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Verdun
06. März 1916
Verdun, Frankreich
Innerhalb der Schützengräben herrschte die Hölle auf Erden. Viele der Soldaten hatten den Schmalen Grat zum Wahnsinn bereits überstrapaziert. Die Erlebnisse der letzten Tage hatten tiefe Falten in ihre Gesichter gedrückt. Das Schlachtfeld zwischen den beiden französischen Beobachtungsposten „Toter Mann“ und „Höhe 304“ glich einem Trichterfeld. Mehr Material und mehr Menschen hatte bis jetzt noch keine Schlacht in der Geschichte der Menschheit gefordert. Im Morgengrauen kam der Befehl zum Angriff auf die beiden Anhöhen, die als Schlüssel für die französische Festung angesehen wurden.
Der „Tote Mann“ war schnell eingenommen, doch „Höhe 304“ leistete erbitterten Widerstand.
Einer der deutschen Soldaten in diesen Tagen trug den Namen Max Bäcker, ein 17 jähriger Junge der gerade erst angekommen war. Er war für sein Alter recht klein gewachsen, 1, 70 groß und wog zu diesem Zeitpunkt nur noch 60 Kilo. Seine tiefbraunen Augen waren von Angst erfüllt und seine dunkelblonden Haare versteckten sich unter einer preußischen „Pickelhaube“.
Das Gewehr fest umklammernd, fast taub vom Lärm der schweren Geschütze und nur noch scheinbar bei Bewusstsein, wartete er auf den letzten Spurt seines Lebens.
Seine ganzes Sein hatte er in einem Dorf in Bayern verbracht. Als der Krieg ausbrach war die Euphorie groß. Die Menschen sprachen vom Sieg, sie schilderten ihm den Krieg als etwas wunderbares und bekamen glänzende Augen davon.
Sein Vater war ein normaler Angestellter in einer großen Manufaktur, er war sehr streng wie die meisten Väter in dieser Zeit. Seine Mutter war eine gute Frau, die ihn von Herzen liebte. Innerhalb des Dorfes hatte er viele Freunde die er bereits seit seiner Grundschulzeit kannte.
Im großen und ganzen eine ganz normale Kindheit. Die Jahre vergingen und Max wurde zu einem jungen Mann. In der Schule war er schon immer recht gut gewesen und seine Eltern waren stolz auf ihn. Schließlich wurde er 16 und besuchte zusammen mit seinen Freunden ein Gymnasium.
Seit dieser Zeit hatte auch ein Mädchen aus seiner Nachbarschaft ihn in ihren Bann gezogen. Marie Schmitt war ein gleichaltriges Mädel, das in das Alumnat der nächst größeren Stadt ging um dort im Chor zu singen. Manchmal harte er morgens vor dem Bahnhof aus, nur um zu sehen wie sie mit dem Zug fortfuhr. Er war wie verzaubert von ihr.
Irgendwann nahm er schließlich seinen ganzen Mut zusammen und sprach mit ihr. Er kam sich dämlich vor und hatte furchtbar zitternde Knie. Alles was er an diesem Tag herausbrachte war ein trockenes: „Guten Tag.“ Und alles was er zurückbekam war ein schüchternes Lächeln. Nach diesem Vorfall beschloss er sie erst einmal zu vergessen. Er war nach Meinung seiner Eltern ohnehin viel zu jung um an Mädchen zu denken.
Dies ging lange Zeit gut, doch einige Monate später sah er Marie wieder. Auf der alljährlichen Kirchweihfeier, dem größten Ereignis im Dorf.
Die alten Männer sprachen von sonderbaren Dingen. Von Demokraten, Sozialisten und über die kaiserliche Inkompetenz. Max verstand nichts von Politik. Schließlich war er gerade erst 16 Jahre alt geworden. Zu allem Überfluss war er Marie wieder ganz verfallen, ihren blonden Locken und ihren tiefblauen Augen. Er saß ein paar wenige Tische von ihr entfernt und starrte sie förmlich an. Seine Familie saß mit der Familie von Ferdinand an einem Tisch, seinem besten Freund seit Kindergartentagen. Die zwei Knaben saßen am Tischende ein Stück Abseits von den Erwachsenen.
