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Weiß ist nicht der Tod

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10.02.2000
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Anmerkungen zum Text

ARVN > die Armee Südvietnams
MACV > das amerikanische Militär-Hauptquartier
Die ersten US-Truppen > eine Mischung aus Special Forces, Navy SEALS und CIA-Söldnern, bis 1964 aber nur Beobachter, Trainer für die ARVN, so lautete der Auftrag Kennedys
Wehrdörfer > eine Idee der Franzosen, die gescheitert ist, wurde bis 1963 versucht, dann aufgegeben
Vietcong > ein Zusammenschluss aus Viet Minh und der FNL
Völker > Vietnam ist ein Vielvölkerstaat. Dutzende von unterschiedlichen Volksstämmen leben dort. Auch Thay/Thy, die als Trauerfarbe Weiß verwenden.

Weiß ist nicht der Tod

Walt Lieberman
Auf die Schwärze des Meeres malt der helle Mond eine Straße aus Licht. Die Dünung formt Welle um Welle, weiß auf jedem Kamm. Wenn sie ausläuft, bleibt nichts als Schaum und feines Knistern im Kies. Wir sitzen auf den kühlen Steinchen, einige Fuß vom Wasser entfernt. Eine Palette Schlitz zwischen uns. Ramirez zündet einen Joint an und zieht kräftig. Dann blickt er in den Feldstecher.
»Ist zwar Nacht, aber ich wette mit dir um hundert Bucks, dass diese Schatten da draußen Boote sind. Ohne Positionslichter auf dem Weg ins Mekong-Delta. Nachschub für Charlie.«
Ein weiteres Mal inhaliert er einen tiefen Zug, dann reicht er mir die Selbstgedrehte.
»Und wenn schon«, sage ich und nehme zwei ordentliche Züge. »Wir machen hier unseren Job, trainieren die Gooks und in ein paar Wochen sind wir wieder weg. Wirst schon sehen.«
Ramirez öffnet eine weitere Dose. Es zischt, ein paar Tropfen Bier landen auf meinem Gesicht. Dafür werde ich dir diesen Joint wegziehen, denke ich und lasse ihn glimmen.
»Sie fahren jede Nacht. Hin und zurück. Wie eine Perlenschnur«, wirft er ein. »Warum halten wir sie nicht auf?«
»Warum sollten wir, Jorge? Ist das Problem der Südvietnamesen. Nicht unseres.«
Er trinkt in zwei, drei Zügen seine Büchse leer und wirft sie ins Wasser.
»Wo ist mein Joint?«
»In meiner Lunge.«
Er knufft meine Schulter.
»Jesus, Walt! Du bist wie ein Aasgeier.«
Wir lachen.

Jasper Trench
Es ist noch früh. Le Van Cho stürmt ins Zelt, hastet auf mich zu und rüttelt an meinen Unterschenkeln.
»Komm! Komm! Ami! Komm!«
»Ich bin wach, Mann! Du musst mich nicht schütteln!«
Zwecklos. Er versteht nicht, was ich sage. Also stoße ich ihn weg. Le fällt um und rutscht über den Boden.
»Kein Wunder!«, sage ich lachend. »Bei so einer halben Portion!«
Unbeeindruckt vom Stoß, rappelt er sich auf und schüttelt den Kopf.
»Ami, komm! Schnell!«, ruft Le und rennt raus.
Schwerfällig stütze ich mich auf die Ellenbogen und lausche den sich schnell entfernenden Schritten hinterher. Le rennt vermutlich ins Dorf. Er ruft immer wieder Unverständliches, aber niemand antwortet ihm. Hinter mir schnarchen Lieberman und Ramirez. Gott, deren Schlaf möchte ich haben, denke ich, stehe endgültig auf und gehe vor das Zelt. Keine zweihundert Fuß entfernt vom Strand. Das Südchinesische Meer ist noch eine dunkelblaue Fläche. Die Sonne malt orangene Bänder auf den Horizont. An den Rändern rot, im Zentrum entsteht intensives Gelb. Noch ist die Luft kühl und ihr Geschmack salzig. Aus der Bucht des Saigon schiebt sich schlammiges Wasser Richtung offenes Meer. Dutzende Sampans folgen der Strömung. Jemand hustet. Es ist Ramirez. Ich blicke auf meine Uhr. Dienstag, 16. April 1963. Le Van Cho kommt wieder angerannt und ist noch aufgeregter als gerade eben. Ich wecke die beiden auf.

Walt Lieberman
»Mein Gott«, flüstert Ramirez und schlägt ein paar Mal das Kreuz. Der Captain bückt sich vor den Torso und greift nach dem Papier, das jemand mit einem Stein auf dem Bauch hinterlassen hat. Er kratzt sich am Hinterkopf, liest murmelnd und hält es über seinen Kopf. Ramirez nimmt es ihm ab.
»Sehr zuvorkommend, dass der Vietcong zweisprachige Pamphlete verfasst«, meint er und drückt sich hoch.
»Lies vor, Ramirez«, fordere ich ihn auf.
»Sie schreiben „Amerikaner! Geht nach Hause! Das ist nicht euer Krieg! Landsleute! Dient nicht Diem! Er ist korrupt und steht nicht für das Volk! Wer für Diem ist, ist gegen uns und muss bezahlen!“«
»Sie hat bezahlt«, bestätigt der Captain und nickt zu der Leiche.
»Wer ist das?«, fragt Ramirez und der Captain seufzt.
»Ramirez, manchmal denke ich … na, egal. Es ist die Lehrerin.«
Wir schauen auf das, was von ihr übrig ist. Ramirez kratzt sich den Bart.
»Wie soll man das sehen? Schließlich fehlt der Kopf«, stellt er fest.
»Und das Blut«, ergänzt der Captain. Das Gemurmel vor der Eingangstür wird lauter und Le Van Cho kommt herein, einen Reisstrohbeutel in der Hand. Ein Haarzopf hängt seitlich heraus.
»Scheiße«, meint der Captain, »das muss nicht sein am frühen Morgen.« Er sieht mich an. »Lieberman! Du meldest den Schlamassel MACV und dem ARVN-Verbindungsoffizier. Wir brauchen eine Gruppe hier.« Er überlegt kurz. »Wenn du fertig bist, treffen wir uns am südlichen Gatter. Wollen doch mal sehen, ob die Umfriedung Lücken hat.«
»Ist gut, Cap«, bestätige ich und bin froh, aus der Hütte zu kommen.

