht nach (?), aber jdm zulächeln erscheint mir nicht ganz richtig.

Während er die Treppe zu seiner Wohnung hinaufgeht, sagt er sich: „Na ja, dumm sterben muss ich schon mal nicht.“
Das ist ein nicht so starker Schluss. Dass jemand das zu sich sagt. Mir würde es reichen, wenn die Ärztin im Bademantel noch etwas mit irgendeinem Ausdruck des Befremdens und/oder der Belustigung in der offenen Tür stehenbleibt und Studer nachsieht, bis sie ihn über die Treppe in seiner Wohnung hat entschwinden sehen. Und Ende.

Aber dass jemand zu sich sagt: "Tja, wieder was gelernt.", das ist doch nichts für einen Schluss oder? Und dann noch mit dieser umgangssprachlichen Floskel, jetzt muss ich nicht dumm sterben. Dir würde da höchstwahrscheinlich was Stärkeres einfallen.

Beim Namen Studer wunderte mich nur, dass die Rechtschreibkontrolle ihn nicht beanstandet. Dann müsste das ja ein Wort sein. Finde ich allerdings nicht. Was ich gefunden habe, war die literarische Figur des Wachtmeisters Studer von Friedrich Glauser. Spielst du auf den an? Dann solltest du evtl. sicher sein, dass die Leser die Anspielung verstehen. Aber es kann durchaus sein, dass ich mal wieder eine herausragende Kunstfigur nicht kenne.

Danke für die Geschichte!

Viele Grüße von
daedalus

 

Guten Tag, daedalus und Rob F,

danke erst mal für Eure konstruktiv-kritischen Kommentare, die ich für meine Überarbeitung gut nutzen konnte:

Rob F schrieb:
"Zum einen bleibt es bis zum Ende ein eher gleichmäßiges Spannungsniveau. Für mich war es beim Lesen nicht wirklich wichtig, ob Studer den Täter nun findet oder nicht."
daedalus schrieb:
"... die Lösung des Falls beginnt mich einfach nicht zu interessieren. Das liegt wohl nicht daran, dass es nur um Mäuse geht. Sondern es fehlen einfach die mysteriösen Umstände drumrum. Er könnte auch jeden Samstag eine menschliche Leiche auf der Straße finden. Das wäre natürlich sehr schlimm, würde aber allein noch nicht den Kitzel einer Kriminalgeschichte erzeugen. Alles, was mysteriös ist, ist diese zeitliche Regelmäßigkeit."

Eine Detektivgeschichte mit zu wenig Spannung ist natürlich Käse. Ich habe daher zusätzliche Details eingefügt, die den Fall noch mysteriöser als bisher erscheinen lassen:

"Mehr Kopfzerbrechen bereitet ihm das aufgeblähte Maiskorn, das man ihr nachträglich zwischen die Zähne gesteckt hat. Bei der ersten Maus war es ein Stück aufgeschäumte Zuckerwatte, bei der zweiten ein Stück Fruchtgummi in der Form eines Schnullers gewesen."

Das führt die Spur, ohne dass es Studer nemerkt, zu den Süßigkeiten, die an Halloween gesammelt wurden.

daedalus schrieb:
"Heute dachte ich dann, egal, lese ich noch zu Ende. Da erst realisierte ich den Verdacht, dass die Mausmorde eine Warnung an einen Menschen gewesen sein könnten. Mist - hätte ich den Punkt gestern noch überwunden, ich denke, ich hätte direkt weitergelesen. Das war ein Weichensteller, ein Wachmacher. Vielleicht kannst du ein oder mehrere Wachmacher etwas früher platzieren."

Erstmal danke, dass Du trotzdem weiterlesen hast! Ich habe den ersten Teil der Geschichte deutlich gekürzt und damit den "Weichensteller" deutlich früher platziert:
"... wenn also die Maus nur ein Zeichen war: Wer war dann der Adressat, und wie lautete die Botschaft?"

daedalus schrieb:
"Dann die Rückblende auf das Halloween-Erlebnis, die müsste für mein Gefühl mehr Tempo haben, weil das ja der Moment ist, in dem sich alles zusammenfügt. Die Klärung müsste noch ein bisschen deutlicher sein. Ich denke schon, dass ich die Lösung des Falls verstanden habe, aber für hundertprozentige Sicherheit müsste ich nochmal nachlesen. Vielleicht kann man es so machen, dass es mir beim ersten Lesen schon wie Schuppen von den Augen fällt."

