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Unter dem Kran

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29.04.2020
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Anmerkungen zum Text

Unter dem Kran (in Bearbeitung)

Unter dem Kran

Windböen fegten über die Baustelle. Eine einzelne Glühbirne, die an einem staubigen Kabel hing, spiegelte sich im geschlossenen Fenster der Baracke. Bianca schrieb das Streikdatum auf die Visitenkarte. Gewerkschaft Forte, stand auf der Rückseite.
„Er hat gesagt, ich soll in mein Scheißland zurückgehen. Scheißland, hat er gesagt. Geh in dein Scheißland zurück, wenn es dir bei uns nicht gefällt. Das hat er gesagt.“ Peppe hustete.
„Was?“ Sie öffnete den Mund.
Er nahm den Helm ab. Sein Haar klebte an der Stirn. „Hab nur gesagt, dass ich nicht wieder länger bleiben kann nach der Spätschicht. Ich kann wirklich nicht, echt, es geht nicht. Meine Frau hat gesagt, sie lässt sich von mir scheiden, wenn das nicht aufhört.“
Ein Knarren war zu hören, Stimmen, Schritte, die Tür von der Baracke nebenan wurde zugeknallt.
„Deine Hand“, sagte sie, und reichte ihm ein Taschentuch. Er wischte das Blut weg.
„Ich würde es ja machen. Ich würd ja länger bleiben. Aber meine Frau arbeitet am Morgen bei der Firma Topic, am Mittag hilft sie in der Mensa aus und am Abend putzt sie die Sportanlagen beim Flughafen, sie kann nicht früher nach Hause kommen, geht nicht.“
„Du musst nicht länger bleiben.“ Sie hielt ihm eine Zigarette hin. „Er nutzt dich aus.“
Er zog die Warnweste aus, warf die Jacke auf den Tisch. Als er weiterredete, bemerkte sie, dass seine Hose zerrissen war. Er hatte rote Flecken im Gesicht und seine Stimme klang anders als sonst.
„Ich hab letztes Jahr jeden verdammten Scheißtag länger gearbeitet, bei jedem Wetter, sogar am Wochenende. Er hat mir nicht mal die Überstunden ausbezahlt. Jeden Samstag musste ich arbeiten und jetzt droht er mir mit der Kündigung.“
„Das darfst du dir nicht bieten lassen.“
„Ja, nicht bieten lassen …, was soll ich denn machen? Ich hab eine Familie …, wo soll ich denn noch Arbeit finden?“
Er stand auf, wechselte die Schuhe.
„Was ist passiert?“, sagte sie.
Er stützte sich an der Wand ab, blickte zu ihr.
„Das Gerüst ..., das Holz ist durchgebrochen. Nur unten, wir hatten Glück.“
Sie hob die Augenbrauen und zeigte auf seine Hand. „Das Gerüst ist eingebrochen? Du hast dich verletzt, weil das Gerüst eingebrochen ist?“
„Hab mich nur auf dem Kies aufgeschürft, ist nicht schlimm. Aber hinten, beim Aushub, da hat er nicht mal den Schutzstreifen rangemacht. Es ist ihm scheißegal, wenn es Unfälle gibt.“
“Schutzstreifen?“
„Na hinten bei der Grube, damit die nicht einkracht. Es muss schnell gehen, hat er gesagt, das sagt er immer. Ob wir da lebend oder tot rauskommen, das interessiert ihn nicht.“
„Wie viele seid ihr?“
Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht zwanzig? Wir sind auf vier Baracken verteilt.“
„Mit wem darf ich sprechen? Sag mal …, wer ist der Kranführer?“
„Massimo, der mit dem langen Bart.“
„Kannst du ihm meine Nummer geben? Ihr müsst euch wehren.“
Er rieb sich die Schläfen. „Ich verstehe meine Frau“, sagte er und setzte sich wieder. „Ich würde auch nicht mit einem Mann zusammen sein wollen, der nie für die Kinder da ist.“
„Hey“, sagte sie und berührte ihn am Arm.
„Ich will ja für meine Kinder da sein. Ich liebe meine Kinder. Ich würde alles für sie tun, alles …, schau mal.“ Er holte den Geldbeutel aus der Tasche. „Vittoria, heißt sie, hier hat sie gerade ihren ersten Zahn verloren.“ Er strich über das Foto. „Und das ist Luca. Und hier meine Frau. Da war sie sehr erschöpft. Er kam fast acht Wochen zu früh und wir haben zuerst gedacht, dass er nicht überlebt, aber nach drei Wochen durften wir ihn nach Hause nehmen, wir sind sehr glücklich, wirklich, ich liebe meine Kinder.“ Er klappte den Geldbeutel zu.
Sie stand auf, blickte ihm ins Gesicht. Ihre Augen brannten. „Kommst du zum Streik?“
Er nickte.
„Und was bist du bereit zu tun?“
„Wie meinst du das?“
„Was bist du bereit zu tun, um diese Zustände zu beenden?“
„Weiß nicht." Er zog den Rauch durch die Lungen.

„Auf gar keinen Fall mach ich da mit“, sagte Massimo und schnalzte mit der Zunge, „du hast sie nicht mehr alle. Da krieg ich nicht nur die Kündigung, da komm ich in den Knast.“
„Es muss ein Wachrütteln geben“, sagte Bianca, „vor dem Streik. Die Unfälle werden unter den Tisch gekehrt, hast du ja selbst gesagt. Das muss an die Öffentlichkeit.“
Er fuhr sich durch den Bart, blickte zum Bagger. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter der Absperrung.
„Dein Kollege", sagte sie leise", der mit der Prothese, hm? Du weißt, was passiert ist. Dieser Unfall hätte nicht geschehen müssen. Ist nur ein Beispiel. Die Schicht war übermüdet, das wisst ihr alle …!“
„Alfredo, ja. So ist das auf dem Bau.“
„Warum wehrt ihr euch nicht?“
„Wie denn?“
„Na so, wie ich es vorgeschlagen habe.“
„Nein, ich mach nicht mit. Stell mir den Polier in die Grube, dann ja. Ich lass die Platte so runterknallen, dass sie ihm zuerst die Füße abhackt und dann …, dann walz ich ihm die Glatze in den Dreck …“
Sie blickte zum Kran. „Willst du nichts verändern?“
„Das hat doch damit nichts zu tun. Komm, lass uns rübergehen." Sie liefen über den Kies, die Nachtarbeiter kamen ihnen entgegen. Als sie in der Baracke waren, wechselte er die Kleider, nahm eine Plastikbox aus seiner Tasche und setzte sich.
„Versteh mich nicht falsch. Ich bin froh, dass du uns hilfst. Aber ich bin müde, mein Rücken ist kaputt, mein Kopf ist kaputt. Ich will zurück in mein Land, zurück in meine Stadt. Nur das …!“
„Wie lange bist du schon hier?“
„Zwanzig Jahre.“ Er schüttelte den Kopf. „Zwanzig Jahre hab ich das mitgemacht. Und jetzt sind es nur noch einunddreißig Monate. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, dann werfen die mich raus und dann? Ich brauch die volle Rente.“
„Das verstehe ich.“ Sie blickte auf das Hähnchen. Auf dem Tisch lag zerknülltes Plastik, leere Zigarettenschachteln und Alufolie.
„Willst du?“
„Danke, nein“, sagte sie, „ich … ich muss zur nächsten Baustelle.“
Er riss mit den Zähnen das Fleisch vom Knochen. „Jetzt noch?“
„Ja, die Nachtschicht bei der Tunnelröhre.“
„Kommen die auch zum Streik?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Hängt von euch ab. Ihr müsst zusammenhalten.“
Der Wind pfiff durch die Tür. Sie stand auf, rieb sich die Hände, trat zur Seite, drehte sich zu ihm.
„Was muss ich tun, damit du mir hilfst? Du bist der Kranführer, ich brauche dich.“
„Kleine, ich mach bei allem mit, ich komm zum Streik und rede mit den anderen. Aber wie gesagt, das mach ich nicht.“

