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Wiedersehen macht Freude

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10.09.2016
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Wiedersehen macht Freude

Das Licht hat er ausgemacht, draußen ist es hell genug. Er legt die Hände auf die Greifreifen, stößt, fährt ans Fenster. Auf seinem Schoß liegt das Fernglas. Er nimmt den Stein aus der Hemdtasche, befühlt ihn. Der Himmel ist wolkenlos. An so einem Tag kann er fast alles sehen. Herr Grubner streckt den Kopf vor. Gleich wird der Taubenmann erscheinen, unten beim Steinkreis. Es dauert nicht lange. Von hier oben sieht er aus wie eine Spielzeugfigur, die Tauben sind graue, hüpfende Punkte. Herr Grubner setzt das Fernglas an, beobachtet, wie sich die Vögel um Brotkrumen streiten. Geduldig wartet der Taubenmann, bis alles aufgepickt ist. Gleich wird er drei Mal in die Hände klatschen. Die Tauben flattern auf. Er verfolgt ihren Flug. Die Fassade am Westflügel hoch und aufs Dach, wo sie in Reihe landen. Herr Grubner spürt seinen Herzschlag, streicht mit den Fingerspitzen über den glatten Stein.
Sie schiebt die Gardine zur Seite, steigt auf ihr Bett. In Unterwäsche und weißem T-Shirt, auf das die schwarzen Haare fallen, bis unters Schlüsselbein. Ob sie braune Augen hat oder grüne, schwer zu sagen. Über ihr brennt eine Glühbirne ohne Lampenschirm. Herr Grubner konzentriert sich auf ihre Lippen. Eine Viertelstunde lang. Kein Lächeln, nichts. „Komm schon“, flüstert er. Das Ekzem am Auge juckt, doch Herr Grubner ignoriert es. Ewig könnte er sie so ansehen, auf ihr Lächeln warten.
Gegen halb zehn bewegt sie sich wieder. Sie steht auf, streckt sich, trottet aus dem Zimmer. Im nächsten Moment erscheint sie in der Küche. Kurz hält sie inne, wartet. Sie weiß, dass er sie beobachtet. Sie öffnet den Kühlschrank, nimmt einen Tetrapack Milch heraus, schraubt den Plastikdeckel ab und führt die Öffnung zum Mund. Ohne abzusetzen trinkt sie. Den Milchbart lässt sie stehen, kehrt ins Zimmer zurück, setzt sich aufs Bett. Wieder spürt Herr Grubner seinen Puls und befühlt den Stein. Es geht los. Ihre Blicke treffen sich. Sie hebt die Hand. Ohne das Fernglas abzusetzen, erwidert er ihren Gruß.


Kurz nach neun, ein anderer Tag. Auf ihrem Bett liegt eine Verpackung desselben Medikaments, das sie seit Wochen zum Einschlafen nimmt. Die junge Frau kommt ins Zimmer. Ein Milchbogen hängt über ihren Lippen. Er winkt ihr zu, sie schaut ihn an. Kein Gruß. Sie legt sich aufs Bett, schließt die Augen. Er wartet. Zehn Minuten. Fünfzehn. Etwas stimmt nicht. Herr Grubner legt das Fernglas ab, fasst nach den Greifreifen, fährt zur Tür. Das Handy ist leer. Im Treppenhaus nimmt er die Treppe zum Westflügel. Er steckt den Stein in die Hemdtasche, dreht den Rollstuhl, greift mit der Hand ans Geländer. Mit der anderen drückt er sich die Stufen hoch. Es sticht im Bauch, in den Schultern, der Brust. Oben angekommen schiebt er sich in den nächsten Flur, zieht den Stein aus der Hemdtasche und schließt die Finger darüber. Es muss eines dieser Zimmer sein. Eine Tür öffnet sich.
Barfuß steht sie da. In Unterwäsche und weißem T-Shirt.
„Sie sind nicht im Bett“, stellt er fest.
Sie zuckt die Achseln, zeigt mit dem Daumen hinter sich.

Es riecht säuerlich. Vom Flur aus erhascht er einen Blick in die Küche, wo sich die Milchkartons unterm Fenster stapeln.
Er folgt ihr ins Zimmer. Mit einem Schwung rollt er über die Schwelle. Sie legt sich aufs Bett. Hier ist es warm. Neben ihr auf der Decke zwei volle Blister des Medikaments.
„Sie antworten sonst immer.“
Die junge Frau beugt sich kopfüber, hebt Stift und Zettel vom Boden auf.
Nicht so laut!, notiert sie.
„Wieso?“
Sie drückt die Hände gegen den Kopf, zieht die Stirn kraus.
„Warum sprechen Sie nicht?“ Ihre Augen sind braun. „Soll ich gehen?“
Sie schüttelt den Kopf, zeigt auf seine Hand.
„Ein Lapislazuli.“
Glücksbringer?
„Eine Zeitmaschine“, sagt Herr Grubner.
Wohin?
„Zu einer Freundin.“ Er zögert. Dann wirft er ihr den Stein aufs Bett.

Wieder sitzt er am Fenster, es regnet. Wie Heimweh ist das. Er will den Stein zurück. Jetzt schuldet sie ihm etwas. Die Gardinen sind zugezogen. Doch er glaubt zu spüren, dass es ihr gut geht.

An diesem Tag beobachtet Herr Grubner den Taubenmann. Drei Mal klatscht er in die Hände und die Vögel flattern los. Die Fassade hoch und hinauf zum Dach, auf dem jemand steht. Es dauert, bis er begreift, dass sie es ist. Die Tauben haben sich neben ihr aufgereiht, als wäre sie eine von ihnen.
Er will ihr etwas zurufen, doch das Fenster lässt sich nicht öffnen. Er schlägt das Fernglas dagegen. Sie hört es nicht. Fester. Die Scheibe bekommt einen Riss, splittert, bricht. Die Tauben schrecken auf, doch sie bleibt unverändert stehen.
„Weg da!“, brüllt er.
Sie sieht ihn an. Lächelt sie?
„Ein letztes Treffen!“
„Okay“, ruft sie die Hände zum Trichter geformt.
Herr Grubner hört nichts, außer dem Klang ihrer Stimme. Wie eine Zeitreise. Den Stein will er nicht mehr. Nur vom Dach soll sie runtergehen.

 

Moin @Carlo Zwei,

sehr schön. Wunder braucht die Welt, sagen die Menschen, und vergessen, dass sie selbst das größte sind. Ich denke an meinen Zivildienst. Unmengen Rollstuhlfahrer oder gar nicht mehr mobile Menschen. Menschen. Das ist es, was wir vergessen oder ignorieren, dem wir uns verweigern. Wie heißt es in der Geschichte zweier Städte? Es war die beste aller Zeiten, es war die schlechteste aller Zeiten.

Was haben wir uns Zivis nicht manchmal Wunder herbeigesehnt. Für die Menschen um uns. Erst später habe ich bemerkt, dass diese Menschen für mich ein Wunder waren und mein Leben, Denken und Fühlen beeinflusst haben. Nicht wenige von ihnen waren wie dein Rollstuhlfahrer. Im Schmerz selbstlos. Ich schätze, Selbstlosigkeit ist eines der größten menschlichen Wunder. Und jede*r ist dazu fähig. Die Heilung der Welt ist jederzeit greifbar nahe. Schon seit Jahrtausenden.

Eine tolle Geschichte. *schnief*

Bis bald und gesund bleiben.
Morphin

 

Salü @AWM,

Kann mir nicht vorstellen, dass das geht. Stelle mir das wahnsinnig anstrengend vor und Stufen sind ja auch nicht so breit, dass da ein Rollstuhl nach einer Stufe erstmal zum Ruhen kommt. Er müsste sich also an einem Stück mit einer Hand rückwärts sechs Stufen hochdrücken. Lass es meinetwegen zwei Stufen sein.
In meiner Zivizeit war ich 2 Wochen auf "Rolli-Lehrgang". Eine Woche davon NUR im Rolli leben. Nichts mit den Beinen machen. Das war 1984, damals war nix mit Rampen oder absenkbaren Bussen. Der Standard-AOK-Chopper war eine einzige Katastrophe, aber wir mussten üben, üben, üben. Rückwärts Stufen hoch. Alleine. Rückwärts an die Treppe, Rolli kippen. Gleichgewicht halten. Ans Geländer greifen. Eine Stufe hoch. Mit der zweiten Hand Gleichgewicht am Reifen halten. Das Schwierigste war, wenn man oben ankam. Gleichgewicht halten. Trainer sagte damals immer: Am Ende hilft euch niemand. Es ging um das Gefühl von Hilflosigkeit und trotzdem Kontrolle über sich und Gefährt behalten. Bei den heutigen, nach Körpergröße und Gewicht austarierten Stühlen ist das etwas einfacher. Allerdings sind auch die baulichen Bedingungen weitaus besser.

