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Träumerle, ach Träumerle

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09.12.2015
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Träumerle, ach Träumerle

Verträumt schaute Träumerle aus dem Wohnzimmerfenster.
»Träumerle, ach Träumerle«, sagte Marlies. Daraufhin drehte er sich um, blickte sie an und lächelte, wie bei einem Reflex, der auf diesen Satz folgen musste.
Im Esszimmer saßen sie sich gegenüber und musterten einander schüchternen Blickes, wie ein noch unbekanntes Objekt, das es zu studieren gilt. Diese Momente fand Marlies immer spannend.
»Willst ´nen Kaffee?«, fragte sie dann.
»Ja, unbedingt«, sagte Träumerle.
Während sie vom starken, dampfenden Kaffee tranken, sprachen sie über ihr Leben, bevor sie sich kannten.
»Vor dir hatte ich ehrlichgesagt nie viel Glück mit Frauen.«
»Ach, wieso das?«
»Mein Verhalten änderte sich automatisch und schlagartig, wenn eine den Raum betrat. Ich wurde nervös und albern und sprach schnell und aufgeregt. Ich verhielt mich einfach nicht natürlich, so wie in männlicher Gesellschaft.«
»Ach ... so.«
»Da gab es zum Beispiel diesen einen Abend, als wir in der Wohnung eines Freundes Pizza bestellten und einen dieser rosaroten Liebesfilme ansahen. Geschlechtsaufteilung: Dreimal feminin und dreimal maskulin. ›Du warst mal wieder der Knaller‹ hatte mein Freund euphorisch zu mir gesagt, als alle andern weg waren. ›Ich weiß‹ hatte ich, wenig euphorisch, geantwortet.«
»Und warum war das bei mir anders? Warum konntest du in meiner Anwesenheit natürlich auftreten, ohne schauzuspielen.«
Träumerles Gesicht erhellte sich merklich. Er zuckte mit den Schultern und schlürfte von seinem Kaffee. »Einfach so.«
Träumerle fuhr fort, mit dem was ihn bewegte und gleichzeitig aufregte. »Geld ist doch nur Papier mit Zahlen drauf. Ich hasse das ganze Prestigegehabe.«
Hätte er es nicht gehasst, wäre er nicht Träumerle gewesen, überlegte Marlies. Sie liebte diesen Charakterzug an ihm.
»Ich habe nie verstanden wie Menschen Geld so wichtig sein kann, ganzer Lebensinhalt und Motivation. Wirklich zählen sollten elementarere Dinge wie Gesundheit, Freundschaft und Liebe.«
Er meinte nicht die armen Leute, über jeden Euro glücklich, dachte Marlies, sondern die reichen, gierigen.
Schon sprang Träumerle zum nächsten Thema. »Da gibt es doch diese Bedürfnispyramide.«
»Ja, die kenne ich auch. Maslow.«
»Genau. Die fand ich immer faszinierend. Bevor man die niederen Bedürfnisse nicht gestillt hat, kann man sich nicht an Dinge wie Freundschaft oder gar Selbstverwirklichung wagen.«
»Wie stumpf oder einfach das Leben doch manchmal ist«, sagte Marlies.
»Ja, erst mal geh ich auf die Toilette und dann verwirkliche ich mich selbst«, rief Träumerle aus und lachte gackernd, um gleich wieder das Thema zu wechseln. »Oft hab ich mich gefragt, ob Freundschaft nicht Liebe vorzuziehen ist. Man macht sich keinen Kummer, alles ist zwanglos. Man unternimmt etwas, sagt tschüss, und muss sich keine Gedanken machen, ob man was Falsches gesagt hat, ist halt viel bequemer, die Sache mit der Freundschaft. Und wenn man dann einen Partner gefunden hat, ist nicht jeder Mensch tief im Innern allein? Im Grunde genommen ist doch alles relativ, man denkt, es muss so und so sein, weil die Gesellschaft es einem weismacht, und daher rührt ganz viel Unzufriedenheit.«
»Du sprichst mir aus der Seele.«
»Und wenn wir schon bei dem sind, was ich nicht leiden kann: Ich hasse diese verdammten Realisten. Realistisch gesehen ... wenn ich das schon höre.«
»Träumen muss erlaubt sein.« Hätte er sie nicht gehasst, wäre er nicht Träumerle, dachte Marlies. Sie erinnerte sich an einen Traum, den sie in der vorletzten Nacht geträumt hatte.
Sie kehrte in ein rustikales osteuropäisches Lokal ein, wo auf der Speisekarte Bücher statt Mahlzeiten standen. Kaum setzte sie sich an den Tisch, tauchte ein Mann mit fettbefleckter Kochschürze auf, der aussah wie Super Mario in groß und dünn, also wie Luigi. Er trompete: »Hau rein, frei essen für fünfhundert Euro.« Er servierte ihr Buchseiten aus vergilbtem Pergament, und sie nahm Blatt für Blatt in den Mund, musste häufig husten, aber es schmeckte köstlich, und jede Seite schmeckte anders. Plötzlich fuhr sie mit Bekannten, die sich untereinander nicht kannten, in einem Bulli nach Hause. Sie knutschte mit einem von ihnen herum, und den Rest der Fahrt warfen sie sich verstohlene Blicke zu.
Schräger Traum, hatte sie am gestrigen Morgen gedacht, sich vom Bett erhoben und in ihr Portemonnaie gesehen. Sie hatte wohl nichts für das fünfhundert Euro frei essen bezahlt.
Marlies hoffte, dass der Kuss mit diesem Freund in dem Traum nichts zu bedeuten hatte, sie mochte doch Träumerle. Insgesamt machte sie sich viele Gedanken. Sie wollte lieber ein unbeschwertes Leben führen.
»Es sollte so etwas wie eine Anleitung geben, wie man lebt«, sprach Träumerle in diesem Moment ihre Gedanken aus. »Die sähe dann vielleicht so aus:
Lassen Sie sich in eine unbeschwerte Kindheit gebären, mit Eltern, die Sie lieben, sammeln Sie erste pubertäre Erfahrungen mit Alkohol, Partys und Mädchen, lernen Sie Ihre erste Freundin kennen, trennen Sie sich von ihr, meist unausweichlich, doch zugleich prägend, dann Abi machen, studieren, am besten Jura, eine wilde Studienzeit mit genügend Affären verleben, die Frau Ihrer Träume kennenlernen und Studium beenden (natürlich mit Bestnoten), einen kleinen Freundeskreis aufbauen, sich einen klasse Job mit Aufstiegsmöglichkeiten und viel Schotter suchen, Hausbau, die Traumfrau heiraten und schwängern, haben Sie zwei Kinder (optimale Menge), ziehen Sie Ihre Kinder groß, für die Zukunft vorsorgen, sich rechtzeitig zur Ruhe setzen, genießen Sie ein paar schöne letzte Tage mit ihrer Frau.«
Marlies musste schmunzeln. »Boah, wär das ein scheiß Leben!«
»Ja, oder? So vorausschaubar, so langweilig, so perfekt.«
Dann sagte Träumerle etwas Merkwürdiges. »Bedingt durch vermehrte Ausschüttung der Botenstoffe Dopamin, einen hohen Adrenalinspiegel, viele Endorphine, das Hormon Cortisol, einen stark gesenkten Serotoninspiegel und nicht zu vergessen das Hormon Oxytocin verlieben wir uns.«
»Hä?«
»Ich meine, da gibt es doch mehr als die reine Chemie. Wenn ich zum Beispiel dich und mich anschaue.« Und er sah ihr tief in die Augen.
Sie beugten sich über den Tisch, eine unbequeme, umständliche Position. Als sie ihn küsste, wusste sie nicht, ob sie ihn küssen durfte, obwohl es so offensichtlich war. Langgestreckt über den Tisch sahen sie aus wie die miserabelsten Turner auf der Erde; es war dennoch ein sinnlicher Kuss.

