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Titelgeschichte

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22.08.2007
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Titelgeschichte

Kalt ist der Abendhauch. Narziss und Goldmund wandern über den Zauberberg um den Nachtzug nach Lissabon zu erreichen. Sie haben das Dschungelbuch im Rucksack und rühren kräftig die Blechtrommel. Wahrscheinlich fürchten sie die Räuber, die in der Nähe von Onkel Toms Hütte herumschleichen und im Hochwald ihr Unwesen treiben. Dort stehen auch das Schloss und der Turm. Über dem Blütenstaubzimmer befindet sich die Bibliothek. Während dort das Lexikon der Synonyme und das Wörterbuch der Antike im Regal verstauben, schaut Herr Adamson aus dem Fenster zum Hof. Sieben Jahre lang bewunderte er Frau Sorgedahls schöne weisse Arme, schwenkte vierzig Rosen fürs Fräulein Stark und ruft nun:
„Wo ist der Untergeher?“
„Am Klavier. Er übt die Kreutzersonate“, antworten die Brüder Karamazow, die sich am Hang sonnen. Dort ist es stiller. Sie studieren die Anleitung zum Unglücklichsein. Noch vor Sonnenuntergang wollen sie heimlich das Parfüm Im Namen der Rose in den blauen Siphon füllen.

Derweil streiten sich Don Camillo und Peppone wie üblich. Peppone, der Idiot, hat sich auf der Reise nach Moskau in Anna Karenina verliebt. Don Camillo findet das im Westen nichts Neues und begibt sich auf die Odyssee, um Werthers Leiden zu finden. Er hat die Bibel - also das Buch des Vaters - unterm Arm. So schleicht er in den Schuhen des Fischers um den heissen Brei, weil er meint: ‚Es muss nicht immer Kaviar sein.’ Über Peppone mault er zu seinem Herrn hinauf:
„Solch Lausbubengeschichten sollte der Prozess gemacht werden. Romeo und Julia auf dem Dorfe, das hat uns gerade noch gefehlt!“
Jesus lächelt milde vom Kreuz herab und flüstert ihm zu:
„Geduld Camillo, der Besuch der alten Dame wird alles ins Lot bringen.“

Das glaubt auch Jedermann, der Mann ohne Eigenschaften. Er hat das Narrenschiff verlassen und trägt im Lenz einen Biberpelz. Der soll gut gegen Nordwind schützen. Doktor Faustus erkennt ihn und sinniert:
‚Sieh an, der kleine Prinz!
So wie gestern ist’s noch heute:
Feine Kleider machen Leute.’
Die beiden begrüssen sich und Faust I sagt:
„Nun, wohlfeil zurück der Herr aus der unerträglichen Leichtigkeit des Seins?“
„Die Physiker machten ’s möglich. Mit ihnen kommt man leicht in 80 Tagen um die Welt!“
„Götter, Gräber und Gelehrte! Vorbei an Medea und Kassandra? Wer so allein die hundert Jahre Einsamkeit durchschritt, wird wohl im Höhlengleichnis die Buddenbrooks getroffen haben und das Gastmahl geniessen.“
„Ja mein Herr, doch bedenkt: War meine Zeit meine Zeit?“
„Quo Vadis? Das ist die Frage beim Untergang des Abendlandes.“
„Und der ist eine unendliche Geschichte, die an der Frage nach Haben oder Sein nicht vorbei kommt“, höhnt Mephisto im Hintergrund. Er schnäuzt sich und murmelt:
„Ohne die Kunst des Liebens läuft eh nix!“
Der Stechlin stellt sich zu ihnen und zeigt aufs weite Feld:
„Seht dort: Der gestiefelte Kater. Er dreht am Wendekreis des Krebses seine Runden im kaukasischen Kreidekreis!“
„Den Tod in Venedig wird er nicht suchen!“, meint Faust I.
Faust II flüstert ihm zu: „Eher die Jungfrau von Orleans. Das aber, Bruder, du weisst es, geht nur über Mutter Courage!“
„Tja, und die ist leider mit Krieg und Frieden beschäftigt“, ruft der Argentinier. Er verneigt sich höflich vor der Runde und sagt:
„Hier ist der Wendepunkt. Meine Herren, es klopft, ich Möchtegern - nach Hause schwimmen. Ich muss noch Pferde stehlen und bin zum Frühstück bei Tiffany geladen.“
„Wohlan denn, gute Reise durch Andorra und grüssen Sie Lotte in Weimar von uns.“
„Meinerseits einen Gruss an die Wohlgesinnten und allzeit gelungene Lääbesläuf.“

 