„Was starrst du da rüber Max?“
„Worüber? Ich starre nicht.“
„Mein Vater sagt das es wohl bald Krieg geben wird.“
„Ja, mein Vater redet auch oft davon. Er meint die Russen wären unser Untergang.“
„Ich will auch in den Krieg. Für Kaiser und Vaterland.“
„HA!“ Ferdinands Vater hatte ihnen zugehört.
„Für den Stümper willst du in den Krieg ziehen? Das einzige wozu er nütze ist sind schöne Paraden halten und sein Bein nachziehen.“ Der Tisch brach in schallendes Gelächter aus.
Krieg gab es keinen, noch nicht. Das Gelächter wurde unterbrochen als urplötzlich Marie und ihr Vater neben Max auftauchten. „ Peter. Darf ich deinem Sohnemann um den Gefallen bitten meine Tochter nach Hause zu geleiten? Hab kein gutes Gefühl wenn sie alleine geht, bei dem Gesocks was zur Zeit rum läuft.“ Fragte Maries Vater, den Vater von Max
„Aber natürlich, Klaus. Komm und setz dich zu uns. Hast du gehört Max? Sei ein guter Junge und bring das Mädchen sicher zu ihrer Tür. Aber hüte dich sie noch weiter zu begleiten“ erneutes Gelächter, Max wurde etwas rot. Er verabschiedete sich von Ferdinand und verließ das Fest gemeinsam mit Marie.
Auf dem knapp zwei Kilometer langen Weg schlug sein Herz wie wild. Er traute sich nicht zu sprechen. Die Beiden liefen schüchtern, schweigend nebeneinander her bis zu ihrer Pforte.
„Hab Dank, Max.“ sagte sie sanft.
„G..Gern geschehen, Marie.“ stammelte er.
Kurze Stille. Max zitterte ein wenig.
„Holst du mich morgen früh ab und wir gehen gemeinsam zum Bahnhof?“ fragte sie überraschend.
„Ja, das würde ich sehr gern.“ platzte es aus ihm heraus.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu und gab ihm einen Sekundenkuss auf die Wange.
„Gute Nacht Max.“ verabschiedete sie sich und ging durch die Türe ins Haus.
Max stand noch einige Zeit vor der Haustüre und ging schließlich mit verträumtem Blick zu seinem Zuhause.
Von nun an waren die Beiden unzertrennlich. Max freute sich schon jedes Mal wenn er sie auf dem Bahnsteig in den Zug stiegen sah auf den nächsten Morgen. Außerhalb des Schulweges durften sie sich nicht treffen. Das geziemte sich nicht.
Je älter er wurde, desto mehr wurde ihm klar, dass er nicht mehr ohne sie sein kann.
Eines Morgens, kurz bevor sie in den Zug stieg gestand er ihr was er schon so lange mit sich herum schleppte und sie schenkte ihm das gleiche schüchterne Lächeln was sie ihm damals nach seinem „Guten Tag“ geschenkt hatte. Sie steckte ihm einen Brief zu in dem das selbe stand was er ihr so eben mitgeteilt hatte. Sie schrieben sich nun öfter. Versprachen sich sogar zu heiraten wenn die Zeit dafür gekommen war. Zwei Tage nach seinem 17ten Geburtstag kam Max nach der Schule in ein leeres Haus zurück. Als ihm seine Eltern auch nach seinen Rufen keine Antwort gaben beschloss er in der Manufaktur seines Vaters nach zu fragen.
Auf dem Weg dorthin sah er einen großen Menschenschwall auf dem Marktplatz. Er erspähte auch seine Eltern in der Menge und rannte geschwind zu ihnen.
Die Masse war um den Brunnen versammelt auf dessen Podest ein Mann stand, der Militärkleidung trug.
„Heute Morgen,“ sagte der Mann „hat unser treuer Bundesgenosse Österreich – Ungarn, Russland den Krieg erklärt. Der russische Zar hat Partei ergriffen in der Balkanfrage. Er ist auf die Seite Serbiens getreten. Auf Seiten der Nation die den geliebten Thronfolger unseres Verbündeten auf niederträchtige Art und Weise ermordete. Doch nicht nur Russland, nein, auch Frankreich und England haben sich gegen uns verschworen. Die ganze Welt ist gegen uns. Seine Majestät der Kaiser ließ heute verkünden, dass unsere Freunde in ihrem Kampf gegen die Russen und die Entente nicht alleine sind. Er hat Russland, Frankreich und England mit sofortiger Wirkung den Krieg erklärt......“
Die restliche Rede ging im Jubel der Masse unter.