Am nächsten Abend gingen sie auf Marlies´ vorsichtigen Vorschlag hin ins Theater. Marlies war erfreut, dass Träumerle genau wie sie interessiert an Kultur erschien. Danach beschlossen sie, trotz einer Schneeschicht von zwanzig Zentimetern, zu Fuß zu ihr zu gehen. Marlies hakte sich fest bei Träumerle unter. Er fiel dann um, einfach so, vor Erschöpfung und Kälte, ein eingefrorener menschlicher Klumpen. Sie atmete ihm warmen Atem ins Gesicht und half ihm auf, stützte ihn den Rest des Weges. Bei sich taute sie ihn auf, mit allem Warmen, das sie auftreiben konnte. Als er im Bett lag, kam sie alle paar Minuten aus dem Wohnzimmer und schaute nach ihm, wie eine Mama, die sich sorgte. Er fand, wie er ihr bibbernd sagte, es wäre ein äußerst romantischer Abend.

Sie erinnerte sich daran, wie sie Träumerle kennengelernt hatte. Einfach Traummann gab sie bei einer Suchmaschine im Internet ein, und kurze Zeit später chattete sie mit diesem Unbekannten. Schon nach ein paar Nachrichten konnte sie ihren Augen nicht trauen, die Reihenfolge der Buchstaben, war das Zufall, welche Worte sie bildeten?
Wollen wir uns treffen?
Ja!!!
E-mail senden!
Gefühlt wenige Minuten darauf klingelte es an ihrer Tür und er stand da, Träumerle. Er verstand sie einfach, war ihrer Sprache mächtig. Viele, die im Grunde auch deutsch sprachen, verstanden sie nicht, da war sie sich sicher. Vor Träumerle war sie noch sehr einsam.
Marlies stammte aus einer Familie von Einwanderern, die in den späten Neunzigern aus der Ukraine nach Deutschland kam. Ihr Vater, der noch im Ausland geboren war, hatte einmal zu ihr gesagt: »Als ich so jung war wie du, war ich längst verheiratet. Streng dich mal ein bisschen an, mein Töchterchen. Du musst sagen: Du bist ein Mann, ich bin eine Frau, lass uns heiraten!«
»So einfach ist das heute nicht mehr, Papa. Das war vielleicht damals bei dir so. Außerdem bin ich eine Frau, und ich dachte, die Männer sollen den ersten Schritt machen.«
»Ach, was vor vierzig Jahren geklappt hat, funktioniert auch heute noch.«
»Jaja, Papa.«
Oft hatte sie überlegt, was aus ihr geworden wäre, wenn ihre Familie im armen, ukrainischen Dörfchen geblieben wäre. Wahrscheinlich hätte sie auch bereits mit Achtzehn geheiratet wie ihre Mutter. Wen? Irgendwen. Sie hätte dann irgendeine Arbeit gemacht, vielleicht im Stall Heu mit der Gabel … na was man mit Heu eben machte, der Punkt war, sie wäre wahrscheinlich nicht mehr oder weniger glücklich als in Deutschland.
Doch wie definiert man ein glückliches Leben, fragte sie sich. Schaute man am Ende zurück auf eine Tabelle, wie viele gute und schlechte Tage es gab, und bei mehr guten war es ein glückliches Leben?
Marlies hatte sich immer als Sonderling gesehen, aber sie wollte keiner sein. Sie wollte mit Gleichgesinnten herumalbern, einfach jemand haben, mit dem sie sich austauschen konnte. Ja, was sprach gegen ein ordinäres Leben? Das Wort klang nicht schön, das stimmte schon, so … ordinär … aber ein alltägliches Dasein mit festem Freundeskreis klang doch ... schön.

Als sie ein paar Wochen später heimkam und die Tür aufschloss, standen Träumerles Schuhe schon auf dem Regal in der Ecke. Sie blickte sie aufmerksam an. Es bedeutete, dass er da war, und sie waren Teil von ihm. Wie viele Kilometer und welche Strecken er wohl schon in diesen Schuhen zurückgelegt hatte? So gerne würde Marlies ihn noch so viele Meter auf möglichst vielen Wegen begleiten. Manchmal, ganz manchmal kam er ihr vor, wie zu schön um wahr zu sein, eine Traumgestalt oder ein Zerrspiegel von ihr selbst, entsprungen aus ihren am tiefsten liegenden Wünschen. Ein Mann, mit dem sie über alles sprechen, mit dem sie alles teilen konnte.
Doch kann man sich immer aussuchen wohin man geht und mit wem?, dachte sie aus einem Anflug von Melancholie heraus.
Manchmal ist das Leben so stumpf, kam ihr ein weiterer Gedanke. Eigentlich gemein, dass das Leben manchmal so stumpf ist …
Sie ging den Flur in Richtung Wohnzimmer entlang, aus dem ein breiter Lichtstrahl kam. Dieser beleuchtete ihre Silhouette mehr und mehr. Schließlich blendete die Sonne sie, und sie hielt sich mit zugekniffenen Augen die Hand vors Gesicht.
Träumerle stand wie für gewöhnlich am Fenster und zeichnete mit dem Zeigefinger einen Smiley an die mit Staub bedeckte Scheibe. Er mochte Smileys, genau wie sie, da sie auf ganz schlichte Weise eine optimistische Weltsicht ausdrückten.
Sie kam zu ihm ans Fenster, und er fasste ihre Hand, strich mit der anderen sanft über ihren Hals. Er wandte den Kopf wieder zur Fensterscheibe, ohne ihre Hand loszulassen, verträumt.
Marlies´ Blick blieb an ihm haften.
»Träumerle, ach, Träumerle«, sagte sie. Er drehte den Kopf und lächelte sie an.