Griasle
Morphin

 

Hey ihr beiden, vielen Dank für eure Zeit und Kommentare.

Wunder braucht die Welt, sagen die Menschen, und vergessen, dass sie selbst das größte sind

Hey @Morphin , hat mich sehr gefreut, dass du da so empathisch eingestiegen bist und dass dir das zugesagt hat. Es hat ja auch etwas von einem Märchen eigentlich. Das Wunder ist ja irgendwie auch etwas, an das man glauben will, dass man braucht, um Realität zu ertragen. Im Gegensatz zur Hagiographie geht es nicht darum jemanden heilig zu sprechen, sondern das wie im Märchen mit der Realität zu kontrastieren. Es gibt diesen einen Song von Jimmy Hendrix (kannte zuerst das Cover der Red Hot Chili Peppers) Castles Made of Sand. Der Text (muss man durchhören, damit man es versteht, meine vor allem ab 02:00, aber durchhören) hat das Ende dieser Geschichte ein bisschen inspiriert. Aber nicht der Song selbst unbedingt. Aber diese Passage aus dem Song flattert mir seit einer ganzen Weile so im Kopf rum.

Eine tolle Geschichte. *schnief*

Freut mich, dass es dir gefallen hat.

Viele Grüße
Carlo


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Hey @AWM ,

ja, mir hats ein bisschen in den Fingern gekribbelt. Das ist eine andere Art Story und ich kann verstehen, dass die nichts für dich ist, hatte fast ein bisschen Schiss, das hochzuladen, aber wofür bin ich denn hier?

Ich finde das Ende ein bisschen kitschig, aber das ist natürlich Geschmacksache.

Ja, kann ich verstehen. Sehe es ein bisschen anders, aber wie du es sagst, Geschmackssache. Wunschvorstellungen sind das Prinzip von Kitsch. Aber für mich ist der Bruch damit sehr klar. Es ist auch markiert, wo die Stelle etwas Märchenhaftes bekommt: der Revolver, die Milch, sein Entschluss, das Ende.
Ich würde mich schwer damit tun, das wegzugeben.

Würde schreiben: Er legt die Hände auf die Greifreifen seines Rollstuhls, stößt und fährt ans Fenster.
Hier hast du dann auch ein Bezugsproblem. Ist klar, dass der Feldstecher nicht im Schoß des Rollstuhls liegt. Aber du könntest das trotzdem vermeiden, wenn du davor einfach schreibst: Er fährt ans Fenster.
Ich finde die Blickführung nicht so gelungen beim Einstieg. Man ist hier bei der Hand, es ist klar, dass er darin etwas Wichtiges hält, ist als Leser interessiert und dann ist man im nächsten Satz bei den Fenstern der gegenüberliegenden Fassade. Würde hier noch einen Zwischensatz als Übergang machen.

glaube ich muss das noch ein paar mal lesen, um den Punkt zu verstehen. Vielleicht, weil das eine Handlungsabfolge wäre. Hier ist es eben kurze Syntax, die sich in kleinen Leerstellen verbindet. Aber finde den Satz nicht schlecht. Will noch warten.

Auch hier fehlt für mich ein Übergang. Wenn er sich so die Augen reibt, denke ich, er kann nicht sehen, dass sich die Jalousie bewegt.

Ich finde, dass ist schon eine Übersetzungsleistung, die man verlangen kann. Aber ich kann auch den Anspruch verstehen, diese Bilder zu liefern.

Diese Frau hier könntest du aber anders reagieren lassen. Ihre Geschichte ist für deine Geschichte nicht wichtig. Die könntest du weglassen. Sie könnte zB die Jalousien einfach wieder zumachen, als sie ihn sieht.

Ich weiß, was du meinst. Ja, das wäre eine Option. Aber ich glaube auch, dass man da zu viel wegnimmt.

warum dein Protagonist nur bei der Selbstmörderin hilfsbereit ist und der geprügelten Frau nicht hilft, obwohl er weiß, was da wohl täglich abgeht. Erst später wird dann klar, dass er die Selbstmörderin wohl mit seiner Tochter verbindet.

Warum sollte er ihr helfen, was hätte das mit ihm zu tun? Er ist fasziniert von diesem Mädchen. Sie schenkt ihm Aufmerksamkeit, sie sieht ihn. Das ist der Hintergrund.

. Klar, dass es darum nicht geht), der alle beobachtet, sondern er will ja sie beobachten. Ich finde, das verwässerst du ein bisschen durch die vielen Beobachtungen, die du voranstellst. Zuerst der Taubenmann, dann die Geprügelte, dann die Einwanderer und dann erst sie.

Das Wichtigste zum Schluss, oder? Ich checke deinen Punkt, frage mich aber, ob er der Sache gerecht wird. Das ist immer noch eine Exposition und es ist die Hintergrundnarration. Man kann sich das aber natürlich fragen, auch das mit der Familie.

Ich finde das nicht gut, dass du den Leser im Unklaren lässt, was das für ein Gegenstand ist. Für mich ist das eine personale Perspektive und es ist der wichtigste Gegenstand, den er hat.
Du machst da aber ein Geheimnis drum herum und da scheint der Autor durch
Aber ich würde den Gegenstand schon gleich als das benennen, was er ist.

Das verstehe ich nicht. Es ist doch konsistent. Er muss ja nicht über diesen Stein nachdenken. Der ist immer da. Der Erzähler ist ein personaler mit Einschränkungen. Er kann nur schreiben, was der Protagonist gerade denkt, fühlt etc. Das ist jemand mit einer Kamera, der, wenn er dabei ist, an den Emotionen des Prots teilhat. Er kann aufnehmen, wie der Prot an die Greifreifen fasst, selbst wenn er geradeaus schaut. Er kann auch sagen, wenn sich gegenüber etwas an der Jalousie bewegt. Da ist es etwas tricky, aber es funktioniert eigentlich. Er kann aber nicht sagen, was der Protagonist in seiner verschlossenen Hand hält. Es sei denn: Der Protagonist denkt darüber nach. Aber das tut er nicht. Ich habe vorher auch 'Stein' geschrieben und so weiter und es dann wieder rausgenommen. Ich will das nicht abschmettern, denke da schon nochmal drüber nach.

und der Teppich verschluckt seine Worte
Fand ich komisch und auch übertrieben formuliert. Das passiert vielleicht, wenn man jemandem einen Teppich direkt ins Gesicht presst. Würde ich einfach streichen.

ja, werde ich überlegen. Das ist eine Parallele zum Anfang. Nicht tragend, aber verstärkend. Vielleicht ist das zu stark. Mal sehen, nehme ich vielleicht auch raus.

Im Flur riecht es nach kaltem Rauch.
Das würde ich streichen. Das ist unwichtig. Es geht gerade um Leben und Tod und das nimmt Fahrt aus der Szene. Er will sie retten und dann ist es so, als halte er kurz inne, um wahrzunehmen, dass es da nach kaltem Rauch riecht.

Ich fand das gut, weil er es wahrnimmt, weil er eben nicht oft rauskommt und einen Kontrast schafft.

Dazwischen liegen sechs Treppenstufen. Herr Kopfüber flucht. Er dreht den Rollstuhl um, greift mit einer Hand ans Geländer. Mit der Faust, die den Gegenstand umfasst, drückt er sich die Treppenstufen hoch.
Kann mir nicht vorstellen, dass das geht. Stelle mir das wahnsinnig anstrengend vor und Stufen sind ja auch nicht so breit, dass da ein Rollstuhl nach einer Stufe erstmal zum Ruhen kommt.

Das ist die herkömmliche Art, das zu tun. Ein ziemlicher Akt, denke ich, habs selbst nie gemacht, aber Video angeschaut. Das kriegt der hin, aber mit Mühe und Not. Und es zeigt, dass sechs Treppenstufen ein Problem sein können.

(Wenn du die Geschichte zu dem Stein früher bringen würdest, könntest du hier auch schön Spannung einbauen. Er muss den Stein loslassen, weil er es sonst nicht schafft, sie zu retten, glaubt aber fest daran, dass er dann stirbt.)