Das ganze Reich war im Aufruhr, im Westen war schon längst das neutrale Luxemburg und das neutrale Belgien von deutschen Truppen eingenommen worden und der Schliefen Plan lief in seiner heißesten Phase. Der „Große Krieg“, wie er genannt wurde bis es einen noch größeren gab, hatte begonnen.
Es war als gäbe es kein anderes Thema mehr. Alle Männer ab 20 wurden unverzüglich zur Tauglichkeitsmusterung gebeten. Max und seine Freunde waren noch nicht im kriegstauglichen Alter. Doch vor allem Ferdinand wollte mit allen Mitteln in den Krieg. Gruppenzwang kann manchmal eine schlimme Sache sein. Max wollte zwar auch für sein Vaterland kämpfen, er war wie alle Knaben in dieser Zeit militärisch erzogen worden, doch mehr als alles andere wollte er Marie nicht verlieren.
Ein Teil von ihm musste seinen Freunden folgen. Er ließ sich von seinen Schulkameraden, die mit Begeisterung von Ehre und Pflichtgefühl sprachen anstacheln. Als sie sich dann bei der Musterung für älter ausgaben als sie waren, um ohne das Wissen ihrer Eltern in den Krieg zu ziehen, tat er es ihnen gleich. Die Armee drückte gerne ein Auge zu, was das Alter seiner Rekruten anging. Gemeinsam mit seinen Kameraden feierte er die Musterung und den Abmarschbefehl in zwei Wochen mehr wie jedes Weihnachten und jeden Geburtstag seines Lebens zusammen.
Vier Knaben die ihr ganzes Leben zusammen verbracht hatten saßen am Abend im Wirtshaus und bekamen Freigetränke für ihre Tapferkeit. Sie fühlten sich großartig. Schon jetzt wie Helden.
„Ich werde als Offizier nach Hause kommen.“ verkündete Willi. Er musste als einziger der vier an die Ostfront, um die es besser stand als um den Westen. „Für den Kaiser!“ prostete Alfred halb betrunken durch das ganze Wirtshaus. „Für den Kaiser!“ stimmten die anderen Anwesenden mit ein. Nach dem Zapfenstreich ging Max nicht nach Hause. Er wollte seinen Eltern nichts erzählen. Sein Vater würde nicht zulassen das er geht.
Die letzte Nacht verbrachte er mit Marie heimlich in der Scheune ihrer Eltern.
Am nächsten Morgen, als sie ihn auf dem Bahnsteig begleitete sah er seinen Vater dort stehen. Anstelle einer Ohrfeige, bekam Max eine Umarmung. Sein Vater sagte kein Wort. Seine Augen waren glasig und sein Schnauzbart zuckte. Er war den Tränen nahe, Max ebenfalls. Zum Abschied gab er Marie einen Kuss auf die Stirn und wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. „Ich komme wieder“ versprach er. „Lass mich nicht los“ bat sie ihn unter heftigem schluchzen, doch er lies sie los und stieg in den Zug nach Frankreich, ihr Foto in seiner Brusttasche, nah bei seinem Herzen. Willi und Ferdinand waren schon im Zug. Auf der Langen Zugfahrt zur Deutsch – Französischen Grenze saß die Trauer noch immer tief bei Max. Den anderen ging es völlig anders. „Vorfreude darauf dem Franzmann die Hammelbeine lang zu ziehen“, bezeichnete Ferdinand die Stimmung im Waggon.
Am Bahnsteig wurden sie mit militärischer Härte empfangen, eingereiht und dann ging es zu Fuß weiter. Sie marschierten und marschierten Wochen lang durch zerstörte Städte.
In dieser Phase des Krieges, in der Sieg oder Niederlage auf Messers schneide standen bekamen neue Rekruten keine längere Grundausbildung. In den tagelangen Pausen bekam er einen Schnellkurs im töten. Ein paar Schussübungen auf Zielscheiben und das zustechen mit dem Bajonett auf Sandsäcke, Marschierübungen und taktische Kriegsführung. Nur das allernötigste. Die Stimmung in der Truppe war noch immer gut und es wurde kräftig gesungen. „Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos.....“.
