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Tücken der Technik

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28.06.2017
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Tücken der Technik

„Schau mal Schatz, wir haben jetzt auch so einen Thermomix!“ Meine Mutter fängt mich direkt an der Haustür ab und schleift mich eilig an den Ort des Geschehens. Der gelangweilte Gesichtsausdruck meines Vaters lässt vermuten, dass weniger wir, sondern vielmehr meine Mutter jetzt auch so einen Thermomix hat. Meinen Vater kann ich mir sowieso nur schwer vor diesen Zwergenportiönchen vorstellen, die das neue Must-have der Hobbyküche ausspuckt. Wegen der stetig sinkenden Geburtenrate scheinen Kochtöpfe, in die Nahrung für eine ganze Familie passt, überflüssig zu werden. Stattdessen stellt die moderne Hausfrau vegane Dips in überschaubaren Größen her. Auch meine Mutter möchte nun Teil dieser Bewegung werden, hat aber noch mit der ein oder anderen Tücke ihres neuen Küchenwunders zu kämpfen.
„Wie funktioniert das denn jetzt?“, fragt sie mich wie selbstverständlich. Als hätte ich vorsichtshalber seit Wochen die Bedienungsanleitung hoch und runter gelernt und nur auf meinen großen Auftritt gewartet.

Allgemein holen Mütter und Väter gerne ihre in die Welt gesandten Arbeiterbienen zurück in den elterlichen Bienenstock, um von draußen erworbenem Wissen über Elektrogeräte zu profitieren. Seit wir unsere Füße nicht mehr unter ihren Tisch strecken, sind wir zu Tausendsassas geworden, die jedes Problem mit einer lässigen Handbewegung lösen. Auch von Dingen, von denen wir noch nie im Leben gehört haben, werden von uns umfassende Kenntnisse erwartet. Wir sind doch schließlich diese jungen Wilden, die das alles erfunden haben! Wir haben halt einfach vergessen, unsere zurückgelassenen Familien ausreichend über das neue Jahrtausend zu informieren und müssen uns jetzt nicht über die Kluft zwischen uns und den einfachen Leuten wundern. Dadurch sind deutsche Haushalte mittlerweile zu einem florierenden Wirtschaftszweig geworden, in dem rund um die Uhr schwarz arbeitende Kinder Großaufträge ihrer Eltern bearbeiten. Die Eltern wiederum schauen staunend dem professionellen Treiben zu und wundern sich, warum mit der heutigen Technik eigentlich noch keine Zeitreisen möglich sind.

Wenig professionell hantiere ich inzwischen an den vielen Knöpfen herum und klicke mich durch diverse Untermenüs von Untermenüs.
„Warum dauert das denn so lange?“, hakt meine Mutter nach. Das ist mal wieder typisch. Das Ding steht seit 2 Wochen als reines Dekorationsobjekt auf der Küchenablage. Kaum bin ich dann aber da, um das Ganze zu erklären, muss alles innerhalb von fünf Minuten picobello laufen.
„Ich muss halt auch erst mal schauen“, versuche ich sie zu vertrösten und meine allmählich aufsteigende Panik, als Tochter zu versagen, zu verbergen.
„Schau du doch auch mal in die Bedienungsanleitung“ Ich drücke ihr den 50-Seiten-Wälzer in die Hand und hoffe, dadurch etwas Beistand zu gewinnen. Meine Mutter steht jetzt teilnahmslos neben mir und schaut aus dem Fenster. Scheinbar hält sie die Bedienungsanleitung für ein geheimes Buch, das man unter keinen Umständen öffnen darf.
Wie ein verrückter Professor drücke ich auf allen möglichen Tasten herum und versuche, das Biest irgendwie zu zähmen. Vermutlich ist ein Gerät, das nicht über mindestens zwanzig verschiedene Knöpfe verfügt, heute nichts mehr wert. Sicher wieder so ein Geniestreich der Knopf- und Tastenindustrie, die sich jetzt eine goldene Nase verdient.

