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Was gehört zu einem guten Roman?

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26.02.2009
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Was gehört zu einem guten Roman?

Philosophiert wird hier nur am Rande über das „Wie“ des Romanschreibens – darüber gibt es bereits genug Literatur. Hier sollen die „Zutaten“ eines guten Romans im Vordergrund stehen.

Diese Zutaten werden einzeln und möglichst ausführlich beschrieben. Ein Patentrezept sollte man dennoch nicht erwarten. Es ist wie beim Würzen einer Speise: Erst die gekonnte Auswahl und Dosierung der Zutaten machen sie zu einem besonderen Hochgenuss.

Bleiben wir noch kurz bei der Speise. Ist sie wohlschmeckend, werden ihr optische Mängel verziehen; Ist sie eine Augenweide, doch geschmacklich fade, wird sie kaum Beifall finden.
Bei einem Roman ist es nicht anders. Stimuliert er inhaltlich, dann sind erzählerische Mängel kaum noch relevant. Hingegen fallen Texte mit inhaltlichen Schwächen trotz perfekter Form bei Kritikern und Lesern durch.
Form und Inhalt sollten nicht getrennt betrachtet werden, sondern als harmonisierende, sich ergänzende, sogar verstärkende Kombination. Damit kommen wir zum ersten Thema:

Stimmigkeit

Form+Inhalt=Stimmigkeit … So lautet die Kurzformel und die könnte zumindest die Frage aufwerfen: Was ist die Form?
Unter „Formen des Romans“ sind bereits einige Grundformen beschrieben. Man kann aber noch verfeinern und sagen: Alles, was den Inhalt dem Leser näher bringt, gehört zur Form.
Eine erste und vielleicht wichtigste Überlegung gilt der Perspektive. Welchen Erzähler wähle ich? Welche Figur soll die Hauptrolle ausfüllen? Eine Figur als Ich-Erzähler, die kurz vor Ende der Geschichte stirbt, ist sicherlich keine optimale Wahl.

Die Sprachebene(n) des Erzählers und der einzelnen Figuren. Näheres unter „Stilart und Stilebene“.

Die Zeitebenen. Ist es sinnvoll, mit vielen Ebenen und Rückblenden zu arbeiten? Zu welchem Zeitpunkt (im gesamten Geschehen/Leben des Protagonisten) setzt die Erzählung optimal (interessant) an? Was hilft hierbei dem Leser, den Inhalt aufzunehmen?

Auch die Länge des Textes gehört bereits in der Anfangsphase zu den Überlegungen hinsichtlich der Form. Der Stoff sollte nicht zu knapp und nicht zu ausschweifend abgehandelt werden. Anmerkungen zur Textlänge findet man hier hin und wieder bei den Kurzgeschichten, mal sei der Text zu knapp für das anspruchsvolle Thema, mal sei er zu ausschweifend, das Thema verwässernd.
Bei Romantexten ist es nicht so einfach zu erkennen, aber die Mühe einer kritischen Prüfung lohnt sich. Helfen kann dabei der Beitrag zur Prämisse. Solange der Erzähler die Prämisse „abarbeitet“, dürfte der Text kaum zu lang werden.
An diesem kleinen Beispiel kann man schon erkennen, dass Inhalt und Form sich nicht zufällig wie Fremde zusammenfinden. Beliebigkeit bei der Wahl der Form verhindert Stimmigkeit!
Die gute Nachricht ist, es gibt keine Regel, in welcher Form ein bestimmter Stoff präsentiert werden muss. Der Autor hat in jedem Fall ein recht weites Experimentierfeld zur Verfügung! Am Ende entscheidet der Leser, ob er der Inspiration des Autors folgen mag.

Expressivität

In ihrer ausgeprägten Form findet man sie in ideologischen Texten. Dort wird nicht auf die bereits erwähnte „Form“ geachtet, sondern allein auf Ausdruckskraft. Es geht schließlich Manipulation des Lesers.
Schaut man sich die Entwicklung in der Welt der Romane an, erkennt man, dass sich zwei Gegenströmungen ständig abwechseln: die formvollendete Klassik und die expressionistische Romantik. Ob heute noch die Frage gestellt werden sollte, in welche dieser Richtungen man sich als Autor wendet, ist schwer zu beantworten. Die Vergangenheit zeigt, dass allzu eindeutig zuordbare Texte in der Bedeutungslosigkeit versunken sind.
Der Grund dafür ist, und das ist vielleicht etwas, was man als Autor von dem Thema Expressivität mitnehmen kann, dass Ausdruck ohne jedes formale Korsett (ideologisch), und formale Perfektion ohne Ausdruckskraft (lauer Aufguss) die Leserschaft nicht nachhaltig begeistern. Solche Werke haben in der Regel eine kurze Lebensdauer, was uns direkt zum nächsten Thema führt.