 
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Hallo @Chico1989 ,

eigentlich bin ich kein Fan von so einem leicht naiven Nachkriegsstil, aber dein Titel hat mich neugierig gemacht. Und ich finde gut, dass du dich hier einbringst, also hier ein paar Eindrücke von mir. Ich hoffe sehr, du kannst damit etwas anfangen, auch wenn ich den Text nicht loben kann.

Die Gründe dafür waren:
1. Die zweite Hauptfigur (die Frau) ist lediglich Stichwortgeber für den Prot.
2. Die Story hat – soweit ich gelesen und dann bis zum Ende überflogen habe – keinen erkennbaren Plot und keinen Konflikt - und damit keinen Spannungsbogen.
3. Zu viele Dialoge, und darin ein zu ähnlicher Tonfall.

1.
Das ist keine Unterstellung (deine Intention mag eine ganz andere gewesen sein), sondern mein Leseeindruck: Es wirkt so, als ob es dir wichtiger gewesen wäre, ein paar Aussagen an den Leser zu bringen, anstatt hier runde, ausgearbeitete und komplexe Charaktere zu schaffen. Es ist halt ungünstig, wenn die Personen überhaupt nicht handeln, sondern nur quatschen, und vor allem, dass da überhaupt kein Konflikt, Reibung, Zündstoff drinsteckt: Sie bewundert ihn, hängt an seinen Lippen und – da ich ihre Begeisterung überhaupt nicht teilen kann – ich finde durch diese Überhöhung nicht nur den Prot lächerlich, sondern kann auch die Stichwortgeberin nicht mehr ernst nehmen – weder als Persönlichkeit (wie im realen Leben), noch als literarisch funktionierende, eigenständige Figur (im Text).

Bsp:

Daraufhin drehte er sich stets um, blickte sie an und lächelte, es war wie ein Reflex, der einfach auf diesen Satz folgen musste.
So geriet Träumerle in einen wahren Redeschwall, und sie hörte ihm liebend gerne zu, genoss seine Offenheit.
»Und warum war das bei mir anders? Warum konntest du in meiner Anwesenheit natürlich auftreten, ohne schauzuspielen.«
Sie liebte diesen Charakterzug an ihm.
wie Marlies wusste, da sie ihn verstand.
ergänzte Marlies.
»Du sprichst mir aus der Seele, Träumerle.«
(Mir nicht, übrigens.) Und so zieht sich das ungebrochen durch den gesamten Text.


Ich meine, dieses Stichwortgeben ist ein Stilmittel der Rhetorik, aber irgendwie aus der Antike oder so. Gerade wenn du Prots hast, die am status quo (die „heutige Gesellschaft“) rumheulen, ist es unpassend, dafür so ein althergebrachtes, steifes Vehikel zu verwenden.

Was den Text doppelt träge macht: du kündigst in einem Satz (ist das der Erzähler oder der Autor?) an, was im nächsten Abschnitt gesagt wird. Damit raubst du jede Neugier, und ich als Leser fühle mich gegängelt.

Formal: Man macht einen Zeilenumbruch im Dialog, wenn der Sprecher wechselt, aber nicht im Fließtext einen nach jedem Satz.

2.

»Vor dir hatte ich ehrlich [Leerstelle] gesagt nie viel Glück mit Frauen.«
»Ach, wieso das?«
»Naja, die sagten alle, ich laber nur rum und krieg den Arsch nicht hoch …“

Da sitzen zwei und tauschen Tausend Mal gehörte Allgemeinplätze aus, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, wie toll sie doch sind, weil so viel *hust* kritischer … das ist keine Geschichte im Sinne von Literatur. Eine Geschichte hat einen Plot und Charaktere, die möglichst eine Entwicklung durchmachen, die Konflikte haben (= mehr als nur ein Reiben an externen Zuständen) – sonst lässt sich nichts erzählen. Willst du gar keine Geschichte erzählen, solltest du eine Glosse schreiben, oder einen Blogeintrag.

3.
Abgesehen davon, dass eine Person wesentlich mehr redet, als die andere, klingen beide austauschbar. Viele Leser mögen Dialoge, die sich anhören wie aus dem Leben gegriffen, weil ihnen das – keine Ahnung – den Eindruck von Unmittelbarkeit, Lebendigkeit, einem ‚Dabeisein‘ vermittelt. Für mich haben ellenlange Dialoge keine sinnvolle Funktion in Texten, vor allem, wenn sie nix weiter bieten als das, was ich schon versuche, in Cafés und der Metro zu überhören. Ein guter literarischer Text muss für mich noch eine eigenständige - von mir aus auch eigenwillige – Sicht haben, einen individuellen Stil, der eine Geschichte auf eine Art erzählt, wie ich sie noch nie gehört habe.

Dialoge wirken vielleicht auf den ersten Blick sinnvoll, aber: Ein Idiolekt (individueller Sprachduktus, Wortschatz etc.) ist extrem schwer zu konstruieren, weil es einfach schwierig ist, außerhalb seines eigenen Kopfes zu denken. Willst du einen lebendigen, spannenden, interessanten und vor allem glaubhaften Text schreiben, ist es unabdingbar, dass die verschiedenen Figuren auch verschieden sprechen – sonst klingt es eben wie eine Stimme: die des Autors selbst. Zumal du hier noch einen scheinbar neutralen, auktorialen Erzähler hast, der genau den gleichen Idiolekt, Tonfall hat.

Wie hättest du den Plot verpackt, hättest du keine zwei Figuren mit Dialog gehabt? Wäre damit ein Plot überhaupt möglich gewesen – meine: dein Dialog ist ein Scheinplot, weil zwei Figuren auftauchen.