Jorge Ramirez
»Captain Trench?«
»Ramirez?«
»Was ist, wenn der Vietcong recht hat?«
»Mit was könnte er denn recht haben, Ramirez?«
»Dass dies nicht unser Krieg ist, und wir nach Hause gehen sollten.«
Der Cap mustert mich lange. Als fände er immer noch unentdeckte Stellen in meinem Gesicht. Ich schweige. Er kratzt sich im rechten Ohr, zieht den Colt, kontrolliert Magazin und Kammer. Dann sieht er mir in die Augen und presst die Lippen fest aufeinander. Sein Blick kann unangenehm werden, also zucke ich entschuldigend mit den Schultern.
»Tut mir leid, Captain … ich meinte ja nur …«
»Kontrollier deine Waffe, Ramirez. Und behalt sie in der Hand.«
»Klar, Captain, mach …«, er geht einen Schritt auf mich zu und drückt seine freie Hand auf meinen Mund.
»Mach jetzt keinen Scheiß, Ramirez! Das hier ist kein Spaß! Ich will nicht, dass uns was passiert!«
Dann ist er still, aber seine Augen fixieren mich weiterhin. Wir sind wie zwei Statuen. Nur dass mir der Schweiß ausbricht. Ihm nicht. Lieberman kommt um die Eckbefestigung neben Gatter A, sieht uns und bleibt mit einem Lächeln im Gesicht stehen.
»Hab ich was verpasst?«
Trench lässt von mir ab.
»Liebermann, was sagt die Gruppe?«
»Sind in einer Stunde hier. Zusammen mit dem Verbindungsoffizier und einem Dolmetscher.«
Der Captain nickt.
»Lieberman, du kontrollierst die Umfriedung gegen den Uhrzeigersinn. Ramirez kommt mit mir. Waffen oben halten!«

Walt Lieberman
Ich mache mich auf den Weg. Das Wehrdorf hat zwei Eingänge. Gatter ‚A‘ im Süden und ‚B‘ auf der nördlichen Seite. Die Umfriedung ist in zwei Wälle unterteilt, beide trapezförmig, oben etwa drei Fuß breit. Im inneren Wall steckt ein mannshoher Zaun aus angespitzten, zusammengeschnürten Bambusrohren. Dann folgt ein Graben mit nach oben gerichteten, spitzen Stöcken. Im äußeren Wall, dem ‚Igel‘, sind angespitzte Äste in unterschiedlichen Längen und Winkeln in die Erde gerammt. Die ARVN lässt die Spitzen mit Schweine- oder Rinderkot einschmieren, was bei einer Verletzung zumindest eine böse Infektion nach sich zieht. Vor der Umfriedung hat man eine dreihundert Fuß breite Schneise geschlagen. Kaum Deckungsmöglichkeiten für den Vietcong.

Eine Schelle, Gesang und Stimmen lenken meine Aufmerksamkeit auf etwas im Dorf. Zwischen den kleinen Hütten sehe ich Frauen, gehüllt in weiße Gewänder. Sie bewegen sich hintereinander durch das zentrale Sträßchen. Langsam. Und offenbar folgen sie einem bestimmten Rhythmus. Habe ich in diesem Land bisher schon einige seltsame Besonderheiten gesehen, ist das Weiß der Gewänder dieser Frauen ganz und gar außergewöhnlich. Es ist einzigartig rein und reflektiert so viel Licht, dass es mich blendet. Da ist unverkennbar eine Magie verborgen. Ich muss das unbedingt aus der Nähe sehen und beschleunige meine Inspektion der Umfriedung. Die Frauen tanzen, singen, bewegen sich Richtung nördliches Gatter. Als ich um die Ecke biege, erreichen die ersten gerade das Drahttor, öffnen es und schweben fast aus dem Dorf. Fasziniert setze ich mich auf eine Panzersperre. Der Zug der Frauen, alte und junge, zieht langsam an mir vorbei. Sie beachten mich nicht. Zwischen ihnen und mir steht das Weiß. Ein Schutzschild aus Versunkenheit und Hingabe. Gegen alles Böse in und um uns. Plötzlich ist da ein Druck in meiner Brust. Ich habe glatt vergessen zu atmen, japse nach Luft und starre der Kolonne hinterher. Dann erst entdecke ich den Captain und Ramirez. Sie kommen herüber.

