Was ist neu

Thema des Monats T.

Seniors
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12.02.2004
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T.

Zur großen Verwunderung der Eroberer war die gefürchtetste Spezies des Sektors eine, die sie in ihrem taxonomischen Eifer „Breitnasen-Kragenaffen“ nannten. Es waren dünne Wesen mit behaarten Körpern, langen Schnurrbärten und auffällig dichtem Fell rund um den Hals. Sie waren behäbig und friedfertig, und bewohnten eine große Zahl von Welten, die sie ihren Bedürfnissen anpassten. Technisch schienen diese Wesen kaum auf dem Stand der Zeit zu sein, ihre Welten verfügten selten über Streitkräfte, und manche waren sehr reich. Dennoch wagte keine der großen alten Zivilisationen, diese Wesen anzugreifen, denn in vielen Aufzeichnungen hieß es, dass sie unbesiegbar waren...

Katherine di Gris, die Präsidentin des Terranischen Imperiums gehörte nicht zu den Menschen, die sich von alten Sagen abschrecken lassen. Sie war eine beeindruckende Frauengestalt, ähnlich den englischen Königinnen in einer fernen Vergangenheit. In ihrer Generation wuchs die Macht der vereinigten Menschheit in ihrer kosmischen Nachbarschaft schneller als die der europäischen Nationalstaaten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Wir alle wissen, was für ein Niedergang auf eine große Zeit der Triumphe folgen kann; doch auch solange die Triumphe andauern, geschehen sie nicht von selbst: Die Präsidentin lenkte das terranische Imperium mit großem diplomatischen Geschick, hinter dem sich eine eiserne Faust verbarg.

Ähnliche Epochen bringen ähnliche Menschen und ähnliche Gedanken hervor. In den führenden Köpfen des Terranischen Imperiums gelangte René Descartes zu neuen Ehren: Wir können die Welt erkennen, nur aus unserem Denken heraus, und die Erkenntnis macht uns mächtig. Eine Generation von Wissenschaftlern vom Schlage eines Charles Darwin ordnete mit grenzenloser Neugier die Erscheinungen der neuen Welten. Physiker kreierten den Hyperraumantrieb, und menschliche Augen sahen Dinge, von denen die Vorfahren nicht einmal geträumt hätten. Mit ihrer Neugier und ihrem Optimismus brachten sie den Willen zu herrschen, und schufen eine große Macht, als sie (wieder zu ihrem Erstaunen) feststellten, dass ihre kosmische Nachbarschaft ihrem Willen zur Macht nicht allzu viel entgegenzusetzen hatte.

In den Augen der Anderen freilich, relativierte sich das Bild von der großen ordnenden Macht: Die Menschen erschienen beispielsweise den Breitnasen-Kragenaffen als unbehaarte Wesen, die sich geschlechtlich fortpflanzten, und auf den Hinterbeinen gingen, und sie betrachteten sie ein wenig abschätzig, wie einst die Griechen die römischen Barbaren. Dann geschah es, dass die Menschen die ersten Welten kolonisierten, auf denen die Breitnasen-Kragenaffen (im folgenden BreK genannt) die dominante Spezies waren...

***​

Präsidentin di Gris ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich zu diesem entlegenen Planeten zu reisen, der nun Teil des Imperiums werden sollte. Sie erschien gerade auf der Brücke des Flaggschiffs, als mehrere hundert Bomber in die Atmosphäre eintraten, und Kurs auf ihre Ziele nahmen. Die Truppentransporter verharrten als reglose Armee von Containern im schwarzen Nichts. Weit hinter ihnen lag ein Raumtransporter riesig und dunkel wie ein Gebirge. Ein Dutzend Kampfschiffe umkreiste den Planeten, und machte sich bereit, gegen die Verteidiger vorzugehen. Es gab allerdings keine Gegenwehr.

Der kommandierende General salutierte lässig, und sagte: „Ich finde das Schauspiel jedes Mal eindrucksvoll. Jeder planetare Angriff ist eine perfekt einstudierte Choreographie.“
Die Präsidentin lächelte. Sie erwiderte: „Es hat lange gedauert, bis der Senat die Aktion bewilligt hat. Umso mehr genieße ich den heutigen Tag.“

Dürre Worte für ein jahrzehntelanges Drücken und Zerren und all die Intrigen gegen die Widerstände, die sich denen an allen Ecken und Enden zeigten, die etwas voranbringen wollten, notfalls mit der Waffe in der Hand und mit dem Einsatz des eigenen Lebens.

Eine Ordonnanz erschien mit Champagner. Sie stießen gerade an, als unten auf dem Planeten Lichtpunkte von den Detonationen der Bomben aufleuchteten. Langsam setzten sich die Truppentransporter in Bewegung.

***​

Die Spezies, die in diesen Momenten zu Hunderttausenden zusammengeschossen wurde, hatte eine besondere Begabung für Literaturwissenschaft und Genetik – Wissenschaften, deren Errungenschaften dem Fremden nicht sofort ins Auge fallen. Als höchste Form der Wissenschaft galt ihnen eine Art Kybernetik, die auch Kriegsführung in einer weichen, vergeistigten Form umfasste. Unbeeindruckt metzelten die Eroberer die Meister dieser Kriegskunst des Geistes nieder.

***​

Es gibt viel, von dem wir nichts wissen. Es gibt übergeordnete Formen von Bewusstsein, die ihren Trägern nicht unmittelbar zugänglich sind. Es gibt Gedanken, von denen die einzelne Gehirnzelle nichts weiß, obwohl gerade sie es ist, die sie erschafft.
In den folgenden Jahren der Besatzung erwachte im Geflecht der Nachrichtenströme der BreK etwas, das etwas erzeugen sollte, das dem Hammer Mjölnir in der nordischen Mythologie entspricht: eine Waffe, der nichts widerstehen kann. Wie so vieles entstand es in einer Gruppe visionärer Spinner, man könnte sie als „militante Jagdgesellschaft ortsungebundener Eleaten, Lauscher, Nachrichtenübermittler und interpersonaler Revolutionäre“ bezeichnen. Wonach suchten die Gedanken in dieser Gruppe von Verrückten, die in ihren verängstigten Völkern operierte? Zunächst einmal nach einem Einzelnen, der als Katalysator dienen sollte für die Manifestation Mjölnirs in einem realen Gegenstand, der in der Lage sein konnte, die Zivilisation des Feindes zu vernichten.

***​

Wie bei jeder Spezies gab es bei den BreK eine große Zahl von Spinnern, die sich berufen fühlten, die Missionen einer höheren Macht auszuführen. Viele redeten mit ihren Affenhänden wild gestikulierend auf öffentlichen Plätzen. Die Eroberer pflegten solche Aufwiegler ohne Vorwarnung zu erschießen, und ihre ausgestopften Köpfe mit Plaketten, die die jeweilige Irrlehre beschrieben, als Trophäen an die Wand zu hängen. In Folge bildeten sich viele geheime Zirkel auf den besetzten Welten. Wenige davon verübten Anschläge auf Energieleitungen, Raumflughäfen und Kasernen, denn nach jedem Anschlag töteten die Eroberer viele BreK als „Vergeltung“.