»Träumerle, ach Träumerle«, pflegte Marlies zu sagen, wenn er im Wohnzimmer aus dem Fenster schaute und dabei sehr verträumt aussah. Seine ganze Art glich der eines in den Wolken lebenden jungen Mannes.
Da dachte ich noch, sie sei seine Mutter, einfach, weil das für einen gleichberechtigten Partner viel zu verniedlichend und bevormundend wirkt.

»Geld ist doch nur Papier mit Zahlen drauf. Ich hasse die Gesellschaft, ich hasse den ganzen Prestige und das alles.«
Ach ja? Wenn er Zeit hat, auf seine ‚typische Art und Weise‘ verträumt in der Gegend rumzuschauen und Kaffee zu trinken, woher kommt dann sein Lebensunterhalt? Wohl nicht von Arbeit, die das Schweinesystem unterlaufen würde: auf einem Bauernhof, wo er um 5:00 anfangen kann, die Kühe zu melken und um 22:00 noch nicht ins Bett kommt, weil ein Möbelstück oder Schuhsohle dringend repariert werden muss. Also, die Leute heutzutage und der Konsum und der Kapitalismus und all das sind scheiße, aber irgendwie auch ziemlich praktisch, gelle?

Also, wie du siehst, bringt mich die Selbstgerechtigkeit deiner beiden ziemlich auf die Palme, das ist kein Charakterzug, den ich – so er nicht vom Erzähler und/oder Autor gebrochen wird – sympathisch oder auch nur interessant fände.

»Und wenn wir schon bei dem sind, was ich nicht leiden kann: Ich hasse diese verdammten Realisten. Realistisch gesehen ... wenn ich das schon höre.«
:rolleyes: Moar, das war ja klar ...

Sie kam zu ihm ans Fenster, und er fasste ihre Hand, strich mit der anderen ganz sanft über ihren Hals. Das waren alles seine Boten, die ihr sagten, wie sehr er sie liebte. Er sagte nie »Ich liebe dich«, das war ihm zu plump, zu gewöhnlich.
An dem Satz hab ich persönlich gar nichts auszusetzen, weil er eben ganz klar eine Sachlage feststellt. Alles, was die beiden bislang gesagt haben, ist doch ganz plump und gewöhnlich, warum ist nun dieses ‚Ich liebe dich‘ da so ein Problem? Das wäre mal ein unverschwurbelter, klarer Satz gewesen. Sowas finde ich total krampfig und unnatürlich "Oh, kann ich das sagen, wo das doch alle sagen?" - wenn einem so ein Imageproblem im Weg steht, ist doch Hopfen und Malz verloren.

Chico, sorry, dass ich nichts Positiveres dazu sagen kann. Ich wünschte halt, du würdest eine echte Geschichte erzählen (der Vor-/Nachkriegstonfall wäre ja gar nicht so falsch, an z.B. Hans Fallada kann man sehen, dass das auch in harsch und – ‚tschuldige – realistisch / lebensnah geht.)

Ich wäre neugierig, ob du daraus etwas mit einem Plot machen könntest, mit individuellen Figuren, die Ecken und Kanten und echte Probleme haben, versuch’s doch mal.

P.S.

»Ich meine, da gibt es doch mehr als die reine Chemie. Wenn ich zum Beispiel dich und mich anschaue.« Und er sah ihr tief in die Augen.
Sie beugten sich über den Tisch, eine unbequeme, umständliche Position. Als sie ihn küsste, wusste sie gar nicht, ob sie ihn küssen durfte, obwohl es so offensichtlich war. Langgestreckt über den Tisch sahen sie aus wie die miserabelsten Turner auf der Erde; es war dennoch ein romantischer Kuss, als seien ihre Lippen füreinander gemacht.
Was daran ist ein Argument oder gar Beweis, dass ihre gegenseitige Anziehung nicht von reiner Körperchemie gesteuert wird? Und warum würde das ihre Gefühle füreinander herabsetzen?

Viele Grüße, Katla

 

Hallo Katla,

Sie erinnerte sich daran, wie sie Träumerle kennengelernt hatte. Einfach Traummann hatte sie bei einer Suchmaschine im Internet eingegeben, und kurze Zeit später hatte sie mit diesem Unbekannten gechattet. Und schon nach ein paar Nachrichten konnte sie ihren Augen nicht trauen, die Reihenfolge der Buchstaben, war das Zufall, welche Worte sie bildeten?
Wollen wir uns treffen?
Ja!!!
E-mail senden!
Und gefühlt wenige Minuten darauf klingelte es an ihrer Tür und er stand da, Träumerle. Er verstand sie einfach, war ihrer Sprache mächtig. Viele, die im Grunde auch deutsch sprachen, verstanden sie nicht, da war sie sich sicher. Vor Träumerle war sie noch sehr einsam gewesen.

Träumerle gibt es nicht. Sie bildet ihn sich ein. Sie ist einzig und allein die Träumerin. Und die naive Sprache war ein Experiment. Ich bin keiner, der mit rosaroter Brille herumläuft, und ich weiss, dass zu einer KG Konflikte gehören. Ich dachte, man würde erkennen, dass Träumerle nicht echt ist. Ich verstehe auch deine Kritik. Vielen Dank dafür.

LG, Chico

 
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Hallo @Chico1989,

sorry, ich hab auch ehrlich nach Stellen gesucht, die gezeigt hätten, dass alles irgendwie ironisch gemeint war (mit der Möglichkeit hatte ich auf jeden Fall gerechnet), aber eben nichts gefunden. Und die grad zitierte Stelle da ist natürlich unwahrscheinlich, aber nicht so arg, dass damit alles wie eine Illusion rüberkommt.

Ich fürchte, auch unter der Prämisse, dass Träumerle nicht existiert, hab ich Probleme mit der Erzählintention - also: dann ist es zu unfokussiert aufgebaut. Der eingebildete Plot (sozusagen) überlagert das, was du hier vermutlich erzählen wolltest für mich so stark, dass ich auch nach nochmaligem Lesen keine Handlung sehe. Es ist dann ein trauriges Bild, aber ohne Konsequenz. Dabei ist das Thema klasse (die Sache mit dem Ausland, die Fremdheit und Isolation vielleicht), nur eben - für mich zumindest - zu verschüttet unter Aussagen/Dialogen, die es ja wirklich so ungebrochen, unironisch gibt (auch oft hier bei den Wortkriegern).

P.S. Ich glaube, der Grund, warum ich das nicht durchaut habe, ist: der Erzähler spricht im gleichen Tonfall wie die Prots, und damit fehlt mir der Bruch. Denn auch wenn die Frau in ihrer Illusion gefangen ist, dürfte der auktoriale Erzähler sich nicht täuschen lassen - möglich, dass das alles in 1.-Person-Stimme anders gewirkt hätte.