Jasper Trench
»Was ist los, Lieberman? Was starrst du den Frauen hinterher?«
»Nichts, Captain. Hab ich nur noch nie gesehen, diese weißgewandeten Frauen.« Er sitzt auf der Panzersperre und ist irgendwie entrückt. Gestern Abend waren beide wieder am Strand und haben es sich gut gehen lassen.
»Ihr solltet nicht so viel von dem Zeug rauchen. Das macht ne weiche Birne«, rüge ich sie. »Wenn ihr weiter dieses Kraut inhaliert, seht ihr womöglich noch rosa Elefanten.«
Ramirez lacht und Lieberman steht auf.
»Was entdeckt?«, will ich von ihm wissen.
»Absolut nichts, Captain. Das Ding ist in Ordnung«, bestätigt er.
»Ja, bei uns auch«, sage ich, »und das gefällt mir nicht.«
Unwillkürlich muss ich grinsen, denn ich sehe über Ramirez Kopf ein unsichtbares Fragezeichen schweben. Ein guter Soldat, aber sein Vorstellungsvermögen ist begrenzt.
»Also kam der Cong entweder durch die beiden Zugänge oder …«, mutmaßt Lieberman. »Oder es ist einer der Dorfbewohner«, ergänze ich.
»Mein Magen knurrt, Captain. Gehen wir ein paar Büchsen öffnen«, schlägt Ramirez vor. Lieberman lacht und ich will unserem kleinen Kubaner über den Mund fahren, aber sein Vorschlag bringt mich auf eine Idee.
»Im Dorf ist doch die Alte, die für die Schulkinder jeden Tag Essen kocht«, denke ich laut. Lieberman und Ramirez sehen mich an. »Heute fällt ja wohl die Schule aus«, fahre ich fort. »Die Alte hat bestimmt schon den Reis fertig. Wir kaufen ihr was ab.«
»Captain?« Ramirez steckt seine Waffe ein und sieht mich ungläubig an.
»Kommt, ich lade euch ein.«

Jorge Ramirez
Der Dorfvorsteher rennt immer noch wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend. Ein paar seiner Männer haben den Torso der Lehrerin nach draußen gebracht und vertreiben mit Stöcken die Schweine, die sich nicht vertreiben lassen wollen und unentwegt versuchen, an den Überresten zu knabbern.
»Mir wird ein bisschen übel«, sage ich mehr zu mir selbst und wende mich ab. Lieberman zieht mich in die Hütte. Der Captain hat der Alten einen Zehn-Dollar-Schein gegeben. Sie ist bereitwillig auf den Handel eingegangen und stellt eine Menge Holzschalen vor uns auf den Boden. Abgesehen vom Reis ist da noch gekochter Fisch, gebratene Schlangenstücke, irgendeine Wurzel mit Mangowürfel und Koriandergrün.
»Das hätten wir schon früher machen sollen«, sagt Lieberman begeistert. Die Alte lächelt und deutet mit ihrer runzligen Hand ständig auf den Boden. Wir setzen uns auf die Palmblätter.
»Eine Gabel wäre nicht schlecht«, meint der Captain, aber als er sieht, wie Lieberman und ich loslegen, nimmt er ebenfalls die Finger. Die Alte nickt, lächelt immer noch und fängt an, den Lehmboden mit einem großen Blatt zu fegen. Dann verlässt sie murmelnd die Hütte.
»Die beste Idee seit langem, Captain«, lobe ich seinen Einfall. Er verpasst mir einen Klaps auf den Hinterkopf.
»Wir müssen mal an ihrer Disziplin und den Umgangsformen arbeiten, Ramirez.«
Ich verstehe es nicht. »Warum? Ich habe sie doch nur gelobt, Captain.«
Lieberman lacht mit vollem Mund. Ein Klumpen Reis fällt raus.

Walt Lieberman
Wir sind satt. »Meine Güte«, murmelt Ramirez, »war das fantastisch. Das machen wir jetzt jeden Tag.«
Der Captain schaut ihn an.
»Manchmal sind Ihre Ideen unfreiwillig genial, Ramirez. Wenn es notwendig ist und Wirkung zeigt, werden wir das in der Tat jeden Tag machen«, erwidert der Captain.
»Sie meinen, Captain, dass Charlie es nicht besonders gut fände, wenn zwangsumgesiedelte Südvietnamesen durch Bezahlung zufriedener werden?«, frage ich ihn. Denn nur das kann er gemeint haben.
»Korrekt, Lieberman. Alle diese Menschen hier wurden gegen ihren Willen in Wehrdörfer gesteckt. Das Hamlet-Programm zerfällt in seine Einzelteile. Der Vietcong rekrutiert deshalb jede Menge Unzufriedene.«
Ramirez stößt auf und der Captain wirft ihm einen bösen Blick zu. Die alte Frau kommt von draußen herein und plappert sogleich drauf los. Ihre Ärmchen bewegen sich wie Zweige im Wind. Draußen tut sich etwas. Stimmen. Motorenlärm. Der Captain steht auf.
»Die Gruppe ist angekommen. Ramirez und Lieberman! Gehen sie zum Trainingsplatz und fangen mit dem Tagestraining an.«
Er verlässt zügig die Hütte, ohne unsere Bestätigung abzuwarten. Ramirez atmet tief ein.
»Jetzt noch ein Bierchen«, sagt er und reibt sich den Bauch.
Die Alte sieht ihn lächelnd an.