Die Idee finde ich gut. Aber frage mich schon, ob das der Story nicht mehr als einen anderen Drive gibt bzw. ich könnte es ausprobieren.

„Und Sie suchen sich besser einen anderen Mann.“
Würde ich streichen und irgendwie anders lösen. Das klingt unsympathisch. Immerhin begafft er sie und weiß, dass sie verprügelt wird.

Kann ich verstehen. Gehe nochmal über die Stelle rüber. Aber grundsätzlich zeigt es, dass er sie wahrnimmt und sich eigentlich auch für sie interessiert; ihr zumindest nicht völlig empathielos gegenübersteht. Das macht ihn nicht sympathisch, aber man kann es aus seiner Position vielleicht nachvollziehen.

Wenn du den zweiten Satz streichst, ist es besser.
Außerdem müsste es heißen: Aus der Wohnung der jungen Frau riecht es säuerlich, weil er ja noch im Flur ist.

Ja, ich weiß, was du meinst. (Dieser Satz: Nach Milch, und das ist kein Wunder). Das verschlankt. Aber es ist nicht so, als wäre das kostenlos. Also die Verschlankung. Der Satz referiert auf den Titel und das gibt ihm, finde ich, Spannkraft. Und weil ich solche Sätze mag, würde ich mich hier eher für die Spannkraft als für die Verschlankung entscheiden. Es ist aber nicht, dass ich das nicht nachvollziehen kann.

Hab das mit dem Teppich so gelesen, dass er das Geräusch ihres Aufpralls nicht verschluckt. Dachte da also, dass sie schon gesprungen ist. Auch weil das mit dem Teppich und dem Verschlucken von Tönen schon davor vorkommt und ich dann dachte: Ah, deshalb hat er den Teppich schon davor gebracht!

Das ist eine Komplikation, die vielleicht auch dafür spricht, den rauszunehmen. Ich finde ihn halt gut, weil er dokumentiert, wie es beim Protagonisten in der Wohnung allmählich lauter wird.

Danke dir für deine Punkte und deine Zeit.
LG
Carlo

 

Guten Abend @Carlo Zwei,

ich finde, dass du einen ganz eigenen Stil hast. Mich überkommt einerseits eine gewisse Schwere, die von einer erhöhten Konzentration geprägt ist. Darüber hinaus habe ich am Ende deiner Texte das Gefühl, etwas Originelles gelesen zu haben. Deine Geschichte Bockwurst und Mohnkuchen ist bislang der Text, der mir stark in Erinnerung geblieben ist.

Dieser Text hat meiner Meinung nach das Potential richtig gut zu werden, allerdings sehe ich zwei Probleme, die mich etwas rausgebracht haben. Erstens fand ich es nicht so gelungen, dass er den Helden spielt und so direkt damit ins Haus fällt, sein Leben gegen ihres tauschen zu wollen. Das hat mich nicht überzeugt, werde da gleich detailliert in der Textarbeit drauf eingehen. Zweitens hat mir das Ende nicht gefallen, weil mir das zu plötzlich kam. Mir hat da die Vorbereitung gefehlt. Denn ich habe im Text nicht wirklich herauslesen können, dass der Lapislazuli magische Kräfte hätte. Mein Vorschlag wäre, dass er sich das Ganze nur vorstellt, weil er den Gedanken nicht ertragen kann, dass sein Tausch nicht funktioniert hat. Das würde meiner Meinung nach auch gut zu seinem Charakter passen. Denn für mich war er eher merkwürdig und stalkerhaft, als ein Held. So, und jetzt gehe ich da detailliert drauf ein, mit dem Ziel, dass du dir vielleicht etwas rausnehmen kannst, um deinen Text weiter zu verbessern (finde es cool, dass du den Text dann doch eingestellt hast):

Er legt die Hände auf die Greifreifen.
Ich musste das Wort Greifreifen nachschlagen und wusste, dass das eine Geschichte ist, bei der ich mich auf jedes Wort konzentrieren möchte, damit ich nichts verpasse. Mir hat der Anspruch gefallen, das war für mich kein seichter Text für nebenbei.

Auf seinem Schoß liegt der Feldstecher. Etwas hält er in der hohlen Hand.
Ich wusste auch nicht, was ein Feldstecher war. Hatte erst gedacht, dass es sich um ein Vermessungsinstrument handelt. Ich war daher kurz verwirrt, als du dann das hier geschrieben hast:

Wieder schaut er durchs Fernglas.
Als ich Feldstecher dann nachgeschlagen habe, ist es mir klar geworden. Es hat mich insofern kurz aus deinem Text rausgebracht, als dass ich das eben nachgucken musste. Hat für mich aber eher das Interesse gesteigert und ich habe gedacht, dass du dich mit der Thematik gut auskennst.

Hier wird sie die nächsten zwei Stunden sitzen, sich gegen halb eins ein Brot schmieren, vielleicht wird er dann wieder hier sein, mit ihr fernsehen, bis um achtzehn Uhr der hinkende Mann nach Hause kommt und die Rolläden schließt.
Hier ist es mir eiskalt über den Rücken gelaufen. Ich sehe ihn nämlich schon auch als Stalker, der andere beobachtet. Er war mir nicht sofort sympathisch. Klar, er sitzt im Rollstuhl und leidet wahrscheinlich furchtbar, aber mir war das etwas zu viel. Nach meinem Empfinden übertritt er die Grenze der Privatspähre anderer Personen. Es hat mich an eine ehemalige, ältere Nachbarin erinnert, die sich etwas zu stark für mich interessiert hat und immer ewig mit mir reden wollte. Ich hatte nachher das Gefühl, weniger Energie zu haben als vorher. Es kann natürlich sein, dass mich diese Schilderung an dieses eigene Gefühl erinnert hat. So habe ich ihn jedenfalls dann für mich charakterisiert.

jetzt will Herr Kopfüber wissen, was die Einwandererfamilie macht. Bei denen ist immer was los.
Mein Eindruck von oben wird hier eindeutig verstärkt. Das hat allerdings auch mein Interesse geweckt, ich habe mich gefragt, wie es wohl ausgeht? Ist das eine Geschichte, wo es darum geht, dass man die Grenzen der Privatsphäre akzeptieren sollte?

Er befühlt den Gegenstand in seiner Hand, streicht mit den Fingerspitzen darüber. Das beruhigt ihn.
Der Gegenstand scheint ihn zu beruhigen, aber mir hat die emotionale Bindung gefehlt. Er beschäftigt sich lieber mit anderen Personen, die er beobachtet und weniger für dieses besondere Etwas. Da hätte ich mir gewünscht, dass du den Gegenstand stärker einführst oder eben das Ende anders ausgehen lässt.

Herr Kopfüber konzentriert sich auf ihre Lippen. Eine Viertelstunde lang. Kein Lächeln, nicht mal ein Zucken. „Lächel doch“, flüstert er und der Teppich verschluckt seine Worte.
Oh Mann, das hat meinen Eindruck von ihm weiter verstärkt und ich sehe ihn hier einfach nicht als selbstlos. Er kommt mir leidend vor, allerdings sehe ich die Art und Weise, wie er damit umgeht nicht unbedingt als produktiv an.

Er wird es wieder versuchen.
Ewig könnte er sie so ansehen, auf ihr Lächeln warten. Gegen halb elf bewegt sie sich zum ersten Mal.
Du hast das richtig gut gemacht, wie du seinen Charakter weiterausbaust. Das ist ein starker Pluspunkt gewesen.

Herr Kopfüber hat genug gesehen. Er legt den Feldstecher weg, fasst nach den Greifreifen und gibt dem Rollstuhl einen Stoß, der ihn zur Tür bringt.
Jetzt wird es interessant, habe ich mir gedacht. Gleichzeitig habe ich mich aber auch wieder in meiner Interpretation bestärkt gefühlt. Offensichtlich hat er schon die Option etwas anderes zu machen, als andere Leute zu beobachten. Das macht ihn für mich irgendwie gruselig. Er beobachtet lieber andere Menschen, weil er so einsam ist? Hat er keine andere Option? Ich glaube, es wäre für mich wichtig gewesen, dass du das noch einmal klar machst. Kann er nicht an die frische Luft? Gibt es keine Freunde, Pfleger, mit denen er etwas unternehmen kann? Wenn es deine Intention war, ihn als Stalker darzustellen, dann ist dir das für mich sehr gut gelungen.