Es war Nacht. Bianca kletterte über die Friedhofmauer und schlich sich zum Grab. „Hey“, sagte sie und legte eine Blume auf die Erde.
„Wir fordern die Frühpensionierung, kürzere Arbeitszeiten und eine Lohnerhöhung.“
Es war still. Nur das Knacken der Äste war zu hören.
„Einer von ihnen hat nur ein Bein, Alfredo.“ Sie sprach leise, zog den Reißverschluss zu. "Er … hat mir seine Prothese gezeigt. Er hat gelacht und … gesagt, es wäre gut, ein Krüppel zu sein, weil man dann bessere Arbeitsbedingungen hätte.“
Der Mond schien auf ihr Gesicht. Es war kalt, windig.
„Sie hatten ihn nach dem Unfall wieder eingestellt. Er hat geschwiegen, weil er ein normales Leben wollte. Er wollte arbeiten. Ein normales Leben eben, sagte er, kein Krüppelleben.“
Sie nahm eine Hand voll Erde und ließ sie durch die Finger rieseln.
„Ich weiß, was wir tun müssen, damit das aufhört“, sagte sie. „Je mehr Leute zum Streik kommen, desto mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Und je mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, desto mehr Leute kommen zum Streik.“

Peppe und Massimo verließen die Baracke pünktlich. Alfredo sorgte dafür, dass der Rest der Mannschaft in der Pause war. Bianca wartete im Auto hinter der Baustelle. Ihr schwarzes Haar kräuselte sich an den Schläfen. Sie war bereit. Das raue Klima hatte ihre Haut an vielen Stellen aufgerissen, ihre Lippe blutete, die Hände waren gerötet und wund. Auf dem Beifahrersitz lag der Briefumschlag. Sie wartete, bis der Zeiger auf Halb war. Dann stieg sie aus, setzte den Helm auf, zog die Warnweste an und lief zum Eingang. Es regnete. Eine Plastikplane klatschte gegen das Gerüst. Das Absperrband flatterte. Ein lauter, kurzer Schrei war zu hören, darauf folgte ein dumpfes Krachen. Sie blickte zum Kran, nahm das Telefon aus der Tasche.
„Und?“, sagte sie, „Mission geglückt?“ Sie lächelte.
„Peppe“, drang es aus dem Hörer „Peppe oh Gott der Wind hat der Wind hat die Platten zu früh Peppe liegt unter den Platten einen Krankenwagen schnell oh Gott … oh … Gott oh mein Gott Scheiße Scheiße Scheiße.“
Sie ließ das Telefon fallen, hob es auf, atmete mit einem kurzen Stoß aus, drückte auf den Tasten herum, sprang über das Absperrband, rutschte aus, stürzte zu Boden, stand wieder auf, rannte zu den Baracken, riss die Tür auf und schrie: „Einen Krankenwagen, schnell … ruft einen Krankenwagen…“ Die Arbeiter zuckten zusammen. Alfredo stand auf.
„Peppe liegt unter den Platten … Peppe …“ Das wiederholte sie dreimal, dann versagte ihre Stimme.

Bianca strich über den Grabstein.
„Verstehst du, was ich sagen will? Wir brauchen eine Story. Eine Story für die Zeitung. Wer weiß schon, was das heißt bei jedem Wetter unter Zeitdruck zu knüppeln? In der Kälte, in der Hitze, im Regen? Mit fünfzig Invalid zu sein? Sich so kaputt zu rackern, dass keine Zeit bleibt für ein Leben? Und das für diesen Lohn! Immer in Angst zu leben, dass man gekündigt wird, weil man ersetzbar ist. Das muss an die Öffentlichkeit.“
Der Wind strich durch die Bäume. Eine Katze sprang über die Friedhofsmauer.
„Mein Plan“, sagte sie, „wird Geschichte machen. Und das ist der Anfang von Veränderung.“
Sie holte die Skizze aus der Tasche, drehte sich um und spähte über die Gräber, dann zündete sie das Feuerzeug an.
„Ich hab drei Leute ausgewählt, Peppe, Massimo und Alfredo. Peppe befestigt die Platten. Aber nur auf der einen Seite.“ Sie hustete. „Massimo lenkt das Zeug zur Grube rüber. Alfredo sorgt dafür, dass niemand auf dem Gelände ist. Und wenn das Zeug platziert ist, dann lässt Massimo die Ladung runter krachen. Ein gestellter Unfall. Damit kann ich sicher ein paar Journalisten begeistern. Ich warte beim Eingang. Und wenn Peppe geschrien hat, dann komme ich wie jeden Tag auf die Baustelle und gehe mit ihm zum Polier, um den Unfall zu melden.“
Auf der Skizze war das Gelände der Baustelle abgebildet, die Baracken, die Grube, der Kran. Sie hielt die Flamme unter das Papier. Die Asche wurde vom Wind weggefegt.
„Es gibt nur ein Problem. Massimo. Er will nicht mitmachen, er hat Angst. Ich hab mir überlegt, wie ich ihn motivieren könnte. Darf ich ihm die Hälfte deines Geldes geben? Es ist ja für was Gutes. Wir müssen den Streik vorantreiben."
Ein paar Sterne waren zu sehen, der große Wagen, der kleine Bär.
„Was ist ein gestellter Unfall, bei dem niemand verletzt wird, im Vergleich zu all dem Elend, das die tragen müssen? Drück mir die Daumen“, sagte sie, stand auf und verschwand in der Dunkelheit.

Der Krankenwagen verließ das Gelände. Die Arbeiter gingen zurück in die Baracken. Massimo und Bianca standen beim Kran. Sie blickte immer noch auf den Boden. Da war feuchte Erde und ein Stück rotes Plastik. Er drehte sich zu ihr und sagte, „wenn das rauskommt, dann zeige ich dich an.“

Es war Sonntagnacht. Bianca hatte sich hinter dem Holzstapel versteckt und beobachtete die Baustelle. Niemand war da. Der Kran stand still, die Scheinwerfer waren aus, nur ein paar Laternen beleuchteten den Kiesplatz. Sie zuckte zusammen, als eine Dose über die Straße rollte. Dann kletterte sie über das Absperrband. Die Baracken tanzten vor ihren Augen, die Grube war leer, der Bagger stand neben dem Kran. Sie fasste das kalte Metall an und blieb stehen, eine Stunde oder länger. "Was hab ich getan?", sagte sie immer wieder. Sie nahm den Briefumschlag, riss ein Stück vom Isolierband ab, das sie mitgenommen hatte, und wärmte sich die Hände zuerst mit dem Feuerzeug und dann in den Jackentaschen. Als sie die Finger wieder bewegen konnte, kletterte sie die Krantreppe hinauf. Den Briefumschlag hielt sie mit den Zähnen. Bei der Kabine angekommen, klemmte sie ihn in die Ritze und befestigte das Isolierband am Fenster. „Für Massimo“ stand darauf und auf der Rückseite „es war mein Fehler. Danke für alles. Komm gut nach Hause.“
Der Nachthimmel war klar. Im Osten waren helle Streifen zu sehen.

 

Hey @Penthesileia,

die Struktur Deines Textes hat mir gut gefallen. Du hast da ein paar Szenen zusammengestellt, die einigermaßen lebendige Bilder entstehen lassen. Wie sie da bei Scheißwetter in ihren Baucontainern stehen und ohne langes Gerede Pläne schmieden, die alles nur noch schlimmer machen. (Erinnert mich ein bisschen an die zweite Staffel von The Wire, aber das nur am Rande.) Das hat schon Spaß gemacht und ist meiner Meinung nach auch zugänglich geschrieben.

Allerdings tauchen mir dann zu schnell zu viele Personen auf, die nur als Stichwortgeber fungieren.