... verstehe ich gut und habe, damit die Spur für den Leser eindeutiger wird, neben den Süßigkeiten im Maul der Maus noch weitere Hinweise eingefügt:

"Hatte er nicht am gleichen Morgen eine kleine Gestalt hinter seiner Hecke verschwinden sehen? Aber sicher war er sich nicht, welches Kind war schon Samstag morgens unterwegs?"
... und später:
"Also doch der Junge …"

daedalus schrieb:
"Die Rückblende müsste auch deutlicher abgesetzt sein. Es ergibt sich zwar aus dem Zusammenhang, wo die wörtliche Rede in die Vergangenheit springt und dann wieder in die Erzählzeit zurückkehrt, aber das könnte noch deutlicher abgesetzt werden."

Ich habe den Übergang nochmal deutlicher (mit einem Dreifachstern) abgesetzt.

daedalus schrieb:
"Das finde ich ehrlich gesagt etwas lahm. Studer muss doch eigentlich die ganze Zeit vor sich hingestarrt haben, während er sich erinnerte. Entweder wird ihm das jetzt deutlich, er wird wieder wach, merkt, dass er gerade ziemlich doof ausgesehen hat, schüttelt sich einmal und entschuldigt sich dann erst bei der Mieterin. Oder aber, mitten in dem Halloween-Krimi hört er von fern eine Stimme "Herr Studer" sagen, "Herr Studer, ist Ihnen nicht gut?" - "Äh was? Nein, alles bestens.", so in der Art. Ich will nur sagen: Dieser Aufwach-Vorgang, der müsste doch stärker gehen."
... habe ich folgendermaßen geändert:
„Herr Studer?“ Er zuckt kurz zusammen und sieht die junge Frau vor sich.

daedalus schrieb:
"Das ist ein nicht so starker Schluss."

... habe ich folgendermaßen geändert:
"Während er über die Treppe in seine Wohnung entschwindet, sieht er noch den verwunderten Blick der Frau im Morgenrock auf sich gerichtet."

Dann noch zu folgenden Kommentaren:

daedalus schrieb:
"Die Szene nach dem Dreifach-Stern, die fand ich dann allerdings saukomisch. Diese skurrile Situation, in der der pensionierte Polizist in Uniform vor der unausgeschlafenen Ärztin steht, die eigentlich sagen müsste, hauen Sie doch ab, was soll der Quatsch, aber genau das nicht tut, sondern brav die Fragen beantwortet, hat mir richtig gefallen. Man kann ihre verkaterte Stimme richtig hören."

Danke für das Kompliment, das hat mich ebenso gefreut wie:

Rob F schrieb:
"schreiben kannst du m.E. gut"
daedalus schrieb:
"Ich denke, der Text hätte es verdient, weil er in der Tat gut geschrieben ist."

Und nicht zuletzt danke für Eure redaktionellen Anmerkungen!

Viele Grüße,
A. Martin

 

Hallo @A. Martin,

ich fand deinen kleinen Krimi gar nicht mal so schlecht, wenn auch etwas spannungsentladen. Dabei soll es beim Krimi ja geradezu umgekehrt sein. Aber der Reihe nach, ich habe mir alles rauskopiert, was ich so ansprechen möchte:

„Eine neue Brille, in deinem Alter!“ Studer, der sonst jeden Cent zweimal umdreht, schüttelt verwundert den Kopf.
Hier fehlt ein bisschen mehr Input über deinen Protagonisten. Wem sagt er das? Vermutlich sich selbst. Und hier wechselst du radikal und überflüssig die Perspektiven. Er sagt es wortwörtlich sich selbst und gleich im nächsten Halbsatz kommt der auktoriale Erzähler zu Wort. Das wirkt unharmonisch.
Wenn er zu sich selbst spricht, würde ich vielleicht den zweiten Halbsatz weglassen und lieber in noch ein wenig mehr in der wörtlichen Eigenrede oder Gedankengänge verweilen und schreiben, dass er sich für einen Verschwender hält. So in der Art der Selbstbeschimpfung: "Sonst drehst du jeden Cent zweimal um, aber jetzt musste es eine brandneue Brille für xxxx Pfund sein. Du bist ein Verschwender, Studer!" So in der Art stel ich es mir vor.
Er entfaltet das Putztuch und sieht die orangefarbenen Lettern aufgeregt vor sich tanzen: „Mit neuen Augen sehen“.
Auch hier zu wenig Info. Er entfaltet vermutlich das Putztuch auf das in orangefarbenen Lettern dieser Satz gedruckt ist oder? Dann schreib es auch bitte so. "Er entfaltet das bedruckte Putztuch und sieht....."
„Mit deinen Augen kannst du die Dinge sehen, aber nicht die Augen, die sie sehen.“
Ich verstehe diesen Satz nicht. Doch, ich verstehe, dass man zwar gucken kann, aber nicht dabei sehen kann, wie die Augen das machen. Aber bitte wozu ist dieser Satz hier wichtig? Und was will er denn besagen, ausser dieser Banalität? Ich hab grad Tomaten auf den Augen.:schiel:
des kleinen Mannes mit Schnauzbart und Baskenmütze.
Jo, schöne Grüße vom Klischee. Klar hat man nun sowas wie einen Franzosen vor sich und somit ist die die Figurenzeichnung in affenartiger Geschwindigkeit gelungen. Aber geht es nicht doch ein büschen orgineller?
An der länglichen Kopfform erkennt er die Spitzmaus.
Ich bin für gute Recherche. Woher nimmt Studer dieses Wissen, denn eine längliche Kopfform haben auch Ratten. Woher weiß er also, dass es keine Ratte ist? Zumal man eher einer Ratte als einer Spitzmaus begegnet.
Für Katzenmägen ungenießbar, das weiß er, da er früher selbst mal Katzen hatte.
Hm...ich lese so etwas das erste Mal und insoweit kommt auch hier mein Einwand, ob du richtig recherchiert hast. Falls das so ist, hab ich was dazu gelernt, falls aber nicht, wären all die Leser etwas wegen dieser Ungenauigkeit betrübt, weil sie sich dann ein wenig nicht ernst genommen fühlen. Der Leser, der meint, einen Logikfehler oder einen inhaltlichen Fehler in einer Geschichte oder einem Roman vorgefunden zu haben, fängt an, den Autor nicht mehr so ernst zu nehmen. Das willst du sicherlich nicht erreichen.