Welthaltigkeit

Je mehr Bedeutung ein Werk erreicht, desto unverwüstlicher erweist es sich den Zeiten gegenüber.
Das klingt logisch, doch man muss hinterfragen, was mit „Bedeutung“ in diesem Zusammenhang gemeint ist. Jeder kennt Buchtitel, die erst einen Hype erlebt haben und dann nach wenigen Monaten auf Grabbeltischen verramscht wurden. Es muss demnach einen ursächlichen Unterschied zwischen kurzlebiger und nachhaltiger „Bedeutung“ geben und um die soll es hier gehen.

Zunächst muss das „Wie“, so zum Beispiel die Form, zunächst außer Acht gelassen werden. Welthaltigkeit hat, da nichts anderes übrig bleibt, mit dem „Was“, dem Gestalteten zu tun. Dem sind zwei Dimensionen zugeordnet: Breite und Tiefe.
Ein Gesellschaftspanorama vermittelt das Leben (fast) aller sozialen Schichten, deren Verzahnung und spezielle Probleme. Oft wird Privat-, Berufs- und politisches Leben zugleich dargestellt oder gar analysiert. Da so ein Panorama meist in der Lebenszeit des Autors angesiedelt ist, kann man es als Zeitdokument betrachten und als solches hat es bestehenden Wert.
Es ist selbstverständlich höchst subjektiv, ob man so einem breiten Panorama oder einer in die Tiefe gehenden Erzählung den Vorzug gibt. Tiefe spricht Leser an, die eine (fiktive) Welt nicht in ihrer Vielfalt erfahren wollen, sondern den Fokus auf ein individuelles Schicksal ausgerichtet und von dessen Charakter und Probleme im und mit dem Umfeld im Detail Kenntnis erlangen möchten.
Die Gefahr bei großer Tiefe ist ein zu starkes Konzentrieren auf das Stoffliche. Erfährt der Leser die (fiktive) Welt nur durch den Geist eines einzigen Protagonisten, kann man nicht mehr von Welthaltigkeit sprechen, da es dem Werk beinahe völlig an Breite und dem Leser daher an Vergleichsmöglichkeiten fehlt. Eine Urteilsfindung über den Protagonisten und sein Verhalten ist fast unmöglich.
Ideal scheint zu sein, zwischen Breite und Tiefe zumindest eine annähernde Ausgewogenheit herzustellen.

Allgemeingültigkeit

Sie erwächst aus dem „Was“ und kann nur durch ein Subjekt vermittelt werden. In der Regel ist es eine menschliche Figur, der die Aufgabe zufällt, das Allgemeinmenschliche hervorzuheben. Damit werden schon eine ganze Menge Anforderungen an die Figur (oder mehreren) gestellt.

Das Allgemeinmenschliche umfasst das Artspezifische, das dem durchschnittlichen Menschen zugehörige. Man kann diese Merkmale des Verhaltens noch ein wenig auf ein soziologisches und kulturelles Umfeld abstimmen.
Demgegenüber steht das Individuum. Also jener Figurentyp, der vom Autor fein charakterisiert und unverwechselbar gemacht wird. Je mehr eine Figur typisiert wird, desto unverwechselbarer wird sie, desto mehr interessiert sie den Leser. Doch kann so eine einmalige, herausragende Figur noch Allgemeingültigkeit repräsentieren?
Das scheint unmöglich zu sein. Dennoch ist es einigen Autoren, wie ich meine, durchaus gelungen, zum Beispiel Daniel Defoe mit Robinson Crusoe.

Ein weiterer Baustein zur Allgemeingültigkeit ist die Fiktionalisierung der Welt. In der Regel wird die Geschichte dem realistischen Fiktionstyp (Er zeigt die Welt, wie sie ist) zugerechnet werden können. Auch da gibt es zwei Gegenpole, die möglichst nicht berührt, zwischen denen sich der Autor jedoch zwangsläufig bewegen muss.
Auf der einen Seite befindet sich die engagierte Literatur, die sich entlarvend oder kritisch mit einem aktuellen Thema beschäftigt. Solche Literatur hat selbstverständlich ihre Existenzberechtigung, doch ist ihr nur wenig Lebenszeit vergönnt. Engagiertheit ist im Sinne von Welthaltigkeit nicht für einen guten Roman geeignet. Inwieweit Literatur auf die reale Welt einwirken kann oder ob sie das überhaupt soll, ist eine andere Frage.)

Dagegen ist Ignoranz gegenüber allem was den Menschen zur Zeit der Manuskripterstellung beschäftigt, auch nicht der optimale Weg. Da der Autor als Mensch an seiner Zeit und Epoche teilhat und sich mit ihren Besonderheiten täglich auseinandersetzen muss, wird ihm dann, wohl auch zu recht, Realitätsflucht vorgeworfen.

Ein gangbarer Weg ist, das Zeitgeschehen (oder einen wesentlichen Aspekt davon) so zu fiktionalisieren, dass es dem Roman nicht die Allgemeingültigkeit nimmt.

Interessantheit

Ein Roman beschreibt einen Vorgang. Der Leser braucht, um die Lust (Kraft) aufzubringen, diesem zeitlichen Ablauf zu folgen, einen Anreiz. Es muss also Spannung aufgebaut werden.
Als interessant empfunden wird alles, was von der Erwartung abweicht. Etwa eine besonders elegante Sprachkunst, überraschende Entwicklung oder ein scheinbar unlösbarer Konflikt.

