Wasserglas
Meine kleine komatöse Liebe zu dir, ich habe sie schlafen gelegt, schon vor so langer Zeit. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob sie noch am Leben ist, aber doch – von Zeit zu Zeit – sie seufzt und träumt von der Zeit als wir durch die Wälder streiften. In meiner Erinnerung ist immer Sommer. Kennst du die Stelle noch, hinter dem Birkenwald? Wir sahen den Fröschen beim Paaren zu und ich brachte dir Eis mit, das mit schon auf dem Weg durch den Wald von den Fingern floss. Wir lagen in der Sonne und lachten viel. Über was haben wir uns nur unterhalten die vielen Stunden unserer Spaziergänge im Wald?
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Wir schreiben uns Kurznachrichten, um uns zu verabreden. „Bist du in der Stadt? Habe gerade an dich gedacht.“ Wir sitzen in einem Café und tun so als wären wir Freunde. Lange halten wir das nicht durch. Das Sitzen neben dir fällt mir schwer, ich kann besser mit Dir sprechen im Gehen oder im Liegen, am besten nackt, nur dann kann ich ehrlich sein, im Sitzen bin ich meilenweit von dir entfernt.
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Wir laufen durch die Straßen, wahllos. Mich machen die Menschen nervös. Ich fühle mich ertappt neben dir, obwohl doch niemand von uns Notiz nimmt. Als wir eine Straße überqueren wollen, müssen wir anhalten. Du streichelst kurz über meinen Hintern und ich bin erleichtert, dass wir doch nicht nur Freunde sind. Wir sprechen weiter als wäre nichts – wann wirst du mich küssen, wirst du mich küssen? Auf einer Parkbank vor einer Wohnanlage setzen wir uns in die Sonne. Es ist Winter und kalt. Du legst meinen Schal ab und öffnest die obersten Knöpfe meines Mantels, küsst mein Schlüsselbein. Meine Liebe zu dir seufzt und ignoriert die Kälte der Januarsonne auf der nackten Haut.
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Ich erhalte eine Kurznachricht von dir. „Bin in der Stadt“. Mein Herz hüpft. Du schreibst die Namen einer Straßenecke und eine Uhrzeit. Ich mache mich auf den Weg. Als ich ankomme lehnst du an einer Hauswand und rauchst. Ich lächle und versuche dir nicht in die Augen zu schauen. „Komm“, ist alles, was du sagst. Ich laufe neben dir, spüre meinen Atem und würde gerne von deiner Zigarette ziehen, obwohl ich doch gar nicht rauche. Vor einem Haus bleiben wir stehen, du kramst in den Taschen, holst einen Schlüssel hervor. Ohne zu sprechen überqueren wir den Hinterhof, eine Frau bringt Müll zu den Tonnen. Wir steigen die Treppen des heruntergekommenen Hinterhauses empor. Die Wände sind porös und feucht, überall überzogen mit Graffiti. Kurz möchte ich fragen, entscheide mich aber dagegen und schweige weiter, während ich dir folge. Die Wohnung ist unrenoviert, staubig und dämmrig. Es gibt fast keine Möbel. In einem Zimmer liegen Farbtuben und eine Matratze. In der Ecke lehnt eine Gitarre und auf dem Fenstersims steht ein Kaktus mit falschen Blüten. Der einzige Raum in dem die Sonne scheint, ist die Küche. Staubpartikel tanzen durch die Luft als wir eintreten. Ich nehme ein Glas und lasse das Leitungswasser laufen. Ein großer Schluck und ich beschließe nicht zu sprechen, wenn du es nicht tust. Du setzt Kaffee auf und ich setze mich auf den einzigen Stuhl. Ich beobachte dich – wie schön du bist vor der weißen Wand im Sonnenstrahl. Der Kaffee ist heiß, ich verbrenne meine Zunge, springe auf und lösche sie mit deinem Speichel, der nach Rauch und Zucker schmeckt. Du setzt dich auf den Stuhl und ziehst dich zu mir. Ich steige auf deinen Schoß und halte dein Gesicht in meinen Händen. Wir küssen uns, du streifst meinen Pullover ab und ich gleite auf den Boden, öffne deine Hose und ziehe sie über deine Knie. Ich beobachte wie du unter meinen Küssen und Saugen langsam vom Stuhl rutschst. Deine Hände sind befangen, streichen über meinen Kopf, schweben unentschlossen in der Luft und kommen auf deiner Brust zur Ruhe. Mit einem kurzen Aufstöhnen ergießt du dich in meinem Mund. Ich überlege kurz es zu schlucken, entscheide mich dann aber für das Wasserglas auf dem Tisch. Dann spreche ich doch: „Wessen Wohnung ist das?“ „Die eines Freundes, ich habe letzte Woche hier übernachtet, als er weg war. Die Schlüssel habe ich ihm noch nicht wieder gegeben. Wir müssen gehen. Er kommt bald nach Hause.“ Schweigend verlassen wir die Wohnung. Als die Tür ins Schloss fällt, denke ich kurz an dein Sperma im Wasserglas, auf dem Tisch in der staubigen Küche deines Freundes, den ich nicht kenne und lächle.