Und nähmen wir mal an, es wäre so, dass Katzenmägen Spitzmäuse nicht vertragen, müsste Studer nicht jetzt anfangen, drüber nachzudenken, ob es dann überhaupt eine Katze gewesen sein kann, die diese Rattenmaus gefangen hat? Wenn nämlich Katzen die nicht vertragen, werden sie sie auch nicht fangen. Es sei denn, es sind besonders verblödete Katzen, die aber müsstest du dann dadurch in die Geschichte einführen, indem du von denen berichtest und auf diese Besonderheit hinweist.

aufgeblähte Maiskorn,
Ist ein aufgeblähtes Maiskorn nicht schlicht Popcorn?
aufgeschäumte Zuckerwatte,
Das ist doppelt wie wenn ich sagen würde "nasses Wasser", denn Zuckerwatte ist immer aufgeschäumt, eher aufgebläht.

Während er einen Schluck aus der Kaffeeschale nimmt, schielt Studer auf die „sieben goldenen W“, die in einer Klarsichthülle an der Wand hängen. Er weiß bisher nur eine Antwort auf das „Wo“ und „Wann“. Beim „Womit“ hängt er fest, vom „Wer“ und „Wie“ hat er noch keinen Schimmer, geschweige denn vom „Warum“.
Super gelöst. Du bringst hier elegant an den Leser, der natürlich unbedingt wissen will, was die sieben goldenen W sind, um was es sich handelt, ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Die Schippe baumelte an seiner Linken, als würde sie von einer unsichtbaren Hand bewegt. „Mal sehen, wie lang du ihm noch von der Schippe springen wirst“, sagte er und stapfte lachend die schmale Holzstiege hinauf.
Weshalb baumelt ihm die Schippe von der Linken? Und ist das hier wichtig? Und was bedeutet der Satz? Studer sagt das offensichtlich wieder zu sich selbst oder? Und was soll die Aussage in Bezug auf die Geschichte? Und wieso lacht er?
Die dritte Maus in drei Wochen, immer an einem Samstagmorgen, immer mit etwas Süßem zwischen den Zähnen.
Hier erzeugst du gute Spannung.
seine schrumpeligen Hände
Hm...schrumpelig gefällt mir nicht so arg. Es sollen alte Hände sein, wie wärs mit altersfleckigen Hände?
Studer trägt immer seine Uniform, wenn er ermittelt, schon Hilde hatte sich darüber lustig gem
Netter Nerdhabitus.
In seiner letzten Berufsphase hatte Studer ein paarmal in Fällen von Stalking ermittelt, fast immer waren es junge, hübsche, etwas unnahbare Frauen gewesen.
Ich würde noch Opfer dazwischen schreiben, also: In seiner letzten Berufsphase hatte Studer ein paarmal in Fällen von Stalking ermittelt, fast immer waren die Opfer junge, hübsche, etwas unnahbare Frauen gewesen.

Die Auflösung deines Rätsels finde ich zu flach. Leider, denn das Ganze hat irgendwie seinen eigenen Charme und hat mir auch gefallen. Nur bitte, jetzt soll also die Lösung sein, dass einer der kleinen Jungen aus Rache wegen der Geizigkeit Studers ihm tote Rattenmäuse mit Süssigkeiten hinlegt?
Bist du sicher, dass Kinder sich so etwas ausdenken? Und ist das nicht ein bisschen viel Aufwand, denn es muss ja jedes Mal ein Tierchen gefangen werden.
Also das Ende ist irgendwie nicht pfiffig genug.
Und den Riss, den dieses Tier seitlich hatte, löst du nicht auf. Klar, man kann durchaus zum Erhöhen der Spannung auf falsche Fährten legen. Das ist ein probates Mittel, aber hier baust du Erwartungen auf, die du dann verpuffen lässt, denn das Ende ist unbefriedigend.