Das, was die Theologen „Pneuma“ nennen, suchte sich einen gewissen BreK aus, dem es nie in den Sinn gekommen wäre, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Mangels einer besseren Entsprechung in unserem Erfahrungsbereich wollen wir ihn als Buchhalter bezeichnen: Er manipulierte Daten, die mit der Verteilung von Gütern zusammenhingen. Er hieß T. (der wirkliche Name lässt sich nicht in unser Zeichensystem transkribieren).

T. lebte allein, und niemand in seiner Umgebung wusste beispielsweise, dass er ein nahezu vollkommenes Gedächtnis besaß. Was wäre aus ihm geworden, wenn er in einem anderen Zeitalter gelebt hätte? Vermutlich nichts besonderes. Wie die Dinge lagen, war er es, der den Verlauf einer ganzen kosmischen Epoche bestimmte.

Die Schicht war zu Ende. In dem Raum, in dem T. seine Arbeitszeit verbrachte, war die Luft verbraucht. Im Hintergrund murmelten Dutzende von Stimmen. Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter, tätschelte ihn, verabschiedete sich bis morgen. An diesem Feierabend war nichts besonderes. Alle waren in Sorge und doch unterschied sich ihr Alltag in nichts von dem was sie kannten. Umso mehr fürchteten sie sich nach all den Gerüchten über die Pläne der fremden Eroberer. Behaarte Hände packten Sachen und deaktivierten Rechenanlagen. Jemand öffnete ein Fenster. T. trat durch die Tür, da traf es ihn wie ein Schlag: Er war auserwählt! Der Gegenstand meldete den Wunsch an, geboren zu werden. Geboren durch ihn. Er lehnte sich gegen eine Wand und nickte schicksalsergeben...

***​

Wie willst du einen allmächtigen Feind angreifen, wenn du nur zwei haarige Hände, ein Häuschen, ein paar Freunde und ein paar Kenntnisse der Datenmanipulation hast, die gerade recht und schlecht ausreichen, dich zu ernähren? Willst du ihnen Steine nachwerfen, wenn sie in ihren Panzerwägen durch unsere Siedlungen fahren, oder dich ihnen in den Weg stellen, wenn sie ihre Truppen über unsere Straßen verschieben?

T. lachte leise, wenn ihm solche Gedanken kamen, denn er spürte genau was in ihm war. Er begann, in einem Hinterzimmer seines Häuschens etwas zu schaffen, und er tat es in jedem Augenblick mit der Gewissheit, dass er damit den Lebensnerv der Eroberer durchtrennen konnte.

Seltsame Dinge geschahen! Besucher kamen unangekündigt, teilten ihr Wissen mit ihm, und gingen wieder. Er lernte den inneren Bauplan der Eroberer kennen, erforschte ihre Erbmasse, rekonstruierte Wünsche, Gefühle und Sehnsüchte. Seine Heimatwelt machte zehn volle Runden um die Sonne, bis sein Werk die erforderliche destruktive Kraft in sich trug. Nie zuvor in der Geschichte seiner Welt war so viel Wissen in einen einzigen Gegenstand geflossen!

***​

Die besiedelte Landmasse seiner Heimatwelt war in den letzten zehn Jahren immer mehr in zwei Teile zerfallen. Der eine kannte riesige Fabriken, weitläufige Farmen, kleine Siedlungen, aus deren Architektur das Selbstbewusstsein eines Kolonialreichs sprach, schnurgerade Fernstraßen zwischen ihnen, Nachrichtenzentren mit direkten Verbindungen zu einem weit entfernten Zentrum, Raumhäfen und gut gesicherte Militärbasen.
Im anderen Teil lebten zusammengedrängt die BreK in sehr eingeschränkter Weise.

Du kannst nicht mehr gut sehen. Du verlässt dein Haus, und reihst dich in die Menge der Passanten ein, die sich überall so sehr gleicht: Sie besteht aus Einzelnen, die zu Zielen eilen und ihre Umgebung ausblenden, und verhält sich insgesamt wie Marmelade. In diesem Fall besteht die Menge aus dünnen, behaarten Individuen mit Krägen aus Fell. Du bist einer davon. Lass Dich treiben, und beobachte deine eigenen Gedanken, die immer wieder zu dem Gegenstand wandern, den Du geschaffen hast! Hunderte von Augenpaaren sehen Dich auf Deinen Wegen, wenn Du einkaufst, zur Arbeit gehst und Freunde triffst; und doch sehen sie dich nicht. Sie wissen nicht, dass Du die stärkste schöpferische Kraft in einem riesengroßen Stück von Raum und Zeit bist. Du selbst nimmst es hin, setzt weiter Deine Schritte, und gehst in Gedanken noch einmal eine Einkaufsliste durch. Bald tun Dir die Füße weh. Geistesabwesend schwingst Du Deinen Beutel aus Stoff und blickst freundlich in all die Gesichter, die dir entgegenkommen. Warum sind die bloß alle so in Eile?

***​

Hoch über den Köpfen der wuselnden Affenmenge in engen Straßen zogen sehr langsam Transportschiffe der Eroberer ihre Bahnen. Am Fenster von einem stand der General, der vor Jahren die Ehre gehabt hatte, im Beisein der Präsidentin die Invasion zu leiten. Mittlerweile war er zum Statthalter der Kolonie aufgestiegen, und die Landschaften, die sich weit unter seinen Füßen hinzogen, waren sein Reich. Der Statthalter war voller Bewunderung für die perfekte Maschinerie aus Verwaltung, Militär und Technologie, die den Kolonien ihre Ordnung gab. Gerade in diesen Tagen wurde eine direkte Nachrichtenverbindung zur Heimatwelt installiert – zur guten alten Erde.

Ahnte er nicht, dass gerade diese Perfektion das bevorstehende Ende ankündigte? Man kann nicht sagen, dass es in der Kultur der Eroberer keine Hinweise auf die Gefahren gegeben hätte, die eine bis auf die Spitze getriebene Macht mit sich bringt. Lao-Tse sagte:

Es ist besser,
ein Glas nur halb zu füllen
und nicht bis zum Rand

Wenn die Klinge zu scharf ist,
ist sie schnell wieder stumpf,
wenn ein Laden voller Gold und
Edelsteine ist

Ist es fast unmöglich, ihn zu schützen;
Wer nach Titeln und Reichtum strebt,
dem folgt das Unglück ganz von selbst.


Einige Monate später wird dieser Mann ein Buch erhalten, das ihn immer mehr in seinen Bann ziehen wird. Er wird über diesem bestimmten Buch alles um sich herum vergessen, und ein großes Erlebnis genießen, wie es den Menschen nur durch ganz wenige Kunstwerke zuteil wird...