„Hören Sie auf, den Leuten nachzustellen.“
Sie spricht genau das aus, was ich mir auch gedacht habe. Sehr interessant, das hat mich irgendwie in meiner Sichtweise bestärkt.

Anstrengend
Ist das Absicht, dass du keinen Punkt gesetzt hast danach?

„Mein Leben gegen deins.“
Das hat mich gestört, war mir zu offensichtlich. Ich habe mich gefragt, was ich mir da gewünscht hätte? Ich glaube, ich fände es klasse, wenn er ihr Ratschläge gibt, ihr beibringen will, wie sie wieder glücklich sein kann. Und wenn das nicht klappt, dann könnte er das vielleicht als letztes Mittel einsetzen. Ich denke, dass das insofern passen würde, als dass ich ihn auf eine verdeckte Weise als übergriffig wahrgenommen habe. Das ist natürlich nur meine ganz subjektive Interpretation.

An diesem Tag beobachtet Herr Kopfüber den Taubenmann. Drei Mal klatscht er in die Hände und die Vögel flattern los.
Ich mochte diese Stelle, das klingt einfach schön!

Herr Kopfüber braucht einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie es ist, die er durchs Fernglas sieht.
Wahnsinn, was für ein Ende. Jetzt bringt sie sich doch um und es zeigt, dass Ratschläge eben doch oft Schläge sind - das hatte ich gedacht. Und war richtig begeistert mit dem Ende, auch wenn es sehr tragisch ist. Dann kam aber das hier:

Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft.
Und das hat mich dann total rausgeworfen. Wirklich, es passiert ein Wunder? Ich fände es hier passender, wenn er sich das eben nur in seiner Fantasie vorstellt und du das Ende offener lässt. So kann jeder das rauslesen, was er darin für sich findet. Der eine sieht ihn als Held und andere, die ihn kritischer wahrnehmen, wären auch zufrieden.


Insgesamt habe ich gerne über den Text nachgedacht. Du schreibst gut, hast deinen eigenen Stil und ich denke, dass da noch einige schöne Sachen von dir kommen werden, auf die ich mich schon freue. Wünsche dir ein schönes Wochenende und ich hoffe, dass du etwas mit dem Kommentar anfangen kannst.


Beste Grüße
MRG

 
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Hey @Carlo Zwei

Hitchcock (Rear window) meets Gabriel Garcia Marquez (z.B. Ein sehr alter Herr mit riesengrossen Flügeln). Interessant. Auch weil ich eine Nachbarin habe, die ich von der Küche aus sehen kann und die abends immer vor dem Fernseher sitzt, reglos in ihrer hell erleuchteten Wohnung. Sie rechts, der Fernseher links, an der Wand hinter ihr hängt ein Gemälde. Ich nenne sie Frau Hopper.

Das verstehe ich nicht. Es ist doch konsistent. Er muss ja nicht über diesen Stein nachdenken. Der ist immer da. Der Erzähler ist ein personaler mit Einschränkungen. Er kann nur schreiben, was der Protagonist gerade denkt, fühlt etc. Das ist jemand mit einer Kamera, der, wenn er dabei ist, an den Emotionen des Prots teilhat. Er kann aufnehmen, wie der Prot an die Greifreifen fasst, selbst wenn er geradeaus schaut. Er kann auch sagen, wenn sich gegenüber etwas an der Jalousie bewegt. Da ist es etwas tricky, aber es funktioniert eigentlich. Er kann aber nicht sagen, was der Protagonist in seiner verschlossenen Hand hält. Es sei denn: Der Protagonist denkt darüber nach. Aber das tut er nicht.
Das funktioniert meines Erachtens nicht. Das ist eine sehr seltsame und ohne Erklärung für den Leser nicht spürbare Einschränkung: Der Erzähler sieht alles, kennt den Protagonisten durch und durch. Er weiss, welche Erwartungen er hat, kennt seine Routinen, weiss, dass das Ekzem juckt, weiss aber genau und ausschliesslich nicht, was der Protagonist in der Hand hält? Ich verstehe deine Überlegung: Der Erzähler kann nur darauf aufmerksam werden, wenn der Protagonist darauf aufmersam wird. Aber selbst das funktioniert nicht. Denn da steht ja: Er hat etwas in der Hand. Das denkt ja niemand. Entweder denkt man: Ich habe den Stein in der Hand oder man denkt eben gar nicht daran. Was du schreibst, ist ein unplausbler Zwitter. Genau an dieser Stelle tritt der Erzähler weg von der Figur und sagt: Ich weiss alles über diesen Menschen, was er denkt und was er fühlt und ich bin auch nicht blind, aber was er jetzt gerade in der Hand hält, weiss ich leider nicht - erwähne es aber trotzdem.
Also, mich hat das extrem rausgeworfen und ich habe das so wahrgenommen wie AWM, als billigen Trick des Autors. Klar, dass du das reflektiert hast, aber wahrgenommen habe ich es trotzdem so. Ich würde einfach "Stein" schreiben. Damit hast du alles, was du brauchst und wahrscheinlich sogar mehr. Wenn du "etwas" schreibst, denk ich mir als Leser, ja ja, irgendwann wird er es mir dann verraten, der Herr Autor. Wenn du "Stein" schreibst, denke ich, wieso ein Stein, was hat es damit auf sich?
Gleich wird der Taubenmann erscheinen, dort unten beim Steinkreis.
Kann weg
Der Rollstuhl trägt ihn bis ans Fenster.
Seltsame Formulierung. "bringt ihn zum Fenster"?
Das Himmelgrau spiegelt sich in den Fenstern der gegenüberliegenden Fassade.
Tja. Wenn nun das aber so ist und es ist Vormittag und die Leute haben wahrscheinlich nicht alle das Licht angemacht (und selbst wenn): Wie kann Kopfüber das alles sehen, jedes Detail in allen Wohnungen? An einem grauen Tag wie heute sehe ich zum Beispiel nichts in Frau Hoppers Wohnung, obwohl sie keine Vorhänge hat - hab's gerade überprüft. :D
Gleich wird er drei Mal in die Hände klatschen. Die Tauben flattern auf.
Elegant!
Herr Kopfüber setzt den Feldstecher ab, reibt sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger. Die Jalousie am Fenster schräg gegenüber bewegt sich. Wieder schaut er durchs Fernglas. Sie wird geschminkt sein. Er sieht ihre Hände an der Kurbelstange, einen roten Pullover, zum Schluss das Gesicht. Sie schaut ihn an, schüttelt den Kopf. Das Veilchen unterm Auge ist gelb geworden und scheint unterm Make-up hindurch. Eine halbe Stunde lang beobachtet er sie beim Wischen und Staubsaugen, obwohl es in der Wohnung nicht unordentlich aussieht. Als sie fertig ist, schaltet sie den Fernseher ein, setzt sich mit geradem Rücken auf die Couch und schaut eine Gerichtssendung. Hier wird sie die nächsten zwei Stunden sitzen, sich gegen halb eins ein Brot schmieren, vielleicht wird er dann wieder hier sein, mit ihr fernsehen, bis um achtzehn Uhr der hinkende Mann nach Hause kommt und die Rolläden schließt.
Ich finde die Gewichtung ist noch nicht optimal. Die eine Frage ist ja, wieviele Stationen Kopfüber durchläuft, bis er zur eigentlichen "Zielperson" kommt. Eine andere Frage ist, wie viel Gewicht du den einzelnen Stationen gibst. Diese hier ist mir zu ausführlich. Ich würde das verdichten, mit wenigen pointierten Strichen skizzieren.
Jetzt will Herr Kopfüber wissen, was die Einwandererfamilie macht. Bei denen ist immer was los.
Das ist so furchtbar profan. Zuvor schreibst du nichts über die Motive und der Leser reimt sich das zusammen und da kommt auch eine gewisse Tiefe rein, Einsamkeit ist das erste, was einem einfällt. Hier kriegt das aber einen etwas billigen Beigeschmack. Auch die Formulierung, rein sprachlich, bei denen ist immer was los, passt nicht in den Duktus des Textes.
Er befühlt den Gegenstand in seiner Hand, streicht mit den Fingerspitzen darüber.
Hier wird dein Problem nochmal zugespitzt. Denn der Protagonist widmet dem Stein ja jetzt seine Aufmerksamkeit. Deine Erzählperspektive ist nunmehr so, dass der Erzähler nur erzählen kann, was der Protagonist wörtlich so denkt. Das ist sehr schräg.
Jetzt ist es soweit, er schwenkt nach oben.
Das habe ich nicht so recht verstanden. Er hätte sie ja schon früher beobachten können, denn nun sitzt sie schon auf dem Bett.
Das Ekzem am Auge juckt
Das finde ich ein tolles Detail. Es ist so stark, dass du darüber nachdenken kannst, diese ganzen Passagen, die zeigen sollen, dass Kopfüber ständig mit dem Fernglas am Fenster sitzt, zu streichen.
Er zeigt die Faust, die den Gegenstand festhält.
Warum?
Sie streckt sich, öffnet eine Schublade. Nach einer Weile hat sie Stift und Zettel hervorgeholt, schreibt etwas auf und hält es ihm hin.
Nicht so laut!
„Wieso?“
Sie schreibt ein Wort dazu.
Anstrengend
„Warum sprichst du nicht?“, fragt er leiser und schaut ihr in die Augen. Die sind nicht grün, sondern braun.
Die junge Frau hält ihm denselben Zettel noch einmal hin.
Das fand ich die stärkste Stelle im Text. Ein wenig seltsam, aber auch berührend.
Was man mit einem Revolver so macht …, liest er.
Sie steckt sich zwei Finger in den Mund, drückt ab, lässt sich tot aufs Bett fallen.
Das Bild hattest du schon, sie hat es ja schon am Fenster gezeigt.
„Wenn ich dir den Stein gebe, werde ich sterben.
Sie verzieht keine Miene, schreibt etwas auf.
H a h a
„Nicht lustig“, sagt Herr Kopfüber. Er denkt nach. „Hast du schon mal jemanden verloren, der dir alles bedeutet hat?“
Sie nickt.
„Dieser Stein ist von meiner Tochter und …“ Er holt Luft, wird den Teufel tun, hier vor ihr zu weinen. „Wenn ich den loslasse, sterbe ich.“
Etwas im Blick der jungen Frau hat sich verändert, aber was kann er nicht sagen.
Mein Leben gegen deins.
Holzhammer. Ich würde da zumindest etwas reduzieren. Du hast einige irritierende Momente im Text, einiges, das nicht aufgeklärt wird. Und hier gehst du auf Nummer sicher. Das fand ich schade. (Übringens fand ich es auch schade, dass aufgeklärt wird, dass die andere Frau von ihrem Mann geschlagen wird, die Passage fand ich eh nicht so stimmig, aus den Gründen, die AWM genannt hat.)
age vergehen und Herr Kopfüber steht am Fenster.
?
In diesem Moment ist es, als stünde er unter einem tosenden Wasserfall, der jeden Gedanken mit sich reißt, jedes Wort im Rauschen erstickt. Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft. Eine fliegt mitten durchs Loch hindurch, schwebt vor seinen Augen. Die junge Frau gleitet zu ihm ans Fenster, die Flügel halten sie in der Luft. Sie streckt ihren Arm durchs Loch, nimmt seine zitternde Hand und lässt den blauen Stein hineinfallen.
„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.
Uff. Das Problem ist, dass diese Passage so gar nicht zum Rest des Textes passt. Nicht nur inhaltlich. Ich finde, diese Möglichkeit müsste vorbereitet sein, in der Sprache, im Geist des Textes. Da müsste mehr Poesie im Text sein, sodass das Ende nicht so angepappt wirkt. Das ist es ja, was die Grossen des magischen Realismus so mühelos erreichen. Da erscheinen Engel und sprechen Hunde und die Leute werden hundertfünfzig Jahre alt und als Leser denkst du, ja klar, muss so sein. Dein Text ist aber sehr nüchtern gehalten, der hat einen leicht grauen Anstrich. Und da ist es denn auch nicht überraschend, dass du diese Wende benennen musst, sogar im Titel ankündigst, vielleicht weil du dem Text selbst nicht traust? Also, ich konnte mich nicht so recht damit anfreunden. (Einzig der Name der Figur deutet an, dass märchenhafte Dinge geschehen könnten. Aber das ist so isoliert, dass ich eher den Namen als störend empfinde, als dass ich mir sage, ach ja, der heisst Kopfüber, da hat in der Geschichte auch ein Wunder Platz.)

