Was ist neu

Tanzende Feder

Mitglied
Beitritt
18.04.2007
Beiträge
29

Tanzende Feder

„Es war mal wieder einer dieser Tage, an denen man lieber im Bett bleiben sollte.“
Die mit Tinte benetzte Spitze der Feder strich unbarmherzig über die zitternden Buchstaben, die ich gerade aneinandergekuschelt hatte.
Ich hielt inne. PLOPP. Ein großer Tropfen landete auf dem Pergament und fraß sich gierig in das Papier.

Seltsam, dachte ich. Da die Tinte immer nur für ein paar Sätze reichte, war es eigentlich unmöglich, dass ein Tropfen mit solcher Leichtigkeit und Grazie von der Spitze gleiten konnte.

Nachdenklich betrachtete ich die Feder. Sie lag gut in der Hand, hatte einen stabilen Stil. Der Wind heulte durch die Luft und drückte sich drängend an die große Fensterscheibe, die von kristallklaren Perlen vom Regen besetzt war. Im Hof bogen sich schlanke Pappeln und majestätische Buchen wie Grashalme unter dem Druck des Windes.

Verträumt blickte ich aus dem Fenster – es war Sommer; nicht spürbar, aber laut Kalender. Alles war anders. Sogar ich war anders. Meine Ideen waren eintönig, meine Feder unwillig. Nicht zuletzt saß mir auch noch mein Verlag im Nacken. Mir blieb noch ein Monat, um ein neues Buch zu schreiben; und ich hatte nicht einmal einen Anfang. Schreibblockade auf höchstem Niveau.

Etwas kitzelte mich am Handgelenk. Ich ließ die Feder fallen.
Lasty, mein treuer Gefährte schmiegte seine Wangen schnurrend an meine Hand und schloss vergnügt die Augen. Er war eine Main-Coon, für mich die Königin unter den Katzen. Langes geschmeidiges Fell, spitze Ohren und verzaubernde grüne Augen.

Ich nahm ihn auf den Arm und lief im Zimmer auf und ab. Dabei wedelte sein Schwanz wie auf Befehl. Nein, er schien zu zucken. Wie leicht diese Vierbeiner zufrieden zu stellen waren, ganz im Gegenteil zu den Zweibeinern.

Verächtlich schaute ich zu meinem Schreibtisch, der so liederlich war wie noch nie. Das Pergament hatte immer noch den Tropfen, die Lampe war immer noch eingeschaltet, das Tintenfass stand immer noch da, wo es vorhin auch gestanden hatte. Nur die Feder lag nicht dort, wo ich sie hatte fallen lassen.

Vor Schreck hätte ich beinahe Lasty verloren. Schnell drehte ich mich weg.
Sollte ich jetzt völlig verrückt geworden sein?, fragte ich mich und kraulte Lasty hinter den Ohren. Ich werde mich jetzt noch einmal umdrehen. Auf dem Tisch wird meine Feder liegen.

Ich fuhr herum. Ein leichter Luftzug ging. Lasty schnurrte zufrieden. Alles lag und stand genau dort, wo es hingehörte, bis auf die Feder.
Voll Anmut schwebte sie in der Luft, nur wenige Zentimeter über der Tischplatte. Doch damit nicht genug: Sie begann zu tanzen und verbog dabei ihren Schaft, während die Fahne freudig hin her wedelte. Die Spitze war weiß, die Fahne flauschig. Stolz präsentierte sie sich von allen Seiten. Ohne Frage, sie konnte stolz auf sich sein. Schließlich war sie mit verschiedenen Grautönen und Weiß gesprenkelt.

Wie angewurzelt stand ich da und beobachtete den vollkommenen Tanz meiner Feder. Wenn sie auf dem Papier auch so eifrig wäre, dachte ich.

Dann schüttelte ich wie verrückt den Kopf, schloss die Augen, krallte meine Finger in das weiche Fell von Lasty. Mein Verstand spielt mir einen Streich, sagte ich mir immer wieder. Es gibt keine tanzende Feder. Es gibt keine tanzende Feder. Sollte es wirklich schon so weit sein, dass mich eine groteske Schreibblockade um den Verstand bringt? Nein, es gibt keine tanzende Feder.

Darauf hoffend, dass sich meine Gedanken bestätigen würden, öffnete ich schlagartig die Augen. Unverwandt starrte ich auf das sich drehende Etwas. Sie war noch da. Vorsichtig schritt ich auf die Feder zu, die keine Anstalten machte, ihren Tanz zu beenden.

Lasty verfrachtete ich behutsam auf meine linke Hand, während ich die andere unmerklich ein Stück nach vorn streckte. Der Wind drückte ungeduldig gegen die Fensterscheibe, als wollte er die Feder warnen.