***​

T. ging in ein Gasthaus und bestellte den belebenden Saft einer roten Beere, der das Getriebe seiner Gesellschaft am Laufen hielt. Ein Freund, der in der Steuerbehörde tätig war, las ihm die Nachrichten des Tages aus seinem Lesegerät vor: Propaganda.
Es gibt nichts Gefährlicheres als die richtige Information an der falschen Stelle! Die Wirtin jammerte, weil die indirekten Verkaufssteuern im kommenden Jahr um drei Prozent stiegen. Wie gerne hätte T. von dem bevorstehenden Befreiungsschlag erzählt.

Doch Reden war tödlich. Die Suchmaschinen der Eroberer fahndeten nach verdächtigen Worten. Wer schwieg, blieb unsichtbar. Wir aber, lieber Leser, die wir in dieser Welt nicht existieren, dürfen auf Antwort hoffen...

T. hätte einem Fragenden vielleicht erklärt: „Ich habe herausgefunden, dass sie in Widersprüchen denken, mit Thesen und Antithesen, aus denen manchmal Synthesen folgen. Sie bilden Muster aus ihren Erfahrungen, und allem, was sie in ihrem Gedächtnis herumtragen. Und was ist das für ein wüstes Durcheinander, in ihrem Inneren! Einer ihrer großen Denker hat behauptet, es gebe eine Struktur aus Ich, Es und Über-Ich, aber das war eher der Versuch, eine einfache Ordnung zu sehen, wo höchste Komplexität herrscht, und viele Kräfte wirken, die miteinander ringen. Eines aber ist sicher: Sie können es nicht ertragen, ohne das Gefühl zu leben, dass sie Teil einer höheren Ordnung sind. Nur leider waren ihre Konzepte für eine solche Ordnung bisher sehr dürftig. Ich habe eine Welt geschaffen, in der alles einen Sinn hat!“

„Wie?“ könnte man fragen, „Sie haben eine ganze Welt entwickelt, die Sie als Waffe einsetzen können?“

Im folgenden würde das Gespräch zur Erläuterung auf einen bestimmten Typus des Romans kommen: Die handelnden Personen entsprechen den Arten von Menschen, und was sie durchleben sind die häufigsten Situationen, in die der Mensch kommen kann. Alle Personen in den Erzählungen sind intelligent und handeln strategisch klug. Solche Werke können genauso gut als Sammlung von Präzedenzfällen dienen, wie man den Wechselfällen des Lebens klug begegnen kann. Würde diese Unterhaltung zu etwas führen? Wo liegt der Bezug zu einer angeblichen Superwaffe?

***​

Die Utilitaristen und nach ihnen Leute wie Adam Smith und David Ricardo sagten, das Glück des Einzelnen sei letztlich auch das Glück der Gesellschaft. Gesetzt den Fall, sie hatten Unrecht: Was passiert, wenn Verhaltensweisen, die den Einzelnen glücklich machen, dazu führen, dass die Gesellschaft als Ganze in den Abgrund stürzt?

T.s Waffe basierte auf inversen Denkvorgängen wie diesem, und sie WAR schrecklich!
Plagten den sonst so liebenswürdigen Buchhalter T., der im Begriff war, etwas zu schaffen, was eine ganze Spezies ruinierte, keine Gewissensbisse? Nach so einem Vorwurf würde er uns wohl treuherzig in die Augen schauen, und entgegnen: „Sie haben uns besetzt, uns zu Sklaven gemacht und gedemütigt. Das hätten sie eben nicht tun sollen...“

***​

Wir befinden uns in einer gut bestückten Bibliothek. Eine aparte junge Journalistin befragt einen großen alten Mann der Politik nach seinem liebsten Buch:

„Warum lieben Sie dieses Buch so sehr, Herr S.?“
„Weil es wunderbare Geschichten sind. Sie handeln natürlich vom Leben reicher Leute. Nur konnte der Autor sicher sein, dass sich alle Menschen damit identifizieren können.“

(Der alte Mann lächelt. Die Interviewerin bittet ihn stumm, weiter zu erzählen. )

„Die Menschen in den Geschichten erwerben riesige Vermögen, verlieren sie wieder, haben gefährliche Liebschaften, kommen mit List, Verrat und harter Arbeit ganz nach oben, oder stürzen tief. Niemals aber geben sie auf, und am Ende haben alle Erfolg, wobei sich der Erfolg meistens in schönen Dingen, einem attraktiven Partner und gesellschaftlichem Ansehen äußert. Ich glaube, es liegt an diesem Optimismus, dass ich dieses Buch so liebe.“

„Sie sagten, sie hörten an einem bestimmten Punkt Ihres Lebens auf, sich als Opfer zu fühlen...“

„Es war die Zeit, nachdem ich das Buch zum ersten Mal gelesen hatte. Es befreite mich von der Vorstellung, man müsse Opfer bringen, um etwas zu erreichen. Die provozierende Aussage dieses Werkes war, die eigenen Interessen um jeden Preis durchzusetzen. Man muss auch nicht alles selbst erledigen! Ich habe durch dieses Buch auch die Eingeborenen meines Herrschaftsbereichs, die sogenannten BreK als loyale Untergebene schätzen gelernt. Sie tauchen in allen Geschichten als Vertraute und treue Diener auf, die einem auch schwierigste Arbeiten abnehmen, und ich muss sagen, die Geschichten versprechen nicht zuviel.“

(Die Interviewerin lauscht begierig den Worten des Erfolgreichen. Woher nur kommt unsere Bewunderung für den Erfolg? Vielleicht, weil wir, wenn wir ein Rezept für den Erfolg hätten, endlich mit Zahnpastalächeln, der neuesten Mode, und vielen Parties in schönen Häusern unser Leben genießen könnten.)

Sie fragen vielleicht (und das zu Recht) was diese Szene mit der schrecklichen Waffe zu tun hat, die die Spezies Mensch zur Strecke brachte. Nur soviel: Man erkennt die Art der Waffe an den Wunden, die sie schlägt...

***​

Das höhere Bewusstsein greift nach dir, und tut mit dir was es will. Sein Werkzeug zu sein, fühlt sich an, als wäre man ein Pinsel, den eine unsichtbare Hand in Tusche taucht, und über eine Leinwand führt, während man selbst staunend beobachtet, was da passiert.
Die Kraft, die das tat, war weg, als T. den Gegenstand weitergab. Ihn betraf er von da an nicht mehr. Er verbrachte den Rest seiner Tage sorglos, nahm sich ein junges Weibchen und kümmerte sich um nichts mehr. Mochten die Dinge ihren Lauf nehmen...

“Fiat voluntas tua, domine!” hätte er zu dem höheren Bewusstsein gesagt, wenn es eine Person gewesen wäre.