Bis dahin habe ich den Text aber sehr gerne gelesen. Ich finde den Gedanken dieses Tausches sehr spannend, auch dass die Menschlichkeit solcher Angebote manchmal zwar anerkannt werden, diese schliesslich aber doch nicht angenommen werden können. Das hat etwas Berührendes und ich finde, du bist da auf einer guten Spur.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber @Carlo Zwei

ich habe Deine Geschichte gerne gelesen. Der Text ist flüssig, es entsteht Kopfkino. Allerdings hab ich mich dauernd gefragt, warum der Prota "Herr Kopfüber" heißt. Ist das sein Nachname? Hätte mir eine kreative Art gewünscht, das Schlüsselwort einzusetzen. Beim Lesen ging mir allerlei durch den Kopf. Ich hab mich gefragt, ob ich Herrn Kopfüber mag, der sich gerne als Voyeur betätigt, zusieht, was bei seinen Nachbarn schief läuft und nichts tut. Ein wenig verstehen kann ich es, denn er hat ja nicht wirklich was zu tun. Im Verlauf der Geschichte erfahre ich, dass er seine Tochter verloren hat. Was halte ich von der Braunäugigen? Sie weiß genau, dass er sie beobachtet. Dennocht spielt sie mit der Waffe. Warum drückt sie nicht einfach ab? Er hätte keine Chance gehabt, sie zu retten. Will sie ihn nur kennenlernen? Da hätte es einen einfacheren Weg gegeben. Das Ende finde ich auch ein wenig kitschig. Und zu sehr Fantasy. Der Rest der Story ist real, und dann plötzlich Flügel? Da konnte ich nicht so viel mit anfangen. Ich hätte mir eher gewünscht, dass Du gefühlsmäßig mehr in die Tiefe gehst, mir die Protas noch näher bringst, ein richtiges Drama entwickelst, gerne mit Happy End - aber eher realistisch, nicht Fantasy.

Hier ein paar Anmerkungen:

Auf ihrem Bett sitzt sie. In weißer Unterwäsche und weißem T-Shirt, auf das die schwarzen Haare fallen, bis knapp unters Schlüsselbein.

Das klingt ein wenig holprig.
Vorschlag: Sie sitzt auf ihrem Bett, trägt nichts als weiße Unterwäsche und ein weißes Shirt. Die schwarzen Haare fallen ihr bis knapp unters Schlüsselbein.

Ob sie braune Augen hat oder grüne, ist schwer zu sagen. Mehr grün.

Vorschlag: Er tippt auf Grün.

„Lächel doch“, flüstert er und der Teppich verschluckt seine Worte.

Würde 2 Sätze draus machen.

Sie öffnet die Lippen, schiebt sich den silbernen Lauf in den Mund. Den Finger hält sie ruhig am Abzug.

Das ist ein krasser Moment. Hier hätte ich mir mehr Emotionen von Herrn Kopfüber gewünscht. Ich würde gerne lesen, was er denkt, wie er sich fühlt. Die ganze Bandbreite. So ist mir das zu oberflächlich.

Die junge Frau schaut ihn unverändert aus ihren braunen Augen an.

Sie
Die braunen Augen würde ich hier nicht nochmal erwähnen. Das weiß der Leser schon.

„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.

Das ist mir zu abgehoben, zu phantastisch.

Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Silvita

 

Hallo @Carlo Zwei

dann mal hinein ins Vergnügen:

Er legt die Hände auf die Greifreifen. Der Rollstuhl trägt ihn bis ans Fenster.

Erste Irritation. Im ersten Satz machst du klar, dass er seinen Rollstuhl mit eigener Kraft antreibt. Im zweiten Satz klingt es dann so, als ob der Rollstuhl ihn von allein trüge.

Etwas hält er in der hohlen Hand.

Warum die Geheimniskrämerei? Spielt dieses Etwas eine größere Rolle im Kontext der Geschichte? Ich lese weiter.

Eine halbe Stunde lang beobachtet er sie beim Wischen und Staubsaugen, obwohl es in der Wohnung nicht unordentlich aussieht. Als sie fertig ist, schaltet sie den Fernseher ein, setzt sich mit geradem Rücken auf die Couch und schaut eine Gerichtssendung.