„Das war nicht gut“, sagte der Vorarbeiter leise, „sie hat Druck auf ihn ausgeübt.“
Der Zeitarbeiter schwieg.
„Das hast du von deinem Arbeitskampf“, schrie der Kranführer.
„Windig heute“, sagte ein Eisenleger.
Zudem wird mir dann auch noch eine Person vorgesetzt, die zwar einen Namen hat (Violetta), aber eigentlich auch nur für eine intime Auto Szene herhalten muss und später für ein "hysterisches Lachen", dass ich nicht einordnen kann, weil ich ansonsten nichts von ihr weiß.
Mit der Fülle an Details geht es mir ähnlich:
Auf der Streichholzschachtel war das geologische Profil des Gotthardmassivs abgebildet. Die Kerze flackerte im rötlichen Licht. An den Wänden hingen Zeitungsartikel von streikenden Arbeitern. Daneben ein Foto hinter Glas von ihrem Großvater.
Es fühlt sich an, als würden mir hier tausend Einzelheiten an den Kopf geworfen, die alle eine besondere Bedeutung (für die Protagonistin) haben, die bei mir als Leser aber nicht automatisch tiefgreifende Emotionen hervorrufen. Das passt für mich nicht so recht zur ansonsten unaufgeregten, kargen Darstellung (bezogen auf Ort, Figuren, Handlung - inhaltlich gibts natürlich Feuer). Du vermittelst in der zitierten Passage zwar eine Hintergrundgeschichte und erzählst sie nicht einfach langweilig runter, aber mir war das ein bisschen zu unübersichtlich.
Vielleicht täten der Geschichte zwei, höchstens drei Figuren gut, deren Persönlichkeit und Bezug zum Erzählten deutlicher wird.

Warum der Abschnitt zum Ende hin kursiv geschrieben ist, war mir leider auch nicht ganz klar. Außerdem, ich sag's mal ganz lapidar: das Ende habe ich nicht verstanden, ebensowenig den Titel, beziehungsweise den Bezug zur Protagonistin (außer, dass sie auf der Baustelle als Giftschlange bezeichnet wird).

Sollte ich einfach nur ein unaufmerksamer Leser gewesen sein, der offensichtliche Dinge nicht bemerkt hat, tut es mir natürlich Leid. Ansonsten hoffe ich, Du kannst mit meinen Bemerkungen etwas anfangen.

Liebe Grüße
s.

 

Hallo sodrecas, vielen Dank für Deine Kritik.

Allerdings tauchen mir dann zu schnell zu viele Personen auf, die nur als Stichwortgeber fungieren.

Guter Hinweis. Ich werde mir überlegen, wie ich das anders gestalten könnte. Entweder werde ich diese Personen wohl näher umschreiben müssen, so dass der Leser überhaupt ein Interesse an den Figuren entwickelt oder ich muss eine andere Lösung finden, um auszudrücken, dass es unter den Arbeitern unterschiedliche Positionen gibt. Bringt mich auf die Frage, wie man eine Gruppe und ihre Dynamik beschreibt, in der man manche Personen unscharf erscheinen lassen möchte.

Zudem wird mir dann auch noch eine Person vorgesetzt, die zwar einen Namen hat (Violetta), aber eigentlich auch nur für eine intime Auto Szene herhalten muss und später für ein "hysterisches Lachen", dass ich nicht einordnen kann, weil ich ansonsten nichts von ihr weiß.

Danke für den Hinweis, werde ich aufnehmen.

Mit der Fülle an Details geht es mir ähnlich:
Es fühlt sich an, als würden mir hier tausend Einzelheiten an den Kopf geworfen, die alle eine besondere Bedeutung (für die Protagonistin) haben, die bei mir als Leser aber nicht automatisch tiefgreifende Emotionen hervorrufen. Das passt für mich nicht so recht zur ansonsten unaufgeregten, kargen Darstellung (bezogen auf Ort, Figuren, Handlung - inhaltlich gibts natürlich Feuer). Du vermittelst in der zitierten Passage zwar eine Hintergrundgeschichte und erzählst sie nicht einfach langweilig runter, aber mir war das ein bisschen zu unübersichtlich.

Ich habe "auf der Streichholzschachtel war das geologische Profil des Gotthardmassivs abgebildet" aus dem Text gestrichen und zum Foto an der Wand habe ich den Kontext hergestellt, von dem ich dachte, dass dieser durch spätere Szenen aufgeschlüsselt würde, was aber offensichtlich für den Leser nicht funktioniert.

Vielleicht täten der Geschichte zwei, höchstens drei Figuren gut, deren Persönlichkeit und Bezug zum Erzählten deutlicher wird.

Ich nehme diesen Hinweis für meine nächsten Kurzgeschichten auf, falls ich das hier nicht mehr hinbekomme.

Warum der Abschnitt zum Ende hin kursiv geschrieben ist, war mir leider auch nicht ganz klar. Außerdem, ich sag's mal ganz lapidar: das Ende habe ich nicht verstanden, ebensowenig den Titel, beziehungsweise den Bezug zur Protagonistin (außer, dass sie auf der Baustelle als Giftschlange bezeichnet wird).

Der kursive Abschnitt ist eine Rückblende. Mehr verrat ich mal nicht. Und mit "Ende" (das Du nicht verstanden hast) meinst Du die letzte Szene im Badezimmer?
Zum Titel: Darf man den Titel ändern? Lach.

Danke für die Zeit, die Du Dir genommen hast, um meine Geschichte zu kommentieren.
Liebe Grüße Penthesileia

 

Hallo sodrecas, ich habe den kompletten Text nochmals überarbeitet und gekürzt und versucht die Geschichte auf vier Personen zu beschränken. Hat Spaß gemacht, auch wenn die Story nun ein anderes Ende hat (das man hoffentlich versteht).
Danke nochmals und ein schönes Wochenende.
Lieber Gruß Penthesileia

 

Hallo @Penthesileia,

die Änderungen gefallen mir persönlich gut. Meiner Meinung nach wird der Text durch die Entschlackung und den Wegfall geheimnisvoller Andeutungen stärker.

Ich habe "auf der Streichholzschachtel war das geologische Profil des Gotthardmassivs abgebildet" aus dem Text gestrichen und zum Foto an der Wand habe ich den Kontext hergestellt, von dem ich dachte, dass dieser durch spätere Szenen aufgeschlüsselt würde, was aber offensichtlich für den Leser nicht funktioniert.

Vielleicht ist dieser neurotische Hinweis unnötig, aber ich wollte doch noch anmerken, dass ich nur meine eigene Sicht auf Deinen Text teilen kann und diese keine allgemeine Gültigkeit besitzt - bin ja absoluter Anfänger hier und offen gesagt, fällt mir das Kommentieren und Bewerten von Texten unheimlich schwer. Ich hoffe auf jeden Fall, dass Dir die aktuelle Variante auch besser gefällt.:D

Gruß
s.

 

Hallo @Penthesileia und willkommen im Forum!

Ich finde deinen Einstand gelungen. Am meisten mag ich die knappen, reduzierten Sätze, die die angespannte und trostlose Stimmung auf der Baustelle gut einfangen, die erzeugen sofort Bilder im Kopf.
Als Aussage lese ich heraus, dass man manchmal durch den Versuch, etwas zu verhindern, genau dieses Etwas herbeiführt. Gefällt mir.

Ich hatte auch die Originalfassung gelesen, da gab es noch das Element mit den Puzzles ihres Großvaters, die es zu lösen galt, wenn ich mich richtig erinnere. Das gab für mich dem Text eine zweite Ebene, verlief aber ins Leere. Da hätte ich mir gewünscht, du hättest diese Passagen beibehalten, dann aber auch klarer mit der Haupthandlung verknüpft.

Textgestochere:

„Der Arbeitskampf beginnt nicht erst am Streiktag, sondern jetzt." „Weiß nicht“[,] sagte Peppe.
Wörtliche Rede sollte bei Sprecherwechsel auf eine neue Zeile. Und Kommas nicht vergessen.

Bianca griff nach der Zigarettenschachtel, berührte seine Hand, zog sie zurück, starrte in die Dunkelheit und stand auf.
Hier werden mir zu viele Fragmente mit Kommas aneinandergereiht. Das würde ich kürzen oder in mehrere Sätze aufspalten.
Und: Wenn sie in die Dunkelheit starrt, schaut sie nicht zu Peppe, sodass das keinen Sinn macht:
Peppe wich ihrem Blick aus.
Eine der beiden Stellen würde ich deswegen etwas umformulieren.

„Deine Kollegin“, unterbrach der Kranführer, „die mit den grünen Augen“, er schnalzte wieder, „eine Heiße."
Violetta wurde rot. „Äh“[,] sagte sie „machst du jetzt mit?“
„Na klar“, sagte der Kranführer, „mach ich mit. Für euch mach ich alles. Alles“, sagte er und kratzte sich am Bauch.
„Ich bin so wütend“, sagte Peppe, [„]dass wir bei diesem Wetter arbeiten müssen.“
Zum einen hast du hier unglückliche Stellen gewählt, um die wörtliche Rede durch die Redebegleitsätze zu unterbrechen. Zum anderen sind einige davon für mich neue Sätze, die durch einen Punkt getrennt und großgeschrieben werden sollten.
Vorschläge:
„Deine Kollegin“, unterbrach der Kranführer. „Die mit den grünen Augen. Die Heiße.“ Er schnalzte wieder.
Violetta wurde rot. „Äh, machst du jetzt mit?“
„Na klar mach ich mit", sagte der Kranführer und kratzte sich am Bauch. "Für euch mach ich alles. Alles.“
„Ich bin so wütend, dass wir bei diesem Wetter arbeiten müssen“, sagte Peppe.