Wow! Du hast da Bücher und Filme verarbeitet stimmts? Also ich finde das es echt lustig ist, vor allem wenn man weiß um welche Bücher usw. es sich handelt^^ Gelungene Idee :-)

 
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>„Quo Vadis? ...<, wat is dat?", hieß es früher bei uns und als Antwort gab's korrekt
"In' Kino!" / "Wat gibt'a*?" / "Quo vadis!" / "Wat is' dat?" bis in alle Unendlichkeit, und Du entführst uns aus dem Ringelr(h)ein ins Wonderland (oder doch mehr hinter den Spiegeln?!),

liebe Gisanne,

mit einer Geschichte, die "Titel" sammelt wie andere Briefmarken und zwar - wie es sich ordnungsgemäß gehört - als Reise nach Lisboa.

>Kalt ist der Abendhauch<, als Hess(i)sche Freunde übern männlichen Venusberg (pardon, hier liefen gerade Tannhäuser, Wolfram & Walther vorbei, W. trägt übrigens - trotz keiner frostigen Temperatur - einen Pelzmantel), aber auch das war'n Sanatorium, stiegen, den Schnellzug "Remarque" zu erreichen. Dabei lesen sie - wie nebenbei - ein Komma** für den Infinitivsatz auf und Riki-Tiki-Tavi hilft ihnen dabei und hält ihnen Schlangen und Schillerlocken vom Leibe - aber Uncle Tom mitten im ehrwürdigen Europa! Da zürnt aber die politisch korrekte Mitte ..., ich sag aber: Recht so, denn Sklaven wurden ja immerhin noch von ihrem ("Brot")Herrn redlich genährt & züchtig gekleidet, was sie wesentlich von Minderlöhnern und Zeitarbeitern unterscheidet.

Aber jetzt will ich schließen, will keinem die Lust am Entdecken verderben, obwohl es einfach so weitergehen könnte! Denn:

Dadde hadde Spass gemacht!

Gruß

Friedel

* Als Variante im Ruhrgebietsdeutschen, das ja schon fast Lateinisch, wenn auch sehr vulgär anmutet, ginge auch "Wat gibdet?" oder noch schnoddriger "Wat gibbet?"

Eine Variante statt dieser Einleitung wäre auch aus aktuellem Anlass >Dort ist es stiller.< / Nee, dort steht Stiller, gedrückt und gedrängt von Herrn von Matt ...

Oder Dein Schlusssatz (was für ein Wort: auf zwo Selbstlaute drei Male Zischen!) ...

** Noch'ene Komma: >„Den Tod in Venedig wird er nicht suchen!“ meint Faust I.<

PS: Ich lass mich überraschen, wer den Staubsauger gewinnt und uns den Namen des Maradonna der Weltliteratur findet!

 

hallo Gisanne,
Friedel hat fast alles gesagt, trotzdem: bringt Spaß, schönes Experiment!
Die gedankliche Führung, oder besser: die Assoziationskette, ist teilweise sehr schön, nur im mittleren Teil, dem zweiten Absatz, sind die inhaltlichen Sprünge groß und die Zitate wirken etwas herbeigezwungen. Der dritte Absatz ist dafür voll in Fahrt.
Das Niveau Deiner Bücher- und DVD-Regale wird ziemlich hoch präsentiert, Don Camillo ist so ziemlich der tiefste Aussschlag nach unten. Da wünschte ich mir Bonanza!

Gruß Set

 

Salü mitenand,

* Kairi
wer kann sich Schöneres wünschen, als so ein Anfangslob?
Hab herzlichen Dank dafür.

* Friedel
"Maradonna der Weltliteratur" :D Auf so eine Idee kannst auch nur Du kommen :lol:
Komma setz ich gleich. Wer hat die eigentlich erfunden?

* Setnemides
Bonanza? War das der mit der Stuyvesant-Zigarette? Oder der lonesome Rider? Bei mir reichts nur bis Don Camillo :lol:

Ich freu mich, dass Ihr Spass hattet und die Mühe nicht scheutet, meinen Text zu kommentieren. Lieben Dank, ein schönes Wochenende und

lieben Gruss,
Gisanne

 

Bonanza kennst Du nich? Das kann nur die Gnade der späten Geburt sein. Schau mal bai Youtube rein, wenigstens wegen der Filmmusik.

 
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>Komma setz ich gleich. Wer hat die eigentlich erfunden?<, fragstu,

liebe Gisanne,

aber da müssten wir zurück bis zu den alten Griechen, denn mit der Struktur von SPO (infolge der formalen Logik haben die auchs Komma erfunden, müsst’ man ma’n Pragmatiker fragen - i. S. der Pragmatik als „Lehre von der Verwendung der Zeichen“).