Jasper Trench
»Captain! Was ist das hier für ein Mist?«
Der Colonel steht mit dem Verbindungsoffizier und einer jungen Frau vor dem Torso der Lehrerin. Der Rest der Gruppe durchsucht die Hütten, je ein GI und ein ARVN-Soldat. Ich salutiere und er nimmt sein Käppi vom Kopf, kratzt sich auf dem Scheitel, zeigt auf die junge Frau.
»Das ist Dinh Nguyet Anh, die neue Dolmetscherin. Hauptmann Le Duc To von der ARVN kennen Sie ja bereits.«
Ich nicke beiden zu und folge dem Blick der Dolmetscherin. Der Torso scheint es ihr angetan zu haben.
»Sir, die Leiche wurde in der Hütte abgelegt, aber woanders getötet und verstümmelt. Da war kein Tropfen Blut mehr drin«, erkläre ich dem Colonel.
»Haben Sie die Umfriedung kontrolliert?«
»Ja, Sir. Völlig in Ordnung«, bestätige ich und ziehe das Blatt aus der Tasche. »Das hier haben wir gefunden.«
Er nimmt das Papier und liest, reicht es weiter an den Verbindungsoffizier.
»Also?«, raunt der Colonel und fixiert mich. »Was denken Sie?«
»Nun, Sir, entweder Charlie kam nachts ins Dorf … oder es ist infiltriert.«
Er dreht sich einmal um sich selbst, langsam, mustert offenbar jede Hütte, jede Tonne, die Hühnerkäfige und Schweinegatter, dann strafft er sich.
»Ist so leer hier. Oder?«, stellt er fest.
»Die Frauen haben das Dorf in einer Kolonne verlassen. Alle in weißen Gewändern.«
»Ein Trauerzug. Weiß bedeutet, dass wir trauern«, sagt die Dolmetscherin.
»Die Lehrerin war die Tochter des Dorfvorstehers. Sie hat letzte Woche ihren Abschluss gemacht an der Universität in Saigon. Die Frauen werden um sie trauern«, erklärt Le Duc To uns.
Der Colonel zieht die Augenbrauen nach oben.
»Dann können wir uns in einem sicher sein: Der Dorfvorsteher gehört nicht zu Charlie. Das ist ja schon mal ein Anfang«, stellt er fest. Und zu Le Duc To gewandt: »Was werden Sie jetzt tun?«
»Die Dorfbewohner befragen«, antwortet er knapp. »Der kommunale Verwalter wird morgen früh eintreffen und für ein paar Tage die Kinder unterrichten, bis ein neuer Lehrer gefunden ist.«
Der Colonel nickt.
»Okay. Captain, ich lasse Ihnen zwei Mann hier. Sichern Sie die Zugänge nachts mit Claymores. Wir müssen sicher sein, dass niemand von außen hereinkommt. Was haben Sie für Vorschläge?«
»Colonel …«, ich schaue zu Le Duc To, »… hoffentlich stimmt mir die ARVN zu … ich habe vorhin die Köchin der Schule bezahlt für ein Frühstück. Nicht alle Menschen hier sind zufrieden. Wenn wir ihre Zufriedenheit steigern, etwa mit Dollars gegen Serviceleistungen, wird das Charlie nicht gefallen. Vielleicht motivieren wir damit Menschen zum Verrat, und kommen so an den oder die Täter oder Informationen zur Infiltration.«
Le Duc To und der Colonel sehen sich lange an. Offenbar denken sie dasselbe, denn beide nicken fast gleichzeitig.
»Ich stimme zu«, sagt der Verbindungsoffizier, »aber eines muss klar sein: es ist unser Krieg und Sie sind lediglich Berater. Ich lasse zehn meiner Männer hier.«
Der Colonel klopft auf meine Schulter.
»Natürlich, Le Duc To. Gute Idee, Captain.«

Walt Lieberman
Einige Frauen aus dem Dorf haben uns einen Korb Wassermelonen gebracht. Die Sonne ist bereits hinter den Bergen im Westen verschwunden. Es ist ungewöhnlich kühl, kaum über siebzig Grad.
»Machen wir das jetzt immer, den Leuten alles abkaufen?«, fragt Ramirez und teilt eine der Melonen mit der Machete in zwei Hälften. »Wahnsinn! Sind die saftig«, stellt er fest. Das dunkelrote Fleisch glänzt vor Flüssigkeit. An den Rändern trieft es geradezu.
»Ich denke schon«, sage ich. »Mein Großvater erzählte mir, dass die ganze Familie in der Dust Bowl von Kansas nach Kalifornien zog, ihre Heimat verlassen mussten, und an der Westküste nie glücklich waren …«, Ramirez reicht mir ein Stück und ich beiße hinein, »… aber sie hatten dort Arbeit, das Leben war besser, trotz der ungeliebten neuen Heimat.«
Die Süße der Melone ist überwältigend. »Gott, schmeckt das gut«, schwärmt Ramirez. »Ich weiß, was du meinst, Walt. Schließlich mussten meine Eltern aus Kuba fliehen. Und Georgia ist nun mal nicht Kuba.«
»Ich war noch nie in Georgia, Jorge. Ich besuch dich mal dort, wenn wir wieder daheim sind.«
Er reicht mir noch ein Stück. »Versprochen, Walt?«
»Klar. Versprochen.«
Wir essen die Melone vollständig auf, schweigen und schauen auf das Meer. Die Nacht kommt innerhalb einer halben Stunde, dann der Mond und die Straße aus Licht. Ich denke an die Frauen. Selbst das helle Mondlicht hätte keine Chance gegen das Weiß ihrer Gewänder. Ramirez baut zwei Joints und gibt mir einen.
»Einen für jeden von uns. Damit ich auch was davon habe.«
Wir lachen.