„Machst du da auch nichts kaputt?“, möchte meine Mutter mit skeptischem Blick wissen. Inzwischen hat sie sich doch dazu hinreißen lassen, die Bedienungsanleitung aufzuschlagen und aktiv ins Geschehen einzusteigen. Als Team lesen und drücken wir wie die Weltmeister. Kein Knopf ist uns zu klein, kein Untermenü zu versteckt. Es ist schön.
„Beim Grill müsstet ihr einfach nur die Gasflasche aufdrehen“, hören wir entfernt die Stimme meines Vaters. Für ihn ist das Verspeisen von leicht kokelig gegrilltem Fleisch sowieso die einzig erstrebenswerte Form der Ernährung.
„Haben wir hier schon draufgedrückt?“, fragt meine Mutter.
„Mindestens hundert mal“, antworte ich und drücke trotzdem noch einmal drauf. Vielleicht habe ich den Knopf vorher einfach noch nicht im richtigen Winkel oder mit dem korrekten Schwung bedient. Das Piepen, das bei jedem Tastendruck entsteht und anfangs noch nach dem aufregenden Geräusch eines neuen Küchenzeitalters klang, hat sich mittlerweile in ein nerviges Dauerpiepen verwandelt. So müssen sich verirrte Wanderer fühlen, die sich in den Weiten der Everglades jeden Moment am Ziel wähnen, in Wirklichkeit aber die ganze Zeit im Kreis laufen.
"Für neunhundert Euro hätte ich aber erwartet, dass das Teil wenigstens nicht so laut ist." wirft mein Vater wenig hilfreich ein.

Langsam öffnet sich die Küchentür und eine in eine grüne Strickjacke gekleidete ältere Frau tritt herein. Meine Oma! Sie muss das gehässige Piepen bis in ihre Wohnung im oberen Stockwerk gehört haben.
„Die Liesel hat auch so einen Thermomax“, verkündet sie wissend und nach nicht mehr als drei Handgriffen läuft der Thermomix - meinetwegen auch Termomax, meine Oma ist jetzt sowieso eine Heilige, die dieses beängstigende Gerät nennen darf, wie sie will - als hätte es diese ganzen Knöpfe und Untermenüs nie gegeben. So schnell, wie sie gekommen war, verschwindet unsere Heldin wieder ins Dunkel des Flures.
"Verstellt bitte nicht wieder die ganze Waschmaschine. Ich mag das nicht.", hören wir noch aus der Ferne.

 
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Hey Bas,

vielen vielen Dank für deine Hinweise. Die helfen mir wirklich weiter. Vieles fällt ohne den nötigen Abstand überhaupt nicht so sehr auf. Sowieso ganz toll, dass sich Leute hier die Mühe machen, Texte zu korrigieren.

Die erste Version wurde von den Admins gelöscht, weil sie eben keine Geschichte war.

 

Hallo Lena,

Zuerst einmal der mein Ersteindruck: Die Thematik gefällt mir, auch wenn ich bereits vor dem Küchengeräthightechhorror aus dem elterlichen Haus ausgezogen bin und bisher nicht zurückberufen wurde. Der Lesefluss geht völlig in Ordnung an keiner Stelle bin ich hängen geblieben oder musste Sachen mehrmals lesen um mitzukommen. Die humoristischen Einlagen sind auch gelungen. Das Ende ist grundsolide.

Ein paar Anmerkungen habe ich trotzdem:
Ich würde Zahlen im Text grundsätzlich immer ausschreiben. Manche sehen dies anders, ich finde aber das Ziffern wie ein Fremdkörper im Fließtext wirken.

[...] um vom draußen erworbenen Wissen über Elektrogeräte und moderne Kommunikationsmittel zu profitieren.
Der Zusatz "und moderne Kommunikationsmittel" finde ich hier überflüssig.

Kaum bin ich dann aber da, um das ganze zu [...]
Müsste "das Ganze" sein, wenn mich meine Deutschkenntnisse nicht völlig im Stich lassen.