***​

Es ist nicht wichtig, in welcher Form die auf die Kultur der Eroberer traf, ob als Projektil, als Datei, als biologische Massenvernichtungswaffe, oder gar als Enzyklopädiestab. Mehrere BreK, die in den Bauten der Militärverwaltung niedere Arbeiten verrichteten, schleusten einige Exemplare in die Bibliotheken und Aufenthaltsräume ein. (Der Gegenstand war also reproduzierbar.)

Um uns vor Augen zu führen, wie die Waffe wirkte, ist es vielleicht hilfreich, uns anzuschauen, welches Schicksal dem Neuen generell wiederfährt. Nehmen wir zum Beispiel ein neues Buch, oder einen neuen Film: Ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Buch, so gut es auch sein mag, den Kontakt mit den natürlichen Feinden neuer Bücher, den Lektoren und Literaturkritikern, unbeschadet übersteht, und sich durchsetzt? Nun, auch solche Leute sind Menschen mit spezifisch menschlichen Eigenheiten. Wenn das Buch so eine Eigenheit anspricht, zum Beispiel die immerwährende Suche des Menschen nach dem Sinn, steigen seine Überlebenschancen.

Falls ihm dieser Weg verschlossen bleibt: Oft genügen wenige Exemplare in Aufenthaltsräumen und Bibliotheken, um ein Buch zu verbreiten. Es liegt vielleicht, nachts neben einem heimwehkranken Soldaten im Bett, und tröstet ihn. Vielleicht lehrt es ihn sogar etwas. Zum Beispiel gesellschaftlichen Aufstieg, oder eine bestimmte Weisheit. Wenn es ein ganz besonderes Buch ist, wird die Öffentlichkeit irgendwann danach fragen, was es mit dem Werk auf sich hat, das diesem oder jenem so viel bedeutet.

Eine größere Gefahr für ein Buch besteht darin, dass es in Mode kommt, dass jeder es liest, und jeder es nach einer Weile beiseite legt. Aber das war nicht sehr wahrscheinlich, wenn das Buch in seinen Lesern nur tief genug Wurzeln schlägt.

(Natürlich stellt sich noch immer die Frage, wo der Zusammenhang zur Entwicklung der ultimativen Superwaffe besteht. Nur Geduld...)

Der Gegenstand entfaltete sein volles Zerstörungswerk.
Das Buch galt, metaphorisch gesprochen, nach wenigen Jahrzehnten als Klassiker.
Eine der verheerenden Wirkungen der Waffe: Das Kollektive Unterbewusstsein der Eroberer bekam ein neues Betriebssystem, ohne dass sie etwas davon merkten.

Gesetzt den Fall, die Waffe ähnelte mehr einem biologischen Kampfstoff als einem Buch: Die Ansteckung gelang, die Inkubationszeit begann, und kaum tausend Jahre später waren die Auswirkungen gravierend.

***​

Wir haben es also mit einer Waffe zu tun, die sehr lange braucht, um zu wirken. Die folgende Szene soll die Wirkung verdeutlichen. Sie spielte sich in ähnlicher Weise millionenmal auf Dutzenden von Welten ab:

In der Mitte des Schlafzimmers stand ein großzügig ausgelegtes Doppelbett, bezogen mit Samt. Es war früher Morgen, und die Jalousien öffneten sich leise, als die Sensoren genug Tageslicht registrierten. An der Tür standen zwei livrierte Breitnasen-Kragenaffen. Aus den Deckenbergen im Bett ragten ein behaartes Bein, und am anderen Ende der hoch toupierte Haarschopf einer Frau. Das Paar, das sich eben anschickte, zu erwachen, war in den Sechzigern, aber die Medizin hatte so große Fortschritte gemacht, dass sie keine Alterserscheinungen aufwiesen.

Das Bett begann, sanft zu vibrieren. Zeit, aufzustehen! Das Fenster gab den Blick auf einen schönen Blumengarten frei. „Guten Morgen,“ murmelte der Mann.
Die Frau schlug die Augen auf. Ein BreK trat zum Bett, und sagte: „Guten Morgen, euer Gnaden! Was darf ich Ihnen zum Frühstück bringen?“
„Nicht jetzt, es ist noch zu früh. Wartet noch!“
„Sehr wohl.“

Im Umkreis gab es viele Häuser wie dieses. Die meisten standen leer. Die wenigen Menschen, die hier noch lebten, hielten sich zahlreiche Diener. Die militärische Technik war so weit fortgeschritten, dass die nahe Garnison auch mit einer Handvoll Soldaten ihre Aufgabe erfüllen konnte, und zahlreiches BreK-Personal erledigte die nichtmilitärischen Aufgaben. Soeben hatten allerdings letztere die ersteren überwältigt.

Ein junger BreK stürzte ins Schlafzimmer und flüsterte dem Kammerdiener etwas ins Ohr. Dieser wandte sich zum Bett, und sagte laut: „Wir übernehmen jetzt das Haus. Sie dürfen so viele persönliche Sachen mitnehmen, wie Sie tragen können. Aber in einer Stunde sind Sie bitte weg.“

Der Mann sprang auf, und rief: „Unverschämter Kerl, du bist wohl verrückt geworden!“
Die Frau rieb sich die Augen. Er Mann wollte den Kammerdiener am Kragen fassen. Das veranlasste den jungen BreK, ihn zu erschießen.

In Summe gab es bei der Machtübernahme aber sehr wenige Todesopfer.

***​

Weitere tausend Jahre später waren die Menschen in allen Welten, die sie einst beherrscht hatten, nur mehr eine marginalisierte Minderheit, die in wenigen Berufen (etwa Leibwächter und Bauarbeiter) ihre Nische fand. Sie waren die Aborigines des neuen Zeitalters, die die Gesellschaften, in denen sie leben mussten, nicht mehr verstanden. Ihre Heimatwelten fügten sich nahtlos in die Föderation der BreK ein. Zu den Resten der Traditionen, die sie sich bewahrten, gehörte auch ein gewisses Buch...
Und ebendieses Buch aus T.s Feder war die Superwaffe: Es hatte die Menschen gelehrt, ihr Glück zu finden, doch leider auf eine Weise, die ihre Gemeinschaften ruinierte. Es hatte lange gedauert, doch keine Bombe und kein Krankheitserreger hätte das vermocht: Am Ende der Menschheit stand kein Massensterben wie bei den Dinosauriern, nur Mutlosigkeit und Schwäche.

In den letzten Tagen des Homo Sapiens waren T.s Reste längst zu Staub zerfallen, aber die Auswirkungen seines Werkes lebten noch immer. Es ist seltsam, dass unsere Taten wie Geister noch lange Zeit durch die Welt wandeln können, wenn wir die Bühne längst verlassen haben...

 

Hallo Fritz,

Idee: :thumbsup: :thumbsup:
Ausführung: verbesserungsfähig

Erstmal Kleinigkeiten:

Die Truppentransporter verharrten als reglose Armee von Containern im schwarzen Nichts. Weit hinter ihnen lag ein Raumtransporter riesig und dunkel wie ein Gebirge.
Sehr schönes Bild, aber zweimal "Transporter". Vielleicht fällt Dir da noch etwas anderes ein.
bestand die Menge aus dünnen
Der Statthalter wusste nicht, dass er bald ein Buch erhalten würde, einen Roman von einem unbekannten Autor aus den Kolonien, ein exquisites Stück Literatur, das alle Fragen nach dem SINN beantwortete, und zugleich die beste Unterhaltung war, die man sich wünschen konnte.
Hier ahnt man das Ende schon voraus. Ich denke, es wäre geschickter, umzuschreiben: Etwa die Szene zu beschreiben, dass der Statthalter von einem Bekannten ein Buch empfohlen bekommt, zuerst mit mäßigem, dann steigendem Interesse liest.
Der Mann wollte den Kammerdiener am Kragen fassen.
Weitere tausend Jahre später waren die Menschen in allen Welten, die sie einst beherrscht hatten, zur mehr eine marginalisierte Minderheit
An der markierten Stelle stimmt irgendetwas nicht.

Die Idee gefällt mir wie gesagt hervorragend. Sie ähnelt ein bisschen Proxis "Mit Idealen kann man Welten zerstören"-Geschichte, aber Du hast die Idee hier sehr gut ausgearbeitet.

Von der Durchführung her schlägst Du zunächst einen sehr distanzierten, erzählenden Ton an. Das ist nicht gerade modern, hat aber bei mir hier funktioniert, weil mich die Spannung, was denn nun die Superwaffe sein könnte, bis zu dem Punkt mit dem "SINN" mitgezogen hat.
Danach flacht die Spannung leider total ab. Es ist recht interessant, die tatsächliche Übernahme zu verfolgen, spannend ist es leider nicht mehr. Vielleicht fällt Dir ein Weg ein, wie Du die Spannung hier erhalten kannst, z.B. durch ein Enthüllung, wer der Erzähler ist, oder ein dichteres Geschehen (dichter an den Handelnden).

Insgesamt eine grandiose Idee, die zum Schluss etwas versickert.

P.S.: Mieser Titel. ;)

Viele Grüße,
Naut

 

Lieber Naut,

danke fürs Lesen! Die Geschichte ist ein Kandidat für eine Überarbeitung, was ich in zwei Wochen tun werde. Hab jetzt leider keine Zeit. Vielleicht bringt die Verzögerung einen anderen Blickwinkel und ein paar Ideen, was den Text harmonischer und spannender machen könnte. Deine Empfehlung, die Spannung aufrecht zu erhalten, und zum Beispiel die Faszination des Statthalters nur anzudeuten, wird die Geschichte mit Sicherheit interessanter machen. Die naheliegendsten Dinge fallen einem selbst zuletzt auf... ;)

Möglicherweise fällt mir für das Ende noch etwas anderes ein. Ich bin aber gespannt, was andere zu dieser Version sagen.

Freundliche Grüße zurück,
Fritz

P.S.: Mit den Titeln hab ichs nicht so. Komisch eigentlich, wo es doch heißt, dass meine Landsleute so titelsüchtig sind.

 

Ich schließe mich Naut an!!!

Wirklich klasse Idee!

Aber: Pack sie doch nochmal neu ein.
Verbesserungsvorschläge sind leider immer subjektiv, aber ich hoffe dennoch, dass ich dir damit mehr helfe, als vor den Kopf stoße:

Minimiere die Rahmenhandlung: Geh nicht in Details (Die Bomber, Explosionen, Schiffe am Anfang oder wenn: Lass ein bischen mehr "Zukunft" spüren als nur Star Wars Klischee), bringe ein bischen mehr Gefühl mit rein.

Auch toll fände ich es, wenn du die Handlung insoweit ändern könntest, dass die Menschen nicht einfach als Eroberer dargestellt werden. Deine Geschichte stöhnt vor Pessimismus und tut mir in der Seele weh, denn das, worauf du die menschliche Spezies reduzierst ist nichtmal ein 100stel von dem, was sie wirklich ist. Deine Geschichte birgt keine Hoffnung, ist also eher ein "Shocker"
Aber auch in der Werbung gilt eines: Mach nicht mit negativem Werbung, sondern vor allem mit positiven Empfindungen.
Die wahre Herausforderung hier ist, denke ich, ein Setting zu finden, dass einen neutralen (Betonung auf NEUTRAL) Charakter hat und keinen so sehr wertenden wie im Moment. Ich denke es reicht, wenn dieses "Buch" den Menschen die Augen öffnet.

Also, wie gesagt, das ist subjektiv und leider reduziert auf ein paar Zeilen im Internet. Würde mit dir sehr gerne persönlich mal darüber sprechen können, denn es ist wirklich ein Thema, dass sehr tiefgründig ist, was du da ansprichst.
In diesem Sinne: Ich freue mich auf eine überarbeitete Version ;-)

 

@sandnix: Du hast ein paar gute Punkte angesprochen. Ich werde mich bemühen, Dich nicht zu enttäuschen. Wie gesagt: bald.
Etwas mehr Gefühl, weitere Dimensionen, weniger unwesentliche Details... Mal schauen, ob ich diese Wünsche erfüllen kann. Schließlich haben wir bald Weihnachten. ;)

Ein bisschen hänge ich doch an dem Schock-Effekt.

Danke jedenfalls für die Vorschläge!

 

Hallo DerGuteFritz,

schick!

Ziemlich lang, ziemlich vielseitig.

Die Perspektive ist sehr weit rausgezoomt, und die Zeiträume sind großzügig dimensioniert, so dass man sich fragen könnte, inwieweit das noch eine Kurzgeschichte ist.
Ist mir aber egal.
:)

Entstehung und Verbreitung des Buches haben schon was von einer Religion an sich.
Zweck und Inhalt aber eher nicht. Das Buch enthält keine brauchbaren Lebensweisheiten, sondern subversive Gedanken, es wird als Waffe eingesetzt.

Insgesamt wird aber die (weitgehend) friedliche Beseitigung eines unerwünschten Herrschervolks beschrieben. Das ist mir religiös genug. Ich bin zufrieden.

Enthalten die Geschichte und der Inhalt des Buches (niedere Arbeiten werden delegiert, Individualismus wird großgeschrieben, Kinder sind nicht mehr nötig) auch eine Aussage über unsere gegenwärtige Gesellschaft?
Wir beschäftigen uns zu gerne und zu viel mit Illusionen und verlieren die Realität aus dem Auge?
Wir sind vom Aussterben bedroht?
Ganz was anderes?

Steht die Abkürzung T. eigentlich für irgendwas spezielles?

Und was heißt „Fiat voluntas tuan, domine!“ genau?
Rein intuitiv „Dein Wille geschehe, Gott!“ oder „Tu was du willlst, Gott!“.
Wie weit von der Wahrheit bin ich weg?