Jasper Trench
Ein ARVN-Soldat weckt mich. Mein Vietnamesisch ist nicht das Beste, aber an seinen Gesten ist unschwer zu erkennen, dass es wieder Probleme gibt. Ramirez und Lieberman sind nicht im Zelt. Ich nicke ihm zu und stehe auf. Vor dem Zelt strecke ich mich. Unten am Strand entdecke ich Lieberman und Ramirez, eine Menge Dosen neben sich. Ich seufze und folge dem ARVN-Soldat. Die beiden Privates des Zuges haben die Claymore-Minen entfernt und salutieren.
»Vorkommnisse heute Nacht?«, will ich von ihnen wissen.
»Keine, Sir. Von außerhalb kann nichts ins Dorf gekommen sein. Nicht an uns vorbei.«
Ich nicke und lasse sie stehen. Auf der Straße sind viele Menschen. Fast einhundertfünfzig hat man nach hier umgesiedelt. Nicht wenige weinen oder wehklagen laut, alte und junge Frauen knien auf dem Boden oder halten sich an Holzgattern fest. Männer laufen aufgeregt hin und her.
»Guten Morgen, Captain», höre ich eine Stimme und drehe mich um. Es ist Dinh Nguyet Anh. »Kein guter Morgen, nicht wahr?«
»Da gebe ich Ihnen recht, Frau Dinh. Ein Unglück kommt selten allein.«
Der ARVN-Soldat führt uns zu der Hütte der alten Frau, die uns gestern das Essen verkaufte. Aber wir gehen nicht hinein, quetschen uns stattdessen zwischen Hühnerkäfig und Außenwand hindurch und stehen gleich darauf hinter der Hütte im Garten. Vor dem Schweinegatter. Was ich sehe, lässt mich sofort stehenbleiben. Als wäre ich mit Nägeln auf ein Brett fixiert. Mir kommt es hoch und ich übergebe mich vor dem Holzzaun. Mehrmals. Mein Puls beschleunigt so massiv, dass mir schwindelig wird. Ich höre eine Stimme immer wieder 'Mein Gott' sagen. Wieder und wieder. Bis ich merke, dass ich es bin. Ein ARVN-Soldat zieht mich hoch und schaut mir in die Augen. Fixiert mich. Kein Muskel bewegt sich in seinem Gesicht. Knöchern wie der Drache beim Tet-Fest. Er sagt etwas.
»Sehen Sie hin! Das macht der Vietcong! Sehen Sie nur hin!«, ist da Dinhs Übersetzung neben mir. Ich sehe hin. Die Schweine haben ganze Arbeit geleistet.
Dann ein Schrei hinter mir. Ramirez. Er geht in die Knie und Lieberman zieht ihn zurück zum Hühnerkäfig, presst die Lippen an Ramirez Ohren, flüstert ihm unentwegt zu. Ich fange an zu weinen. Erstaunt registriere ich, wie Dinh Nguyet Anh mich in den Hintereingang der Hütte zieht.
»Weinen Sie nicht vor der ARVN! Hören Sie?!«
Sie drückt meine Oberarme fest, schüttelt mich so gut es geht mit ihrer zierlichen Gestalt.
»Weinen Sie nicht vor den Soldaten!“, wiederholt sie. »Atmen Sie! Aus! Ein! Aus! Ein! Captain Trench! Aus und ein!«
Ich sehe in ihr Gesicht. Es ist so zart und sanft, dass ich gar nicht verstehe, wie es in der Welt da draußen existieren kann.
»Ist gut, Dinh. Ist wieder gut.«
Sie lässt mich los.
»Danke«, flüstere ich.

Walt Lieberman
Ich habe Ramirez in den Nachbargarten gezogen. Er weint, und ich habe nicht vor, ihn davon abzuhalten. Mein rechter Arm liegt um seine Schulter, mit dem linken Arm schütze ich seine Tränen vor allem um uns herum. Der Captain taucht im Türrahmen des Hintereinganges auf, zusammen mit der Dolmetscherin. Er steht nur da und sieht den ARVN-Soldaten zu. Sie halten ihre Waffen gesenkt, rauchen, sehen ab und zu nach den Schweinen, die sich sichtlich an ihrem Mahl erfreuen. Wie man so abgebrüht sein kann, ist mir völlig unverständlich. Der Captain bekommt wohl Informationen, die Dolmetscherin übersetzt ihm. Beide gehen wieder in die Hütte. Dann sehe ich sie auf der Straße. Er blickt kurz zu uns, sucht den Augenkontakt und bedeutet mir, einfach an Ort und Stelle zu bleiben. Dem komme ich gerne nach. Ramirez braucht mich.

Wo ist der Captain? Fast eine Stunde ist vergangen. Ramirez sitzt neben mir auf einer Holzbank und starrt auf den Boden. Kleine Asseln und Würmer bewegen sich geschäftig, und werden von den Hühnern aufgepickt. Dann tut sich etwas. Zwei ARVN-Soldaten treten aus dem Hütteneingang und ziehen eine Person hinter sich her. Sie zeigen ihm das Schweinegatter. Es ist ein Mann. Ein alter Mann. Ich stehe auf. Ramirez reagiert nicht. Vorsichtig gehe ich durch die Kräuterbeete. Die Soldaten binden den Mann auf ein weiß lackiertes Brett und stellen ihn mit den Füßen nach oben gegen die Hüttenwand. Seine Haare liegen im Dreck. Was zum Teufel geht da vor? Aber es passiert nichts. Plötzlich steht Ramirez neben mir.
»Was machen die da?«
»Ich habe keine Ahnung, Jorge. Vielleicht haben sie einen Vietcong geschnappt.«
»Und deswegen lehnen sie ihn kopfüber an eine Wand?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Wo ist der Captain?«, will er wissen.
»Weg. Mit dieser Dolmetscherin.«
Zwei Soldaten treten aus der Hütte. Der eine trägt einen Stahlhelm verkehrt herum, ganz vorsichtig.
»He! Ist da was drin?«, Jorge beugt sich etwas vor.
Der zweite umwickelt den Kopf des Mannes mit einem weißen Baumwolltuch, woraufhin der erste den Helm daneben stellt und beginnt, den Wickel mit Wasser zu tränken. Dann nimmt er den Helm hoch und gießt langsam, aber stetig, Wasser in einem dünnen Strahl auf Mund und Nase. Das Brett wackelt. Mehr und mehr. Der Mann zittert immer heftiger. Er kann nicht schreien, nur nach Luft japsen. Jorge reißt an meinem Arm. Die anderen ARVN-Soldaten stehen zwischen dem Gemüse und rauchen.
»Gottverdammt! Walt! Was soll der Mist? Wir müssen was tun! Komm!«
Er springt vorwärts. Mit Mühe und Not halte ich ihn zurück und drücke ihn zwischen die Kräuter.
»Jorge! Wir sind nur Beobachter und dürfen nicht eingreifen!«
Sein Gesicht taucht aus dem Koriander auf. Er verpasst mir einen Schlag an die Schläfe. Für einen Moment sehe ich schwarz und finde mich auf dem Boden wieder. Jorge ist weg.
»Jorge! Ramirez!«
Als ich wieder stehe, fallen Schüsse. Jorge hat die beiden Soldaten getroffen oder erschossen, ich weiß es nicht. Ein Dritter reißt seine Waffe hoch. Jorge erwischt auch ihn, trifft einen vierten und stößt mit seiner Schulter das Brett um. Ich renne. Dann fällt Jorge. Den Schuss habe ich nicht gehört. Ich schreie.