Wie ich dann aus'm Keller wieder herauskriech, hab ich dann doch für's Allemagnische zwo Namen zur Hand: Caesius (eigentlich Philipp von Zesen), der 1643 "Hooch-Deutsche Spraachübungen" am Reck vollführte und ein nahezu vergessner Bruder Grimmelhausens ist (darum gleich noch 'ne Kostprobe), der auch Komma eingedeutscht hat mit "Beistrich" (den der arme BB verwendete und soweit ich weiß - Österreich) und Johann Christoph Adelung, der (erst) 1782 (!) die Zeichensetzung regelte, wie wir sie heute noch nahezu verwenden, mit seinem "Umständlichen Lehrgebäude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen". Der Titel verrät feine (Selbst)Ironie ("umständlich") und zugleich Weitsicht ("für Schulen"!), was ihn mir zum Bruder Friedrich Richters macht, aber insbesondere "Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart“ 5 Bände 1774-1786!

Hallo Set,

Du sagst, >Don Camillo ist so ziemlich der tiefste Aussschlag nach unten<,
wäre das nicht eher >Es muss nicht immer Kaviar sein<?

Und itzt noch Zesen von Wohlsetzen:

"Wolsetzend der Natur, bin ich hier genant,
Weil uns das RUHRKRAUT pflegt im leibe wol Zu setzen
Was ungesundes drin: Also muß wol bekant
Und flüßig sein die schrift, die einen sol ergetzen:
Man sich für neurung hüt' in ieder kunst und stand,
Das man nicht red' darvon und ursach sey Zu schertzen:
Wer dan aufbringen wil was neues, nehm in acht
Das er es stell' und schreib' aus gutem vorbedacht."

Gruß

Friedel

 

Salü mitenand,

* setnemides,
'Gnade der späten Geburt' :D

* Jynx,
danke Dir herzlich fürs lesen und knobeln und Spass haben. Ja, natürlich is das nur was für so zwischendurch und wenn das gelungen ist, bin ich schon zufrieden.
Und 'holprig'? Uuh, das las sich aber ganz flüssig an der Fasnachtslesung in der Bibliothek. Da muss ich dann nochmal drüber :shy:
'Lääbesläuf' kannst Du googeln, kommt gleich nach 'Meinten Sie Lebenslauf?' :)

* Friedel,
danke für die Info zu Komma. Das ist aber OT und dafür, Du weisst es, gibts was hinter die Ohren ...

Lieben Dank und Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

Das Ganze erinnert mich an Willy Astor, der es aber insofern leichter hat, weil er durch Ausreizung der Dialektgrenzen so manchen Begriff für seine Zwecke hinbiegt. Finde es gut, dass du nicht zu solchen Hilfsmitteln greifst und ein paar besonders interessante Kombinationen sind in deinem schönen Unterhaltungstext auch dabei:


„das Parfüm Im Namen der Rose“

Die Idee kannst du dir schützen lassen …


„Das glaubt auch Jedermann, der Mann ohne Eigenschaften. Er hat das Narrenschiff verlassen“

„Jedermann“ und „Narrenschiff“ ist eine gelungene Kombination (ich denke, das Narrenschiff wurde nicht verlassen, die Narren immer närrischer ;))


„Er dreht am Wendekreis des Krebses seine Runden im kaukasischen Kreidekreis!“

Klingt wie ein Zungenbrecher; außerdem eine interessante Vorstellung, diesen Kater da ganz bildlich in Aktion zu sehen.

Woltochinon

 

Salü Woltochinon,

entschuldige bitte, dass ich mich erst heute melde, um Dir für Deinen lobenden Kommentar zu danken. Es freut mich sehr, dass Du diesem - an sich nichtssagenden Text - Unterhaltungswert gegeben hast. Mir hat es einfach Spass gemacht, in meinen Gehirnwindungen zu kramen. Schön, dass Du daran teilgenommen und gute Wendungen gefunden hast.
Den Willy Astor kenne ich nicht, muss ich mal googeln.

Frohe, sonnige :) Pfingsten und lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

ist das ein kleiner, launiger Ausflug in dein Bücheregal? Solche Ideen machen Spaß, aber sie sind auch gefährlich, weil sie in ein starres Konzept eingebunden werden, und man muss sich schon gehörig verbiegen, um eine elegante und "leichtfüßige" Verbindung zwischen den unveränderlichen Titeln, die ja eine gehörige Dominanz im Text ausstrahlen, hinzukriegen. Das gelingt mal mehr und mal weniger gut, wie immer bei solchen Experimenten (Gern werden ja auch Filmtitel verwendet).