Liebe Grüße,
Katla

 

Hallo Katla,
Ja ich verstehe, was du sagen willst. Zuerst waren es auch zusammenhanglose mehr oder weniger autobiografische (Bin selbst Aussiedler) Fragmente. Das merkt man wohl, sodass sich kein roter Faden spinnen lässt. Es sollte ein surrealistischer Text werden und die Sprache sollte in etwa so simpel sein wie beim kleinen Prinzen. Vielen Dank jedenfalls für deinen Tip. Dachte nach deinem ersten Kommentar, du hasst alles an mir ( meinem Text) ;) Naja, Kritikfähigkeit muss man üben.
LG Chico

 

»Träumerle, ach Träumerle«, pflegte Marlies zu sagen, wenn er im Wohnzimmer aus dem Fenster schaute …[...]
„Je est un autre“,​

was Rimbaud dort scheinbar grammtisch falsch (korrekt wäre „je suis un autre“, „ich bin ein anderer“ statt „ich ist ein anderer“) scheint mir schon an Hand des ersten Satzes „des“ Marlies (Maria + Kurzform von Elisabeth) anzuklimgem, dass eigentlich recht schnell zwischen
»Träumerle, ach Träumerle«, pflegte Marlies zu sagen, wenn er im Wohnzimmer aus dem Fenster schaute …
und
»Träumerle, ach, Träumerle«, sagte sie. Er drehte ihr den Kopf zu und lächelte sie an.
von einer zerrissenen/zwiegespaltenen Seele und einem inneren Monolog, getarnt als Dialog zwischen mir und dem/der anderen die Rede ist, wobei auch das dritte Geschlecht – zumindest grammatikalisch – im verniedlichten „Träumerle“ berücksichtigt wird, wobei schon der erste Absatz zugleich für Gespaltenheit oder Narzissmus offen ist, m. E.
»Ach[...]so.«
Aber,

lieber Chico1989 -
(89 geboren?) -
stell erstaunt fest, dass wir uns das erste Mal begegnen (ein Lob und Hoch auf @Fliege und den/die Challenge!, die so was ermöglichen) und darum - für solche Rituale kann's nie zu spät sein - herzlich willkommen hierorts!,

Ironie hab ich keine erkannt, aber ich bin ja auch alles, mit Blindheit geschlagen und doch mit der Gnade des tauben Ohres beglückt. Und warum nicht wie James Joyce, der Molly Bloom im letzten Kapitel des Ullysses ohne Punkt und Komma träumen lässt? Träume folgen ihrer eigenen Grammatik, selbst wenn sie von einer wie auch immer geformten realen Ordnung angestoßen werden.

Paar Trivialitäten,

wie bereits im Eingangszitat, wo die Auslassungspunkte anzeigen sollen, dass vor und nach den Auslassungspunkten einLeerzeichen zu setzen ist mit der Ausnahme am Ende eines reinen Aussagesatzes, da erstzen sie nämlich zugleich den Abschlusspunkt

Ich hasse die Gesellschaft, ich hasse den ganzen Prestige und das alles.«
korrekt „das ganze Prestige“, besser, das ganze Prestigegehabe

Nur noch ne Anmerkung zu Maslow wegen der Aussage hier

»Genau. Diese fand ich immer sehr faszinierend. Und sie stimmt: Bevor man die niederen Bedürfnisse nicht gestillt hat, kann man sich nicht an höhere Dinge wie Freundschaft oder gar Selbstverwirklichung wagen.«
Da setz ich mal nur den Namen Stephan Hawking‘s gegen
Die Wirtschaftswissenschaften sind eh im Umbruch begriffen, was sich aktuell mit dem Namen Pikettis verknüpfen lässt, denn vor allem die Makroökonmie sah sich schon als Naturwissenschaft, die alles in mathematischen Formeln unterzubringen gedachte und - da verweis ich immer auf die Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten, lagen die je richtig mit ihren Vorhersagen?

»Es müsse so etwas wie eine Anleitung geben, wie man lebt«, sprach ihr Gegenüber namens Träumerle in diesem Moment ihre Gedanken aus.
Besser bei einem Wunsch Konj. II. "es müsste ...", oder das vorichtigere "sollte"

..., lernen Sie Ihre erste Freundin kennen, trennen Sie sich von ihr, meist unausweichlich[,] doch zugleich prägend, dann Abi machen, …
..., sich rechtzeitig zur Ruhe setzen, genie[ß]en Sie ein paar schöne letzte Tage mit ihrer Frau.
Du hast das ß auf der Tastatur!

; es war dennoch ein romantischer Kuss, als seien ihre Lippen füreinander gemacht.
Besser Konj. irrealis, „als wären ...“, Lippen dienen an sich der Nahrungsaufnahme (auch um Vorverdautes aus einem andern Mund/Maul entgegenzunehmen) und sind zudem Tastinstrumente

Marlies war erfreut, dass Träumerle genau wie sie interessiert an Kultur schien. Trotz einer ...
Mein Realschullehrer in Deutsch behauptete immer, nur die Sonne scheine, selbst der Mond habe sich sein Licht nur von ihr geliehehen. Darum sei auch das Verb „scheinen“ in den Rang des „brauchen“ geraten, von dem der Volksmund korrekt sagt, wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen. DasProblem kannstu umgehen, indem Du die Vorsilbe „er“ vor den „Schein“ setzt, also entweder „interessiert an Kultur erschien“ oder „zu sein schien“

Er fand, wie er ihr bibbernd sagte, es wäre ein äußerst romantischer Abend gewesen.
Lass das Partizip weg, der Kojunktiv hat eh nix mit der Zeitenfolge zu tun und zudem stinkt „gewesen“ nach Verwesung.

Ähnlich sieht‘s hier aus

Vor Träumerle war sie noch sehr einsam gewesen.
Da weist schon allein das „vor Träumerle“ auf eine Vorzeitigkeit hin. I. d. R. kannstu die beiden gebräuchlichsten Zeitformen wie das historische Futur (statt ich werde kommen „ich komm nachher“) zu einer einstelligen umwandeln, wenn ein vordem, früher, damals, gestern usw. vorweg gesetzt wird. Probier mal selber aus ...