Ich frage mich: wie optimal ist die Perspektive von Herrn Kopfüber, dass er das alles sehen kann? Der Fernseher müsste ja gegenüber der Couch sein, der Bildschirm also nicht sichtbar. Es ist nicht unmöglich, aber ich halte es für sinniger, wenn du sie einfach Fernsehen schauen lässt, der Inhalt der Sendung ist ohnehin irrelevant.

Im Flur riecht es nach kaltem Rauch. Er fährt den Rollstuhl bis ins Treppenhaus, wo ein Übergang in den Westflügel führt. Dazwischen liegen sechs Treppenstufen. Herr Kopfüber flucht. Er dreht den Rollstuhl um, greift mit einer Hand ans Geländer. Mit der Faust, die den Gegenstand umfasst, drückt er sich die Treppenstufen hoch.

Ich gehe davon aus, dass ein Rollstuhlfahrer seine Umgebung so gut kennt, dass er genau weiß, wie er ohne Treppensteigen an sein Ziel kommt.

Er dreht den Rollstuhl um, greift mit einer Hand ans Geländer. Mit der Faust, die den Gegenstand umfasst, drückt er sich die Treppenstufen hoch.

Hier habe ich Schwierigkeiten, mir das bildlich vorzustellen, da ich nichts über die Beschaffenheit des Gegenstands weiß.

Anstrengend

Hier fehlt ein Punkt.

Ein Zucken geht durch ihr Gesicht, als sie den blauen Stein erblickt.
„Das ist ein Lapislazuli.“

Ah, da ist er. Der Lapislazuli.

Er holt Luft, wird den Teufel tun, hier vor ihr zu weinen.

Hier würde ich zwei Sätze draus machen, den zweiten vielleicht kursiv setzen.

Er holt tief Luft. Einen Teufel werd ich tun, hier vor ihr zu weinen.

Geschmacksache.

Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft. Eine fliegt mitten durchs Loch hindurch, schwebt vor seinen Augen. Die junge Frau gleitet zu ihm ans Fenster, die Flügel halten sie in der Luft. Sie streckt ihren Arm durchs Loch, nimmt seine zitternde Hand und lässt den blauen Stein hineinfallen.
„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.

Naja. Auch das hier: Geschmackssache.

Fazit: Die Idee mit dem beobachtenden Rollstullfahrer finde ich gut. Hitchcock lässt grüßen. Aber: ich habe so meine Probleme mit der Plausibilität der Ereignisse (und damit meine ich nicht nur das Ende). Herr Kopfüber muss einen verdammt guten Platz haben, um das alles (auch mit Feldstecher) sehen zu können. Insgesamt ist mir das zu konstruiert. Und das Ende habe ich auch nicht recht verstanden. War sie immer schon ein Engel? Oder stirbt sie wirklich und entschwindet als Engel in den Himmel?

Liebe Grüße,

HL

 

Hallo @Carlo Zwei
ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Allerdings hat mich das Ende tatsächlich etwas gestört. Der Text ist meiner Meinung nach gut und flüssig geschrieben und die Stärke besteht für mich darin, dass es dir sehr gut gelingt eine gewisse Schwere zu erzeugen. Und diese melancholische Stimmung (die ja oft auch zu plump kommen kann) kannst du gut bis zum Schluss halten. Und dann kommt das Ende. Das hat für mich nicht funktioniert. Weil es (zumindest in meiner Wahrnehmung) der grundsätzlichen Atmosphäre so entgegen steht. Es hätte für mich einfach mehr Sinn gemacht, wenn du aufgezeigt hättest, dass es nun einmal menschliche Schicksale gibt, die nicht zu retten sind bzw umzukehren sind (jedenfalls nicht, durch einen Unbekannte/ mehr oder weniger Unbekannten von außen). Einfach deshalb, weil die Verwundungen und Narben zu tief sind.

Ich kann zwar verstehen, was du erreichen wolltest und @Morphin hat es ja eigentlich ganz gut auf den Punkt gebracht. Wunder braucht die Welt! Aber das Ende hat für mich trotzdem irgendwie nicht hingehauen. Und das liegt wahrscheinlich mehr an mir und weniger an der Qualität deines Textes. Denn wie gesagt, hat mir der wirklich gut gefallen!
Ich werde noch mal ein wenig darüber nachdenken. Vielleicht reift das Ende bei mir ja noch nach und ich komme zu dem Schluss, dass es doch ganz wunderbar passt :) Weil es Hoffnung macht.
Eine andere Möglichkeit ist natürlich, dass mir etwas grundsätzliches entgangen ist und ich den Schluss falsch interpretiert und schlicht nicht verstanden habe...

Habe noch ein paar Anmerkungen und Stellen, die ich wirklich gelungen finde herausgesucht:

Herr Kopfüber beugt das Gesicht vor, bis nur noch eine Handbreit zwischen Stirn und Glasscheibe passt. Gleich wird der Taubenmann erscheinen
Das finde ich charmant formuliert.

Hier wird sie die nächsten zwei Stunden sitzen, sich gegen halb eins ein Brot schmieren, vielleicht wird er dann wieder hier sein, mit ihr fernsehen, bis um achtzehn Uhr der hinkende Mann nach Hause kommt und die Rolläden schließt.
Auch diese Beschreibung ist gelungen. Weil so einfach und alltäglich.

Er befühlt den Gegenstand in seiner Hand, streicht mit den Fingerspitzen darüber.
Ja, da habe ich mich dann gefragt, was hat er wohl in seiner Hand!

Er zeigt die Faust, die den Gegenstand festhält.
"

Wo wohnt das Mädchen mit den schwarzen Haaren?“, fragt Herr Kopfüber.
„Hören Sie auf, den Leuten nachzustellen.“
„Und Sie suchen sich besser einen anderen Mann.“
Da bin ich ehrlich gesagt drüber gestolpert. Denn er ist voller Adrenalin auf dem Weg, eine junge Frau zu suchen die sich vermutlich umbringen will. Und dann hat er die Zeit, schlagfertig zu reagieren? Hat für mich nicht gepasst.

Die sind nicht grün, sondern braun.
Auch gut!

Zumindest meint er, es zu spüren.
Finde ich klasse!

Viele Grüße und ein schönes Wochenende!
Habentus

 

Moin @Carlo Zwei,
Tag @Habentus,

Eine andere Möglichkeit ist natürlich, dass mir etwas grundsätzliches entgangen ist und ich den Schluss falsch interpretiert und schlicht nicht verstanden habe...
Das Interpretieren. Mit nichts anderem sind wir beschäftigt, seitdem wir die Savanne verlassen haben. Nur 10% unserer "Weltinformationen" kommen von außerhalb unseres Schädels, der Rest ist zusammengesetzt und interpretiert, konstruiert. Das ist nicht negativ gemeint, es ist nun mal so. In den Psychologie-Seminaren meiner Ausbildung ein ganz großes Thema. Der Mensch will unbedingt verstehen. Obwohl es sehr oft nichts zu verstehen gibt. Das Schwierigste ist wohl einfach das "Hinnehmen", das "Akzeptieren" von etwas, was es so in der Welt nicht gibt oder geben kann. Da denke ich mal an die Fähigkeit der Oktopoden, Gencode on the fly außerhalb der Zelle neu zu schreiben. Das schafft nur diese Art. Weshalb einige Wissenschaftler schon meinten, er könne nur als Alien auf diesen Planeten gelangt sein.

Ein Text ist ein Text ist ein Text. Und Carlos Ende ist ein schönes Ende. Ein herrlicher Sonnenuntergang ist ein herrlicher Sonnenuntergang. Er macht mich glücklich, weil er herrlich ist. Wenn ich ihn in seine Einzelteile zerlege, Licht im flachen Winkel auf Atmosphärenschichten, Brechungsindex, dann hat er seine "Romantik" verloren. Oft wird in Texten harte Realität gefordert, angemahnt oder - falls nicht oder unzureichend angeführt - ein Mangel festgestellt. Texte erzeugen aber auch Empfinden. Nicht in jedem von uns auf die gleiche Art. Muss auch nicht. Das macht sie aber nicht besser oder schlechter. Es zeigt lediglich, dass es unterschiedliche Leser*innen gibt mit noch unterschiedlicheren Empfindungen.