Spannung ist kein Merkmal der Trivialliteratur, sondern jeglicher epischer Erzählung. In einem guten Roman wird der Autor zwei Wertesysteme installieren, die in einem antagonistischen Verhältnis stehen. Somit ist die Geschichte nicht von der Handlungsspannung geprägt. Die Geschichte entwickelt sich aus dem Thema heraus, nicht durch die Handlung.

Originalität

Selbstverständlich ist jedes Kunstwerk, so auch jeder Roman, ein Original. Das ist hier nicht gemeint.
Bei Massenware wird keine Originalität erwartet. Zum Beispiel die täglich auf den Markt kommenden Krimis laufen immer nach gleichen Mustern ab, dennoch machen sie einen guten Teil der Buch-Umsätze aus.
Für einen guten Roman jedoch sollte sich der Autor Gedanken darüber machen, wie sein Werk Einzigartigkeit erreicht. Selbst wer auf alle hier angeführten Punkte verzichten möchte, sollte zumindest Originalität und Interessantheit in sein Werk einbringen. Bei der Entwicklung von Spannung dürfte es kaum Probleme geben, aber kann man in der heutigen Zeit noch etwas Schöpferisches und Eigenständiges erschaffen?
Zwei Wege führen zum Ziel: der eine über die Form, der andere über Thema und Motiv. Ein dritter Weg wäre noch möglich, indem man die gewohnten Werte einer Gesellschaft auf den Kopf stellt oder durch neue ersetzt. Das bedingt akribisches beobachten der realen Welt und ein bisschen Glück, gerade in der Zeit eines sich abzeichnenden Umbruchs zu leben oder besser gesagt, zu schreiben.
In jedem Fall muss man sich frei machen von der allzeit und allgemein vorherrschenden Vorstellung, den klassischen Schöpfungen der Vorgänger nichts andersartiges hinzufügen zu können. Dann ist alles, was man noch braucht, ein Geistesblitz.

Ambiguität

Einem Roman steht Einseitigkeit oder gar Parteinahme nicht gut zu Gesicht.
Große Werke beinhalten, etwa ab Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, widersprüchliche Figuren. Zum Beispiel solche Protagonisten, die das Böse wie auch tragische Größe verkörpern. Oder ein Gegensatz, wie gut und böse, wird auf zwei Figuren verteilt, die jedoch das gleiche Ziel verfolgen. Das Aufzeigen unterschiedlicher Tendenzen in der Gesellschaft ist eine weitere Möglichkeit, Ambivalenz in die Geschichte zu bekommen. Da gibt es gegensätzliche Weltanschauungen, die horizontale und die vertikale. Es gibt hedonistische Vorstellungen und sozialistische und so weiter.

Ein guter Roman liefert keine absolute Erkenntnis oder gar ein abschließendes Urteil. Die Arbeit des Autors ist getan, wenn der Leser diesen letzten Schritt eigenständig vollziehen kann, wenn er es will. Er kann das Ganze auch als Bild ewiger Gegenströmungen für sich stehen lassen.
Schießt der Autor über diesen Punkt hinaus, bekommt der Leser schnell den Eindruck von Propaganda oder dass über die fiktive Welt des Romans auf die reale Welt in eine bestimmte Richtung eingewirkt werden soll.

Authentizität

Genauso gut kann man Echtheit sagen.
Um behaupten zu können, ein Text besitze Authentizität, muss es in der realen Welt zum Vergleich heranziehbares Referenzmaterial geben.
Besteht dies Material aus sprachlichen Konventionen, mag der Vergleich eine Zeit lang stimmig beziehungsweise nachvollziehbar sein. Doch sprachliche Nuancen und Umgangssprache ändern sich laufend. Selbst die gelungene Reproduktion eines Jargons hat ein recht begrenztes Verfallsdatum, wenn zugleich der behandelte Stoff zu sehr am Zeitgeist orientiert ist. (Mehr zu Zeitgeist unter Widerständigkeit).
Als Lösung des Problems kann der Autor sich der zeitneutralen Sprache bedienen. Dies wird vom Leser meist als annehmbar empfunden. Eine neutrale Sprache des Erzählers wirkt zumindest glaubwürdig, wenn auch nicht authentisch.
Immerwährend Authentisch wirkt dagegen, wenn der Erzähler eine ganz eigene Stimme besitzt. Das sollte Ziel eines Erzählers sein.

Für die Handlung bedeutet es, eine nachvollziehbare Logik in den Aktionen der Figuren zu haben und eine lückenlose und stimmige Kausalkette in der Handlung.

Widerständigkeit

Widerstand wogegen? Gegen den Zeitgeist, die Politik und den Kommerz.
Doch viele Autoren verstehen das falsch. Sie verfassen ihre Romane mit Hass oder Spott auf diese Bereiche des Lebens. Wenn Kunst aus geistiger Freiheit entspringen soll, dann sollte Kunst sich nicht vor einen Karren spannen lassen. Ebenso sollte sie Bestehendes nicht verteufeln, denn wer das tut, ist genauso unfrei.
Widerständigkeit ist als Beständigkeit gegenüber allen (wechselnden) Strömungen zu verstehen.