Walt Lieberman
Der Colonel steht mit dem kommandierenden Offizier der ARVN-Einheit auf dem Strand. Zwischen ihnen Dinh Nguyet Anh. Ich blicke auf die Uhr. Schon dreißig Minuten sind vergangen. Der Captain und ich warten vor unseren Zelten.
»Sir!«
»Was ist, Lieberman?«
»Ich …«, weiter komme ich nicht. Er sieht mich an. Sein Blick bedeutet Schweigen.
»Sagen Sie nichts. Es ist nicht ihre Schuld. Ramirez wird in allen Ehren in Arlington bestattet. Seine Familie soll stolz sein dürfen. Und Sie …«, er sieht wieder zum Strand, »unterschreiben das, was der Colonel ihnen vorlegt. Im Kampf gefallen und so weiter ...«
»Wir kämpfen aber gar nicht, Sir. Wir sollen den Menschen helfen.«
»Ja, ich weiß.« Er senkt die Augen. Auf der Straße nach Saigon kommt Stimmengewirr näher, kleine Trommeln, Gesang. Ein großer Zug Menschen. Männer, Frauen, jung, alt, Kinder. Das Weiß ihrer Gewänder blendet mich.

 
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Hallo @Morphin,

da ist sie also, die Vietnamgeschichte. Wenn man den falschen Zeitpunkt erwischt, verschwindet man durch diese Anzeige mit den maximal fünf Einträgen (neue Geschichten/neue Kommentare) irgendwie ganz schnell auf dem Haufen. Ich habe die Story wie einen Krimi gelesen, wer ist der Mörder, wer ist der Verräter, wer war's? Weiß nicht, ob du das beabsichtigt hast, aber (nicht nur) durch diese Genrebrille ist das ganz spannend alles.

Die von mir so empfundenen Vietnam(kriegs)-Klischees sind wieder drin, aber Klischees nehmen ja auch irgendwo mal ihren Anfang, sind also wohl nicht automatisch unwahr. Mich würde interessieren, woher deine Bilder kommen. Wirklich (fast) erste Hand, also meinetwegen jemand, den du kennst, der dabei war?

Was ich als Erzählkniff schwierig fand, war das mit den drei Ich-Erzählern in einer so kurzen Geschichte. Ich hab fast die ganze Zeit Lieberman reden hören, weil es mit dem anfängt. Man kommt sich ein bisschen vor wie eine Flipperkugel, so perspektivisch.

Okay, beim zweiten Lesen geschnallt, dieser Kniff da am Ende, zweimal Lieberman, Ramirez ist tot. Das ist natürlich eine geile Idee, aber etwas verwirrend find ich's trotzdem bis dahin.

"Weiß ist die Trauer" oder noch besser "Weiß wie die Trauer" würde sich meiner Meinung nach natürlicher als Titel aus dem Erzählten ergeben. So kommt das in der Geschichte vor und so hast du das eingefangen, was du ja unter anderem denke ich rüberbringen willst: Die Welt tickt hier ein bisschen anders, als die Prots das gewohnt sind, und die eigenen Vorstellungen von weiß und schwarz und gut und böse dem überstülpen zu wollen, kann langfristig nur schiefgehen, für alle Beteiligten. (Nochmal fix recherchiert, Schwarz ist schon auch Unglück und Trauer. Weiß ist der Tod. "Weiß wie der Tod?" Aber "Weiß wie die Trauer" wär schon cooler. Jemand aus Vietnam oder zumindest mit Wurzeln dort könnt wahrscheinlich am besten sagen, ob das funktionieren würde.)


Ramirez entzündet einen Joint
"zündet einen Joint an" fänd ich besser, gerade weil es in seiner Plumpheit so kontrastieren würde mit dem sehr literarischen Einstieg.

Dann blickt er in den Feldstecher.
Guckt/Blickt er da nicht durch?

Ohne Positionslichter auf dem Weg ins Mekong-Delta.
Später kommt noch mal so eine Stelle, da frage ich mich, ob das nicht irgendwie zu offiziell klingt für gesprochene Sprache, zu korrektes Vokabular, hier Positionslichter. Mekongdelta.

Schließlich mussten meine Eltern aus Castros Kuba fliehen.
Das zum Beispiel auch. Würde er nicht einfach "aus Kuba fliehen" sagen? Er hätte doch nicht das Gefühl, das noch erklären zu müssen, gerade wenn man da zeitlich noch so relativ dran ist.

Ist das Problem der Südvietnamesen. / Weinen Sie nicht vor den ARVN-Soldaten!
Südvietnamesen und ARVN klingt für mich zu sehr nach offiziellem Sprech - Nachrichten und Lagebesprechungen höherer Militärs - in diesen alltäglichen Situationen.