Es war laut und kalt auf der Baustelle, Windböen fegten über das Gelände. Die Eisenleger standen gebückt im Regen. Eine Plastikplane klatschte gegen das Gerüst.
Den ersten Satz kannst du streichen, das geht aus dem hervor was folgt. Und so laut sind Windböen und die Plastikplane auch nicht, oder?

Der Scheibenwischer kratzte über das Fenster. Feuchtigkeit kondensierte. Das Absperrband flatterte.
Solche Sätze mag ich in dieser Geschichte, die sind kurz und knackig, bauen für mich aber gut Atmosphäre auf.

„Peppe“, drang es aus dem Hörer(,)[.] „Peppe…oh Gott…der Wind hat...der Wind hat die Platten zu früh…Peppe liegt unter den Platten…ruft einen Krankenwagen, schnell…scheiße…“
Da sollte ein Punkt statt eines Kommas hin, und Leerzeichen vor und hinter die Auslassungspunkte, wenn nicht nur einzelne Buchstaben fehlen und der Satz nicht beendet wird.

Bianca saß auf dem Boden. In einer Wasserlache spiegelte sich ihr Gesicht. Ihre Hose war aufgerissen. Violetta stand auf einer Kiste und versuchte die Leute zu beruhigen. Niemand hörte ihr zu. Windböen fegten über die Baustelle. Die Plastikplane klatschte gegen das Gerüst.
Ein schönes Ende, die Szene sehe ich bildlich vor mir, auch wenn hier die Windböen und die Plastikplane (vermutlich absichtlich) wiederholt werden. Ich fände das ohne die Wiederholung besser, vielleicht fallen dir hierfür noch Alternativen ein.

Viele Grüße,
Catington

 

Hallo sodrecas,
ich fand Deinen Kommentar wertvoll!
Lieber Gruß Penthesileia

Hallo Catington

Vielen Dank für Deinen Kommentar.

Ich finde deinen Einstand gelungen. Am meisten mag ich die knappen, reduzierten Sätze, die die angespannte und trostlose Stimmung auf der Baustelle gut einfangen, die erzeugen sofort Bilder im Kopf.
Als Aussage lese ich heraus, dass man manchmal durch den Versuch, etwas zu verhindern, genau dieses Etwas herbeiführt. Gefällt mir.

Danke und ja, das kann man so sehen.

Ich hatte auch die Originalfassung gelesen, da gab es noch das Element mit den Puzzles ihres Großvaters, die es zu lösen galt, wenn ich mich richtig erinnere. Das gab für mich dem Text eine zweite Ebene, verlief aber ins Leere. Da hätte ich mir gewünscht, du hättest diese Passagen beibehalten, dann aber auch klarer mit der Haupthandlung verknüpft.

Danke für die Rückmeldung. Du erinnerst Dich richtig. Durch den Versuch, den Text zu vereinfachen, ist diese Ebene weggefallen. Vielleicht gibt es später mal noch eine zweite Fassung, in der ich sie wieder reinnehme.

Entschuldige meine mangelhafte Sorgfalt, das zeigt wieder mal, dass man einen Text nach der Überarbeitung erst ein paar Mal durchlesen sollte, bevor man ihn wieder reinstellt. Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, mir das mitzuteilen.
Und danke auch für Deine Hinweise bezüglich der Satzstruktur. Ich werde da noch Anpassungen vornehmen.

Es war laut und kalt auf der Baustelle, Windböen fegten über das Gelände. Die Eisenleger standen gebückt im Regen. Eine Plastikplane klatschte gegen das Gerüst.

Den ersten Satz kannst du streichen, das geht aus dem hervor was folgt. Und so laut sind Windböen und die Plastikplane auch nicht, oder?

Hm, Windböen und das Klatschen einer Plastikplane gegen ein Gerüst sind nicht laut, aber es gibt eine Menge Lärm (von diversen Maschinen und Geräten) auf einer Baustelle.

Solche Sätze mag ich in dieser Geschichte, die sind kurz und knackig, bauen für mich aber gut Atmosphäre auf.

Hatte gedacht, dass das vielleicht zu kurz und knapp ist, offensichtlich nicht. Danke!

Über ein anderes Ende (der letzten zwei Sätze) werde ich nachdenken.

Ich danke Dir für Deine Zeit!

Lieber Gruß Penthesileia

 

Hallo nochmal,

Es war laut und kalt auf der Baustelle, Windböen fegten über das Gelände. Die Eisenleger standen gebückt im Regen. Eine Plastikplane klatschte gegen das Gerüst.
Den ersten Satz kannst du streichen, das geht aus dem hervor was folgt. Und so laut sind Windböen und die Plastikplane auch nicht, oder?
Hm, Windböen und das Klatschen einer Plastikplane gegen ein Gerüst sind nicht laut, aber es gibt eine Menge Lärm (von diversen Maschinen und Geräten) auf einer Baustelle.
Das kam bei mir gar nicht an, denn du hast weder laute Maschinen beschrieben, noch, dass dort jemand regulär arbeitet, falls ich nichts überlesen habe. In meiner Vorstellung der Szenen ist dort alles still, gefühlsmäßig kurz vor Feierabend. Die Arbeiter warten angespannt auf das Präparieren der Kranladung. Für mich passt das total, aber wenn du es für wichtig hältst, dass die Szenen an einem normalen Arbeitstag spielen, musst du das auch so zeigen.

Viele Grüße,
Catington

 

Herzlich Willkommen @Penthesileia,

einen wuchtigen Einstand hast du hier abgeliefert und vor allem eine richtige Kurzgeschichte. Es gibt einige Dinge, die ich vermisse, aber dazu später mehr.

„Es geht um mehr“, sagte Bianca wieder und vergrub die Hände in ihrer Gewerkschaftsjacke.
Erster Satz, erste Frage: Was ist eine Gewerkschaftsjacke? Sagt mir so nix, da fehlt mir die Beschreibung.

„Deine Kollegin“, unterbrach der Kranführer, „die mit den grünen Augen“, er schnalzte wieder, „eine Heiße."
Eine Sache, die ich im Forum gelernt habe und meistens berücksichtige:
Niemals ein anderes Verb außer »sagte« bei Dialogen verwenden, denn der Satz gehört der Figur; das Verb ist der Autor, der sich einmischt. Das Verb »sagte« ist weit weniger aufdringlich als grollte, keuchte, warnte, log. Elmore Leonard.
Hier finde ich es nicht mega ablenkend, nur im Auge behalten.

Violetta wurde rot. „Äh“, sagte sie(Komma) „machst du jetzt mit?“

Bianca drehte sich zum Spiegel, ihr schwarzes Haar kräuselte sich an den Schläfen. Sie war bereit. Das raue Klima hatte ihre Haut an vielen Stellen aufgerissen, ihre Lippe blutete, die Hände waren gerötet und wund. In der Wanne lagen ihre Sicherheitsschuhe, die sie gestern Nacht im Bad ausgezogen hatte. Sie war in einem Zustand von rastloser Erschöpfung nach Hause gekommen.
Bianca öffnete die Schublade, nahm das Album ihres Großvaters heraus und strich mit den Fingerkuppen über den Schriftzug.
"Alles, was ich kann, hab ich von dir gelernt", sagte sie leise und blätterte die Fotos durch. Bohrarbeiten im Gotthardtunnel. Ihr Großvater mit einer roten Fahne in der Hand. Er war aktives Gewerkschaftsmitglied gewesen. Ein Foto mit Bianca. Auch in der Gotthardröhre, er hatte sie mitgenommen, das war kurz vor seinem Unfall. Ein Steinbrocken hatte ihn erschlagen.
Bianca wurde von einem Anruf aus ihren Gedanken gerissen. Sie klappte das Album zu und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab.
Stilfrage. Würde mehr Abwechslung in die Satzanfänge bringen. So stoppt es den Flow.