Doch kann sich der Roman(-Schreibende) nicht von der Wirklichkeit abwenden. Das ist heute kaum noch möglich, da es nur äußerst wenige Gebiete gibt, die nicht schon von der modernen Dreifaltigkeit (Zeitgeist, Politik, Kommerz) okkupiert und korrumpiert sind. Auch ist der gute Roman (meist) dem realistischen Fiktionstyp angelehnt. So ist die wohl beste Methode, Widerständigkeit einzubringen, die Ausgewogenheit. Alle Seiten zeigen, statt urteilen. Das soll der Leser tun, wenn er mag.
Ambiguität (siehe weiter oben) ist also ein geeignetes Mittel, die Welt in ihrer Vielfalt ohne Schwarzmalerei oder Schönfärberei zu zeigen. Auch mit Humor und Ironie ist Widerständigkeit zu erreichen. Vielleicht ist auch das nächste Thema dazu geeignet, welches sich mit dem Überschreiten von Grenzen beschäftigt.

Grenzüberschreitung

Welche Grenzen gibt es? Das ist eine wichtige Frage. Nur wer die kartografierten Bereiche kennt, kann (wirkliches) Neuland betreten.
Man kann es sich einfach machen, wie viele Romanschreiber es heute tun, und die Grenzen des guten Geschmacks ins Absurde verschieben. Kreativität und Können braucht es dagegen, die Grenzen der Kunst und somit auch des Denkens zu erweitern. Das letzte Mal ist das, nach meinem Wissen, mit dem Dadaismus gelungen.
Da selbst bei Krimi-Massenware der Leser immer etwas Neues erwartet, gilt dies erst recht für den guten Roman. Doch während der durchschnittliche Krimi-Leser schon mit immer detaillierteren Beschreibungen und immer grausameren Verbrechen zufrieden ist, sollte es in unserem Fall schon etwas Anspruchsvolleres sein.
Inhaltlich oder Formal etwas nie Dagewesenes zu erschaffen, ist schwer, wenn auch nicht unmöglich. Etwas einfacher wird es wohl sein, eine neue Sichtweise auf Altbewährtes, eine neue Kombination aus literarischem Stoff und Form, ein anderes Motiv, mit dem ein Thema dem Leser näher gebracht wird, zu entwerfen.

Wenn alle bisher angesprochenen zehn Punkte nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen, dann fehlt noch etwas, eine ganz spezielle Zutat, die das nächste Thema stellen soll.

Das ungewisse Etwas

Der Autor wähnt sein Werk vollendet, findet einen Verlag, aber der Verkauf …

Vollendet ist gleichbedeutend mit Vollkommen. Denn wäre es nicht vollkommen, warum sollte der Autor dann seine Arbeit beendet haben? Und Warum hat ein Verlag zugegriffen? Vielleicht haben vorher einige Verlage abgelehnt, was noch seltsamer anmutet – Sämtliche Gründe, außer der Qualität des Romans, lassen wir mal weg.

Des Rätsels Lösung ist, dass es für Vollkommenheit keine Messlatte und somit keine definierbare Obergrenze gibt. Nur bei Werken, die streng nach Form und Norm geschrieben sind, wie Gedichte, kann Vollkommenheit ausgemacht werden. Bei manchen Novellen ist das noch annähernd möglich, bei Romanen ist es unmöglich.
Am Anfang dieser Aufstellung von Zutaten wird gesagt, dass die Form (in Bezug auf den Inhalt) ein Experimentierfeld sei. Wenn dieser Gedanke nicht völlig falsch ist, dann kann es dafür keine festgesteckte Obergrenze geben, an der ein Autor sich orientieren kann.

Woran kann ein Autor nun festmachen, ob sein frisches Werk bei Lesern und Kritikern gut ankommen wird, und das über Generationen hinweg?
Um es schonungslos zu sagen, ohne Glaskugel ist es unmöglich, irgendwelche Vorhersagen zu treffen. Denn außer der fragwürdigen Vollkommenheit gibt es noch das ungewisse Etwas. Es ist nicht weiter zu benennen, doch es ist dafür verantwortlich, dass aus einer Zahl qualitativ gleicher Werke sich eines hervortut und den Sprung in die Reihe der Weltliteratur schafft.

Nun kann man sich fragen, wozu dann das Ganze hier?
Es gibt empirische Anhaltspunkte, den „Zutaten“ Beachtung zu schenken. So sind in den meisten Werken der Weltliteratur beinahe alle hier beschriebenen Zutaten zu finden. In der eher kurzlebigen Literatur ist bis auf Interessantheit und eine rudimentäre Originalität nichts davon zu entdecken.
Ein weiterer Grund, die „Zutaten“ im Auge zu behalten, mag sein, dass ein Autor sich seine Ziele nicht zu gering wählen sollte. Sich hinzusetzen und von vornherein etwas Minderwertiges zu planen, macht keinen Sinn.