Lieben Gruß

lakita

 

Guten Morgen lakita,

der Kurzkrimi war - für mich als Nicht-Krimi-Autoren - ein Experiment. Daher danke für Deine ausführliche Besprechung, die mich durchaus weiterbringt. Die vielen Details, auf die Du hingewiesen hast, lasse ich erst mal so stehen und beantworte bzw. bearbeite sie später.

Hier beschränke ich mich erst mal auf konzeptionelle Fragen. Denn Deine Kommentare haben mir vor allem eins deutlich gemacht: dass ich in dem kleinen Text zu viele Fährten gleichzeitig verfolgt habe, zwischen denen ich mich nicht so richtig entscheiden konnte:

1. Zum einen wollte ich einen alten, allein stehenden Mann beschreiben, der in seiner (Berufs-) Zeit stehen geblieben ist, sich irgendwann nicht mehr weiterentwickelt hat. Hinweise hierauf sollten sein: seine etwas antiquierte Sprache; das Kinderzimmer, in dem der schon lange Pensionierte in seiner Polizeiuniform (!) ermittelt; Halloween, eine Entwicklung, das offensichtlich ganz an ihm vorübergegangen ist.

lakita schrieb:

„Weshalb baumelt ihm die Schippe von der Linken? Und ist das hier wichtig? Und was bedeutet der Satz? Studer sagt das offensichtlich wieder zu sich selbst oder? Und was soll die Aussage in Bezug auf die Geschichte? Und wieso lacht er?“


2. Ich wollte eine Geschichte vom nahendenden Tod eines alten Menschen schreiben und den (nur teilweise erfolgreichen) Versuchen, ihn aus dem Bewusstsein zu drängen. Hinweise hierauf sollten sein: die tote Maus, die er gar nicht als Todesboten begreift; die Assoziation, ihm (dem Tod) erst mal „von der Schippe gesprungen“ zu sein; der Gedanke an seine verstorbene Hilde, den er gleich wieder vertreibt und mit seinen Ermittlungen weitermacht.

A. Martin schrieb: „Mit deinen Augen kannst du die Dinge sehen, aber nicht die Augen, die sie sehen.“
lakita schrieb:

„Ich verstehe diesen Satz nicht. Doch, ich verstehe, dass man zwar gucken kann, aber nicht dabei sehen kann, wie die Augen das machen. Aber bitte wozu ist dieser Satz hier wichtig? Und was will er denn besagen, ausser dieser Banalität? Ich hab grad Tomaten auf den Augen.“


3. An vielen Textstellen kommen Augen vor: Studers Augen, denen er mit einer neuen Brille auf die Sprünge helfen will; die Augen der toten Maus, die nichts verraten außer den Tod; die Augen der jungen Mieterin, aus denen Studer etwas herauslesen will. Studer, das wollte ich damit sagen, verrennt sich ins Augen-fällige, er traut seinen Sinnesorganen, aber nicht seinen Gefühlen. Wegen seiner „Seelenblindheit“ kommt er auch gar nicht auf den Gedanken, dass die Todesfälle mit den Kindern, die er aus seinem Haus warf, zusammenhängen könnten. Ich wollte diesen Gedankengang noch mit den zwei eingestreuten „Augen-Zitaten“ hervorheben. Aber offensichtlich ist mir das nicht gut gelungen.

lakita schrieb:

„Ich fand deinen kleinen Krimi gar nicht mal so schlecht, wenn auch etwas spannungsentladen. Dabei soll es beim Krimi ja geradezu umgekehrt sein.“

„Die Auflösung deines Rätsels finde ich zu flach. Leider, denn das Ganze hat irgendwie seinen eigenen Charme und hat mir auch gefallen. Nur bitte, jetzt soll also die Lösung sein, dass einer der kleinen Jungen aus Rache wegen der Geizigkeit Studers ihm tote Rattenmäuse mit Süssigkeiten hinlegt?“


4. Klar, ich wollte auch eine Detektivgeschichte schreiben, die den/die Leser/in in die Handlung reinzieht. In der Geschichte, da gebe ich Dir recht, wird aber zu wenig Spannung aufgebaut. Und die Auflösung des Falles - die Kinder rächen sich bei Studer mit toten Mäusen - ist für einen Krimi allzu offensichtlich und auch ziemlich unspektakulär.

Bei der nächsten Überarbeitung werde ich mich also stärker fokussieren und für ein Thema entscheiden müssen – keine leichte Übung, aber ich werde berichten.

Danke nochmals für Deine Mühe und viele Grüße,

A. Martin

 

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