Wie ein Blitz schoss meine rechte Hand nach vorn.
Ich griff nur Luft. Fast erleichtert atmete ich auf, als die Feder wieder auftauchte. Sie hatte ebenso schnell reagiert und war eine Luftschiene höher gestiegen. Wie traumatisiert tanzte sie. Es schien als lache sie mich aus. Das hatte ich wohl auch verdient – kein einziger ordentlicher Satz wollte meinem Geist entspringen, keine gelungene, unverbrauchte Idee entstehen.
Und jetzt auch noch das. Eine tanzende Feder über meinem Schreibtisch. Da kann nichts werden, dachte ich verzweifelt und schaute an die Uhr. Es war schon spät. Sollte ich die Feder tanzen lassen oder sie lieber einfangen? Vielleicht sollte ich mich auch einfach nur schlafen legen und die tanzende Feder vergessen, die gar nicht tanzen dürfte.

Plötzlich sprang Lasty von meiner Hand auf den Schreibtisch. Energisch versuchte er mit den Pfoten die Feder zu erhaschen. Dabei wirbelte er das Pergament umher, das unter seinen Krallen in Mitleidenschaft gezogen wurde, ebenso wie der alte Holztisch.

Wenn er die Feder zu fangen versucht, sie also sieht, dann muss sie tatsächlich in der Luft tanzen, überlegte ich und verfolgte wachsam das Jagdvergnügen meines Katers. Nach einer Weile ließ er gelangweilt von ihr ab und stiefelte aus dem Zimmer.

Die Feder hörte auf zu tanzen; sie sank müde auf den Tisch herab. Insgeheim hoffte ich, sie würde sich erneut erheben, aber sie blieb reglos liegen, wie es eine Feder eigentlich auch tun sollte.

Auf einmal überkam mich ungehemmte Kreativität, die sich schnell zu meinen Fingerspitzen hervor arbeitete. Ich nahm Pergament und Feder zur Hand und begann den Bestseller meines Lebens zu schreiben.

 

Hallo Feanaro!

Die Vorstellung, einen Bestseller mittels Feder und Pergament zu fabrizieren hat etwas unbestreitbar Anachronistisches. ;)
Ich sehe zwei Auswege aus dem Dilemma: Entweder du ersetzt Feder und Pergament durch ihre modernen Vertreter, oder du streichst "Uhr", "Verlag" und "Bestseller" aus der Geschichte. Ansonsten werden hier noch einige Leser das Gefühl haben, einen mittelalterlichen Mönch vor sich zu haben, der durch einen Knebelvertrag zum Bestsellerschreiben gezwungen wird.
Wenn man diesen Aspekt ausklammert, geht die Geschichte als "ganz nett" durch. Solider Stil, dünne Handlung, flacher Protagonist. Fader Durchschnitt, würde ich sagen. Die fantastischen Elemente sind etwas dünn gesät, fast zu dünn für diese Rubrik. Wenn du deine Geschichte wo anders hinverschoben haben möchtest, sag Bescheid.

Viele Grüße
Blaine

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Basti08,

danke für deine ehrliche Einschätzung meiner flachen Geschichte, von der ich eigentlich auch nicht ganz begeistert bin.
KG´s sind meine Probleme, da ich mehr auf ausgedehnte Geschichten fixiert bin, wo man tiefgründig schreiben kann und fast jeden Winkel ins Licht bringt, der es vermag gesehen zu werden.
Da ich noch ein Jahr an der HAF bin, muss ich KG´s schreiben, die sich auf etwa 80 Zeilen drängen und das fällt mir schwer, weil ich eben ausgeschweift schreibe.
Schon in der Schule ist es mir immer schwer gefallen, lange Geschichten oder Texte in Geschichtsbüchern zusammenzufassen.
Also bitte verzeih mir diesen Ausrutscher. :(

Wohl gemerkt, ist das immer noch die Erstfassung. Liegt vielleicht auch daran, dass ich sie in einer halben Stunde verfasst habe.
Naja, danke für die Tipps, mal sehen, was ich ändern kann.

Liebe Grüße
Feanaro


Hallo Blaine,

du hast natürlich Recht; das habe ich nicht beachtet mit der Zeitphase, der Feder und so. Danke für die Tipps - dafür sind Kritiken ja da, oder? *g*

Ich bin eher auf lange Texte geeicht, als auf KG´s, aber ich gebe mir mühe, trotzdem welche zu schreiben, die auch danach klingen. Alle, die ich bisher geschrieben habe, waren für die HAF, dort muss man sich auf eine Zeilenanzahl beschränken.

Aber mal sehen, vielleicht schreibe ich auch noch welche, die länger sind ;-)

Wo würdest du denn meine Geschichte einordnen - in welcher Rubrik?