„So bekam das kollektive Bewusstsein der Eroberer ein neues Betriebssystem“
Schick!
:)

„Die Menge der Passanten“ ... „verhält sich insgesamt wie Marmelade.“
:)

Die verschlungenen Wege der Erzählweise mit den philosophischen Einsprengseln gefallen mir gut (nicht allgemein, hier schon), zB T.s Erklärungen an einen hypothetischen Fragesteller. Oder der Abschnitt „Wie willst du einen ...“.

Die einzelnen Bilder und Details beflügeln meine Phantasie nicht unbedingt, dazu sind sie zu wenig neu. Aber die Kombination von SF-Techno-Slang (Eroberung des Planeten, Kybernetik, Betriebssystem, Inkubationszeit, Computerviren) und Philosophie ergeben bei mir einen sehr anregenden Gesamteindruck.

Insgesamt hatte ich meinen Spaß mit deiner Geschichte.

viele Grüße
jflipp

Und sagmal - hast du das ganze Ding tatsächlich in acht Tagen ausgedacht und aufgeschrieben?

 

Hallo jflipp,

schön, dass ich Dir mit der Geschichte etwas Gutes tun konnte! Ich werde auch Deine Reaktionen im Hinterkopf behalten, wenn ich mir den Text nochmal vornehme.
Das Werk vermittelt "Werte" wie Selbstüberschätzung, Gleichgültigkeit der Zukunft gegenüber, Bequemlichkeit, einen recht törichten Individualismus, Anbetung der Technik. Lauter Dinge, die die meisten Angehörigen unserer Kultur in ihren Köpfen herumtragen. Ich gebe aber sandnix in der Hinsicht recht, dass das Ganze etwas zu Pessimistisch wirkt...

Fürs Ausdenken und Aufschreiben habe ich etwa drei Tage gebraucht. Ich schreibe immer wenn ich auf irgendetwas warten muss in einen Kollegeblock, den ich meistens bei mir habe.

Fiat voluntas tua - dein Wille geschehe: Soll auf das Ideal der stoischen und taoistischen Lehren anspielen, die Dinge, die geschehen wollen, geschehen zu lassen.

Lieben Gruß,

Fritz

 

Hallo DerGuteFritz,

DerGuteFritz schrieb:
Das Werk vermittelt "Werte" wie Selbstüberschätzung, Gleichgültigkeit der Zukunft gegenüber, Bequemlichkeit, einen recht törichten Individualismus, Anbetung der Technik. Lauter Dinge, die die meisten Angehörigen unserer Kultur in ihren Köpfen herumtragen. Ich gebe aber sandnix in der Hinsicht recht, dass das Ganze etwas zu Pessimistisch wirkt...

Das kann ich nicht nachvollziehen.
In der Geschichte geht es um das Schlechte im Menschen,
also muss sie die Menschen auch negativ, duster, deprimierend, pessimistisch zeigen.
Insbesondere, wenn die Geschichte keine Lösung für dieses Problem des Menschen zeigt. Muss sie auch nicht.
Ich finde, es ist Sinn und Zweck einer Kurzgeschichte, eine Sache im Scheinwerferlicht zu zeigen. Wenn du dagegen alle Facetten ausleuchten willst, solltest du schon einen Roman draus machen. :)

viele Grüße
jflipp

 

Ich wollte damit nur meine Meinung kundtun, dass man mit Schwarzmaler Science Fiction keinen erreichen wird. Und diese Geschichte sieht so aus, als wollte man auf Missstände hinweisen. Allerdings wird keiner darauf anspringen, da diese Geschichte dafür viel zu pessimistisch, sprich: Alternativ hoffnungslos, erscheint.
Und wenn man nur das düstere und dunkle darstellen will, darf man trotzdem noch nich verallgemeinern. Es gibt scheinbar viel zu viele Sci Fi Autoren, die die Menschheit wohl schon aufgegeben haben ^^

Und definiere doch mal "Kurzgeschichte" bitte. Nur weil viele Leute zu faul sind, mehr als 2 Word Seiten im Internet zu lesen (und das braucht keiner zu bestreiten), heißt das noch lange nicht, dass kurze Geschichten keine Kurzgeschichten sind.

 

Hallo sandnix,

Ich wollte damit nur meine Meinung kundtun

Also, du kannst hier kundtun, was immer du willst, und musst dich in keinster Weise dafür rechtfertigen.
:)

, dass man mit Schwarzmaler Science Fiction keinen erreichen wird. Und diese Geschichte sieht so aus, als wollte man auf Missstände hinweisen. Allerdings wird keiner darauf anspringen, da diese Geschichte dafür viel zu pessimistisch, sprich: Alternativ hoffnungslos, erscheint.
Und wenn man nur das düstere und dunkle darstellen will, darf man trotzdem noch nich verallgemeinern. Es gibt scheinbar viel zu viele Sci Fi Autoren, die die Menschheit wohl schon aufgegeben haben ^^

Erstmal finde ich das Hinweisen auf Missstände besser als die Klappe zu halten.
Und eine Geschichte, die Missstände aufzeigt, muss mindestens am Anfang pessimistisch und hoffnungslos sein, denke ich. Und wenn sie keine Lösung mitliefert eben die ganze Zeit.

Und dass es so viele Duster-SF-Geschichten gibt, könnte auch daran liegen, dass es einfacher ist, einen Missstand nur aufzuzeigen, anstatt gleich eine Lösung mitzuliefern.

Und Fritz will ja hier auf einen Misstand in der ganzen Gesellschaft hinweisen, der viele Leute betrifft. Da würde ich gerade verallgemeinern. Nur so sagt sich der Leser: Mensch, das bin ich ja auch.
Wenn Fritz jetzt oberflächlich ein paar gute Menschen einbaut, die den Breks helfen, dann sagt sich der Leser: Meeensch, der Fritz hat ja recht, fuuurchtbar sind die meisten Leute, aber zum Glück gibt‘s da diese paar guten, mit denen identifiziere ich mich, also muss ich mich nicht ändern.
Damit hat Fritz nichts erreicht.

Und definiere doch mal "Kurzgeschichte" bitte.

Das werde ich nicht tun.
:)
Wenn dir irgend jemand sagt, dass eine Textform nur so und so sein darf und zu sein hat, kannst du immer einen Freak schreiben, der das genaue Gegenteil ist und trotzdem gut.
Sonst wär‘s ja auch langweilig.

Mir ist Fritzens Geschichte jedenfalls lang genug. Noch mehr aus diesem weit entfernten Blickwinkel fände ich persönlich nicht so gut.

Nebenbei:
ich führe diese - ah - Diskussion rein zu meiner Unterhaltung und möchte dir überhaupt nicht meine Weltanschauung aufzwingen.

viele Grüße
jflipp

 

Hi Fritz!