Wirken lassen. Auf die eigenen Empfindungen, Emotionen, Sehnsüchte - oder Abgründe. Ich glaube nicht, dass dir etwas entgangen ist, Habentus. Vielleicht ist es nur die Suche nach einer Lösung die es nicht gibt. Und ich hoffe, du weißt, dass es nur meine Gedanken zu deinem von mir zitierten Satz waren und kein Angriff auf dich. Das käme mir nie in den Sinn.

Beste Grüße an Euch.
Morphin

 

Lieber @MRG

freue mich von dir zu lesen und will auch mal wieder schauen, wie sich dein Schreiben so entwickelt hat. Erinnere mich noch, wie du hier ins Forum dazu gekommen bist, an den ersten Text :-) Vielen Dank für deine Worte. Finde du hast echt eine freundliche Art zu kommentieren. Aber zur Sache:

ich finde, dass du einen ganz eigenen Stil hast. Mich überkommt einerseits eine gewisse Schwere, die von einer erhöhten Konzentration geprägt ist.
am Ende deiner Texte das Gefühl, etwas Originelles gelesen zu haben

Hat mich gefreut. Finde es immer lustig, wenn andere Parallelen zwischen Texten erkennen, wo ich sie nicht vermute. Ich denke mir immer, ich hätte so zwei, drei verschiedene Sorten von Texten, die ich schreibe und darin immer auch einen eigenen Stil. Aber es scheint nicht zu stimmen.

Bockwurst und Mohnkuchen ist bislang der Text, der mir stark in Erinnerung geblieben ist.

Tja, der Text wird mir scheinbar noch etwas nachhängen :lol: Freut mich, dass du dich daran erinnerst.

Erstens fand ich es nicht so gelungen, dass er den Helden spielt und so direkt damit ins Haus fällt, sein Leben gegen ihres tauschen zu wollen. Das hat mich nicht überzeugt

Es ist ja schon klar, dass das einigermaßen spontan kommt. @Peeperkorn hat das auch auf seine Weise angesprochen. Ich habe es jetzt nochmal ganz anders formuliert. Er sagt das überhaupt nicht mehr so; dass er sterben wird oder dergleichen.

Zweitens hat mir das Ende nicht gefallen, weil mir das zu plötzlich kam. Mir hat da die Vorbereitung gefehlt.

Das haben auch die meisten kritisiert. Morphin hat das so stark verteidigt und ich bin da sehr dankbar für, weil ich es auch so sehe wie er. Aber wenn ich nicht bereit wäre, an meiner Story zu feilen, hätte ich sie hier nicht eingestellt. Deswegen ist das Ende jetzt komplett raus. Es geht quasi nur noch bis zu der Stelle, an der es dich rausgeworfen hat. Ich hoffe, dir gefällt das neue Ende besser. Wenn du Lust hast, freue ich mich über ein kurzes Daumen hoch, Daumen runter.

Denn ich habe im Text nicht wirklich herauslesen können, dass der Lapislazuli magische Kräfte hätte.
Mein Vorschlag wäre, dass er sich das Ganze nur vorstellt, weil er den Gedanken nicht ertragen kann

Das hat nicht direkt was mit dem Lapislazuli zu tun. Bei dem Ende hatte ich es mir so vorgestellt, dass das schon klar ist, dass das nicht so sein kann. Er bildet es sich nicht unbedingt ein, aber er interpretiert es so. Der Lapislazuli hat nur die Kraft, ihn am Leben zu halten, was auch so dahingestellt ist. Vor allem erinnert der Stein ihn an an seine Tochter. Er bekommt ihn zurück, weil es für ihn nochmal in die nächste Runde geht. Jetzt habe ich das geändert. In der aktuellen Version gehe ich vielleicht wieder einen Schritt zu weit, indem ich indirekt behaupte, er würde jetzt auch mit der Erinnerung an seine Tochter abschließen. Vielleicht lasse ich ihn auch nur den Feldstecher am Steinkreis ablegen.

für mich war er eher merkwürdig und stalkerhaft, als ein Held

Verstehe ich. Er ist ein Antiheld. Insofern für mich irgendwie beides. So ein richtiger Stalker ist er aber nicht. Er ist nicht pervers oder dergleichen. Er will am Leben dieser Leute teilhaben, aber er weiß, dass etwa die Frau mit dem Veilchen daran kein Interesse hat. Ist ihm aber egal.

Als ich Feldstecher dann nachgeschlagen habe, ist es mir klar geworden. Es hat mich insofern kurz aus deinem Text rausgebracht

Hatte über das Wort auch nachgedacht. Weil es ja auch nochmal spezifiziert. Das kommt etymologisch auch vom Militär und bringt da so eine Komponente mit rein. Habe mich aber dazu entschieden, weil es heutzutage wirklich auch ein Synonym ist.

Hier ist es mir eiskalt über den Rücken gelaufen. Ich sehe ihn nämlich schon auch als Stalker, der andere beobachtet. Er war mir nicht sofort sympathisch. Klar, er sitzt im Rollstuhl und leidet wahrscheinlich furchtbar, aber mir war das etwas zu viel. Nach meinem Empfinden übertritt er die Grenze der Privatspähre anderer Personen.

Das stimmt, dass er die Grenze übertritt. Ich sehe ihn halt nicht als einen Stalker. Das ist für mich jemand, der irgendwie pervers ist, der nicht mehr unterscheiden kann, ob Leute das wollen oder nicht. Bei ihm ist es so eine Art Kaltschnäuzigkeit. Er weiß, dass er bei der Frau mit dem Veilchen nicht gerade erwünscht ist. Er stellt ihr auch nicht nach oder so. Klar beobachtet er sie. Ein Stalker aber ist für mich etwas anderes.

Es hat mich an eine ehemalige, ältere Nachbarin erinnert, die sich etwas zu stark für mich interessiert hat und immer ewig mit mir reden wollte.

Oje. Keine schöne Erfahrung.

Der Gegenstand scheint ihn zu beruhigen, aber mir hat die emotionale Bindung gefehlt. Er beschäftigt sich lieber mit anderen Personen, die er beobachtet und weniger für dieses besondere Etwas.

Die Gewichtung dürfte jetzt schon mal ein bisschen anders sein. Der Stein wird nun auch so als solcher benannt. Danke an @AWM , @Peeperkorn , @HerrLehrer dass ihr den Finger draufgehalten habt.

Anstrengend
Ist das Absicht, dass du keinen Punkt gesetzt hast danach?

hat HerrLehrer auch moniert. Ja, das war Absicht. Sie schreibt das ja auf einen Zettel und da würde sie ja auch keinen Punkt setzen. Ein Ausrufungs- und Fragezeichen (wie in den übrigen Beispielen) ist da schon etwas anderes. Aber vielleicht setze ich es noch für die Leser.

„Mein Leben gegen deins.“
Das hat mich gestört, war mir zu offensichtlich. Ich habe mich gefragt, was ich mir da gewünscht hätte? Ich glaube, ich fände es klasse, wenn er ihr Ratschläge gibt,

Ratschläge sind es jetzt nicht direkt, aber vielleicht etwas ähnliches. Er spricht das jetzt nicht mehr direkt an, ist dafür etwas bestimmter. "Wir tauschen jetzt."

Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft.
Und das hat mich dann total rausgeworfen. Wirklich, es passiert ein Wunder?

wenn du wissen willst, in welche Richtung das geht, was ich vorhatte, lies bei Peeperkorn nach. Der hat das einfach treffend auf den Punkt gebracht. Ja, ist jetzt erstmal raus.

Wünsche dir ein schönes Wochenende und ich hoffe, dass du etwas mit dem Kommentar anfangen kannst.

Ja, klar. Guter Kommentar, vielen Dank @MRG :-)

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin, lieber @Carlo Zwei

Nun schleiche ich schon seit ein paar Tagen um die Challenge Geschichte herum, ich mag sie einfach nicht auseinander kommentieren, aber so eine Rund-Um-Zusammenfassungskommentar kann ich einfach nicht.
Daher ganz dick vorweg - ich mag die Idee, ich mag Deine so ganz persönliche Schreibweise, Deinen Sound und die bisherigen Veränderungen der Geschichte haben schon viel gemacht.
Denn mit dem Wunder am Ende kam ich so gar nicht klar, es war für mich in der Vorgeschichte einfach nicht lesbar, erahnbar.
Ich habe nur ein, zwei Nachfragen, mehr zu meinem Verständnis, weniger zum Verändern oder Bedenken.