„Wie ist die Stimmung auf der Baustelle(?)“, sagte sie. Ihr Blick war klar und unaufgeregt.
Ist das keine Frage?

Der Scheibenwischer kratzte über das Fenster. Feuchtigkeit kondensierte. Das Absperrband flatterte.
sehr atmosphärisch.

„Peppe…oh Gott…der Wind hat...der Wind hat die Platten zu früh…Peppe liegt unter den Platten…ruft einen Krankenwagen, schnell…scheiße…“
Vor und hinter dem Dreipunkt bei Satzauslassungen immer ein Leerzeichen. Außerdem, würde ich Kommata ergänzen und einige einsparen.
„Peppe …, oh Gott, der Wind hat … der Wind hat die Platten zu früh … Peppe liegt unter den Platten, ruf einen Krankenwagen, schnell … scheiße.“
Wenn du ein Wort abbrichst, kannst du die drei Punkte dranpappen: Sch...

Den Schluss finde ich etwas holperig und unglücklich, denn er liefert nichts, was ich durch die Vorschau davor nicht schon erfahren hätte. Da hätte ich mir eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Schuld und Verantwortung gewünscht. Auch dass Bianca keine Sekunde an ihrem Vorhaben zweifelt, finde ich zu roboterlike, als würde das alles an ihr abprallen. Einmal hinhocken und weiß werden im Gesicht und weiter ...
Ein Sabotageakt, denn nichts anderes ist es letztlich, ist schon ein heftiges Ding und dass das vor allem nach dem Unglück ohne Zweifel als gerechtfertigt stehenbleibt und nicht wirklich in Frage gestellt wird, ist mMn bedenklich. Was ich auch vermisse, ist eine Darstellung der schlechten Arbeitsbedingungen. Was ist so katastrophal an den Zuständen, dass solch ein Akt quasi als Gegenschlag aus Notwehr gegen den Arbeitgeber gerechtfertigt wäre? Das wird so vorausgesetzt, dass ich als Leser das weiß, ich kann es jedoch nicht aus dem Text lesen. Da kommt kein Konflikt auf, weil ich das nicht nachfühlen kann und weil es keine Zweifel gibt, da gibt es nur die soldatische Bianca, die ihr Ding durchzieht und Kollateralschäden in Kauf nimmt.
Ich möchte dich dazu ermuntern, in die Tiefe zu gehen, dem Ganzen mehr Raum zu geben und den Konflikt dichter an den Leser heranzutragen, ihn erlebbar zu machen. Was genau ist das Problem? Wo ist der Chef, der unzumutbare Arbeiten verlangt und woraus genau bestehen die?

Das nur als offene Rückmeldung. Es ist meine subjektive Lesart und was ich schreibe, ist als Anregung gedacht, mehr nicht.

Peace und schönen Sonntag noch, linktofink

 
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„Nur ich und der Kranführer?" Er blickte auf die Blasen an seinen Händen. "Ich muss die Ladung nur so befestigen, dass sie nicht richtig hält?"

Das ist eine Krücke. Wirkt auch wie Infodump, so nach dem Motto: DAS muss der Leser verstehen. Vertrau deiner Geschichte. Der Leser versteht es.

Bianca öffnete die Schublade, nahm das Album ihres Großvaters heraus und strich mit den Fingerkuppen über den Schriftzug.
"Alles, was ich kann, hab ich von dir gelernt", sagte sie leise und blätterte die Fotos durch. Bohrarbeiten im Gotthardtunnel. Ihr Großvater mit einer roten Fahne in der Hand. Er war aktives Gewerkschaftsmitglied gewesen. Ein Foto mit Bianca. Auch in der Gotthardröhre, er hatte sie mitgenommen, das war kurz vor seinem Unfall. Ein Steinbrocken hatte ihn erschlagen.

Auch ein bißchen viel. Nahe am Kitsch auch. Als wäre der Arbeitskampf nicht ausreichend, als müsste es da noch ein unbedingt persönliches Motiv geben. Hat dein Text gar nicht nötig.
„Hm. Kann ich nicht genau sagen. Man denkt, dass du nie aufgibst, egal was passiert. Du bist mutig, jeder findet dich toll."
Hier ähnliche. Ihre Führungsqualitäten werden doch durch den Text bewiesen, sie ist die, die die Zügel in der Hand hält. Warum das so trivialisieren? Trau dem Leser und deinen Figuren.

Es war Nacht. Bianca kletterte über die Friedhofmauer und schlich sich zum Grab. „Hey“, sagte sie und legte eine Blume auf die Erde. "Pedro Marino, der sein Leben beim Tunnelbau verlor", stand auf dem Grabstein. „Ich kämpfe für dich weiter“, flüsterte Bianca. Der Wind strich ihr durch das Haar. Sie wischte sich über die Wange. „Einer von ihnen erinnert mich an dich“, sagte sie leise, „Peppe.“ Ihr Gesicht schien hart im Schimmer des Mondes, obwohl sie lächelte. Sie zog den Reisverschluss zu.„Peppe befestigt die Platten. Der Kranführer lenkt die Ladung zur Grube rüber und lässt sie runter krachen. Guter Plan, hm?“ Sie nahm eine Hand voll Erde vom Grab und ließ sie durch die Finger rieseln. „Wir brauchen eine Story für die Zeitung. Eine Story, die den Streik vorantreibt. Ich will nicht, dass meinen Leuten das passiert, was dir passiert ist. Ich will keine Unfälle." Es vergingen ein paar Minuten. Bianca berührte den Grabstein und fuhr mit der Hand über die Schrift.„Was ist ein gestellter Unfall, bei dem niemand verletzt wird, im Vergleich zu all dem Elend, das die tragen müssen?“ Sie blickte Gedanken versunken zur Mauer. „Drück mir die Daumen“, sagte sie, stand auf und verschwand in der Dunkelheit.

Dieser ganze kursive Teil, das muss die Geschichte lösen. So nimmst du da eine zu krasse Abkürzung und verschenkst auch Potential. Ich fragte mich die ganze Zeit, was wollen die denn jetzt? Ich bin selbst schon 20 Jahre in der Gewerkschaft - da werden doch Ziele ganz klar kommuniziert: Wir gehen auf die Straße für bessere Arbeitsbedinungen.. DAS sind unsere konkreten Forderungen. Hier ist das Ziel zu schwammig. Und wenn es so sein soll, dass die Protagonistin nur ein hitzig und euphorisch ist, wegen ihrer persönlichen Vergangenheit, fehlt mir das Agitieren, die Agenda. Dann müsste sie alle anderen mehr oder weniger manipulieren. Ich glaube nicht, dass ein Kranführer bei so was mitmacht, wenn es keinen guten, zwingenden Grund dafür gibt. Da müsste es etwas Intimeres geben: Sie sagt, wenn du das machst, dann vögeln wir. Oder ich zahl dir 1000 Euro. Oder was weiß ich. Nur durch ein paar warme Worte, nein. Geht mir viel zu schnell.

Der Text hat was von einem muckraker, wie man das in den Staaten nennt. ÖL von Upton Sinclair fällt mir ein, oder auch diese Fleischereisache von Sinclair Lewis. Da passiert etwas, gefährliche Arbeiten, Unfälle, alles scheint so halbseiden, eine eigene Welt, von der niemand etwas mitbekommt, die so fast im Geheimen passiert ... das müsstest du aber auswalzen, 30, 40, 50 Normseiten, da muss mehr Konflikt rein, mehr Anbahnung, mehr Charaktertiefe, mehr Subtilität. Ich will die Gefahr, die Ungerechtigkeit, den Grund für diesen radikalen Schritt sehen, nachempfinden, nachvollziehen. Ich will die Motive deiner Figuren verstehen.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Catington,

Hm, Windböen und das Klatschen einer Plastikplane gegen ein Gerüst sind nicht laut, aber es gibt eine Menge Lärm (von diversen Maschinen und Geräten) auf einer Baustelle.