Je mehr Marie mit jedem Schritt in größere Entfernung rückte, desto mehr kam ihm der Gedanke einen Fehler gemacht zu haben. Sie fehlte ihm schrecklich.
Der Marsch ging weiter. Nachts konnte man am Horizont die Detonationen der Artillerie sehen, wie sie die Nacht erhellte. Irgendwann wurden der Zug aufgeteilt. Ferdinand und Alfred marschierten nach Ostfrankreich. Max sollte in Verdun zum Einsatz kommen, der größten Festung der Franzosen in dieser Region, deren Name sich in ferner Zukunft in allen Geschichtsbüchern finden sollte.
„Mach uns keine Schande Max.“ waren die letzten Worte die er von Ferdinand hören sollte.
„Passt auf euch auf ihr zwei. Wir sehen uns wieder.“ waren seine letzten Worte.
„Viel Glück.“ waren die von Alfred.
Von nun an war er alleine mit Fremden. Bereit in einen Krieg zu ziehen den er nicht einmal verstand.
Jede Marschpause schrieb er einen Brief an Marie, schilderte ihr die Situation möglichst harmlos und versicherte ihr so schnell wie möglich zu ihr zurückzukommen.
Am 20 Februar 1916 kam Max schließlich im Hauptquartier der Kaiserlichen Armee wenige Kilometer vor dem Festungsring Verdun an und erblickte erstmals das Gesicht des Krieges. Innerhalb weniger Stunden war jedes Fünkchen Kriegslust und Kampfeswille aus seinem und den Gesichtern seiner Kameraden gewichen. Angst und Entsetzen zeichneten sich ab. Er sah wie Soldaten denen Gliedmaßen fehlten, vor schmerzen schreiend und um Gnade flehend auf Baren von der Front weg getragen wurden und wusste das er das Grauen was diese Männer getroffen hatte schon bald sehen würde.
Am 21. Februar des Jahres 1916 sollte die „Hölle von Verdun“ offiziell beginnen. Das Unternehmen „Gericht“ brach um 8:40 Uhr mit Artillerie aus 1225 Geschützen auf einer Frontbreite von 112 Kilometern los. Die Druckwelle der Geschütze war so stark das im heimischen Trier ein dumpfes Grollen zu vernehmen war und dass im weit entfernten Straßburg etliche Fenster zu Bruch gingen. Als die Geschütze um 17 Uhr aussetzten ertönen Pfiffe aus deutschen Schützengräben. Das Zeichen der Infanterie zum Angriff. Die französische Armee kämpfte mit allen Mitteln, gab keinen Meter Boden Preis. Die meisten deutschen Angreifer fielen direkt in die eigenen Gräben zurück, vom französischen Maschinengewehrfeuer zersiebt. Max, der zur Reserve gehörte, hörte den schrecklichen Lärm des Krieges mit seinem Zug in einem Unterstand und starrte regungslos auf den Boden.
Unter riesigen Verlusten auf beiden Seiten ging der deutsche Vorstoß weiter.
Der Gegner sollte „ausbluten“. Nicht strategische Einrichtungen standen im Vordergrund, sondern die schlichte Vernichtung des Feindes mit allen Mitteln, koste es was es wolle. Am 06. März 1916 bekam die Reserve den Auftrag die französischen Beobachtungsposten „Toter Mann“ und „Höhe 304“ zu erstürmen. Von denen aus der Feind seine Artillerie Angriffe koordinierten. Max wurde der dritten Angriffsgruppe zugeteilt. Die Männer standen in ihren Schützengräben in Reihe hintereinander, zu hunderten. Es herrschte eine beklemmende, angespannte Ruhe bevor wieder die Hölle losbrach, wie vor jedem Vorstoß. Mit einem Pfiff aus seiner Trillerpfeife befahl der Hauptmann den ersten beiden Wellen den „Toten Mann“ zu stürmen. Max hört die Schreie auf der Oberseite des Schützengrabens, seine Hände zitterten. Das Bajonett bekam er kaum noch auf sein Gewehr. Er blickte nach oben. Der Himmel war grau, doch kein Regentropfen fiel zu Boden. Es roch nach Tot und nach Blut. In seinem Kopf war nur noch pure Angst. Sein Herz begann stärker zu schlagen, Panik gegen die er nichts tun konnte. Plötzlich tauchte ein Meldeläufer auf. Der Hauptmann setzte seine Pfeife ab. „“Toter Mann“ ist eingenommen! Auf Kameraden, alle in die neue Stellung!“
Welle drei, darunter Max, zog sich am Graben hoch und lief geduckt den Hügel hoch über dem nun die Kaiserliche Fahne weht.
