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Traum oder König

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24.07.2002
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Traum oder König

Traum oder König

Es ist jede Woche das gleiche bei uns. Es spielt sich immer und immer wieder so ab.
Meine Frau Doris und ich zittern, fiebern und explodieren fast vor Aufregung schon Stunden vor dem herausragenden Ereignis. Es ist ein Spiel, es ist Lust und Leidenschaft.

Wir sind süchtig.

Es ist nicht mit dem allsamstägigen Fußball zu vergleichen, und auch Pferde hätten diese Spannung bei Doris und mir nicht zur Wallung gebracht. Nein, es geht um Kugeln. Um genau 49 Stück. Sie sind ungefähr Tischtennisballgroß, weiß, mit schwarzer Aufschrift, Zahlen.

Jedesmal hoffen wir, wie Millionen anderer Spielernaturen auch, dabei zu sein, abzuräumen. Einmal seine Zahlen gezogen zusehen.

Doch nichts!

Wir sind wie immer, wie seit Jahren, leer ausgegangen. Wir gehörten nicht aufs Siegertreppchen, sondern dürfen uns höchstens mal in die Reihe der Trostpreise einordnen.
Es ist ein Jammer, einfach zum Heulen. Schon wieder ist der Samstagabend nicht nur vorbei, sondern durch sagenhafte Enttäuschung gelaufen. Man schaltet, noch fast betäubt von der Anspannung, durch die Programme und hat eigentlich überhaupt keine Lust, sich auf irgendeine Sendung einzulassen, daß dem eben Gesehenen auch nur ansatzweise das Wasser reichen könnte.
Seine Wut unterdrückend und dem Verlangen nach Wiederholung und dem Ausruf der Schiebung standhaltend, findet man dann schließlich doch etwas, das man danach narkotisierend aufnehmen könnte.

Nach und nach beruhigen wir uns. Unsere vor der Ziehung aufkommenden, hoffnungsvollen Träume beiseite geräumt, gehen wir zu Bett. Doch da können sich die Träume neu entzünden, es entwickelt sich das Reich der Phantasie. Jede Menge gewünschte Dinge, ein Haus, ein Auto, ein Leben, so schön wie der hellerleuchtete Sommerabend im Garten des Königs.

Aber was ist das?

Oh je, aufgewacht, geplatzt!

Der Beginn der neuen Woche wird durch bessesenes Aufschlagen der morgentlichen Zeitung eingeleutet. Da stehen sie, die falschen Zahlen. Wo sind die unseren? Man hat sich also fälschlicherweise leider doch nicht geirrt. Da stehen nicht nur die Gewinnzahlen, sondern auch majestetisch aufgereiht, die Unsummen, die irgendein glückliches Individuum sein Eigen nennen darf.

Himmel nochmal, warum nicht wir!?!

Was man mit dem Geld alle hätte anfangen können, nicht auszudenken.

Doch verdammt nochmal wir sind nicht dabei!

Aber halt stoppt, das war ja nicht unsere letzte Chance.

In nur fünf Tagen ist es schon wieder so weit!
Erneutes hoffen, erneutes auffachen, brodeln, brennen!
Die ganze Woche ist von Hoffnung geprägt.
Kein Gang mehr zum Büro, die Arbeit andere tun lassen und dem tyrannischen Chef am letzten Tag so richtig eine verpassen. Ach, wär das herrlich !
Nur noch einige Stunden, Minuten, dann ist es da.
Dieses Gefühl kurz vor der Realisierung des Traumes.
Diese Macht, vor allen anderen der Sieger zu sein.
Dieses alberne Gehabe, einen Sprung vor dem Fall?
Alles Quatsch, alles Täuschung?
Egal, wir kochen weiter, schließlich könnten wir es mal schaffen, was spricht denn dagegen!
Vielleicht schon bald, vielleicht schon diesen Samstag, an diesem Tag.

"Doris, mach den Fernseher an, es ist soweit !"

 

Hallo Ted,

herzlich willkommen auf kurzgeschichte.de, ich hoffe, du wirst dich hier wohl fühlen und mir nicht gleich, nachdem du meine nachfolgende Kritik gelesen hast, auf ewig abhauen oder kess die Möglichkeiten beim Lotto zu gewinnen durch das Ausfüllen eines zweiten kompletten Scheines erhöhen.
Wie auch immer, mir gefällt dein Schreibstil,er ist angenehm prägnant.
Folgende Dinge haben mir jedoch nicht so gut gefallen:
dein Text könnte noch mehr Handlung beinhalten, so wirkt er ein wenig wie ein kurzer Zustandsbericht in Form eines Statements. Vielleicht könntest du einfach durch Hineinsetzen von direkter Rede etwas mehr Handlung entstehen lassen. Dies ist nur so eine Idee, selbstverständlich ist es deine Sache, was du aus solch einem Text machst.
Dem Text fehlt auch leider der satirische Inhalt. Diese Geschichte paßt gut in Alltag, denn du beschreibst ja einen bei vielen Menschen samtäglichen Vorgang.
Wärst du mit einer Verschiebung in das Forum "Alltag" einverstanden?

Eine Satire ist es deshalb nicht, weil eine Satire sich einen zu kritisierenden Sachverhalt vornimmt, diesen aber nicht so darstellt, wie er in der Realität stattfindet, sondern verfremdet, er also erst durch einen zweiten Blick für den Leser erkennbar wird.
Die Aussage der Satire ist also sozusagen die, die hinter der Geschichte steht.
Du kritisierst ein gesellschaftliches Verhalten, nämlich dasjenige der Lottospieler, die alle Hoffnungen für eine Weile auf den sehnlichst erwünschten Gewinn fokussieren, dabei in diesen Minuten des Hoffens um sich herum ein Stückchen die Realität verlieren.
Diesen Sachverhalt, den du da sozusagen auf's Korn nimmst, schilderst du allerdings so, wie er ja auch in der Wirklichkeit bei vielen Menschen abläuft. Darin liegt somit keine Verfremdung.
Also, so eine Verfremdung könnte beispielsweise so aussehen, dass deine beiden Protagonisten höllische Angst und pathologische Furcht davor entwickeln, sie könnten das riesige Pech haben, im Lotto zu gewinnen. Sie schmieden schon Pläne, was sie dann machen werden, um diese Katastrophe zu überleben und sie atmen erst auf und beruhigen sich wieder, wenn sie auch schriftlich und amtlich erfahren, dass der grausame Kelch des Gewinnens an ihnen dieses Mal wieder vorbei gegangen ist. So zittern sie jedes Wochenende.
Ich hoffe, ich konnte dir an diesem kleinen Beispiel erklären, was ich mit einem satirischen Inhalt meine.

Gruß lakita

 

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