Das kam bei mir gar nicht an, denn du hast weder laute Maschinen beschrieben, noch, dass dort jemand regulär arbeitet, falls ich nichts überlesen habe. In meiner Vorstellung der Szenen ist dort alles still, gefühlsmäßig kurz vor Feierabend. Die Arbeiter warten angespannt auf das Präparieren der Kranladung. Für mich passt das total, aber wenn du es für wichtig hältst, dass die Szenen an einem normalen Arbeitstag spielen, musst du das auch so zeigen.

Guter Hinweis darauf, dass ich Bilder präziser beschreiben muss, wenn ich damit eine konkrete Stimmung transportieren will. Es ist mir noch nicht ganz klar, an welchen Stellen die Geschichte noch zu sehr in meiner Phantasie lebt, bzw. wo ich noch genauer werden muss, damit der Leser näher an das herangeführt wird, was ich ausdrücken will. Wertvoller Input, danke!
Lieber Gruß Penthesileia

Hallo linktofink,

vielen Dank für Deinen Kommentar und den Willkommensgruß.

Erster Satz, erste Frage: Was ist eine Gewerkschaftsjacke? Sagt mir so nix, da fehlt mir die Beschreibung.

Du hast mich im ersten Satz ertappt. Ich würde gern darauf antworten können: Eine Gewerkschaftsjacke ist ein aufblasbares Ding, mit dem man in schwierigen Situationen auf den Mond fliegen kann. Ich habe "Gewerkschaftsjacke" als Ausdruck gewählt, um klar zu machen, in welcher Situation sich der Leser befindet. Eine Gewerkschaftsjacke zu beschreiben, wäre langweilig, weil es eine Jacke wie jede andere ist, außer, dass der Name der Gewerkschaft draufsteht. Ich werde also eine andere Lösung finden, um dem Leser Orientierung zu geben und den Ausdruck bei meiner Überarbeitung streichen.

Eine Sache, die ich im Forum gelernt habe und meistens berücksichtige:
Niemals ein anderes Verb außer »sagte« bei Dialogen verwenden, denn der Satz gehört der Figur; das Verb ist der Autor, der sich einmischt. Das Verb »sagte« ist weit weniger aufdringlich als grollte, keuchte, warnte, log. Elmore Leonard.

Danke für diesen Hinweis.

Bianca drehte sich zum Spiegel, ihr schwarzes Haar kräuselte sich an den Schläfen. Sie war bereit. Das raue Klima hatte ihre Haut an vielen Stellen aufgerissen, ihre Lippe blutete, die Hände waren gerötet und wund. In der Wanne lagen ihre Sicherheitsschuhe, die sie gestern Nacht im Bad ausgezogen hatte. Sie war in einem Zustand von rastloser Erschöpfung nach Hause gekommen.
Bianca öffnete die Schublade, nahm das Album ihres Großvaters heraus und strich mit den Fingerkuppen über den Schriftzug.
"Alles, was ich kann, hab ich von dir gelernt", sagte sie leise und blätterte die Fotos durch. Bohrarbeiten im Gotthardtunnel. Ihr Großvater mit einer roten Fahne in der Hand. Er war aktives Gewerkschaftsmitglied gewesen. Ein Foto mit Bianca. Auch in der Gotthardröhre, er hatte sie mitgenommen, das war kurz vor seinem Unfall. Ein Steinbrocken hatte ihn erschlagen.
Bianca wurde von einem Anruf aus ihren Gedanken gerissen. Sie klappte das Album zu und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab.

Stilfrage. Würde mehr Abwechslung in die Satzanfänge bringen. So stoppt es den Flow.

Sowas sehe ich noch nicht. Vielen Dank für die Anregung. Werde ich überarbeiten.

„Wie ist die Stimmung auf der Baustelle(?)“, sagte sie. Ihr Blick war klar und unaufgeregt.

Ist das keine Frage?

Doch, ist es.

Der Scheibenwischer kratzte über das Fenster. Feuchtigkeit kondensierte. Das Absperrband flatterte.

sehr atmosphärisch.

Danke.

Vor und hinter dem Dreipunkt bei Satzauslassungen immer ein Leerzeichen. Außerdem, würde ich Kommata ergänzen und einige einsparen.
„Peppe …, oh Gott, der Wind hat … der Wind hat die Platten zu früh … Peppe liegt unter den Platten, ruf einen Krankenwagen, schnell … scheiße.“
Wenn du ein Wort abbrichst, kannst du die drei Punkte dranpappen: Sch...

Okay, werde ich natürlich ändern.

Den Schluss finde ich etwas holperig und unglücklich, denn er liefert nichts, was ich durch die Vorschau davor nicht schon erfahren hätte. Da hätte ich mir eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Schuld und Verantwortung gewünscht. Auch dass Bianca keine Sekunde an ihrem Vorhaben zweifelt, finde ich zu roboterlike, als würde das alles an ihr abprallen. Einmal hinhocken und weiß werden im Gesicht und weiter ...
Ein Sabotageakt, denn nichts anderes ist es letztlich, ist schon ein heftiges Ding und dass das vor allem nach dem Unglück ohne Zweifel als gerechtfertigt stehenbleibt und nicht wirklich in Frage gestellt wird, ist mMn bedenklich. Was ich auch vermisse, ist eine Darstellung der schlechten Arbeitsbedingungen. Was ist so katastrophal an den Zuständen, dass solch ein Akt quasi als Gegenschlag aus Notwehr gegen den Arbeitgeber gerechtfertigt wäre? Das wird so vorausgesetzt, dass ich als Leser das weiß, ich kann es jedoch nicht aus dem Text lesen. Da kommt kein Konflikt auf, weil ich das nicht nachfühlen kann und weil es keine Zweifel gibt, da gibt es nur die soldatische Bianca, die ihr Ding durchzieht und Kollateralschäden in Kauf nimmt.
Ich möchte dich dazu ermuntern, in die Tiefe zu gehen, dem Ganzen mehr Raum zu geben und den Konflikt dichter an den Leser heranzutragen, ihn erlebbar zu machen. Was genau ist das Problem? Wo ist der Chef, der unzumutbare Arbeiten verlangt und woraus genau bestehen die?

linktofink, ich danke Dir sehr für die Zeit, die Du Dir genommen hast und besonders auch für die in diesem Absatz formulierten Überlegungen. Damit kann ich etwas anfangen. Ich werde den Text in den kommenden Tagen überarbeiten.

Lieber Gruß, Penthesileia

 

@Penthesileia
Noch kurz, wenn du ein @ vor den Nick setzt, bekommt derjenige eine Nachricht, dass du ihn angetextet hast. Peace, ltf.

 

Hallo @linktofink, danke für die Info und liebe Grüße, Penthesileia

Hallo @jimmysalaryman, vielen Dank für Deinen Kommentar.

„Nur ich und der Kranführer?" Er blickte auf die Blasen an seinen Händen. "Ich muss die Ladung nur so befestigen, dass sie nicht richtig hält?"

Das ist eine Krücke. Wirkt auch wie Infodump, so nach dem Motto: DAS muss der Leser verstehen. Vertrau deiner Geschichte. Der Leser versteht es.

Stimmt, danke.

Bianca öffnete die Schublade, nahm das Album ihres Großvaters heraus und strich mit den Fingerkuppen über den Schriftzug.
"Alles, was ich kann, hab ich von dir gelernt", sagte sie leise und blätterte die Fotos durch. Bohrarbeiten im Gotthardtunnel. Ihr Großvater mit einer roten Fahne in der Hand. Er war aktives Gewerkschaftsmitglied gewesen. Ein Foto mit Bianca. Auch in der Gotthardröhre, er hatte sie mitgenommen, das war kurz vor seinem Unfall. Ein Steinbrocken hatte ihn erschlagen.

Auch ein bißchen viel. Nahe am Kitsch auch. Als wäre der Arbeitskampf nicht ausreichend, als müsste es da noch ein unbedingt persönliches Motiv geben. Hat dein Text gar nicht nötig.

Nahe am Kitsch? Will ich auf keinen Fall! Nehme ich raus. Guter Hinweis, dass eine Sache reicht. Danke. Ich dachte, dass es für einen gestellten Unfall ein persönliches Motiv braucht, weil eine Gewerkschafterin kaum einen Unfall inszenieren würde, wenn dabei ein Risiko für die Arbeiter besteht, (es sei denn sie hat einen wirklich guten Grund und könnte damit ein noch viel größeres Risiko abwenden). Aber ich versuche es mal mit dem Hauptmotiv (dem Arbeitskampf) und arbeite die Motive der Arbeiter sorgfältiger aus. Mal sehen, wohin das dann führt. Ein persönliches Motiv könnte man ja auch der Phantasie des Lesers überlassen (außerdem).