Die ARVN lässt die Spitzen mit Schweine- oder Rinderkot einschmieren, was bei einer Verletzung zumindest eine böse Infektion nach sich zieht
Das war ein cooles Detail. Diesen Vietnam-Film-Effekt, den ich unter deiner Griechenland-Story angesprochen habe, den hatte ich wie eingangs erwähnt mitunter auch hier. Dazu gehören auch Gruben mit angespitzten Bambusspießen. Das "Veredeln" der Spitzen, ich will nicht sagen, das habe ich noch nie gehört, aber es fühlt sich zumindest nicht so ... cineastisch an.

dass ich schon fast geblendet bin.
"Fast" finde ich ja fast immer entbehrlich. Das Weiß des Kleides blendet mich oder ich kann mir das ganz gut angucken, beides kann ich mir vorstellen. Aber es blendet mich fast, das finde ich schwer zu greifen.

Eine Portion Reis fällt raus.
Bei Portion denke ich eher an ein Schüsselchen voll. Ein kleiner Klumpen Reis?

Was ich sehe, lässt mich sofort stehenbleiben.
Das ist ja schon auch ein kleiner Schockeffekt (daher auch meine Assoziation mit Krimi/Thriller) und hier der Spannungsaufbau: Was hat er da nur gesehen? Irgendwie wird das behindert mit diesem eher gestelzten "jdn. stehenbleiben lassen". "Was ich sehe, lässt mich erstarren, ich kann nicht weitergehen." Oder auch ohne das letzte. Erstarren, das wäre glaube ich das richtige Wort.

Und deswegen lehnen sie ihn an ein Brett gefesselt mit dem Kopf nach unten an eine Wand?
Das klingt komisch, dass er das so im Detail beschreibt, es sehen doch beide, was da passiert. Ich würde ihn einfach in die Richtung nicken lassen und dann sagt er: "Was soll denn der Scheiß da?"

»Gott! Sie foltern ihn! Walt! Wir müssen etwas tun! Komm!«
Das klingt nicht nach einem Soldaten. Krieg verroht ja auch. Also, nicht dass er jetzt automatisch der übelste Kriegsverbrecher sein muss, und der Lieberman ist ja so diese Rookie-Figur, aber er ist auch nicht eben erst aus dem Hubschrauber gestiegen. Das klingt so naiv, und vorher ist da die Szene mit dem Torso, auf den alle recht ungerührt reagieren. Nochmal beim zweiten Lesen: Okay, er nicht, er ist froh, dass er aus der Hütte kann. Trotzdem klingt mir "Oh Gott, sie foltern ihn!" eine Spur zu weltfremd. Wenn er auch fremd ist in dieser Welt, in der in Weiß getrauert wird.

Viele Grüße und schönes Wochenende
JC

 

Servus @Proof,

stimmt, hab den Text aus dem Auge verloren. Momentan gibt es viele neue Geschichten. Ist wohl ein wenig das Virus schuld. Aber ist ja schön, wenn die Menschen schreiben und nicht nur auf Smartphone gucken oder Trübsal blasen. :)

Zunächst mal, ja, mein Onkel war dort. Schon vor dem Zwischenfall in der Tonkin-Bucht und dem Entsenden von Bodentruppen. Kennedy entsandte einen Mix aus Special Forces/SEALS/CIA-Söldner, um ARVN und Menschen in Wehrdörfern zu trainieren. Mein Onkel war bei diesen sogenannten "Green Berets". Nach dem Wegfall dieses "Hamlet-Programms" (Wehrdörfer), wurde er in die Bergregionen entsandt, um dort die "Montagnards" anzuleiten, den Nachschub auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad zu sabotieren. Er war lange dort, zu lange wohl. 1977 sah ich ihn das erste Mal und neben seiner Arbeit als Schreiner, der Prototypen für die Möbelindustrie in seiner Werkstatt fertigte, turnte er oft durch seinen riesigen Garten, um Krieg zu spielen. Sein Arsenal an "Dschungelwaffen" war enorm (Bolas, Würgedrähte, Wurfmesser, Wurfsterne, Bogen). Aber auch ne Menge an Schusswaffen, die über jedem Türrahmen hingen. Für nen Dreizehnjährigen Mitteleuropäer eine andere Welt. Seine ehemaligen Kumpels kamen zwei Mal die Woche zum Barbecue. Unter anderem der Indianer. So kommen die Geschichten zusammen.

Eben diese Montagnards und die Bevölkerung um das Mekong-Delta und den Saigonfluss war keine einheitliche Ethnie. Viele Volksgruppen leben dort - oder Stämme - wie man auch sagen könnte. Einige dieser Gruppen haben die Trauerfarbe Weiß, die Todesfarbe Schwarz, andere umgekehrt. Dann gibt es welche, die schwarz-weiß-gestreifte Trauerfahnen haben, das ist je nach Volksgruppe different.

Zum Thema der Sprache bei den Soldaten. Die Rekruten in diesen besonderen Verbänden hatten zumeist einen höheren Schulabschluss und wurden immer in mehreren Fähigkeiten trainiert. Das begann damals, als man merkte, dass die Anforderungen bspw. auch Sprachen lernen nötig machte. Heutzutage ist es wohl so, dass man ab Rekrutierung auch nach seinem Aussehen zugeordnet wird und erst mal 1 Jahr lang die Sprachschulbank drückt. Also ein Asiatischstämmiger für Fernost, ein schwarzer Amerikaner für den afrikanischen Raum usw. Ohne fließende Sprache kein Abschluss.