Der Boden war kaum noch zu erkennen. Ein Meer aus Leichen, Gliedmaßen und Eingeweiden erstreckte sich über die gesamte Anhöhe. So auch im Graben. Im Augenwinkel erblickte Max einen Kameraden neben dem er einige Wochen Seite an Seite marschiert war. Seine Augen waren weit Aufgerissen und sein Bauch war in zwei Hälften geteilt worden.
„Welle drei nach vorne. In 2 Minuten geht’s los!“
Max reihte sich benommen ein, sprach sein letztes Gebet und holte das Bild von Marie aus seiner Tasche.
„Keine Chance das zu überleben, die werden uns alle zusammen schießen. Ich hatte ja keine Ahnung. Vergib mir Marie, ich werde mein Versprechen nicht halten können. Vater, ich wollte dich stolz machen, Mutter danke für alles. ich war so dumm.“
Ein Blick nach links. Betende Soldaten, einige weinten, andere übergaben sich.
„Bajonette aufsetzen, wartet auf mein Kommando zum Angriff!“
Nun liefen auch Max Tränen die Wange herunter. „Viel Glück“ hört er seinen Nebenmann sagen.
Max drehte sich um.
„Nimm die Briefe, verspreche mir sie zu nehmen. Du musst sie nach Hause bringen. Bitte...“
„RUHE DAVORNE, ZURÜCK IN DIE REIHE SOFORT SOLDAT!“
Der Soldat dessen Namen er nicht kannte nahm die Briefe an sich und nickte kurz.
Darauf folgen fünf Sekunden totenstille, dann der schrille Pfiff. Ohne zu denken zog sich die erste Reihe am Rand des Grabens hoch und wurde direkt vom französischen Maschinengewehrfeuer erfasst, „Höhe 304“ hatte das Artillerie Feuer unbeschadet überstanden. Der Französische Schützengraben war mit schweren Maschinengewehren bestückt.
Max Bäcker kam als dritter aus dem Graben, voll konzentriert lief er als wäre der Teufel hinter ihm her. Zehn Meter, fünfzehn Meter.
Plötzlich ein Druck auf der linken Brust, der ihn nach hinten riss und zu Boden in den Schlamm schmetterte. Die Gewehrpatrone hatte sich durch seinen Brustkorb gebohrt und seinen linken Lungenflügel zerfetzt. Gelähmt vor Angst und außer Stande zu Atmen lag er in einer großen Blutlache, seine „Pickelhaube“ hatte er noch immer auf seinem Kopf. Der Schmerz, der durch sein Nervensystem peitschte, ließ ihn sich auf dem Boden winden. Blut schoss aus seinem Mund. Mit letzter Kraft holte er Maries Bild aus der Tasche und hielt es solange fest bis seine Hand schließlich erschlaffte und es schwarz um ihn wurde. Eine letzte Träne die der gierige Boden unter der Festung von Verdun aufsog. Maries Bild lag dort noch lange, im Blut von Max, ihrer Großen Liebe. Es fing an zu regnen...
"Nach langer, zäher Abwehr ruft uns der Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs zum Angriff auf des Feindes stärkste Festung bei Verdun.
Seien wir von dem Bewusstsein durchdrungen, dass das Vaterland Großes von uns erwartet.
Es gilt, unseren Feinden zu zeigen, dass der eiserne Wille zum Siege Deutschlands Söhnen lebendig geblieben ist und dass das deutsche Heer, wo es zum Angriff schreitet, jeden Widerstand überwindet.
In fester Zuversicht, dass jeder an seiner Stelle sein höchstes dransetzen wird, gebe ich den Befehl zum Angriff! – Gott mit uns!
Wilhelm
Kronprinz des Deutschen Reiches
und von Preußen"