Wahrscheinlich hätte sie auch bereits mit Achtzehn geheiratet wie ihre Mutter.
„achtzehn“, da an sich ein verkürztes „mit achtzehn Jahren“ (gilt z. B. auch für Uhrzeiten wie „um fünf (Uhr)“

… kam er ihr vor, wie zu schön[,] um wahr zu sein, …
"Um" erzwingt ein Komma vor der Infinitivgruppe

Er drehte ihr den Kopf zu und lächelte sie an.
Was natürlich für eine Person mit sich selbst sehr schwierig ist.

Zum Schluss eine schöne Kombination der gramm. Geschlechter

Marlies hatte sich immer als Sonderling gesehen, aber sie wollte keiner sein.

Gruß und toi toi toi vom

Friedel

 

Hallo @Friedrichard,

ja, 89 geboren. Erstmal ein Kompliment von mir: Deine Antworten gehören hier wirklich zu den interessantesten, und ich mag deinen Stil. Wo wir schon beim Alter sind, stelle ich mir dich als weisen, fast schon spirituellen Senior vor.

Schade, dass auch du keine Ironie im Text erkannt hast. Mir fiel es schwer, mir Träumerle vorzustellen, da ich ihm in meiner Fantasie schwer dem männlichen Geschlecht zuordnen konnte. Er soll einfach das Produkt von Marlies´ Einsamkeit sein. Einer wahren Beziehung würde er nicht standhalten können. So kann ich Katlas Kommentar verstehen, dass die Geschichte so einen Konflikt vermissen lässt und sehr realitätsfremd und mit einer ekelhaft süßlichen Sprache daherkommt.

Vielen Dank für die Kommentare, die grammatikalisch ins Detail gehen. Haben mir sehr geholfen. Für diese Fehler war ich einfach blind. Dann bis bald,

Lg, Chico

 

Hallo @Chico1989

was für ein hübscher Titel! Da habe ich glatt ein süßlichromantisches Weihnachtsglitzerwerk erwartet. Was dann folgt, hat mich ein wenig enttäuscht. Die beiden Träumerle konnte ich nicht recht greifen, die Dialoge klangen nach Autor, das erhoffte fantastische, eben träumerische Element fehlte fast vollständig, der Text fühlte sich nach Glücklichleben-Ratgeber an. Manches ließe sich überarbeiten und darin bestünde dann auch der Lerneffekt der Challenge: näher an die Figuren rangehen, natürlichere Dialoge, die nicht allein Weisheiten transportieren wollen.

Da wir bisher nichts miteinander zu schaffen hatten: willkommen hier, auf weitere so wunderbare Titel freue ich mich.

»Da gab es zum Beispiel diesen einen Abend, als wir in der Wohnung eines Freundes Pizza bestellten und einen dieser rosaroten Liebesfilme ansahen. Geschlechtsaufteilung: Dreimal feminin und dreimal maskulin. ›Du warst mal wieder der Knaller‹ hatte mein Freund euphorisch zu mir gesagt, als alle andern weg waren. ›Ich weiß‹ hatte ich, wenig euphorisch, geantwortet.«
kann sein, dass dies ein Witz ist, aber den kapiere ich leider nicht.

Träumerles Gesicht erhellte sich merklich. Er zuckte mit den Schultern und schlürfte von seinem Kaffee. »Einfach so.«
hübsche Stelle, weil du hier reduzierst, Inhalt zwischen die Zeilen legst und Gesten zeigst.

»Ich habe nie verstanden wie Menschen Geld so wichtig sein kann, ganzer Lebensinhalt und Motivation. Wirklich zählen sollten elementarere Dinge wie Gesundheit, Freundschaft und Liebe.«
mm, ja klar, würde doch jeder zustimmen.

Und wenn man dann einen Partner gefunden hat, ist nicht jeder Mensch tief im Innern allein? Im Grunde genommen ist doch alles relativ, man denkt, es muss so und so sein, weil die Gesellschaft es einem weismacht, und daher rührt ganz viel Unzufriedenheit.«
»Du sprichst mir aus der Seele.«
na ja, das ist, wie soll ich sagen, sehr gutmenschmäßig, mailsntreamkonform, wenngleich es stimmt.

Er servierte ihr Buchseiten aus vergilbtem Pergament, und sie nahm Blatt für Blatt in den Mund, musste häufig husten, aber es schmeckte köstlich, und jede Seite schmeckte anders.
das mit dem Traum gefällt mir, Bücher essen, ein Bild zwar, aber doch ein schönes Bild.

Wollen wir uns treffen?
Ja!!!
E-mail senden!
Gefühlt wenige Minuten darauf klingelte es an ihrer Tür und er stand da, Träumerle. Er verstand sie einfach, war ihrer Sprache mächtig. Viele, die im Grunde auch deutsch sprachen, verstanden sie nicht, da war sie sich sicher. Vor Träumerle war sie noch sehr einsam.
äh, also im Internet kennengelernt, gemailt und dann zum Träumerle nach Hause gefahren, mm, wer, wenn nicht ein Träumerle macht das?

Liebe Weihnachtstraümerlegrüße
Isegrims

 

Hej @Chico1989 ,

ich liebe surreale Texte, auch Bilder, ich bin ganz verrückt nach Figuren, die unkonventionell sind, die unlogisch handeln und denken, die scheitern, träumen und alles miteinander vermischen, wenn sie mit Realität konfrontiert werden.
Und deswegen ärgere ich mich umso mehr, dass ich es hier nicht erkannt habe. Marlies ist eine Träumerin, so viel ist klar, aber dass Träumerle nur ein Phantasieprodukt ist, hab ich einfach nicht verstanden. :(
Möglicherweise - und das formuliere ich bewusst so vorsichtig - liegt es daran, dass

Schon nach ein paar Nachrichten konnte sie ihren Augen nicht trauen, die Reihenfolge der Buchstaben, war das Zufall, welche Worte sie bildeten?
Wollen wir uns treffen?
Ja!!!
E-mail senden!

du solche Szenen eingebaut hast, die ich nicht anzweifle. Mir wären Unstimmigkeiten lieb, an denen ich zu zweifeln beginne. Mehr etwas Fantastisches, wie etwa, dass er plötzlich woanders steht, ohne dass sie es bemerkt hätte.
Ein Kommentator hat es auch erwähnt, wie ähnlich die beiden reden. Das ist einerseits klar, denn Maries ist lediglich eine Träumerin, keine krankhafte Person mit mehreren Persönlichkeiten, andererseits zieht es keine Grenzen und zeigt mir keine Divergenzen. Zum einen ist das dann eher wenig interessant, zum anderen irritierend.