Diese Kameraden meines Onkels waren ziemlich gebildete Leute einerseits, und andererseits voller Testosteron und Patriotismus. Interessant war, dass mich mein Opa begleitete, der bei der Panzertruppe in Russland war. Eigentlich ein "ehemaliger Gegner", aber für diese "Soldaten" war er ein "Soldat", ein Gleichgesinnter, egal auf welcher Seite wer mal stand.

Das habe ich erst nach und nach auseinandergenommen und bin dahinter gestiegen, um was es bei diesen Gesprächen so im Unterbewussten ging. Was diese Jahre aus den Menschen machten, wie sie sich vorne gaben und das Innere versteckten.

Aber, he, ich erzähle und erzähle ... hab einige deiner Vorschläge übernommen. Das Veredeln dieser Spitzen ist übrigens eine der wirksamsten "Angstwaffen" des Vietcong gewesen. Eine große Menge der verwundeten GIs ging auf das Konto dieser Stäbe, die im Sinne des Wortes überall stecken konnten und steckten.

Besten Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Griasle
Morphin

 
Zuletzt bearbeitet:

Wahnsinn – was für ein Wort​

Umfriedung
das wahrscheinlich auch im Braunkohlerevier auf pipinider Zunge Auferstehung feiert - doch wer weiß hierorts noch um die Namen - "Ho", vllt noch, seitdem "Saigon" seinen Namen trägt, aber wer weiß schon noch um Le Duc Tho, der sich im Gegensatz zu Kissinger weigerte, den Friedensnobelpreis anzunehmen. Wie wir heute ahnen, war das Nixon-Regime eher ein Vorläufer des Trampelchen, was befürchten lässt, dass der "autoritäre Charakter" im Vormarsch ist (nach Lektüre von Noam Chomskys »Requiem für den amerikanischen Traum« darf man davon ausgehen). Aber zu diesem meisterlichen Werk,

lieber - oder doch eher - böser, bitterböser Morphin!

Die Dünung formt Welle um Welle, weiß auf jedem Kopf.
Mein J, denk ich bei der Zeile - selbst über den Stillen oder vermeintlich pazifistischen Ozean herrscht das/der vermeintlich Weiße, der tatsächlich der einzige richtig Farbige ist zwischen blassestem Weiß und rötestem Rot und gelegentlich auch blau-anlaufend im Gesicht (nach einem Wort von Wilfried - einem Schwarzafrikaner, der bei seiner Ankunft im deutschsprachigen Raum als erstes auf die Schildaufschrift "Gehweg" traf und einen Imperativ dahinter vermutete ...

Hier
Aus der Bucht des Saigonflusses schiebt sich schlammiges Wasser Richtung offenes Meer.
meine ich, lass den Fluss weg, der Fluss heißt einfach wie die Stadt einmal genannt wurde. Aber dem durchschnittlich begabten Mitteleuropäer sollte auf jeden Fall selbständig gelingen, „die“ Stadt von „dem“ Fluss zu unterscheiden und – wenn das nicht gelingt – sollte er doch bei der „Bucht“ weniger an ein Buch oder eine Buchung, als ein »in das Land hineinragender Teil eines Meeres oder Binnengewässers« lt. Duden denken.

»KeineKOMMA Sir. Von außerhalb kann nichts ins Dorf gekommen sein. Nicht an uns vorbei.
...
»Sehen sie hin! Das macht der Vietcong, sagt der Soldat. Sehen Sie nur hin«, ist da Dinhs Übersetzung neben mir.
Ich fordere Gleichbehandlung fürs Pronomen!

Er sieht mich an. »Lieberman! Du meldest den Schlamassel MACV und dem ARVN-Verbindungsoffizier. Wir brauchen eine Gruppe hier.«* Er überlegt kurz. »Wenn du fertig bist,...
*(gilt nur dem fehlenden auslaufenden Gänsefüßchen)

für den „Schlamassel“ vllt. “snafu” - ”situation normal - all fucked up”?

Nicht ungern gelesen vom

Friedel

 

Nihau @Friedrichard,

auf die Schildaufschrift "Gehweg" traf und einen Imperativ dahinter vermutete
:lol: Der war gut.

Le Duc Tho ... dachte, den bau ich mal ein. Mal sehen, ob wer drauf kommt. War ja klar, dass du ... und deswegen habe ich auch Umfriedung drin. Mein Geschenk für dein beständiges Korrigieren. Aus dem Wellenkopf habe ich den Wellenkamm gemacht, ist besser. Der Saigon ist jetzt der Saigon.

Sehr interessant sind in diesem ganzen "Schlamassel" die Tonbandaufnahmen von Nixon. Welch eklatante Fehleinschätzung von Mensch und Lage, gepaart mit eigener Selbsthöchstüberschätzung. Es gab mal eine Doku über McNamara, der kurz vor Ende seines Lebens sich zu Allem erklärte. Aber die war nicht lange im TV und gibt es heute nur noch als "Kopie einer Kopie" auf DVD, in schlechter Qualität. Aber noch nicht mal überall. Kam mal irgendwann vor vielen Jahren auf Arte, verschwand aber zügig aus der Mediathek. Jedenfalls ein beeindruckendes Zeitzeugen-Dokument.

Besten Dank fürs Lesen und Kommentieren und einen schönen Tag wünscht

Morphin

 

Le Duc Tho ... dachte, den bau ich mal ein. Mal sehen, ob wer drauf kommt. War ja klar, dass du ... und deswegen habe ich auch Umfriedung drin. Mein Geschenk für dein beständiges Korrigieren.

Na - da bin ich ja nahe beim Friedhof - da würd ich dann lieber "Hagen" und sei's von Tronje oder Tronege sein. Kurzsichtig würde ich den mit dem Namen verbundenen Mord gar nicht hinkriegen ...

Friedel

 

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