Hm, irgendwie klasse Idee: Die Menschen werden so überheblich, dass sie jegliche Neigung zu Selbstkritik verlieren, und dann reicht ein einzelnes Buch, um den Keim der Selbstzerstörung in ihre ganze Zivilisation zu legen.

Gewissermaßen ist deine Geschichte auch eine Reverenz an das Medium Literatur. Die Macht dieser geistigen Waffe steht hier der einer physischen Massenvernichtungswaffe in nichts nach.
Natürlich könnte man fragen, ob eine so dekadente Zivilisation noch eine so starke Neigung zum Lesen entwickeln kann; eigentlich spricht Letzteres ja für die Menschen in der Geschichte *g*. Aber darüber sehen wir mal hinweg. ;)

Jetzt kommen wir zur Bewertung des Ganzen. Und auch wenn es seltsam klingt, meine Empfindung bezüglich des Textes lässt sich nur schwer beschreiben; und zwar nicht, weil er mich vor Begeisterung aus den Socken gehauen hätte, sondern weil sich positive und negative Aspekte eigenartig vermischen.

Erst mal die positiven:

1. Du hast mit deiner Huldigung an die Macht der Literatur irgendwie meinen Nerv getroffen. So würde ich den Einfluss des Literaten auf die Gesellschaft auch gerne sehen. Im positiven Sinne, versteht sich. ;)

2. Der Stil ist so distanziert, wie es der Beschreibung einer langfristigen Entwicklung angemessen ist, und so behäbig, wie der intellektuelle Anspruch es erlaubt.

3. Der ironische Unterton gefällt mir. Wenn die Geschichte sich gar zu ernst nehmen würde, wäre sie schwer zu ertragen. :D

Was uns zu den negativen Aspekten führt:

1. Du hast zwar mit dem Thema meinen Nerv getroffen, aber dieses ein wenig mau umgesetzt. Eigentlich hatte ich eine subtilere Auflösung erwartet als "Menschen werden immer weniger und sind am Ende in der Unterzahl, und sie werden auch immer träger, so dass die BreK die Macht übernehmen können". Bei den hohen Erwartungen, die du geweckt hast, nachdem deutlich wurde, dass die Massenvernichtungswaffe ein Buch ist, wirkt das ein bisschen zu billig. Und wenn ich mir dann vergegenwärtige, dass nur wegen des Buches die Menschen keine Kinder mehr bekommen und sich nur noch von vorne bis hinten bedienen lassen, dann kommt mir das einfach zu konstruiert vor. Da hilft auch der ironische Unterton nicht weiter.
Vielleicht hat das Buch ja viel subtilere Auswirkungen? Was für welche, weiß ich jetzt auch nicht, aber du kannst dir ja was einfallen lassen. :Pfeif:

2. Der Stil ist angemessen distanziert und behäbig, aber dadurch auch ziemlich langweilig. Die Spannung lebt eigentlich nur davon, dass du die Neugier des Lesers aufrechterhältst, was für eine Wunderwaffe die BreKs da eigentlich bauen. Und am Ende lässt mich der Text schulterzuckend zurück, weil er kaum eine Emotion rüberbrachte.
Vielleicht hilft Nauts Vorschlag mit dem dichteren Geschehen weiter. Dann solltest du, denke ich, die ganze Geschichte von Grund auf neu schreiben und als Zweitversion posten.

3. Der ironische Unterton reicht nicht aus, um den moralinsauren Unterton zu überdecken.
Das hat mich bei dieser Geschichte am meisten gestört und ist der Hauptgrund, weshalb sie wohl kaum bleibende Spuren bei mir hinterlassen wird.
Die Menschen der Zukunft fallen also mental wieder in ihre Kolonialzeit zurück und machen einen auf superböse Eroberer? Aber sicher. Lass sie doch gleich von einem Imperator oder Superdiktator regiert werden, das käme noch besser.
Du kleckerst nicht nur mit Star-Wars-Klischees, sondern lässt die Geschichte auch nur so vor "Menschen sind böse und zerstören alles"-Klischees strotzen. Das ist nicht pessimistisch, das ist einfach nur unzeitgemäß. Heute nähme dir kein Leser mehr ab, dass die Menschheit ihre Eroberung des Alls so beginnen würde. Dadurch geht aber der Bezug verloren, den du doch zu unserer Realität herstellen willst: Die Scheinwerte, die unsere Gesellschaft irgendwann zerstören können.
Zu meinem Missfallen hat auch der ständig erhobene moralische Zeigefinger beigetragen. Die philosophischen Einschübe Marke "Wie sagte doch der große Lao-Tse" und die ganzen penetranten Hinweise, dass der Menschheit nun der sichere Untergang bevorstehe, damit auch der Dümmste kapiert, wie die Geschichte ausgehen wird, wirkten auf mich, als wollte mein verbitterter 68er-Lehrer mir die böse schlechte Welt erklären.
Nur habe ich keine Lust, auf solche Art belehrt zu werden. Ich will eine Geschichte lesen und unterhalten werden, gern auch anspruchsvoll, aber mich nicht wie ein Junge auf der Schulbank fühlen.

Das alles ließe sich weitgehend beheben, wenn das Geschehen a) näher an den Protagonisten stattfindet und b) diese auch selbst zu Wort kommen, und zwar in richtigen Dialogen statt in Statements.

Es finden sich auch viele Fehler im Text. Ich nehme jetzt nur die ersten beiden Absätze:

Zur großen Verwunderung der Eroberer war die gefürchtetste Spezies

Nicht direkt ein Fehler, aber meistgefürchtete würde sich besser lesen.

Sie waren behäbig und friedfertig, und bewohnten eine große Zahl von Welten,

Das Komma muss weg.

Technisch schienen diese Wesen kaum auf dem Stand der Zeit zu sein,

Das ist eine seltsame Formulierung. Alle Spezies haben sich unabhängig voneinander entwickelt, und eine gemeinsame Zeitrechnung gibt es nicht. Eine Spezies kann sich früher oder später entwickelt haben als die andere. Das müssten auch die menschlichen Eroberer wissen - egal wie arrogant sie sind.

ihre Welten verfügten selten über Streitkräfte, und manche waren sehr reich.

Wer ist manche? Die Wesen oder die Welten? Grammatisch unklare Zuordnung.

Dennoch wagte keine der großen alten Zivilisationen, diese Wesen anzugreifen, denn in vielen Aufzeichnungen hieß es, dass sie unbesiegbar waren.

Entweder wären oder seien. Ich glaube aber, Letzteres ist korrekt.

Sie waren Techniker des Krieges, und durchlebten

die sich geschlechtlich fortpflanzten, und auf den Hinterbeinen gingen.

anschließend ihre gesamte kosmische Nachbarschaft erobert, und die Bewohner versklavt oder ausgerottet.

Die meisten Leute auf dieser Website setzen zu wenig Kommas - du eindeutig zu viele. ;)

Zwei Stellen, die bei mir wegen ihres Inhalts Stirnrunzeln verursachten:

Sie waren Techniker des Krieges, und durchlebten gerade eine Periode des Rationalismus.