Sie erinnerte sich an einen Traum, den sie in der vorletzten Nacht geträumt hatte.

An dieser Stelle habe ich einen Moment zu lange darüber nachgedacht, wieso es in der vorletzten Nacht und nicht in der letzte gewesen ist. Mir ist nichts eingefallen.:shy:

Und weil ich eben auch am Ende einfach nicht begriffen habe, dass Träumerle erträumt ist, hab ich mich zu allem auch noch darüber geärgert (na, nicht wirklich), dass Marlies in so bezeichnet.

Dennoch, Chico, ist es eine zauberhafte Idee, diese Marlies zu ersinnen, um zu zeigen, was sie sich erträumt und worüber sie nachdenkt, was das Leben für sie bedeutet.

Lieber Gruß, Kanji

 

Gude @Chico1989,

ja, ja, das Träumerle, da fängt's schon beim Namen an. Kosename oder gar keine reale Figur? Ich habe beim Lesen deutlich zum letzteren tendiert, aber gleichzeitig auch eher vergeblich nach Anhaltspunkten dafür gesucht. Denn auch wenn ich es gefühlsmäßig sagen würde ("So heißt / redet / ist doch kein Mensch") habe ich gerne Textstellen, auf die ich zeigen und sagen kann: Da erkennt man es - sonst wird es zu gefühlt und verwaschen. Wirklich erkennen statt ahnen kann man es zum Schluss, als Marlies ihn als Zerrspiegel ihrer selbst bezeichnet.
Wozu es aber führen würde, wenn es mehr Anhaltspunkte für Träumerles Nicht-Existenz gibt, dann wäre das in meinen Augen vor allem der Spannungsbogen. Die Google-Suche ist da bereits eine gute Einlage, so findet man wahrscheinlich niemanden :D
Verstärken könntest du das m.E. indem sich Marlies selber aktiver mit Träumerle auseinandersetzt. Z.B. wenn er etwas sagt, dass ihr nicht gefällt, dass er dann "flackert" oder so, um ihr dann sofort eifrig zuzustimmen und seine Meinung umzumünzen. Oder wenn Marlies feststellt, dass Träumerles Schuhe - obwohl er sie schon immer hat - aussehen wie neu. Oder, dass sie zufällig dieselbe Schuhgröße haben.
Das würde dann automatisch zu einem Konflikt führen mit der Frage: Will Marlies mit der Täuschung leben oder nicht?

Ich denke, dein Text könnte davon profitieren, auch wenn er damit von seinem aktuell "dahinplätschernden" Nachdenken abrücken würde.

Ein paar Kleinigkeiten direkt aus dem Text:

Willst ´nen Kaffee?
-> Die abgekürzte, umgangssprachliche Form *gefällt* mir hier nicht. Wenn da schon jemand Träumerle heißt und sonst auch in klarem Deutsch gesprochen wird, kann man doch auch hier "Willst du einen Kaffee?" fragen :shy:

Warum konntest du in meiner Anwesenheit natürlich auftreten, ohne schauzuspielen.«
-> Fragezeichen statt Punkt

Sie hatte wohl nichts für das fünfhundert Euro frei essen bezahlt.
-> Zum einen: Wenn, dann würde ich Freiessen zusammenschreiben.
Zum anderen: fünfhundert Euro für ein Essen, das ein Freiessen sein soll funktioniert noch im Traum, aber nicht im Nachdenken darüber.

erinnerte sich an einen Traum, den sie in der vorletzten Nacht geträumt hatte.
Sie kehrte in ein rustikales osteuropäisches Lokal ein,
-> Vor dem Einschub mit dem Traum würde ich eine Leerzeile empfehlen, das macht das Lesen deutlich flüssiger.

Doch wie definiert man ein glückliches Leben, fragte sie sich. Schaute man am Ende zurück auf eine Tabelle, wie viele gute und schlechte Tage es gab, und bei mehr guten war es ein glückliches Leben?
Marlies hatte sich immer als Sonderling gesehen, aber sie wollte keiner sein. Sie wollte mit Gleichgesinnten herumalbern, einfach jemand haben, mit dem sie sich austauschen konnte. Ja, was sprach gegen ein ordinäres Leben? Das Wort klang nicht schön, das stimmte schon, so … ordinär … aber ein alltägliches Dasein mit festem Freundeskreis klang doch ... schön.
-> Diesen ganzen Absatz würde ich tatsächlich zum Löschen empfehlen. Ich finde, hier kommt nichts neues in den Text - Marlies' Einstellung wird z.B. beim Gedanken an eine bäuerliche Tätigkeit deutlich.

Das Lesen ging auf jeden Fall ... gut von den Augen? :lol: Ich halte sie mal nach weiteren Texten von dir offen!


Liebe Grüße
Vulkangestein

 

@Vulkangestein,

Verstärken könntest du das m.E. indem sich Marlies selber aktiver mit Träumerle auseinandersetzt. Z.B. wenn er etwas sagt, dass ihr nicht gefällt, dass er dann "flackert" oder so, um ihr dann sofort eifrig zuzustimmen und seine Meinung umzumünzen. Oder wenn Marlies feststellt, dass Träumerles Schuhe - obwohl er sie schon immer hat - aussehen wie neu. Oder, dass sie zufällig dieselbe Schuhgröße haben.
Das würde dann automatisch zu einem Konflikt führen mit der Frage: Will Marlies mit der Täuschung leben oder nicht?

Diese Idee finde ich sehr gut. Danke dafür.

@maria.meerhaba,

verstehe ich, dass der ständige Themawechsel dich rausbringt.

@Kanji und @Isegrims,

vielen Dank auch für eure Kommentare. Bin heute nach langer Zeit wieder online und erfreut darauf gestoßen. Alle Kommentare waren hilfreich, auch wenn ich jetzt nicht genauer darauf eingehe.

Lg, chico

 
Zuletzt bearbeitet:

Erstmal ein Kompliment von mir: Deine Antworten gehören hier wirklich zu den interessantesten, und ich mag deinen Stil. Wo wir schon beim Alter sind, stelle ich mir dich als weisen, fast schon spirituellen Senior vor.

Du bringst mich in Verlegenheit, aber spirituell bin ich wohl eher nicht (wenn auch keinem Spiritus abgeneigt) und weise ist ein wandelndes Lexikon wohl auch eher nicht. Aber kann man eigentlich anders auf ein solches Kompliment reagieren, als nochmals vorbeizuschauen,

liebe Chico1989?