 

So, ihr lieben!

Ergänzt um „Allgemeingültigkeit“ und „Interessantheit“.

Zu Interessantheit (Spannung) wird hier eigentlich nur das „Was“ behandelt. Wer sich für das „Wie und Warum“ interessiert, kann hier eine etwas humorige Anleitung nachlesen oder auf eine seriösere Variante bis nächstes Jahr warten. :D

 
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sehr interessant. ich kenne keine literaturwissenschaftlichen Bücher, die habe ich immer absichtlich nicht gelesen, aus Schiss, dass die mich noch stärker durcheinanderbringen. kann also nicht vergleichen, aber die Länge / KNappheit der Erklärungen müsste ziemlich genau zu meinen Bedürfnissen passsen. gute idee, gut gemacht!

 

Hallo Kubus!

aber die Länge / KNappheit der Erklärungen müsste ziemlich genau zu meinen Bedürfnissen passsen.
Das finde ich schon mal gut. Du passt auch genau in meine Zielgruppe, hast Erfahrung mit dem Schreiben und dem Rezensieren.

Hallo Manlio!

Bist du aber sicher, dass man ihn so allgemein stehen lassen kann? Ich meine, auch nur für den Roman der Vor-Postmoderne?
Irgendwie geht es doch immer um irgendwelche Gegensätze, wie Treue gegen Untreue im Liebesroman, Gut gegen Böse im Krimi usw. Oft ist es nur nicht so offensichtlich, weil es nicht das eigentliche Thema ist.
Wäre gut, wenn du irgendwas zur Vor-Postmoderne findest. Im Moment kann ich das nicht einsortieren. Also, ich kenne einige Werke der Moderne und Postmoderne. Ich würd da nicht sagen, dass in einem davon keine Werte gegeneinander antreten.
Ich meine sogar, der zitierte Satz entzieht sich gänzlich der Einordnung in eine Strömung.


Liebe Grüße an euch beide!

 

Hallo, ihr lieben!

Drei neue Themen sind im Hauptfenster angekommen:
„Originalität“ und „Ambiguität“ und „Authentizität“.

 
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Hallo Manilo!

Wann kommt denn das Personal? ;)
Ähm ... Kaffee kochen muss hier jeder selber.

Meinst du Charaktere, Archetypen, Stereotypen und so etwas?

 

Hi, Asterix!

es soll ja hier weniger um das Wie gehen, aber mir fällt hier was ein und ich halte es diesmal wirklich kurz, weil drei Viertel des Kommentars gerade im digitalen Nirvana verschwunden sind. gib bitte Bescheid falls dir so was nicht in den Faden passt

Besteht dies Material aus sprachlichen Konventionen, mag der Vergleich eine Zeit lang stimmig beziehungsweise nachvollziehbar sein. Doch sprachliche Nuancen und Umgangssprache ändern sich laufend. Selbst die gelungene Reproduktion eines Jargons hat ein recht begrenztes Verfallsdatum, wenn zugleich der behandelte Stoff zu sehr am Zeitgeist orientiert ist

Richard Price hat mal sinngemäß in einem Interview gesagt dass es praktisch unmöglich ist, einen bestimmten Jargon oder Slang überzeugend zu imitieren oder reproduzieren. der Reiz besteht ja gerade in Sprachwelten die schriftfern sind und in schwer zugänglichen oder abgeschlossenen Milljöhs verwendet werden und sich jeden Tag und mit jedem Sprechakt ändern.
seine Lösung ist es, eine eigene Sprache zu erschaffen, die sich am Slang bspw orientiert.
würde ich unter Eigengesetzlichkeit einer literarischen Wirklichkeit verorten.
mensch kann natürlich einfach Wörter nehmen die er gehört hat oder von denen er mitgekriegt hat, dass die in bestimmten Milieus oder Subkulturen verwendet werden sollen. wie glorreich das daneben gehen kann, zeigt uns die Wahl zum Jugendwort des Jahres jedes Jahr aufs Neue. oder oft auch deutscher Gangstarap, der zum Großteil eher so ein Gangstadarstellungsrap ist und sich an den Klischeevorstellungen des Zielpublikums orientiert. das mit dem Kaufen solcher Produkte die Klischierung vorantreibt und gleichzeitig nach Authentität ruft.

Grüße
Kubus

 

Ich bin nicht dieser Ansicht, Kubus.

Ein Roman enthält nicht nur eine Geschichte, er ist in der Regel auch ein Spiegel der Zeit, in dem er spielt. Würde man das Spezifische dieser Zeit – und dazu gehört zweifellos auch die gesprochene Sprache – weglassen, würde man ein Stück der Authentizität verlieren.

Was für einzelne Personen im Roman gilt, nämlich das sie eine eigene Authentizität haben sollen, so gilt das auch für den Roman als Ganzes.

