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Wie ein Pferd fliegen lernte
Vor langer Zeit, als der Wolf noch den Wald regierte und die Flüsse noch wild und ungezähmt waren, da waren die Pferde frei und lebten in großen Herden.
Es gab Herden mit Arabern, Schimmeln, Rotfüchsen, Warmblüter und anderen Rassen. Es gab da auch noch eine Herde, dessen Tiere Hörner auf der Stirn trugen. Die Menschen verehrten diese Tiere, denn in ihren Legenden versprach das Horn eines Pferdes Heilung und magische Kräfte. Sie erzählten sich Geschichten über Einhörner, deren Fell in der Sonne wie Sterne funkelten und deren Hufen keine Abdrücke hinterließen. Die Folgende ist nur eine davon.
Der stärkste Hengst der Einhornherde wurde Monocerus genannt und er war der Anführer der Herde. Monocerus hatte eine Tochter, die er liebevoll Glacieflos nannte.
Als Glacieflos ein Jahr alt wurde, entdeckte sie, sehr zum Missfallen ihres Vaters, die Liebe. Denn sie verliebte sich in ein ganz normales Pferd, das keinerlei Kräfte besaß und kein Horn auf der Stirn trug. Es war ein Rotfuchs und solch ein Wesen passte gar nicht zu seiner Tochter.
Doch er wusste schon, wie er den Fremden aus seiner Familie herausekeln konnte.
Als der Rotfuchs vor ihm trat und ihn um den Huf seiner Tochter fragte, verlange Monocerus folgende Bedingungen, bevor er einwilligte:
„Ich möchte nicht, dass meine Tochter ein gewöhnliches Pferd heiratet. Erst wenn du lernst, beim Galoppieren keine Spuren zu hinterlassen, ein Horn zu tragen und dein Fell so funkelt wie die Sterne, will ich dir meine Tochter geben.“
Der Rotfuchs willigte ein und erzählte seiner Geliebten von dem Willen ihres Vaters. Sie war empört und verletzt, denn sie wusste, dass ihr Vater ihren Geliebten nicht mochte. Doch der Rotfuchs tröstete sie:
„Keine Sorge, ich weiß, wie ich diese Prüfungen bestehen kann. Aber ich muss fort, um die Dinge zu erledigen. In drei Tagen bin ich wieder da.“ Er schmiegte seinen Hals an den ihren und galoppierte davon.
Was die Tochter des Anführers nicht wusste, war dass der Rotfuchs einen Zauberer kannte der ihm bei den Prüfungen helfen konnte.
Als er in das Haus des Zauberers eintrat und ihm die Geschichte erzählte, schmunzelte der Magier, aber nicht lange.
„Ich weiß, was wir da machen“, sagte der Zauberer. „Wir flechten in deinem Fell Strähnen aus Silber ein, damit es so funkelt wie die Sonne. Dann brauchen wir noch das Horn eines Rindes und verzaubern es, damit es an ein Einhorn erinnert.
Und wie du beim Galoppieren keine Abdrücke hinterlässt, hab ich mir auch schon bereits etwas überlegt, aber dafür brauche ich die Flügel eines alten Schwans. Komm, wir beeilen uns, damit deine Geliebte nicht so lange warten muss.“
Als Monocerus und Glacieflos den Rotfuchs wiedersahen, erkannten sie ihn im ersten Augenblick nicht wieder. Aus seiner Stirn ragte ein Horn, das im Sonnenlicht silbrig funkelte und jedes Mal, wenn sein rotes Fell vom Sonnenlicht geblendet wurde, schimmerte es so hell wie Sterne.
„Schön, schön“, sagte Monocerus. „Kannst du denn auch galoppieren, ohne Abdrücke zu hinterlassen?“
Der Rotfuchs bejahte die Frage und als er dies tat, spannte er seine Flügel weit aus, so dass alle erschraken. Als er ein paar Mal mit den Flügeln schlug, hob er vom Boden ab. Er war überrascht, wie gut der Zauber des Magiers funktionierte. Er brauchte auch nicht lange, um flügge zu werden. Schnell begriff er, wie er mit den Flügeln umgehen musste und flog sogar einmal im Kreis über die Wiese, um dann wieder vor den Hufen seiner Geliebten und ihren Vater zu landen.
Monocerus brummte, denn nun war der Rotfuchs besser als er. Als er seinen zukünftigen Schwiegersohn fragte, wie er es geschafft hatte, dass ihn Flügel wuchsen, schwieg der Rotfuchs.
Dem Anführer blieb nichts anderes übrig, als die Hochzeit zu willigen.
Der Zauber des Magiers war so gut, dass der Rotfuchs sein Horn, sein glitzerndes Fell und seine Flügel bis zu seinem Tod behielt. Sogar seine Nachkommen erbten die Flügel. Deshalb gab es fortan auf der Welt Einhörner mit Flügeln.