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Therapieantrag
Sehr geehrte Frau A von der Radikal-Krankenversicherung!
Ich vermute, dass Sie für mich zuständig sind. Ihr Name stand auf dem ersten Ablehnungsbescheid, den Sie mir nach einer fünfwöchigen Ruhephase zukommen ließen.
Oder Frau B? Nachdem Frau A plötzlich nicht zu sprechen war, hatten Sie mir freundlich mitgeteilt, dass mich eventuell Frau C bearbeitet. Ich hoffe, Ihnen erwuchsen daraus keine beruflichen Nachteile, denn Frau C fühlte sich zu Unrecht benannt und empfahl mir die Krankenvertretung, Frau D, welche aber selbst erkrankte, auf Frau E verwies, die aber wegen einer Konferenz an Frau F abgeben musste. Von F zu G wegen Heiserkeit. Von G wegen Husten, Schwangerschaft, Sprechzeiten, Warteschleife, Überlastung, Personalstraffung, Pause, Zuständigkeit, Ressortwechsel an Frau P.
Also liebe Frau P, ich finde es sehr freundlich, dass Sie meinen Therapiefolgeantrag gleich nach dem dreißigsten Anruf lasen, auch wenn Sie aus dem neusten Gutachten die medizinische Notwendigkeit der Behandlung in einer Spezialklinik wieder nicht erkennen konnten.
Natürlich fällt mir auf Grund meiner Krankheit das Telefonieren schwer und deshalb danke ich Ihnen, Frau Q, dass Sie die Gespräche kurz und informationsarm halten.
Ich habe versucht, das Kleingedruckte meines Versicherungsvertrages zu lesen, liebe Frau R. Da Sie mir keine Lesebrille erstatteten, vergrößerte ich mir den Text am Kopierer von A5 auf A3. Allerdings fällt so das Umblättern schwer, woraus meine Schulterarthrose resultiert.
Das Verfassen von Briefen ermüdet mich, und ich sehe es als verständnisvolle Geste an, Frau S, wenn Sie den einen oder anderen missglückten Antrag ignorieren. Sollten Sie eine Hand in Ihren Unterlagen finden, senden Sie mir bitte das abgefallene Körperteil zurück.
Mit verstellter Stimme versuchte ich über die Zentrale den Chef Ihrer Versicherung, Herrn Eins, zu sprechen, worauf mich Frau T erwischte.
Entschuldigen Sie die Fusseln von den sich aufräufelnden Nerven, Frau U. Ich möchte Sie nicht mit Depressionen infizieren. Inzwischen bilde ich Folgeschäden aus, wie Herzrhythmus in Ihrem Arbeitstakt, Atemnot durch Papierallergie, mangelnde Affektsteuerung in ausweglosen Situationen. So eine Scheiße, Frau V.
Ich bin dankbar, dass ich an eine fähigere Sachbearbeiterin, Frau W, durchgereicht wurde, die auf Grund Ihrer medizinischen Diagnosekompetenz empfahl, erst mal eine Teilmassage am Heimatort wahrzunehmen, das würde doch bei uns wohl möglich sein. Bei uns? Nun bin ich aber enttäuscht, weil Sie meine Gesundheitsprobleme zu einem Ostwestkonflikt aufbauschen.
Ich mag meine Versicherung, Frau X, freue mich über den schönen Glaspalast der Zentrale und dass sich so viele Mitarbeiter aufopfernd um mich bemühen. Nein, was da rieselt ist kein Milzbrandpulver. Ich bin nur so abgeäschert.
Aus letzter Kraft habe ich Ihnen einen Schal gestrickt. Mit den Füßen. Ich weiß, dass Sie keine Präsente annehmen dürfen, aber ich habe ja die Zeit und das Material fällt kostenlos an, da mir die Haare büschelweise ausfallen. Ich wollte noch hineinsticken „Ich bitte Sie um eine Therapie“, da konnte ich plötzlich nicht mehr.
Ich möchte Ihnen keinen Ärger bereiten. Sollten Sie irgendwann verstehen, dass ich behandlungsbedürftig war, Frau Y, schicken Sie den Bescheid nicht an meine alte Adresse, um meine Familie nicht noch mehr zu belasten.
Wissen Sie, Frau Z, ich habe meinen Aufenthaltsort gewechselt und bin nach Drüben gegangen. Der Wechsel nach Drüben klappte problemlos. Auch wenn Sie es nicht glauben, liebste Kolleginnen von der Radikalversicherung. Fürs Jenseits braucht man keinen Antrag.