Also nicht erschrecken, ich bin den Text durchgegangen auf der Suche nach Ironie. Und habe sie wieder nicht entdeckt (was nix schlimmes ist, denn der Text handelt schließlich auch von Liebe und Freundschaft).

Das Wort Ironie ist griechischen Ursprungs und übers Lateinische zu uns gekommen. Von der eigentlichen Bedeutung her hat es mit der „Sokratischen“ Ironie zu tun, denn „eirōneía“ meint eine geheuchelte Unwissenheit, also zu tun, als ob (etwa der Art als Frage, was ist Ironie? Und die Antwort beginnt mit „da stellen wir uns mal ganz dumm ...“) Tatsächlich ist sie die Schwester von Humor und Witz (aber keineswegs i. S. eines „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, was eher für Unverständnis spricht oder Verlegenheit). Die gängigste Definition behauptet, wenn einer dass Gegenteil von dem meine, was er sage, sei Ironie. Da das die wenigsten merken, hat sich eingebürgert, dass der ironische Sprecher vorsichtshalber – natürlich nach einer gewissen Pause – klarstelle, dass es ein Witz sei (oder eben nicht so gemeint). Dabei ist Ironie gelebte Satire, die beißen, nicht streicheln darf. Sie tut weh und nicht selten will sie es – wie im Kabarett – von dem sich ja der Comedian getrennt hat, der dem Publikum reine Unterhaltung, keinen Sarkasmus bietet. Ihm fehlt halt der Biss – zu dem die Maslow-Pyramide (erst kommt das Kacken, dann die Kultur – ich nehm zu längeren Sitzungen Zeitungen mit aufs stille Örtchen, da schreck ich auch nicht vor zurück, den lieben Gott mit zu nehmen in Form der ev. Chrismon, wobei das Papier ggfs. eben nicht geeignet ist, anderweitig dorten genutzt zu werden als zum Lesen.)

Das durchgängige Thema ist die Liebe

»Ich habe nie verstanden[,] wie Menschen Geld so wichtig sein kann, ganzer Lebensinhalt und Motivation. Wirklich zählen sollten elementarere Dinge wie Gesundheit, Freundschaft und Liebe.«
(Komma nicht vergessen!)

und die hat tatsächlich mit Freundschaft zu tun (geht also ein bisschen weiter). Ich hab vor Jahr und Tag mal für Markus (und später erweitert für andere Mitstreiter hierorts die Etymologie des Wortes Liebe dargestellt und greif darauf jetzt zurück – ist also immer praktisch, wenn man Bausteine auf Lager liegen hat.)

Was ist Liebe?

Zunächst einmal ein allzu häufig verwendetes und darum in seiner Bedeutung gefährdetes Wort, wo es vordem begann als ein (sehr) geehrte/r … und mit einem steifen hochachtungsvoll schloss, steht heute das zur Floskel erstarrte liebe/r …, ohne dass ein Hauch davon zu spüren sein muss,

liebe Chico!

Doch weg von der Floskel!

Ist das Liebe, wenn einer in den andern verknallt ist? Da ist die Liebe ein seltsames Spiel, wie ja schon Connie Francis sang und fortfuhr, sie kommt und geht von einem zum andern (oder doch so ungefähr). Sie neigt also zur buchhalterischen Abschreibung für Abnutzung (famännisch zur Afa verkürzt).

Den Goten wars entscheidende im Wort „Liebe“ (= frijaþwa) die Freiheit (= frijei) als Unabhängigkeit von irgendwelchen Besitzansprüchen, und „frijon“ war, was man gern tat – weil als freier Mensch, was allemal im „friond/i“ dem/ der Freund/in mitschwingt.

Da mag einer nun darauf kommen, dass Wulfila - der erste Mann germanistischer Zunge, von dem schriftliche Zeugnisse belegt sind, der die Bibel in seine Volkssprache übersetzte und auch, wenn nötig, Worte neu geschaffen hat, dieser völkerwanderungszeitliche Luther hatte sicherlich die Finger drin in dieser Art von Wortbildung und könnte durchaus den ersten Korintherbrief, 13, 4 ff. in „frijaþwa“ umgesetzt haben, denn „die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf, …“ Man sehe nun wie durch „einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht.* Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Glaube ist Vertrauen (im ahd. gilouben schwingt auch noch ein ge-loben, Treue mit) und die Hoffnung hatte im ahd. zwei Wörter, die gegensätzlicher nicht sein können und die wir heutigen sofort erkennen: trost und wan (ausgesprochen wie unser nhd. Wahn).

Und noch ein Drittes – hat ich gar nicht im ersten Beitrag drauf hingewiesen: Nutz Duden.de wegen Rechtschreibung und Zeichensetzung (s. in obigem Zitat das Komma!), denn da hapert‘s noch gewaltig, ich geh noch mal durch

»Vor dir hatte ich ehrlichgesagt nie viel Glück mit Frauen.«
„ehrlich gesagt“ auseinander!

Wörtl. Rede in wörtl. Rede folgt den gleichen Regeln, wie die wiedergebende Rede, also z. B. hier

›Du warst mal wieder der Knaller‹KOMMA hatte mein Freund euphorisch zu mir gesagt, als alle andern weg waren. ›Ich weiß‹KOMMA hatte ich, wenig euphorisch, geantwortet.«

»Und warum war das bei mir anders? Warum konntest du in meiner Anwesenheit natürlich auftreten, ohne schauzuspielen.«
Infinitiv für die Zusammensetzung „schauspielen“ ist (ohne) „zu schauspielen“

Er fiel dann um, einfach so, vor Erschöpfung und Kälte, ein eingefrorenerKOMMA menschlicher Klumpen.
Die Adjektive des Attributes wirken auf mich gleichrangig, darum sind sie durch Komma zu trennen. Die Gegenprobe mit und gelngt jedenfalls „ein eingefrorener und menschlicher Klumpen“

So, gesuchtes Wort in Duden.de eingeben und neben der korrekten Schreibweise werden Bedeutung und Herkunft aufgezeigt, für Pröpositionen eine kleine Grammatik angefügt (nicht jede Präposition ist eindeutig und hat nur einen bestimmten Fall zur Folge)

Auch die Kommaregeln finden sich dort - und das immer aktuell, denn die Rechtschreibreform ist noch lange nicht zu Ende.

Ein gutes neues (bevor's wieder rum ist) und bis bald

Friedel

* Der Fettdruck über das Spiegelbild passt halt zu Deiner Geschichte

 

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