Das größte Problem dabei ist natürlich, dass man bei den Titeln auf Nummer sicher gehen muss, sich also überwiegend auf allgemein bekannte Literatur/Klassiker stützen muss, was der Kreativität und den Möglichkeiten am Ende doch gewisse Grenzen setzt.

Stellenweise sehe ich die gewissen Grenzen in deinem Text, aber insgesamt hat das dem Lesevergnügen nicht wirklich Abbruch getan. Eine sympathische Idee - unterhaltsam ausgeführt.

Rick

 

Das ist nichts als Krampf, vor Selbstgefälligkeit triefend – man kann sich lesend, wie schon Jynx sagte, „schön gebildet vorkommen“, und wenn nicht, muss man sich das Fehlende halt ergoogeln, wie die Autorin barsch der Unwissenden beschied. Dementsprechend wird in den Kommentaren auch gleich darum gestritten, ob Don Camilo, Simmel oder doch eher Bonanza in die unterste Schublade gehörte, so zusagen als das Maß des gerade noch bildungsbürgerlich Erträglichen.

Man kann, wie soeben Rick, diesen Text wohlwollend kritisch betrachten, oder so wie ich, Tacheles reden. Daher, Gisanne, sage jetzt bitte nicht, dass du es bedauerst, mich mit deiner Geschichte nicht erreicht zu haben: Du hast mich erreicht, nur nicht so, wie vielleicht von dir gewünscht.

 
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Salü Gisanne,

ich fand Deine Geschichte ganz witzig geschrieben, obwohl die Handlung bei den vielen Titeln natürlich leidet, aber was soll's, es hat Spaß gemacht, sie zu lesen.

Der Text hat mich an Willy Astor erinnert, den wir vor einiger Zeit live gesehen haben und den ich sehr mag. Der "verwurschtet" auch immer irgendwelche Titel oder Themen in seinen Texten und erfindet witzige Geschichten, z.B. den "vegetarischen Krimi", in dem lauter Gemüse- und Obstsorten vorkommen.

Liebe Grüße
Giraffe :)

Edit:
Lese gerade die anderen Kommentare und habe entdeckt, dass Woltochinon Willy Astor schon erwähnt hatte. Du kennst ihn nicht? Das ist schade, den solltest Du Dir unbedingt mal anschauen, sein Programm ist sehr sehens- und hörenswert, finde ich.

 

Salü Rick und Giraffe,

is’ doch schön, wenn ihr Freude und Spass an diesem unernsten Text hattet. Ja, die Grenzen sind eng, obwohl ich beim schreiben diese Enge gar nicht so empfunden habe. Vielleicht war ich einfach gut drauf und so floss es so dahin - oder nein, eher plätscherte, zum fliessen brauchts ja dann doch mehr Tiefe und Strömung. :D
Lieben Dank, dass Ihr Euch Zeit genommen habt, zu lesen und zu kommentieren. Frohe Rest-Pfingsten noch. :)

* Dion,
wie ich ja bereits in einer Antwort schrieb, war dies ein Text für die Fasnachtslesung in einer Buchhandlung - also rundherum und durch und durch keineswegs ernsthaft gemeint. Ein Spiel mit Titeln nur und sicher nicht als Nachweis irgendeiner ‚bildungsbürgerlichen Selbstgefälligkeit’ :confused: gedacht. Aber nun, wenn es bei Dir so ankommt und Du dies so zu sehen wünschst, dann ist ‚Tacheles’ schon durchaus die richtige Manier.
Übrigens:

Daher, Gisanne, sage jetzt bitte nicht, dass du es bedauerst, mich mit deiner Geschichte nicht erreicht zu haben: Du hast mich erreicht, nur nicht so, wie vielleicht von dir gewünscht.
Darf ich wenigstens das bedauern, Dion? Erlaubst du es mir? :D

Und Übrigens 2:
Es tut mir sehr leid, wenn ich Jynx beleidigt habe. Barschheit hatte ich dabei überhaupt nicht im Sinn. Ich dachte nur, googeln sei einfacher, als im Antwort-Kommentar zu erklären, woher ich den Titel „Lääbesläuf“ habe. (Die kleine Lächelsonne sollte das unterstreichen ...) Ich entschuldige mich dafür und werde mir bei zukünftigen Kommentaren genauestens überlegen, ob ich mir damit nicht vielleicht unter Umständen, bei diesem Autor oder jener Autorin wieder ‚Tacheles’ hole …

Liebe Grüsse,
Gisanne

 

:) :) :) und Danke, Jynx, das beruhigt mich und Du solltest ihn fast hören, diesen Seufzer der Erleichterung. Er kreist wie einst die Aschewolke über Europa :D Is Off Topic, ich weiss, kannste löschen, wenn bei Dir angekommen :)

 

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