 

schön dich mal wieder zu lesen, Dion.

das meiste von dem, was du schreibst, sehe ich ähnlich.

aber in Sachen Jargons und Slangs sehe ich es eben wie oben beschrieben. das jetzt weiter auszuführen wäre aber wohl nicht zielführend, weil dein Kommentar meinen eigentlichen Punkt nicht oder kaum berührt. von spezifischer Sprache weglassen steht da nix. :)

 

nicht zu fassen, du miese fiese bitch! aber schön für dich dass du dich freust :D

 

… aber in Sachen Jargons und Slangs sehe ich es eben wie oben beschrieben. das jetzt weiter auszuführen wäre aber wohl nicht zielführend, weil dein Kommentar meinen eigentlichen Punkt nicht oder kaum berührt. von spezifischer Sprache weglassen steht da nix. :)
Das sehe ich anders, denn mein Satz – Zitat:
Würde man das Spezifische dieser Zeit – und dazu gehört zweifellos auch die gesprochene Sprache – weglassen, würde man ein Stück der Authentizität verlieren.
widerspricht deiner Einschätzung – Zitat:
mensch kann natürlich einfach Wörter nehmen die er gehört hat oder von denen er mitgekriegt hat, dass die in bestimmten Milieus oder Subkulturen verwendet werden sollen. wie glorreich das daneben gehen kann, zeigt uns die Wahl zum Jugendwort des Jahres jedes Jahr aufs Neue. oder oft auch deutscher Gangstarap, der zum Großteil eher so ein Gangstadarstellungsrap ist und sich an den Klischeevorstellungen des Zielpublikums orientiert.
Ich bin im Gegensatz zu dir eben der Meinung, dass alles, was in einer bestimmten Zeit geschehen ist – gesprochene Sprache, ggf. inkl. Jugendsprache, Musik-(Titel wie ggf. auch Texte), Filme, Mode, Moralvorstellungen, Lokalkolorit, etc. –, Eingang in einen Roman finden muss. Verzichtet man darauf, dann ist die Angabe über diese Zeit im Roman nur eine behauptete, nicht gezeigte.

 

vielleicht reden wir auch aneinander vorbei. und warum hast du nicht den punkt zitiert wo ich davon spreche dass sich die zu entwickelnde sprache an der vorhanden orientieren sollte.

der Reiz besteht ja gerade in Sprachwelten die schriftfern sind und in schwer zugänglichen oder abgeschlossenen Milljöhs verwendet werden und sich jeden Tag und mit jedem Sprechakt ändern. seine Lösung ist es, eine eigene Sprache zu erschaffen, die sich am Slang bspw orientiert

es geht in meiner argumentation ja nicht darum ein esperanto des slangs zu versuchen. es geht darum, eine sprachwelt, in der sich der autor nicht bewegt, die er vllt mal am Rande mitkriegt, überzeugend zu reproduzieren. ich will da jetzt gar nicht so weit rausschwimmen, zu behaupten, was in einen roman müsste. ich habe einen sehr kleine ausschnitt gewählt, zu dem ich mich äußere und nichts, was du schreibst, hat damit was zu tun.

 

Kubus
Dion

Finde ich sehr interessant, was ihr da einbringen tut.
Irgendwie habe ich mit hin und her Argumentieren (unter Authentizität) ein wenig versucht, das offen zu lassen. Und das wird sich, zumindest heute, auch nicht ändern. :D
Also gibt es von mir noch keine feste Meinung dazu.
Ich frage mich, wie hat Goethe das mit der Umgangssprache in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ gehandhabt? (Das Werk gilt als Zeitroman)
Eine weitere Frage ist, müssen auch die narrativen Textstellen in der zeitgemäßen Sprache sein?
jimmysalaryman
Du greifst vor! So weit sind wir noch nicht. :lol:

 

In einen Roman muss gar nichts. Ich lese gerade "Ray" von Barray Hannah. Ein "Roman", der gegen alle Regel, die jemals aufgestellt worden sind, im Grunde verstößt. Trotzdem ein Roman.

Ich glaube, ein Autor kann nur darüber wirklich schreiben, was in ihm ist. Was er als Fundament in sich selbst vorfindet. Natürlich kann man da Autofiktion draus machen. Aber wenn ich nicht im 15 Jahrhundert gelebt habe, ist alles, was ich dazu sagen kann, reine Spekulation. Der Leser geht dieses Gentleman agreement bewusst ein - er will ja gar nicht so genau wissen, wie es ist.

Die Figurensprache kann also im Grunde nur eine nachgeahmte sein. Das entscheidet der Leser alleine, ob er das glaubt oder nicht. Die Erzählersprache kann ja auch sehr stark variieren, wie beim russischen skaz, oder einem unzuverlässigen Erzähler, der für den Leser Inhalte selektiert und auch selbst einen bestimmten sprachlichen Habitus pflegt. Die Frage ist immer - nimmt es dir der Leser ab. Das kann man sicherlich vor der Veröffentlichung nicht sagen, außer du hast eben Testleser. Deswegen ist ein solches Forum wie dieses hier, wo du sehr viele unterschiedliche Leser hast, aus allen sozialen Schichten, auch so immanent wichtig.