Liebe Grüße
Feanaro

 

Hallo Feanaro!

Ich nehme mir die Freiheit, deine Geschichte ein bisschen zu kritisieren. Sie hat mich nicht besonders vom Hocker gerissen, was vor allem am der gähnenden Atmosphäre und dem vorhersehbaren Plot liegt. Das mit dem Anachronismus haben die anderen ja schon erwähnt.
Persönlich bin mag ich eigentlich ruhige Geschichten, aber die müssen trotzdem eine gewisse Spannung haben. Deinen Text habe ich gegen Schluss nur noch überflogen.
Sprachlich finde ich es ok, aber stellenweise versinkst du schon ziemlich in Pathos, wie zum Beispiel hier:

Der Wind heulte durch die Luft und drückte sich drängend an die große Fensterscheibe, die von kristallklaren Perlen vom Regen besetzt war. Im Hof bogen sich schlanke Pappeln und majestätische Buchen wie Grashalme unter dem Druck des Windes.

Noch ein paar andere Details:

Ein großer Tropfen landete auf dem Pergament und fraß sich gierig in das Papier.
Pergament ist nicht Papier, sondern lang gestreckte Tierhaut. Papier wird aus Pflanzenfasern hergestellt. ;)

Seltsam, dachte ich. Da die Tinte immer nur für ein paar Sätze reichte, war es eigentlich unmöglich, dass ein Tropfen mit solcher Leichtigkeit und Grazie von der Spitze gleiten konnte.
Doch, doch ... das ist durchaus möglich. Und ärgerlich.

Meine Ideen waren eintönig, meine Feder unwillig.
Soll ich eine Vermutung anstellen? Wahrscheinlich hattest du gerade selber eine Schreibblockade und dann die blendende Idee, eine Geschichte über deine Blockade zu schreiben. Leider ist die Idee nicht mehr besonders neu, sondern ein beliebte Therapie für Schreibblockaden. Wenn diese Geschichte einen therapeutischen Zweck (so wie Tagebuch führen) hatte, dann finde ich es ok, aber dem Leser musst du schon ein bisschen mehr bieten.

Ich nahm Pergament und Feder zur Hand und begann den Bestseller meines Lebens zu schreiben.
Schön wär's. Glaubst du wirklich, dass Bestseller ohne Recherche und Aufbau zustande kommen? Vielleicht, ich würde aber sagen, in den meisten Fällen endet das Hochgefühl nach einer Weile und du stehst irgendwo in einer Geschichte mit vielen Logikfehlern, bei der du den Plot mehr schlecht als Recht zurechtbiegen musst.

Blaine hat deine Geschichte treffend zusammen gefasst: nett. Ich hoffe, dass du das nächste Mal mit ein bisschen mehr Übung einen besseren und originelleren Text verfasst, aber zerbrich dir mal nicht den Kopf darüber, ich stecke auch gerade in einer Schreibblockade (d.h., ich habe leider nicht mal Zeit zum überhaupt eine haben). Verrisse sind am Anfang oft ziemlich deprimierend, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man von denen viel mehr lernen kann. (Positive Kritiken sind gut für's Ego! Braucht es zwischendurch auch. :) )

Liebe Grüsse,
sirwen

 

Hallo Feanaro,

ich fürchte, diese Idee braucht noch eine zweite, mit der sie sich zu einer wirklich interessanten Geschichte verbinden kann.

"Nachdenklich betrachtete ich die Feder. Sie lag gut in der Hand, hatte einen stabilen Stil."
Damit hast Du das Autorenproblem doch schon gelöst! Die Feder schreibt den Roman in ihrem stabilen Stil, und den zerbrechlichen Gänsefederstiel braucht Dein Prot. nicht mehr anzufassen.

" Der Wind heulte durch die Luft ..."
1. Was hat das Wetter mit dem Rest der Geschicht zu tun?
2. Der Wind ist bewegte Luft, bewegt sich nicht durch sie hindurch.
3. Wieso blickt Dein Prot. "verträumt" in diesen Aufruhr?

"Mir blieb noch ein Monat, um ein neues Buch zu schreiben"
Wenn er da verträumt ist statt angstgebeutelt, würde ich die Feder für eine Halluzination und den Prot. für behandlungsbedürftig halten. Auch wenn Wallace und Simenon angeblich Romane in einem Monat geschrieben haben.

"Dabei wedelte sein Schwanz wie auf Befehl. Nein, er schien zu zucken. "
Hunde wedeln mit dem Schwanz, wenn sie zufrieden sind, Katzen zucken mit dem Schwanz, bevor sie zuschlagen. Ja, ich weiß dass manche real existierenden Katzen sich anders verhalten, aber in einer Geschichte braucht eine schwanzwedelnde Katze eine Erklärung.