„Hm. Kann ich nicht genau sagen. Man denkt, dass du nie aufgibst, egal was passiert. Du bist mutig, jeder findet dich toll."

Hier ähnliche. Ihre Führungsqualitäten werden doch durch den Text bewiesen, sie ist die, die die Zügel in der Hand hält. Warum das so trivialisieren? Trau dem Leser und deinen Figuren.

Stimmt, danke für den Hinweis.

Es war Nacht. Bianca kletterte über die Friedhofmauer und schlich sich zum Grab. „Hey“, sagte sie und legte eine Blume auf die Erde. "Pedro Marino, der sein Leben beim Tunnelbau verlor", stand auf dem Grabstein. „Ich kämpfe für dich weiter“, flüsterte Bianca. Der Wind strich ihr durch das Haar. Sie wischte sich über die Wange. „Einer von ihnen erinnert mich an dich“, sagte sie leise, „Peppe.“ Ihr Gesicht schien hart im Schimmer des Mondes, obwohl sie lächelte. Sie zog den Reisverschluss zu.„Peppe befestigt die Platten. Der Kranführer lenkt die Ladung zur Grube rüber und lässt sie runter krachen. Guter Plan, hm?“ Sie nahm eine Hand voll Erde vom Grab und ließ sie durch die Finger rieseln. „Wir brauchen eine Story für die Zeitung. Eine Story, die den Streik vorantreibt. Ich will nicht, dass meinen Leuten das passiert, was dir passiert ist. Ich will keine Unfälle." Es vergingen ein paar Minuten. Bianca berührte den Grabstein und fuhr mit der Hand über die Schrift.„Was ist ein gestellter Unfall, bei dem niemand verletzt wird, im Vergleich zu all dem Elend, das die tragen müssen?“ Sie blickte Gedanken versunken zur Mauer. „Drück mir die Daumen“, sagte sie, stand auf und verschwand in der Dunkelheit.

Dieser ganze kursive Teil, das muss die Geschichte lösen. So nimmst du da eine zu krasse Abkürzung und verschenkst auch Potential. Ich fragte mich die ganze Zeit, was wollen die denn jetzt? Ich bin selbst schon 20 Jahre in der Gewerkschaft - da werden doch Ziele ganz klar kommuniziert: Wir gehen auf die Straße für bessere Arbeitsbedinungen.. DAS sind unsere konkreten Forderungen. Hier ist das Ziel zu schwammig. Und wenn es so sein soll, dass die Protagonistin nur ein hitzig und euphorisch ist, wegen ihrer persönlichen Vergangenheit, fehlt mir das Agitieren, die Agenda. Dann müsste sie alle anderen mehr oder weniger manipulieren. Ich glaube nicht, dass ein Kranführer bei so was mitmacht, wenn es keinen guten, zwingenden Grund dafür gibt. Da müsste es etwas Intimeres geben: Sie sagt, wenn du das machst, dann vögeln wir. Oder ich zahl dir 1000 Euro. Oder was weiß ich. Nur durch ein paar warme Worte, nein. Geht mir viel zu schnell.
Der Text hat was von einem mudraker, wie man das in den Staaten nennt. ÖL von Upton Sinclair fällt mir ein, oder auch diese Fleischereisache von Sinclair Lewis. Da passiert etwas, gefährliche Arbeiten, Unfälle, alles scheint so halbseiden, eine eigene Welt, von der niemand etwas mitbekommt, die so fast im Geheimen passiert ... das müsstest du aber auswalzen, 30, 40, 50 Normseiten, da muss mehr Konflikt rein, mehr Anbahnung, mehr Charaktertiefe, mehr Subtilität. Ich will die Gefahr, die Ungerechtigkeit, den Grund für diesen radikalen Schritt sehen, nachempfinden, nachvollziehen. Ich will die Motive deiner Figuren verstehen.

Vielen Dank, Jimmy, für diesen wertvollen Input. Diese Geschichte werde ich auf gar keinen Fall auf 30, 40, 50 Normseiten auswalzen. Aber ich werde versuchen mehr Charaktertiefe in die Figuren zu bringen, klarere Motive zu schaffen und den Konflikt näher an den Leser heranzuführen. Danke!

Lieber Gruß Penthesileia

 

Hallo @linktofink, hallo @jimmysalaryman und hallo @Catington, ich habe die KG überarbeitet und versucht, die Figuren und Motive klarer zu gestalten und die schlechten Arbeitsbedingungen herauszuarbeiten. Ich habe außerdem ein neues Ende geschrieben und Violetta ganz aus dem Text gestrichen.
Ich wünsche Euch eine gute Woche!
Lieber Gruß, Penthesileia

 

Was ist ein gestellter Unfall, bei dem niemand verletzt wird, im Vergleich zu all dem Elend, das die tragen müssen? Drück mir die Daumen“, sagte sie, stand auf und verschwand in der Dunkelheit.

Alles schon gesagt und doch überkam mich – immerhin ehemals Metaller und hernach (IGM-Mitgliedschaft wäre schon denkwürdig, hätte ich während der 20 Jahre im Gesundheitsunwesen nicht gewechselt) ÖTV, heute Verdi – nicht erst bei dem vorangestellten Zitat ein seltsames Gefühl und zugleich das brecht‘sche Wort, was denn der Einbruch in einer Bank sei gegen die Gründung einer Bank: Wie wäre es, wenn „Bianca“ von einer bestimmten Presse käme (und nicht nur Journalisten erhofft, wie‘s gegen Ende durchschimmert) und durch inszenierte Tat die Sensationslust ihrer Kundschaft bzw. Arbeitgebers befriedigen wollte?
Inszenierung ist die halbe Moderne, vor allem aber die wirrtuelle Welt … Und was verdient schon eine Gewerkschaftssekretärin gegen einen „hervorragenden“ Journalisten/Reporter?,

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts,

liebe @Penthesileia!
(ein großer Name, wobei ich mich frage: eher Mythos oder doch Kleist als Taufpate …)

Ein großes und vor allem heißes Thema hastu da angefasst, vor allem wenn man den gesellschaftlichen Wandel seit den 1980ern einbezieht von der industriellen zur postindustriellen, oder wie‘s aktuell in der Soziologie heißt, der „Gesellschaft der Singularitäten“ (A. Reckwitz), wo ja schon der Verfall der Organisationen (wie etwa der Gewerkschaften) durchklingt.

Aber es wären noch ein paar Flusen aufzulesen

„Und das ist Luca. Und hier meine Frau. Da war sie sehr erschöpft. Er kam fast acht Wochen zu früh und wir haben zuerst gedacht, dass er nicht überlebt …, aber nach drei Wochen durften wir ihn nach Hause nehmen … wir sind sehr glücklich …, wirklich, ich liebe meine Kinder…
Bis aufs Ende hastu linktofinks Hinweis durchgezogen, und ich will Dir begründen, warum die Auslassungspunkte i. d. R. mit Leerzeichen von den Worten zu trennen sind: Stehen Auslassungspunkte direkt am Wort, behaupten sie, dass wenigstens ein Buchstabe am Wort fehle – was offensichtlich nicht der Fall ist.
Zudem wäre in einem solchen Falle die Ästhetik des Apostrophs viel rationeller und eleganter … Die kleine Lücke hat also ihre bestimmte Funktion.

Im folgenden Fall sind Dir die einleitenden Anführungszeichen verschütt gegangen und ist zugleich vor dem Infinitivsatz („ein Krüppel zu sein") ein Komma zu setzen, weil die Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängig ist, eben dem Reißverschluss

Sie sprach leise, zog den Reißverschluss zu.[„] Er … hat mir seine Prothese gezeigt. Er hat gelacht und … gesagt, es wäre gut[,] ein Krüppel zu sein, weil man dann bessere Arbeitsbedingungen hätte.“

Sie wartete[,] bis der Zeiger auf Halb war.