Für ihn ist das Essen von leicht kokelig gegrilltem Fleisch sowieso die einzig erstrebenswerte Form der Ernährung.
Ich finde hier würde "das Verspeisen" besser klingen. Ist aber nur ein Vorschlag, der Satz geht auch so in Ordnung.

 
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Danke HenrikS für deine Hinweise. Ich denke die machen Sinn.

 

Hallo LenaZi

Ich finde deine Geschichte in weiten Teilen und was die Grundidee anbetrifft,lustig. Die Eltern kaufen sich ein hochmodernes technisches Gerät, kommen nicht mit zurecht, lassen sich von der Tochter helfen, die ja aufgrund ihrer Jugend quasi per defintionem sich mit Technik bestens auskennst, ein natürliches Verständnis hat, das Gerät dann wie ein neues Game behandelt, alles ausprobiert , es aber nicht zum Laufen bringt, bis die Oma auftaucht und mit einem Handgriff das piepsende Ding im Griff hat. Super! Sprachlich lässt sich daran arbeiten, manche Stellen wirken wie Thesen, die es zu beweisen gilt. Ich würde mich freuen, wenn du an dem Text weiterarbeitest.

Textstellen:

Meinen Vater kann ich mir sowieso nur schwer vor diesen Zwergenportiönchen vorstellen, die das neue Must-have der Hobbyküche ausspuckt..
:D

Als hätte ich vorsichtshalber seit Wochen die Bedienungsanleitung hoch und runter gelernt und nur auf meinen großen Auftritt gewartet.

.

online am besten, wer braucht schon noch Gebrauchsanweisungen

Seit wir unsere Füße nicht mehr unter ihren Tisch strecken, sind wir zu Tausendsassan geworden, .
mm, Tausendsassas, oder? Und überhaupt klingt das Wort in deinem Textzusammenhang etwas antiquiert.

Scheinbar hält sie die Bedienungsanleitung für ein geheimes Buch, das man unter keinen Umständen öffnen darf.
Scheinbar ist ein Gerät, das nicht über mindestens zwanzig verschiedene Knöpfe verfügt, heute nichts mehr wert.
solche Dopplungen solltest du vermeiden.

Kein Knopf ist uns zu klein, kein Untermenü zu versteckt. Es ist fast ein bisschen schön.
wenn du das fette weglässt wird der Satz stärker.

Für ihn ist das Verspeisen von leicht kokelig gegrilltem Fleisch sowieso die einzig erstrebenswerte Form der Ernährung..
:D, wobei du leicht kokelig weglassen könntest.

So müssen sich verirrte Wanderer fühlen, die sich in den Weiten der Everglades jeden Moment am Ziel wähnen, in Wirklichkeit aber die ganze Zeit im Kreis laufen.
"Für neunhundert Euro hätte ich aber erwartet, dass das Teil wenigstens nicht so laut ist." wirft mein Vater wenig hilfreich ein.
.
:lol:


viele Grüße und willkommen hier
Isegrims

 

Hallo @Insegrims,

vielen Dank für deine Einschätzung. Ich werde noch weiter an dem Text arbeiten und schauen, was ich von deinen Hinweisen einfließen lassen kann. :)

Liebe Grüße
Lena

 

Hallo Lena,

mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen. Du schreibst rasant und pointiert, ich hab' oft lachen müssen, und das war ja das Ziel der story.

Hängengeblieben bin ich nirgends, für mich ließ sich das Ding in einem Rutsch lesen und ich finde es klasse, dass Du es geschafft hast, mich mit einem Thermomix/max bis zum Schluss bei der Stange zu halten.

Hab mich sehr gut amüsiert!

Liebe Grüße,

Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chai,

vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. :)

Liebe Grüße
Lena

 

Hi LenaZi,

aus deinem Profil kann ich nicht herauslesen, wie viel Energie und Zeit du in die Schreiberei stecken möchtest oder kannst. Oder wie viel ich an deinem Text herumkritteln darf.