 

Eine weitere Frage ist, müssen auch die narrativen Textstellen in der zeitgemäßen Sprache sein?
Darauf kann man wohl kaum eine generelle Antwort geben. Ich würde sagen, dass das davon abhängt, wie nah der Erzähler der Zeit ist, von der er erzählt. Ist er selbst mittendrin, könnte von Vorteil sein, auch in zeitgemäßer Sprache zu erzählen. Was aber nicht bedeutet, dass er mittelalterliche Sprache benutzen muss, wenn das Geschehen im Mittelalter spielt. Er muss nur darauf achten, keine Wörter oder Begriffe zu benutzen, die es zu jener Zeit gar nicht gab.

Ich habe neulich gelesen, dass Hans Luder, der Vater von Martin Luther, zu diesem nicht mehr „Du“ gesagt hat, sondern das höfliche „Ihr“ benutzte, als dieser promovierte, also den Titel Magister Artium erhielt. Ob man im Falle eines Falles diese altertümliche Anrede oder besser das heutige „Sie“ verwenden sollte, da bin ich mir unschlüssig.

PS: Ja, Jimmy, Testleser sind sicher besser als irgendwelchen (geschriebenen) Ratgebern zu folgen.

 
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jimmysalaryman

In einen Roman muss gar nichts. Ich lese gerade "Ray" von Barray Hannah. Ein "Roman", der gegen alle Regel, die jemals aufgestellt worden sind, im Grunde verstößt. Trotzdem ein Roman.
Da steckt ein Widerspruch drin. Ohne den Roman zu kennen, vermute ich, dass dort die stärkste Zutat die Originalität ist, da er für dich gegen alle Regeln verstößt (die du kennst).
Weiterhin wird er Interessantheit aufweisen, sonst würdest du ihn nicht lesen. Damit hat er genau die zwei Zutaten, die ich als unverzichtbar beschrieben habe und bestätigt auch das, was n der kleinen Einführung steht:
Erst die gekonnte Auswahl und Dosierung der Zutaten machen sie zu einem besonderen Hochgenuss

außer du hast eben Testleser.
Das ist richtig. Und ja, dafür ist dieses Forum so wichtig. Doch warum den Testlesern nichtssagenden Schrot vorlegen? Die testen viel eifriger und mit mehr Freude, wenn sie gutes Material bekommen. Auch das kann man hier sehr gut beobachten.
Dion
Darauf kann man wohl kaum eine generelle Antwort geben.
Das sehe ich auch so. Generelle Antworten gibt es nicht. Wie ich schon schrieb: Hier wird man kein Patentrezept finden. Dazu komme ich speziell noch im letzten Abschnitt: Das ungewisse Etwas

 

Nun ergänzt um „Widerständigkeit“, „Grenzüberschreitung“ und „Das ungewisse Etwas“

Von meiner Seite ist die Zutatenliste nun vollständig. Was ja nicht viel heißen muss.
Also Vorschläge zu den vorhandenen Punkten und Ideen zur Aufnahme weiterer, zum Thema passender Punkte, sind willkommen!

Liebe Grüße

Asterix

 
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mir fällt eine Kleinigkeit ein, die vielleicht zum ungewissen Etwas passt. seit Jahren denke ich mit Vergnügen an den Roman Pnin von Nabokov zurück, ein relativ kurzer und eingängiger Roman über einen Literaturprofessor russischer Herkunft in den USA, der aber entweder gerade emigriert und sich deswegen mit Sprache und Sitten seine Schwierigkeiten hat, ist oder sich auch allgemein nicht so sehr gut im Leben zurechtfindet. ich fand das sehr komisch geschrieben. und ich meine der Roman ist die ganze Zeit aus auktorialer, allwissender Sicht geschrieben, aber irgendwann im späteren Teil der Geschichte steigt auf einmal ein Ich-Erzähler aus dem oberen Stockwerk, in das Nabokov vorher noch Pnn hat gehen lassen. das hat ja so beide Momente: Das Gottgefühl dieses Schreibers der von sich sagte er sei besser als Thomas Mann und Faulkner und es sei zwar einsam da oben aber die Aussicht ganz gut. aber es steckt auch die Umkehrung drin, dass er sich mit diesem ungeschickten, ungelenken Protagonisten identifiziert der durchs Leben rennt wie durchs Labyrinth ohne Ariadnefaden. (das Buch ist großartig, der Rest von Nabokov für mich unlesbar. noch langweiliger als Thomas Mann)

also an die Perspektive lässt sich auch vorsichtig als Gestaltungsmöglichkeit denken. aber vielleicht war das auch eine Ausnahmeerscheinung und man sollte lieber die Finger davon lassen. you don't want to fuck this up in an novel I guess.

mir fallen zumindest keine anderen Beispiele für sinnvollen Perspektivbruch ein, die vielleicht jzeigen können, dass sich das gut machen lässt. aber vielleicht kann ja jemand mit dem hier was anfangen.