Darunter kann ich mir beim besten Willen nichts vorstellen: Ein Begriff kann durch die Epochen durchaus verschiedene und wechselnde Bedeutungen annehmen. Wie ist er hier gemeint, und was bedeutet er für das Handeln der Menschen?

Vor zwei Generationen hatten sie den Hyperraumantrieb erfunden, anschließend ihre gesamte kosmische Nachbarschaft erobert, und die Bewohner versklavt oder ausgerottet.

Gähn. Also ab da habe ich nur noch aus gutem Willen weitergelesen. Grund kennst du ja ...

Wie gesagt, die Grundidee der Geschichte - die Macht des Buches - finde ich super. Aber bei der Umsetzung musst du schon mehr als drei Tage investieren. ;)

Ciao, Megabjörnie

 

Es liegt mir fern, hier die Herren Kritiker belehren zu wollen (ihr habt Recht, die Geschichte ist stellenweise langatmig geschrieben und belehrend), aber ich denke es hilft, sie nicht als eine realitätsnahe Extrapolation, sondern als eine satirische Überspitzung heutiger Verhältnisse zu lesen. Das hier ist keine Zukunftsvoraussage, sondern eine Parabel. Insofern muss sie geradezu polarisieren: Nicht in gut und böse, das wäre zu banal, sondern in gute und schlechte Taktiken. Die BreK sind nicht "gut", sonst würden sie wohl kaum die unterlegenen Manschen einfach abknallen, sie haben nur die bessere Überlebensstrategie.

Natürlich darf die Geschichte gerade auch als belehrendes Märchen ein bisschen flotter erzählt sein.

 

Es liegt mir fern, hier die Herren Kritiker belehren zu wollen

Jaja, wenn es schon so anfängt ... :D

Es stimmt natürlich, man kann sie auch als Parabel lesen, aber irgendwie lenkt der Text die Lesart des Lesers mit dieser "Star Wars"-Szene davon weg.

Dann wäre die Geschichte auch eine Parabel auf die Evolution. Diejenigen, die oben stehen, müssen ihre Fähigkeiten nicht mehr verbessern und werden dekadent, was ihre Widerstandsfähigkeit schwächt. Dann braucht es nur noch einen Virus, der die vermeintlichen Sieger von innen zersetzt.

Dann wäre es allerdings auch nicht schlecht, zu erwähnen, dass das Buch von T. auch unter den BreKs plötzlich populär wird, als diese auf dem Siegertreppchen stehen ... ;)

 

Hallo allerseits,

ich bin im Moment etwas im Stress, deshalb nur eine kurze Nachricht. Es freut mich, dass diese Geschichte so vehemente Reaktionen hervorruft. ;)

@Megabjörnie: Das zersetzende Buch ist für die Bedürfnisse von Menschen geschrieben. Breitnasen-Kragenaffen können damit nicht viel anfangen.

Über Lao-Tse und pessimistische Science Fiction, die unsere Spezies als eine Art Ungeziefer betrachtet, werde ich mich bald genauer äußern. Heute würde nichts Gescheites dabei herauskommen, weil ich zu müde bin.

Der Stil sollte wie in guten Geschichtsbüchern sein. Ich finde, das ist dem breiten Zeitrahmen angemessen. Wie könnte man diese Geschichte sonst noch schreiben? Wenn der Stil zu locker wäre ("Am Morgen sind die Außerirdischen gekommen und haben mich aus dem Haus gefworfen. Meinen Mann haben sie auch erschossen. Ich fand das nicht so geil." usw.) würde es MICH nicht interessieren, so eine Geschichte zu lesen.

Das Thema sind verschiedene Strategien in der Evolution. Lao-Tse hab ich nicht zitiert, weil ich irgendwen belehren will, sondern weil es in der Hinsicht nichts besseres gibt.

Ich freue mich schon darauf, genauer auf Eure Postings einzugehen! Sie enthalten einige wahre Fundstücke:

eine Parabel auf die Evolution
eine satirische Überspitzung heutiger Verhältnisse

angemessen distanziert und behäbig
Alle Spezies haben sich unabhängig voneinander entwickelt
Huldigung an die Macht der Literatur
verschlungenen Wege der Erzählweise mit den philosophischen Einsprengseln

So, jetzt will ich mal ein Bierchen aufmachen.

Freundliche Grüße,

Fritz

P.S.: Drei Tage haben 72 Stunden. Der Text ist als Word-Dokoment nur fünf Seiten lang. Eine Seite pro Stunde ist kein Problem. Wenn ich bei der Überarbeitung länger als drei Tage brauche, was mache ich dann die ganze Zeit??? :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Protokoll Eurer Reaktionen: :)

Vor einer Überarbeitung in einer oder zwei Wochen, fasse ich noch einmal Eure Reaktionen zusammen:

Naut mag die Idee, findet aber, dass sie versickert, weil die Spannung nicht bis zum Schluss hält.

sandnix mag die Idee ebenfalls, würde aber lieber weniger Details sehen, dafür mehr Gefühl und eine positivere Grundstimmung.

jflipp mag den ganzen Text, und ist dafür, die Übertreibung beizubehalten.

das veranlasste sandnix, einzuwenden, dass sich "Schwarzmaler Sci Fi" nicht verkauft.
(Wie ist das denn mit Houellebecqs Bestseller "Elementarteilchen"? Aber Du hast Recht: Es wird zu viel schwarzgemalt. )

jflipp entgegnete daraufhin, dass man auf Missstände hinweisen muss, und er nichts von einer Verniedlichung des Textes hält, indem auch gute Menschen darin auftauchen.

Megabjörnie mag die Idee ebenfalls, und freut sich darüber, dass die Geschichte zeigt, wie mächtig Literatur sein kann. Was er nicht mag, ist die Auflösung, die ihm zu wenig subtil erscheint. Er findet auch, dass es "nur wegen eines Buchs" nicht zu einer neuen Richtung in einer Kultur kommen kann. (wie ist das denn mit der Bibel, dem Koran und dem Marxismus? Die Macht der Ideen scheint in diesen Zeiten schwach zu sein. Ich glaube aber, dass sie wieder kommt). Außerdem mag er den Stil nicht und hält die Geschichte insgesamt für moralisierend und voller Klischees.

Naut wandte daraufhin ein, dass der Text eine Parabel sei, keine Voraussage.

Megabjörnie entgegnete, dass Star-Wars-Szenen nicht parabelhaft wirken.

Am 28. Dezember bin ich (DerGuteFritz)endlich dazu gekommen, die überarbeitete Version ins Netz zu stellen. Sie ist noch verworrener, aber vielleicht auch interessanter. Vielleicht findet sie ja noch einen Leser...

 
Zuletzt bearbeitet:

Kann sich nur mehr um Tage handeln, bis ich mich an die Überarbeitung dieser Space Opera mache.

 

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