Du hast auf jeden Fall eine flotte Schreibe, finde ich. Fettes Lob! :thumbsup:

Bei uns im Lokalblättchen gibt es eine Redakteurin, die bringt täglich eine Glosse. Kleine pointierte Texte über Alltagsbeobachtungen oder auch durchaus zu ernsten Themen. Daran erinnert mich dein Text.

Im einzelnen:

„Wie funktioniert das denn jetzt?“, fragt sie mich völlig selbstverständlich. Als hätte ich vorsichtshalber seit Wochen die Bedienungsanleitung hoch und runter gelernt und nur auf meinen großen Auftritt gewartet.

Statt "völlig selbstverständlich" könnte die Mutter eventuell auch "wie selbstverständlich" oder "unschuldig" fragen. Nur so als Idee.
Und dieses "vorsichtshalber ... hoch und runter gelernt" könnte man vielleicht noch eleganter ausdrücken. Dir fällt vielleicht noch etwas Besseres ein?

Dadurch sind deutsche Haushalte mittlerweile zu einem florierenden Wirtschaftszweig geworden, in dem rund um die Uhr schwarz arbeitende Kinder Großaufträge ihrer Eltern bearbeiten.

Dieser Satz wäre eventuell ein Streichkandidat. Das mit der Schwarzarbeit gefällt mir irgendwie nicht so. Das wirft mich raus. Das Beispiel mit dem Thermomix ist ja zumindest keine Schwarzarbeit.

„Ich muss halt auch erst mal schauen.“, versuche ich sie zu vertrösten

Nach "schauen" (direkte Rede, Komma) kommt kein Punkt. Das machst du systematisch falsch, willkommen im Club. Habe ich bis vor kurzem nämlich auch gemacht, bis sich eine Wortkriegerin meiner erbarmt hat und mich darauf aufmerksam gemacht hat.

Langsam öffnet sich die Küchentür und eine in eine grüne Strickjacke gekleidete ältere Frau tritt herein. Meine Oma!

Ich finde es etwas seltsam, dass die Erzählerin nicht gleich schreibt, dass es ihre Oma ist. Ich glaube nicht, dass sie denkt, da kommt eine Frau in einer grünen Strickjacke. Die laufen bei uns ja immer scharenweise durchs Haus, jeden Tag. Ach, hups, es ist ja meine Oma. So läuft es ja wohl nicht.

Wie viele Texte, so würde dein Text durch geschicktes Kürzen noch gewinnen. Die Kunst besteht natürlich darin, das Richtige zu streichen. Super Tipp, macht echt Arbeit, ich weiß ...

Es sind viele schöne Stellen drin, zum Beispiel:

Kein Knopf ist uns zu klein, kein Untermenü zu versteckt. Es ist schön.

oder

„Haben wir hier schon draufgedrückt?“, fragt meine Mutter.

oder

So müssen sich verirrte Wanderer fühlen, die sich in den Weiten der Everglades jeden Moment am Ziel wähnen, in Wirklichkeit aber die ganze Zeit im Kreis laufen.

Herrlich! Ich freue mich darauf, von dir noch mehr zu lesen!

LG, Anne

 

Hi Anne49,

vielen vielen Dank für dein Lob! :) Je nachdem wie die Zeit es zulässt, schreibe ich in meiner Freizeit ein bisschen vor mich hin. Ich habe mich hier angemeldet, um mich zu verbessern und um zu schauen, was ihr alle schönes schreibt. Bitte unbedingt in meinen Texten rumkritzeln! Ich bin für jeden Tipp und jede Anregung dankbar. :)

Ich werde die Geschichte noch mal überarbeiten und über deine Anmerkungen nachdenken und eventuell tatsächlich das ein oder andere streichen bzw. abändern.

Mit der Oma hast du total Recht. Seit du das geschrieben hast, stelle ich mir vor, dass wie in einem Taubenschlag ältere Leute in verschieden farbigen Strickjacken in der Küche ein und aus gehen. :D Das kann natürlich nicht so bleiben. Dann wäre es eher eine Geschichte, die in einem Altenheim spielt.

LG, Lena

 

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