Auslassungspunkte musstu hier nochmals korrigieren ...
„Peppe“, drang es aus dem Hörer „Peppe…oh Gott…der Wind hat...der Wind hat die Platten zu früh…Peppe liegt unter den Platten…einen Krankenwagen, schnell…, oh Gott … oh … Gott …, oh mein Gott …, Scheiße, Scheiße … Scheiße …“
Ich weiß, sie sollen die Dramatik erhöhen, bremsen aber eher aus. Vllt. ohne Punkt und Komma (manche sprechen ja tatsächlich so und James Joyce lässt im letzten Kapitel des Ulysses‘ ohne Punkt und Komma Molly monologisieren, am Vorbild sollte es also nicht scheitern)

Hier

„Peppe liegt unter den Platten … Peppe … “ Das wiederholte sie dreimal, dann versagte ihre Stimme.
muss das auslaufende Anführungszeichen direkt hinter den letzten Punkt gesetzt werden

In der Kälte, in der Hitze, im Regen? Mit Fünfzig Invalid zu sein?
Mit fünfzig…“, eigentlich ein „mit fünfzig Jahren“

Eine Katze sprang über die Friedhofmauer.
Fugen-s vor der „mauer“

Sie nahm sie den Briefumschlag, riss ein Stück vom Isolierband ab, das sie mitgenommen hatte[,] und wärmte sich die Hände zuerst mit dem Feuerzeug und dann in den Jackentaschen.
Ein „sie“ reicht an sich und das Komma beendet den Relativsatz („das sie mitgenommen hatte“, denn das „und“ verbindet gleichrangige Satzteile des Hauptsatzes „Sie nahm …, risss ein Stück … und wärmte sich …

Wie dem auch wird – ein gelungener Einstand, findet der

Friedel

 

Hallo @Friedrichard, vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Alles schon gesagt und doch überkam mich – immerhin ehemals Metaller und hernach (IGM-Mitgliedschaft wäre schon denkwürdig, hätte ich während der 20 Jahre im Gesundheitsunwesen nicht gewechselt) ÖTV, heute Verdi – nicht erst bei dem vorangestellten Zitat ein seltsames Gefühl und zugleich das brecht‘sche Wort, was denn der Einbruch in einer Bank sei gegen die Gründung einer Bank: Wie wäre es, wenn „Bianca“ von einer bestimmten Presse käme (und nicht nur Journalisten erhofft, wie‘s gegen Ende durchschimmert) und durch inszenierte Tat die Sensationslust ihrer Kundschaft bzw. Arbeitgebers befriedigen wollte?
Inszenierung ist die halbe Moderne, vor allem aber die wirrtuelle Welt … Und was verdient schon eine Gewerkschaftssekretärin gegen einen „hervorragenden“ Journalisten/Reporter?,

Von IGM zu Brecht über Verdi und dann in die Moderne hat mich zuerst verwirrt und dann inspiriert. Danke für Deine Gedankensprünge!

Ich belasse es bei der Gewerkschafterin, die den Fokus auf die Arbeitnehmenden gerichtet hat, auch wenn ich mir eine Geschichte vorstellen könnte, in der die Gewerkschaftssekretärin zum Beispiel eine Affäre mit einem Journalisten hat und dann durch widersprüchliche Interessen in einen miserablen Konflikt gelangt. Oder eine Gewerkschafterin, die (auch) für die Presse arbeitet. Ja, warum nicht? Gewerkschaften arbeiten sowieso eng mit der Presse zusammen. Aber das wäre dann eben eine andere Geschichte.

Vielen Dank für Deine Korrekturhinweise. Hab ich alles angepasst.

liebe @Penthesileia!
(ein großer Name, wobei ich mich frage: eher Mythos oder doch Kleist als Taufpate …)

Ja, ein großer Name. Ihr habt ja schon im Forum diskutiert, was der Unterschied zwischen einem Pudel und einem Orca ist und da wollte ich mich gleich von Anfang an richtig einreihen, haha.

Friedel, ich danke Dir für Deine Zeit und Mühe!

Es grüßt Penthesileia

 

Hallo Penthesileia, wir hatten über die Geschichte ja schon ein bisschen gesprochen. Hier kommen meine Eindrücke zur neuen Version, die vielleicht auch für andere Leser interessant sein könnten.

Erst mal ein paar Details:

Eine einzelne Glühbirne, die an einem staubigen Kabel hing, spiegelte sich im geschlossenen Fenster der Baracke.

Grundsätzlich geht man davon aus, dass die ersten Sätze einer Geschichte sprachlich perfekt sein sollten, damit der Leser gut in den Text kommt. Reflexive (rückbezügliche) Verben wirken immer ein wenig hölzern, deshalb ist es sicher eine gute Idee, solche Konstruktionen in den ersten Sätzen zu umgehen.

… die Tür von der Baracke nebenan wurde zugeknallt.

Die Konstruktion von der Baracke nebenan ist ein bisschen umständlich. Und statt wurde zugeknallt besser: die Barackentür knallte

Es geht bei guter Sprache meist darum, so knapp und präzise wie möglich zu schreiben.

„Ich würde es ja machen. Ich würd ja länger bleiben. Aber meine Frau arbeitet am Morgen bei der Firma Topic, am Mittag hilft sie in der Mensa aus und am Abend putzt sie die Sportanlagen beim Flughafen, sie kann nicht früher nach Hause kommen, geht nicht.“

Das sind eine Menge Infos, die da aus ihm raussprudeln. Ein Autor muss dem Leser die notwendigen Informationen liefern, aber das sollte so dezent wie möglich passieren, am besten nebenbei.

„Auf gar keinen Fall mach ich da mit“, sagte Massimo und schnalzte mit der Zunge, „du hast sie nicht mehr alle. Da krieg ich nicht nur die Kündigung, da komm ich in den Knast.“

Besser so: „Auf gar keinen Fall mach ich da mit“, sagte Massimo und schnalzte mit der Zunge. „Du hast sie nicht mehr alle. Da krieg ich nicht nur die Kündigung, da komm ich in den Knast.“

Grundsätzliches:

Eine gute Geschichte stellt meist einen Balanceakt dar, zwischen rationaler, gut durchdachter und glaubwürdiger Storyentwicklung einerseits und emotional berührendem oder gar mitreißendem Drama andererseits. Ich sehe in Deiner Geschichte Potenzial auf beiden Seiten, aber auch Defizite.

Rein von der Storyentwicklung her ist es ziemlich ambitioniert, diesen Sabotageakt glaubwürdig verkaufen zu wollen. Ein Kranführer braucht wahrscheinlich sehr gute Gründe dafür, denn für eine derartige Aktion droht Knast. Du hast auch Gründe angeführt, aber ob die jeden Leser überzeugen, da habe ich meine Zweifel.

Und da sind wir beim Emotionalen. Würde man die Schwierigkeiten, mit denen die Arbeiter zu kämpfen haben, nicht nur aufgezählt bekommen, sondern live beobachten, wäre das für die Geschichte wahrscheinlich ein Gewinn.

Ich bin dafür die Figuren von Geschichten leiden zu lassen. Grundsätzlich. Ich finde, in vielen Geschichten leiden die Figuren zu wenig. Lass sie durch die Dunkelheit gehen, nicht nur ein bisschen, sondern richtig. So sehr, dass der Leser denkt: Meine Fresse, das ist bitter.

Erst dann werden auch irrationale Handlungen glaubhaft, denn wir wissen, dass Menschen in Krisensituationen die verrücktesten Dinge tun.

In der nächsten Geschichte wäre das vielleicht ein Ansatz für Dich. Beschreibe die Handlungen eines Menschen in der Krise, dann bist Du auch viel freier in der glaubwürdigen Vermittlung extremer Reaktionen.

Mir gefällt der politische Ansatz Deiner Geschichte. In Literatur und Film gibt es das Problem, dass politische Verhältnisse häufig ausgeblendet und/ oder individualisiert oder psychologisiert werden. Ein Verbrecher wird dann meist ohne den sozialen Kontext als singuläres Phänomen gezeigt. Doch die Wahrheit ist, dass die meisten Verbrechen direkt oder indirekt einen sozialen und damit politischen Hintergrund haben.

Wenn wir verstehen wollen, dass Menschen »an und für sich« niemals gut oder böse sind, sondern stets von den gesellschaftlichen Verhältnissen beeinflusst werden, in denen sie leben, ist es auch gut, das zu zeigen. Vielen Dank dafür!

Gruß Achillus

 

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