"Das Pergament hatte immer noch den Tropfen, die Lampe war immer noch eingeschaltet, das Tintenfass stand immer noch da, wo es vorhin auch gestanden hatte. Nur die Feder lag nicht dort, wo ich sie hatte fallen lassen."
Dass Du damit die Jahrhunderte fröhlich durcheinanderwirfst, wurde ja schon erwähnt. Bevor Du die Story in alte Zeiten verlegst, wollte ich noch sagen, dass Pergament ein Lederprodukt ist und schon immer sehr teuer war. Niemand hat Notizen auf Pergament gemacht.

"Voll Anmut schwebte sie in der Luft, nur wenige Zentimeter über der Tischplatte. Doch damit nicht genug: Sie begann zu tanzen und verbog dabei ihren Schaft, während die Fahne freudig hin her wedelte."
Was ist die "Fahne"?
Eigentlich ist das ein netter Einstieg, aber ich hatte erwartet, dass die Feder jetzt noch mehr macht, als zu tanzen. Zumindest, dass sie von selbst anfängt zu schreiben. Vielleicht einen Roman über eine Gänsefeder-Ballerina. Dann hat der Prot. ein spannendes Leben, weil er verhindern muss, dass jemand herausfindet, wer eigentlich seine Romane schreibt. Oder sie stellt dem Prot. ein paar Fragen, warum seine Geschichten nicht mehr so spannend sind, wie früher, da hätte sie viel lieber für ihn gearbeitet. (Dann sollte sie besser keine Vogelfeder sein, die haben keine hohe Lebenserwartung.)

"Lasty verfrachtete ich behutsam auf meine linke Hand, "
Wer ist er, dass er eine Maine-Coon-Katze auf einer Hand trägt? Ein Riese mit Schaufelhänden? Normal gebaute Menschen brauchen beide Arme dafür.

"Wie traumatisiert tanzte sie. "
Warum sollte jemand, der traumatisiert ist, tanzen? Noch dazu anmutig?

"Ich nahm Pergament und Feder zur Hand und begann den Bestseller meines Lebens zu schreiben."
Zeitfehler: Ob etwas ein Bestseller ist, weiß man erst lange, nachdem es geschrieben wurde.

Fazit: Lass die Feder noch ein bisschen magischer werden und bau einen Konflikt ein - und wenn es nur ist, dass der Prot. die Zauberfeder schützen und der Kater sie zerfetzen will. Einige Dich mit Dir selbst auf eine einheitliche Technikebene.

An Schreibgeräte, die unerwartete Dinge tun, glaube ich unbedingt - vorgestern hatte ich einen Kuli in der Hand mit einem zartrosa Federpuschel und einer durchsichtigen Katze am Ende. Wenn man damit schrieb, leuchtete die Katze pink auf. Dagegen sind von selbst tanzende Federn doch wirklich völlig alltäglich!

Viel Spaß bei der Arbeit wünscht
anzim

 

Hallo sirwen,

danke für deine Kritik; ohne geht es ja nicht. :D

Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass ich von meiner Geschichte auch nicht unbedingt überzeugt bin. Es kam einfach ein Einfall und dann habe ich losgeschrieben; es ist die Erstfassung.
Naja, solche spontanen Ideen kommen mir öfter, aber seltener schreibe ich dann eine so schlecht Geschichte, die weder Spannung hat noch interessant ist.
Zumal ich gar keine Schreibblockade habe - naja, bis auf den Krimi, den ich für die HAF schreiben muss. Aber da habe ich wenigstens einen Anfang und eine Geschichte.
Wenn ich dazu komme, werde ich die 'Tanzende Feder' überarbeiten.

Generell habe ich manchmal das Gefühl, schlecht zu formulieren und dann gebe ich schnell auf, um es nach ein paar Tagen erneut zu versuchen. Vielleicht klappt es ja irgendwann.

Also nochmals danke, für deine Kritik.

Liebe Grüße
Feanaro

Hallo anzim,

danke für deine Kritik. Du hattest gesagt, sie wäre hart, naja, muss sie bei mir auch sein, sonst werde ich noch schludriger als ich bereits mit KG´s bin.
Deine Ideen sind gut, werde ich mir überlegen.

Wenn man die Geschichte in einer halben Stunde einfach auf dem PC abtippt, dann kann nicht viel dabei herauskommen, zumindest nicht immer. An solche Dinge, wie die Zeit oder die Wortwahl (bei traumatisierter tanzender Feder) habe ich beim Schreiben überhaupt nicht gedacht - ein großer Fehler oder?

Naja, mal sehen, ob es mir gelingt, etwas besseres daraus zu machen.

Vielen Dank euch beiden!

Liebe Grüße
Feanaro

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom