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Wenn ich weine, bin ich stark

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06.08.2021
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Anmerkungen zum Text

"Nicht nur Mädchen und Weicheier, dürfen weinen! Ein kleiner Junge, der um seinen Vater trauert, lernt, das weinen helfen kann."

Wenn ich weine, bin ich stark

Auch Jungs dürfen weinen!

Im Kindergarten

Hallo, mein Name ist Tim, ich bin 6 Jahre alt und nach den Sommerferien bin ich ein Schulkind. Im Kindergarten lernen wir schon die Zahlen, können unseren Namen schreiben und bald besuchen wir die Schule.

Maria, unsere Kindergärtnerin, erklärt uns gerade im Morgenkreis, dass ein jeder, der in die Schule kommt, einen Schulranzen benötigt.

„Wer weiß denn, was ein Schulranzen ist?“, fragt sie in die Runde. Paul, mein bester Freund, meldet sich gleich als erster und sagt, dass er schon eine Schultasche hätte. Einen mit Traktoren, weil sein Papa auch Traktor fährt und er dann immer mitfahren darf.

„Da kommen die Bücher für die Schule rein und man muss ihn auf dem Rücken tragen“, ruft der freche Hassan dazwischen.

"Wow! Ihr wisst schon richtig viel darüber. Wer hat denn schon alles einen Schulranzen?“ Unsere Kindergärtnerin schaut fragend in die Runde. Lukas hat sich einen mit gelben Rennautos ausgesucht, Arne mit Dinos, Taylor mit Delfinen und sogar die dumme Leonie, die immer rum heult, hat schon einen!

Ich höre gar nicht mehr zu und bohre in dem Loch in meiner Socke herum, bis Maria mich fragt, ob ich auch schon eine Schultasche habe. Ich bin damit beschäftigt meinen Zeh zu beobachten, so groß ist das Loch schon. Normalerweise trage ich Hausschuhe, aber die sind mir schon ganz lange zu klein und es tut weh, wenn ich mit denen rumlaufe. Die stehen jetzt in der Garderobe, weil meine Mama, immer vergisst, sie mitzunehmen, wenn sie mich abholt. Maria hat ihr schon letzte Woche, gesagt, sie solle neue Hausschuhe für mich kaufen. Hat sie aber nicht! Jetzt sind meine Füße kalt und ich muss beim Rennen aufpassen, weil es so rutschig ist.

Til steigt mir ständig auf die Zehen und lacht dann immer laut. Dafür entschuldigen will er sich natürlich nie. Selbst der blöde Til hat auch schon einen Schulranzen mit Löwen darauf. Das ist echt gemein! Seine Eltern gehen nicht arbeiten und haben überhaupt kein Geld. Wenn Mama nachher kommt, dann frag ich sie mal, ob wir auch einen Ranzen und neue Hausschuhe kaufen können.

"Tim? Was ist mit dir? Hast du auch schon einen Schulranzen?" Alle schauen mich an, Til und Alex lachen sogar und flüstern. Ich schüttle nur mit dem Kopf. Ganz sicher geht Mama mit mir heute einkaufen.

Zu Hause

„Jetzt stell dich nicht so an! Immer dieses Gebummel, kannst du nicht einmal ein lieber Junge sein und hören?“ Meine Mama hat mich vorhin vom Kindergarten abgeholt und mir überhaupt nicht zugehört. Ich will ihr erzählen, dass ich auch einen Schulranzen möchte, und sie spielt die ganze Zeit nur mit ihrem Handy rum. Ich ziehe sogar an ihrer Handtasche. Aber die merkt einfach gar nichts. Nie hört sie mir zu! Wenn mein Papa nicht im Himmel wäre, würde ich ihm erzählen, dass ich einen Schulranzen mit Rennautos haben möchte, genauso wie Arne.

Als Papa noch kein Engel war, hat Mama immer viel gelacht und wir haben regelmäßig nach dem Kindergarten großartige Sachen unternommen. Manchmal haben meine Eltern mich auch zusammen abgeholt, das war immer am aller schönsten. Ich durfte dann vorne neben Papa im Auto sitzen und die Musik im Radio einstellen.

Einmal ist er sogar mit seinem Lkw gekommen, um mich abzuholen, das war der allerbeste Tag in meinem Leben. Alle Kinder haben am Fenster gestanden und uns zugewunken. Papa hat mir sogar erlaubt, auf die Hupe zu drücken. Man, ist das laut gewesen! Im Fahrerhaus vor dem Lenkrad hing ein Nummernschild mit Papas Namen: „Markus". Ich habe es sogar lesen gelernt!

Auch als mein Papa im Rollstuhl saß, durfte ich auf seinem Schoß sitzen, aber nur ganz kurz, denn dann wurde er immer plötzlich müde und ich musste wieder selbst laufen.

„Tim, jetzt lauf die Treppen ordentlich hoch und mach nicht so einen Krach! Wir wohnen hier nicht allein! Tim hörst du schlecht?“

„Mama? Gehen wir nachher noch einen Schulranzen kaufen und neue Hausschuhe?“

„Jetzt lauf doch endlich weiter. - Der Einkauf ist schwer.“

„Gehen wir denn jetzt noch …“

"Wir gehen nirgendwo mehr hin und es gibt auch keinen neuen Schulranzen. Oma Helga hat mir heute von ihrer Nachbarin einen Ranzen für dich vorbeigebracht. Ich glaube, Lasse heißt der Enkel von Omas Nachbarin. Der hat ihn verschenkt, weil er ihn nicht mehr mag.“

„Den will ich nicht! Der Lasse ist doof. Ich will keinen alten Ranzen, ich will einen neuen. Alle Kinder im Kindergarten haben einen neuen …“

„Ist mir egal, ob du das willst, der ist noch wie neu. Weißt du, wie teuer so eine neue Schultasche ist? Jetzt finde ich den Schlüssel nicht, wo ist der nur! Also heute reicht es mir wirklich. Weißt du eigentlich, was bei uns auf Arbeit los war? Ich bin fix und fertig und du machst Stress wegen deines dummen Ranzens.“

Meine Mutter ist so gemein und der Lasse auch. Immer wenn ich am Wochenende, zu meiner Oma muss, steht der am Gartenzaun und streckt mir die Zunge raus. Oma ist auch doof, ständig raucht sie Zigaretten und hustet ganz fürchterlich. Laut spielen darf ich auch nicht, weil mein Opa seine Serien schaut. Die Serien mag ich nicht und dann ist mir ständig langweilig. Opa war mal böse zu mir und hat mich sogar gehauen. Weil ich geweint habe, als mein Papa ein Engel wurde. Mein Opa hat gesagt, dass nur Weicheier und Mädchen heulen würden. Da habe ich noch mehr geweint und Opa ist wütend geworden und hat mir ganz fest eine hinten auf den Kopf geknallt. Jetzt bin ich kein Weichei mehr und werde nie wieder weinen. Mein Papa darf mich doch von da oben nicht weinen sehen.


Wenn ich meinen Papa doll vermisse und traurig bin, schreie ich ganz laut und mache irgendwas kaputt, bis mir nicht mehr nach Weinen ist. Manchmal haue ich auch fest die Mama. Hannah habe ich auch mal gehauen, weil sie im Morgenkreis gesagt hat, dass sie am Wochenende zu ihrem Papa fahren darf. Da ist mir komisch geworden und fast hätte ich geweint.

Wenn mein Papa noch da wäre, würden wir jetzt einen Schulranzen kaufen.

„Mama?“

„Hm“

„Ich vermisse meinen Papa. … Ganz doll.“

Meine Mama tut so, als ob sie mich gar nicht hört und stellt die Tüte mit den Einkäufen neben mir ab und lässt mich alleine im Flur stehen.

Ich werde schon wieder traurig. So traurig, dass nur hilft, wenn ich gegen Mamas Einkaufstüte trete. Irgendetwas scheppert gerade laut in der Tasche und jetzt läuft da auch noch was raus. Der ganze Läufer im Flur ist schon rot und riechen tut es wie der komische Saft, den die Mama immer trinkt, seitdem Papa im Himmel ist. Ich habe den schon heimlich probiert, aber der war so sauer.

Mama ist gerade im Bad. Ich kann sie leise weinen hören. Sie versteckt sich dort oft, wenn sie weint. Mädchen dürfen weinen, nur Jungs müssen stark sein. Ich muss stark sein und auf meine Mama aufpassen. Schnell greife ich in den Beutel, um herauszufinden was da kaputtgegangen ist.

„Autsch!“ Da hat mich gerade etwas in die Hand gebissen.

Der Hund von Oma Helga hat mich auch gezwickt, aber das war anders. Der Schmerz wird immer schlimmer. Ich ziehe meine Hand mal lieber wieder heraus, nicht dass da wirklich ein Hund drinnen ist.

„Hubs …“ Da steckt gerade eine Scherbe in meiner Hand!

Mama sperrt schon die Badezimmertüre auf. Was mache ich denn jetzt? Es ist schon zu spät, um meine Hand hinter meinen Rücken zu verstecken.

Mama steht in der Tür, ihr Mund ist ganz weit offen und sie wird ganz weiß im Gesicht, als ob sie zu viel Karussell gefahren ist. Das ist mir schon oft passiert und dann musste ich mich immer kurz hinlegen und die Augen schließen. Vielleicht sollte Mama sich auch mal hinlegen.

„Ah, oh nein Tim, was machst du denn? Du blutest ja.“

„Oh“ Jetzt sehe ich es auch. Mein ganzer Ärmel ist schon rot und es tropft alles auf meine Socken. So viel Blut habe ich nur einmal im Fernsehen bei meinem Opa gesehen. Da wurde ein Mann mit einer Pistole erschossen. Der ist dann auch gestorben.

„Mama? Muss ich jetzt auch sterben und kann den Papa besuchen?“
Mama kommt mit einem Handtuch, wickelt es schnell um meine Hand und drückt ganz fest zu. Das tut richtig weh, aber ich weine nicht. Dafür weint Mama gerade und versucht irgendwas in ihr Handy einzutippen. Vor dem vielen Blut gruselte es mich jetzt selbst und schwindelig ist mir auch.

Mama trägt mich ins Wohnzimmer auf die Couch und wickelt noch ein Handtuch drum. Ich bin müde und möchte ein wenig schlafen. Warum schreit sie mich denn jetzt so laut an? Ich bin doch lieb und will nur etwas schlafen.

„Hey!“ Jetzt schüttelt sie mich auch noch.

Von irgendwo draußen höre ich einen Krankenwagen, die Sirene wird immer lauter und ich bin sehr müde. Ist mir egal, ob Mama schreit, ich schlafe jetzt ein wenig. Nur ganz kurz Versprochen.

Frau Doktor Janine

Mir ist gerade sehr kalt und meine Augen, lasse ich mal lieber zu. Um mich herum sind komische Geräusche und fremde Stimmen. Arne hat mir mal erzählt, wenn ein Monster im Zimmer ist, muss man einfach die Augen zu lassen, dann sehen die einen nicht.

„Tim? Hallo Tim, kannst du deine Augen öffnen?“ Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Monster so nett ist. Wenn ich nur ein Auge aufmache, kann das wohl nicht so schlimm sein. „Huhu kleiner Mann, du bist bestimmt tapfer.“

Eine Frau mit blonden langen Haaren steht vor mir und lächelt. Glück gehabt, doch kein fieses Monster. Die nette Frau sagt, dass sie Ärztin sei und Janine heiße. Mama ist auch da und hält meine gesunde Hand ganz fest. Das hat sie schon lange nicht mehr gemacht. Vielleicht hat sie mich jetzt wieder lieb und alles wird wieder wie früher, als Papa noch da war.

„Wie ist das denn passiert Tim?“ Dr. Janine lächelt mich an.

Ich habe keine Angst mehr und auf einmal kann ich gar nicht mehr aufhören, zu erzählen: , dass mein Papa tot ist und die Oma immer so viel raucht, Mama nie Zeit hat und ich im Kindergarten immer kalte Füße habe, alle einen Schulranzen haben und ich den Lasse doof finde.

„Wie ist denn das mit deiner Hand passiert? Wolltest du deiner Mama helfen den Einkauf zu verstauen?“ Dr. Janine setzt sich zu mir auf die Liege.
Die ist aber ziemlich neugierig für eine Ärztin.

„Mein Opa hat gesagt, dass nur Weicheier weinen, und ich bin kein Weichei." „Möchtest du denn manchmal gerne weinen?“

„Manchmal schon, aber ich möchte nicht, dass mein Papa im Himmel das sieht und dass mein Opa mich dann wieder haut.“

„Was machst du stattdessen, wenn du traurig bist?“

„Ich bekomme dann immer ganz viel Bauchschmerzen, bin wütend und mach irgendwas kaputt. Manchmal bin ich auch so sauer, dass ich jemandem weh tue.“

„Weißt du Tim, es ist o.k., wenn man weint. Jeder muss mal weinen. Das ist nicht schlimm. Weinen hilft gegen Bauchschmerzen.

„Mama weint auch immer ganz viel, aber die ist auch ein Mädchen und die dürfen das.“

„Jungs dürfen auch weinen. Wenn man weint, ist man stark. Wenn du jemandem wehtust, nur weil du traurig bist, dann ist jemand anderes traurig, weil du ihn gehauen hast.“

War dann Opa auch traurig, weil er mich gehauen hat?“

„Dein Opa wusste bestimmt nicht, wie er dich trösten sollte und vielleicht durfte er als Junge auch nicht weinen."

Meine Mama sitzt die ganze Zeit nur da hört der Janine und mir zu. Sie sieht ernst aus, aber nicht wütend. Ihre Hände zittern ein wenig, aber ich glaube nicht, dass sie Angst hat.

„Ist es schlimm, wenn ich weine Mama?“

„Das ist überhaupt nicht schlimm mein Kleiner, Ich weine doch auch ständig und danach geht es mir wieder besser.“

Mama und ich weinen beide zusammen. Sie hält mich sogar dabei ganz fest in ihren Armen. Warum wir weinen, weiß ich nicht so genau und warum die Janine dann auch noch weint, daraus werde ich auch nicht ganz schlau. Aber Mädchen weinen wohl doch mehr als Jungs. Ich glaube, der Opa weint auch manchmal und vielleicht weint jeder irgendwann mal, damit er keine Bauchschmerzen bekommt.

Ich muss noch eine Nacht im Krankenhaus bleiben, aber Mama will die ganze Nacht bei mir verbringen und auf mich aufpassen. Morgen darf ich gleich nach dem Frühstück nach Hause. Janine sagt, dass ich mich noch etwas ausruhen muss. Die Hand tut immer noch weh, aber es ist nicht so schlimm wie Bauchschmerz.

Seit Kurzem kommt mich Anne vom Kindergarten abholen und macht mit mir großartige Sachen, bis Mama von der Arbeit kommt. Anne ist vom Jugendamt und hilft der Mama, auf mich aufzupassen. Das mit dem Weinen funktioniert nicht immer, auch das Bauchschmerzen kommt hin und wieder und ich werde dann wütend. Das ist aber nicht mehr so oft, und dann bin ich stark und weine. Aber wisst ihr was noch viel schöner ist? Dass meine Mama wieder öfter lächelt!

 

Hallo @Aschenputtel,
am Anfang dachte ich noch naja, mal sehen was das wird.
Im Grunde weil Titel + Untertitel recht plakativ sind.

Aber dann zog es mich richtig rein.
Diese Steigerung gerade durch die unbekümmerte Kindersprache und "Denke" lässt einen Schlucken, macht deutlich, dass wir manchmal in fremden Welten leben. Schicksalsschläge, Alltag, Stress lassen einen abdriften, kleine Dinge wie diese Sprache bringen zur Besinnung oder eben ein Unfall.

Erst einmal sacken lassen, von mir deshalb nur:

Selbst der blöde Til hat auch schon einen Schulranzen mit Löwen darauf.
Klingt hier als hätten alle Kinder Schulranzen mit Löwen darauf.

Im Kindergarten
Zu Hause
Im Krankenhaus ?

Wenn davor noch etwas in der Art von
Im Nebel
o.ä. kommen würde, als ihm "schwummrig" wird, käme noch mehr Dramatik rein und man
würde bange weiterlesen. Aber das ist nur gesponnen, du siehst, dass dein Text zum Nachdenken bringt und so soll es sein.

Willkommen, ein schöner Einstieg von dir.
Gruß @malabin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Aschenputtel

und willkommen hier.
Nur kurz etwas Formelles.

Du sagst in der Textinfo: "Der Text, beinhaltet teilweise Szenen, welche auf Kinder eventuell verstörend wirken könnten."
Du hast das Stichwort "Kinder" gewählt. "Kinder" bedeutet da, dass es ein Text für Kinder sein soll. Das passt nicht zusammen; ich habe deshalb das Stichwort gelöscht.

Des weiteren kannst du die doppelte Überschrift oben ruhig löschen und das "Ende" ist überflüssig. Dafür einfach auf den Knopf "bearbeiten" klicken und die Änderungen vornehmen.

Wünsche dir hier viel Spaß beim Lesen, Kommentieren und Schreiben.

Liebe Grüße, GoMusic

Nachtrag: Ich habe den Titel "Wen ich weine, bin ich stark" mal korrigiert in "Wenn ..."

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe(r) malabin,

vielen Dank für dein Feedback. Der Titel ist bewusst so gewählt. Es ist im eigentlichen Sinne, eine Vorlesegeschichte für Kinder. Sie wurde, bevor ich sie auf Reisen geschickt habe, von einer Lektorin lektoriert. Und trotzdem, finde ich immer wieder Fehler.
Über Deine Kritikpunkte, mache ich mir mal intensiv Gedanken. Einige Szenen, sind wirklich fast zu brutal für Kinder( könnte triggern, bzw. zum nachmachen anregen.) Meine Lektorin hatte mir sogar empfohlen, die Ohnmacht rauszunehmen - Meine Tochter(6) fand gerade die blutige Szene spitze.
Mein Fazit: Geschichten für Kinder sind schwieriger, als alles andere

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Aschenputtel

und herzlich willkommen hier.

Einige Szenen, sind wirklich fast zu brutal für Kinder ...
Ich denke, man kann Kindern schon etwas zutrauen. Grimms Märchen, Ritter, Drachen - was wird da gehauen und gestochen. Jeder Mensch stirbt irgendwann - das darf meiner Meinung auch jedes Kind wissen. Klar sollte man einem Kind nicht haarklein schildern, wie ein Beinbruch mit herausschauenden Knochen aussieht, es soll ja keine Horror-Geschichte sein, sondern eine Kindergeschichte - aber in einer Kindergeschichte kann man schon sagen "hat sich das Bein gebrochen" - nur mal so als Anschauungsbeispiel.
Wie soll sich sonst ein Kind auf "die böse Welt" vorbereiten, wenn es nie hört, dass die Welt "böse" ist? Manchmal hab ich das Gefühl, wenn ein zu behütetes Kind erwachsen wird, und dann so richtig auf die Schnauze fällt, dann interessiert das niemanden mehr - aber diese Richtung der Diskussion geht hier zu weit :D
Insofern schauen wir doch auf den Text, und ich schlage vor, wir schauen mal so, dass der "Kinder"-Tag wieder an die Geschichte ran kann - denn aus meiner Sicht ist das eine Kindergeschichte.

Hallo, mein Name ist Tim, ich bin 6 Jahre alt und nach den Sommerferien bin ich ein Schulkind.
Und für eine Kindergeschichte fand ich diesen ersten Satz "doof" :D Warum? Du erzählst als Ich-Erzähler aus des Kindes Sicht. Und dieser Einstieg ist für mich so Kind-untypisch. Das klingt so nach Refarat halten. Auch das das Kind mit dem "Hallo" den Leser direkt anspricht - mag ich nicht.
Falls Du den Satz drin lässt (ist ja Deine Entscheidung ;)), zahlen bis zwölf am besten ausschreiben - in dem Falle die Sechs.
Im Kindergarten lernen wir schon die Zahlen, können unseren Namen schreiben und bald besuchen wir die Schule.
Den Satz finde ich als Einstieg viel geeigneter; bis auf den Namen "Tim" enthält er die gleichen Informationen - und klingt Kind-typischer.
Wenn Du den ersten Satz streichst und den Namen am Anfang drin haben willst, vielleicht dann sowas wie "... und ich kann schon meinen Namen "TIM" schreiben." noch einbauen.
Maria, unsere Kindergärtnerin, erklärt uns gerade im Morgenkreis, dass ein jeder, der in die Schule kommt, einen Schulranzen benötigt.
Den Satz könntest Du noch in den ersten Absatz reinpacken.

Die Dialog im Kindergarten und mit der Mutter fand ich ok ... :)

Meine Mutter ist so gemein und der Lasse auch. ...
... Mein Papa darf mich doch von da oben nicht weinen sehen.
Ich habe die Eindruck, in diesem Absatz willst Du zu viel: süchtige (Zigaretten/Serien) Großeltern mit einem bösen Nachbarskind - das kann man machen - aber nicht in einem Absatz so runterrattern - nicht für Kinder.
Mein Vorschlag: Lass den Ranzen von einem Cousin oderso kommen und lass die Schilderung der Großeltern raus und konzentriere Dich auf die Beziehung zur Mutter. Das ist genug für ein Kind.
Wenn ich meinen Papa doll vermisse und traurig bin, schreie ich ganz laut und mache irgendwas kaputt, ...
Wenn mein Papa noch da wäre, würden wir jetzt einen Schulranzen kaufen.
Das fand ich gut gemacht - in Kindersprache erklärt, warum er so ein ätzendes Kind ist. Klar - dazu benötigt es das "Jungs weinen nicht"-vom Opa. mhm - das torpediert etwas meinen Vorschlag von grad eben. ;) - und jetzt weiß ich auch nicht.

Ich werde schon wieder traurig. So traurig, dass nur hilft, wenn ich gegen Mamas Einkaufstüte trete. Irgendetwas scheppert gerade laut in der Tasche und jetzt läuft da auch noch was raus.
Das fand ich schön - die Motivation ist verständlich, man leidet mit ihm.
Der ganze Läufer im Flur ist schon rot und riechen tut es wie der komische Saft, den die Mama immer trinkt, seitdem Papa im Himmel ist. Ich habe den schon heimlich probiert, aber der war so sauer.
Den Hinweiß auf den Rotwein finde ich wieder "zu viel". Da müsstest Du dich doch entscheiden, für wen die Geschichte ist: Für Erwachsene, dann darf das gern drin bleiben, aber Kinder bekommen die Dreh zum Rotwein nicht hin - für Kinder finde ich den Hinweis eher verwirrend.

Mama ist gerade im Bad. Ich kann sie leise weinen hören. Sie versteckt sich dort oft, wenn sie weint. Mädchen dürfen weinen, nur Jungs müssen stark sein. Ich muss stark sein und auf meine Mama aufpassen.
Das würde ich ein paar Zeilen hochziehen, das passt aus meiner Sicht eher, nachdem sie ihn im Flur hat stehen lassen.
Mama sperrt schon die Badezimmertüre auf. Was mache ich denn jetzt? Es ist schon zu spät, um meine Hand hinter meinen Rücken zu verstecken.
Das fand ich super, dass er die triefende Hand hinterm Rücken verstecken wollte :D
So viel Blut habe ich nur einmal im Fernsehen bei meinem Opa gesehen. Da wurde ein Mann mit einer Pistole erschossen. Der ist dann auch gestorben.
Das finde ich auch zu viel, es würde reichen, wenn er sagt "So doll habe ich noch nie geblutet." - oder sowas.
Der Rückschluss zum Krimi im Fernsehen - da nimmst Du dem kindlichem Leser die Fantasie, sich selbst vorzustellen, wie viel es blutet - dadurch wird es "kind-untauglich". Manche Kinder stellen sich unter viel Blut drei Tropfen vor und das ist auch voll ok - die Geschichte funktioniert dann trotzdem noch.
„Mama? Muss ich jetzt auch sterben und kann den Papa besuchen?“
Den Satz würde ein Kind mit einer Mini-Schürfwunde am Knie auch fragen, oder? - Also kann das aus meiner Sicht auch drin bleiben. Obwohl der Vater ja nicht durch einen Unfall, sondern eher durch eine "schnelle" Krankheit gestorben ist (sonst wäre er nicht mit auf dem Rollstuhl gefahren) - insofern weiß ich nicht, ob die Verbindung von Blut zum toten Vater so schnell geht.
Vor dem vielen Blut gruselte es mich jetzt selbst und schwindelig ist mir auch.
Hier würde ich das viele Blut auch weglassen. Vielleicht einfach nur "Mir ist ein bisschen schwindelig."

Mama trägt mich ins Wohnzimmer auf die Couch und wickelt noch ein Handtuch drum. Ich bin müde und möchte ein wenig schlafen. Warum schreit sie mich denn jetzt so laut an? Ich bin doch lieb und will nur etwas schlafen.
Das fand ich gut.

„Hey!“ Jetzt schüttelt sie mich auch noch.
Das ist auch Super.
Von irgendwo draußen höre ich einen Krankenwagen, die Sirene wird immer lauter und ich bin sehr müde. Ist mir egal, ob Mama schreit, ich schlafe jetzt ein wenig. Nur ganz kurz Versprochen.
Das ist wieder mehr Info für Erwachsene. Kann ein sechsjähriger Sirenen von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen unterscheiden? Mein Vorschlag: Lass diesen Absatz ganz raus.
Mir ist gerade sehr kalt und meine Augen, lasse ich mal lieber zu. Um mich herum sind komische Geräusche und fremde Stimmen. Arne hat mir mal erzählt, wenn ein Monster im Zimmer ist, muss man einfach die Augen zu lassen, dann sehen die einen nicht.
Das Aufwachen hat mir nicht gefallen - ich würde das streichen und mit der Ansprache vom Doktor anfangen.

Ich habe keine Angst mehr und auf einmal kann ich gar nicht mehr aufhören, zu erzählen: , dass mein Papa tot ist und die Oma immer so viel raucht, Mama nie Zeit hat und ich im Kindergarten immer kalte Füße habe, alle einen Schulranzen haben und ich den Lasse doof finde.
Das kommt mir zu schnell. Aber das ist nur meine Meinung.


Meine Mama sitzt die ganze Zeit nur da hört der Janine und mir zu. Sie sieht ernst aus, aber nicht wütend. Ihre Hände zittern ein wenig, aber ich glaube nicht, dass sie Angst hat.
Apropos Doktor Janine: Vorsicht, Klischee! "Jungs dürfen auch weinen" sagen immer nur Frauen :D Die Geschichte hätte viel mehr Nachdruck, wenn es ein Herr Doktor wäre, der so einfühlsam ist und das sagt. Das wäre für mich (als Erwachsener) auch ein Grund, dass sich der Junge so öffnet, weil da ein Mann ist - ein Vaterersatz - dem er sein Leid erzählen kann.

„Das ist überhaupt nicht schlimm mein Kleiner, Ich weine doch auch ständig und danach geht es mir wieder besser.“
Jo - endlich spricht das mal einer aus. ;)

Mama und ich weinen beide zusammen. Sie hält mich sogar dabei ganz fest in ihren Armen.
Na endlich - das Happy End beginnt.
und warum die Janine dann auch noch weint, daraus werde ich auch nicht ganz schlau.
Mit Herr Docktor wäre es dann aber komisch, wenn der mitweint :P

Ich glaube, der Opa weint auch manchmal und vielleicht weint jeder irgendwann mal, damit er keine Bauchschmerzen bekommt.
Das ist mir zu viel Reflexion für einen sechjährigen - würde ich streichen.
Seit Kurzem kommt mich Anne vom Kindergarten abholen und macht mit mir großartige Sachen, bis Mama von der Arbeit kommt. Anne ist vom Jugendamt
Für mich ist das auch so eine Info für Erwachsene.
Mein Vorschlag: Mama hat ihm doch eine Schulmappe mit Löwen besorgt. Das wäre ein schöner Zirkelschluss zum Anfang.
Aber wisst ihr was noch viel schöner ist? Dass meine Mama wieder öfter lächelt!
Und das toppt dann den Zirkelschluss noch - die Mappe ist eigentlich nicht wichtig - Mama ist wichtig.

Fazit: Ich denke, das kann eine Kindergeschichte werden, wenn Du willst. Schweres/ernstes Thema aus Kinderaugen geschildert - das hat doch was.

Ich hoffe, du kannst mit meinem Leseeindruck etwas anfangen

gern gelesen
Gruß
pantoholli

 

Hallo @GoMusic ,

danke für die Info. :)

Hallo @pantoholli ,

"puh" da muss ich mich doch erstmal hinsetzen. Vielen Dank für deine, umfangreiche Kritik. Ich gebe Dir in allen Punkten recht. Meine Lektorin( Hauptberuflich Entwicklungspsychologin) befand den Inhalt der Geschichte, als pädagogisch wertvoll. Sie teilte einige deiner Kritikpunkte (aber nicht in diesem Umfang)
Die Geschichte ging vor etwa drei Wochen, an einem renommierten Kinderbuchverlag raus. Ein eher unkonventioneller Verlag mit teilweise sehr grenzwertigen Themen (und wohl auch der Einzig) wo mein Werk ansatzweise ins Konzept passen könnte. Ich hatte einige Szenen im Manuskript markiert und einen Alternativvorschlag angehangen. Mit Sicherheit, keine übliche Vorgehensweise, aber ich wollte/konnte mich von diesen Szenen einfach nicht trennen.

Deine Kritikpunkte, ergeben natürlich Sinn und ich werde, den Text nochmals umbauen. Vielleicht bin nicht für Kinderliteratur gemacht.
Mein Herz schlägt für, Thriller, Horror und Erotik. :D

 

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