Den Roman von Goehte als Beispiel für ein zeitgenössisches Werk habe ich nicht gelesen, dazu kann ich nichts sagen.
ich sage was zu nem Russen aus ungefähr der Zeit. im Sommer habe ich das erste Mal Krieg und Frieden gelesen, das erste Mal nach seiner Novelle Leindwandmesser überhaupt Tolstoi. und das war eine sehr starke Novelle über ein altes Arbeitspferd das zum Abdecker gebracht werden soll, also geschlachtet und restverwertet. eine sehr berührende, traurige Geschichte. trotzdem wusste ich immer dass meine Zeit bei Dostojevski besser investiert ist.
Krieg nd Frieden jedenfalls jetzt relativ spät sein längeres Buch, das ja immer wieder als Beispiel für langweiliges, bildlastiges, nicht enden wollendes Erzählen genannt wird. da gibts sehr viel schlimmere. jedenfalls benutzt er in beiden Geschichten halt eine Sprache, die plausibel wirkt. angepasst an die Charaktere, Situationen, Atmosphären. Leindwandmesse ist allein durch seine Traurigkeit die nie kitischig wirkt eine Perle, da wird die Sprache eine wichtige Rolle spielen, aber das ist zu lang her, davon habe ich nur einen gefühlsmäßigen EIndruck. außer Tschingis Aitmatow manchmal und ein paar Japaner kenne ich glaube ich keine so von würdiger Traurigkeit durchzogene Erzählstimmen auf immerhin mittlerer Strecke. muss man als Leser auch erstmal durchhalten wollen.

Krieg und Frieden fängt sehr gut an, mit einer Szene, in der junge Offiziere in Sankt Petersburg saufen und im Verlauf der Nacht es irgendwie hinkriegen, mit ihrem Tanzbären zu ringen und später einen Polizisten in den Fluss zu werfen. so wild ist das Buch später nicht mehr oft. aber jedenfalls bekommt es Tolstoi hin, den leicht versnobten Träumer selbstverständlich neben den draufgängerischen Emporkömmling zu stellen und neben eine reichen Schönling der auch immer Lust auf Weiberröcke und Unsinn hat, aber weder eine besondere positive oder negative Energie, wie die anderen beiden. es sind alles Hauptfiguren, die gleich zu Beginn, vllt auf der ersten Seite, etabliert werden und für mich so verschieden und lebendig wirkten, dass ich anfangs begeistert war.
ich weiß nicht, wie alt ist dieses Buch? es erzählt vom Feldzug Napoleons in Russland, also mindestens zweihundert Jahre. und nichts wirkt auf mich alt oder verbraucht oder wenigstens befremdlich, alles wird mir nahe gebracht. es gibt nicht mal diese seitenlangen Ausschweifungen zu politischen und kirchlichen Themen zu denen Dostojevski immer wieder hingerissen wurde - die sind zeitbezogen und hatten für mich keine Relevanz. das haben Freunde auch ähnlich erlebt beim Lesen.

Tolstoi fühlt sich für mich beim Lesen anders an, manchmal etwas zäh, ich gebs zu, aber nie irrelevant. es sind zeitlose Themen, nur die Ausgestaltung ist zeittypisch, was ja wieder sehr interessant ist. also frühere Moralvorstellungen, amoröse Szenen, Bälle und Kriege, wie das ablief, wie das aussah. also über so was lässt sich anscheinend auf eine Weise schreiben, die interessant bleibt. aber das sind eben auch Dinge die viele Leser interessieren, wo wir herkommen, wie die Menschen lebten und vllt fühlten und dachten. so abstraktere Themen die im Rahmen der idustriellen Revolution und einer neuen Spiritualität in Auseinandersetzung mit kirchlichen und politischen Spezialthemen eines fremden Landes zu dieser Zeit eher wenige Leser denke ich.
Tolstoi hatte seine Themen und seine Sprache, das alles sein Leben lang entwickelt und so Werke hinterlassen die zu recht die Zeit überdauern. mir wurds zum Schluss auch etwas lang aber ich habe es gern gelesen. da sind zwar viele zeittypische Wörter drin verarbeitet, also damals noch viel Französisch, meine ich, aber das fügt sich alles ins Ganze sehr harmonisch. und obwohl Tolstoi sich anfühlt als würde er selbst sehr ausgeglichen denken und unerschütterlich mit der immer gleichen Geschwindigkeit wie ein Elefant durch seine Landschaften stapft, kriegt er es doch hin, auch heiße und impulsive Geister glaubhaft darzustellen ohne dass die Sprache was künstliches, gewolltes kriegt. wie er das macht wüsste ich auch gern
mir zu harmonisch aber das ist ja Geschmackssache, funktioniert jedenfalls. im Prinzip ist es aber auch einfach das, was hier vorher im Faden gesagt wurde: dass es einfach darauf ankommt, was der Leser glaubt, was funktioniert. ich glaube dafür kann man nur im Laufe der Zeit ein Gefühl entwickeln, das lässt sich immer nur anrissweise erhellen, was da eigentlich passiert ist bei so übergroßen Werken dann am Ende Schädelmagie will ich mal mystisch raunen

 

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