Das Licht hat er ausgemacht, draußen ist es hell genug. Er legt die Hände auf die Greifreifen seines Rollstuhls, stößt und fährt ans Fenster.
Den Einstieg mochte ich gleich, und ja, jetzt fährt er mit eigener Kraft, da habe ich gleich ein Bild.

An so einem Tag kann er fast alles sehen. Herr Kopfüber beugt das Gesicht vor, bis nur noch eine Handbreit zwischen Stirn und Glasscheibe passt.
Hier hatte ich eher auf diesen typischen gestreiften Abdruck vom Kopf am Fenster getippt, aber er ist halt ein ordentlicher. Wäre vielleicht als Charakteristika gar nicht schlecht, das bewusste drauf achten. Oder wäre das zu überbetont? Und das "An so einem Tag" lässt mich glauben, das es ein immer wiederkehrendes Ritual ist.

an dessen Kante sie in Reihe landen.
Mag regional sein, ich will sie im Kopf unbedingt auf der Kante landen lassen.

Herr Kopfüber setzt den Feldstecher ab, reibt sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger.
Prima gezeigt, wie oft und wie lange er den Feldstecher benutzt, das Ekzem macht den Rest.

Er hat noch ein paar Minuten, also schaut er nach, was die Einwandererfamilie macht.
Für mich baust Du hier Spannung auf, machst mich neugierig. Ich bin gerade stark auf der Suche nach solchen "Mechanismen" - Spannung will bei mir noch nicht klappen.

Ihr Gesicht wirkt tot. Herr Kopfüber spürt seinen Herzschlag.
Das haben ich einfach nicht verstanden. Warum ist Ihr Gesicht tot? Was soll es ihm/mir sagen. Da kommt doch später nichts mehr, oder bringe ich Personen durcheinander? Oder soll es nur als Kontrast zu seinem Herzschlag dienen. Bitte, eine kurze Erklärung, ich wills gerne verstehen.

Er befühlt den Stein in seiner Hand, streicht mit den Fingerspitzen darüber. Das beruhigt ihn.
Ja, mit gleich von Anfang an als "Stein" gefällt es mir besser, es war vorher so kryptisch ohne das es Sinn ergab.

Es ist Punkt neun. Er schwenkt nach oben.
Auch Autorinnen-Nachfrage, nicht Leserin. Warum betonst Du hier nicht mehr, das er es immer tut. Ist es wirklich so schon fest etabliert bei den Lesern. Naja, ich habe es ja auch verstanden, nur wäre hier ein (keine Ahnung, " wie immer") wirklich schon zu viel?

In weißer Unterwäsche und weißem T-Shirt, auf das die schwarzen Haare fallen, bis knapp unters Schlüsselbein.
sorry, der Satz lässt mich jedes Mal stolpern. Gefühlt ist es das "auf das die" - das ist so präzises, das ich raus bin und mir erstmal das Bild nachschärfe.

Gegen halb elf bewegt sie sich zum ersten Mal. Milchzeit.
Uff, die beiden haben aber Ausdauer. Zeigt aber natürlich auch sein starkes Interesse an ihr. Und die Benennung der Zeit entsprechend Ihres Rituals zeigt wirklich Klasse, das es immer so läuft. Der Begriff macht als Titel wirklich neugierig, aber genaugenommen ist es dann doch nur eine Nebenhandlung (dummerweise geben die meist die besten Titel her).

Jetzt geht es los. Ihr Blick trifft seinen. Sie hebt die Hand. Ohne das Fernglas abzusetzen, erwidert er ihren Gruß.
Und hier bin ich wohl zu doof. Was geht los? Beim ersten Lesen war ich im Kopf tatsächlich bei etwas sexuellen (das zum Thema Schubladendenken, ich schäme mich). Okay, es macht mich neugierig oder hält mich in dem Zustand, nur fehlt mir dann ein Hinweis.

Mit der Faust, die den Stein umfasst, drückt er sich die Treppenstufen hoch.
Hier versagt mein Bild. So wie wir es geübt haben braucht der Rollstuhlfahrer definitiv beide Hände, eine zieht sich am Geländer hoch und die andere drückt den Reifen und verhindert das zurückrollen. Das macht man nicht mit einem Stein in der Hand, da fehlt dann die Gewalt bzw. Kraft. Er kann ihn in die Hemdtasche stecken, in den Mund, zwischen die Beine, aber in der Hand kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Herr Kopfüber schiebt sich weiter, hämmert gegen die dreiundvierzig. Jemand öffnet.
Sie ist kleiner, als er gedacht hat. Barfuß und in weißer Unterwäsche steht sie vor ihm.
Das finde ich super gemacht, kurz und doch so klar.

Er zuckt die Achseln.
„Ich bin alt. Das ist was anderes.“
Liege ich richtig, das er ihr auch schon per Zeichensprache seine Einsamkeit gezeigt hat`? Denn Lebensmüde war er doch bisher nicht, oder?

„Ich mach dir einen Vorschlag“, sagt Herr Kopfüber. „Revolver gegen Stein.“
Die junge Frau zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt den Kopf.
Ja, ich stimme den anderen zu, so ist es eher nachvollziehbar.

Auf dem Küchentisch liegt der Revolver; abgelegt und nicht wieder angerührt.
Vielleicht hats Du da schon was zu gesagt, ich suche sonst nicht akribisch nach Wortdopplungen. Aber hier stört mich das liegt - abgelegt doch. Du schreibst aber zu bewusst, also warum?

Etwas aber sagt ihm, dass es ihr gut geht.
Du hast viele schöne Stellen in der seltsamen und auch beunruhigenden Geschichte. Meine Lieblingsstelle ist seltsamerweise diese. Ich mag sein Vertrauen, was er aus dem Beobachten gewonnen hat.

An diesem Tag beobachtet Herr Kopfüber den Taubenmann.
Beobachtet er den nicht auch jeden Tag, genau wie alle anderen?

Die junge Frau schaut ihn an und ihre Blicke treffen sich. Er meint, sie lächeln zu sehen, als sie springt.
Okay, ich mag keine Selbstmord, aber hier und so eingebaut - ja, ich finde das Ende gut. Ein Happyend würde nicht passen, er hat sich auf alle Fälle Dank Ihr verändert (ist losgefahren, hat versucht einzugreifen) - ja, er wird es schaffen, damit klar zu kommen.
Lieber Carlo Zwei, auch wenn die vielen Fragen und Einzelkommentare anders aussehen mögen, ich mag die Geschichte, den sie führt mich ganz dicht an einen einsamen Menschen heran und ich darf miterleben, wie eine Schritt heraus macht. Bei einem Copywrite würde ich unbedingt weiterschreiben wollen ...
Und Du hast mir als Autorin viele Fragen in den Kopf gesetzt, ich glaube , das war mein Hauptgrund, das ich beim Kommentieren lernen wollte - also hab Doppelt Dank.

Beste Wünsche
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Carlo Zwei,

ich habe den Text am Freitag bereits gelesen, du hast nicht nur den Titel geändert, sondern auch schon fleißig poliert. Freut mich sehr, dass du dich von der Challenge hast inspirieren lassen. Rollstuhl, Fernglas, Fenster, ich war sofort bei Hitchcocks Fenster zum Hof. Zum Inhalt später, zunächst einige Anmerkungen.

Den Stein hält er in der hohlen Hand
Wo Kommt der her? Da er gerade noch beidhändig die Greifreifen gestoßen hat, würde ich hier sowas vorschlagen wie: Er nimmt den Stein aus seiner Westentasche und legt ihn sich in die hohle Hand.

Herr Kopfüber hat etwas unfreiwillig Komisches, finde ich, oder? :Pfeif: Ist nicht bös gemeint.

bis nur noch eine Handbreit zwischen Stirn und Glasscheibe passt
irritiert mich etwas. Was genau ist das? Ich denke über die Entfernung nach, flach, quer?
Würde schreiben, bis er sein Spiegelbild in der Scheibe sieht oder bis er die Kälte vom Glas an seiner Stirn spürt.

Gleich wird er drei Mal in die Hände klatschen. Die Tauben flattern auf. Herr Kopfüber verfolgt ihren Flug.
Mir fehlt der Zwischenschritt zwischen Futur und Präsens. Vllt.: Als es geschieht, flattern die Tauben auf?

Den Milchbart lässt sie sich stehen. Sie kehrt ins Zimmer zurück, setzt sich aufs Bett.
Das erste sich würde ich streichen.

Er befühlt den Stein in seiner Hand. Jetzt geht es los.
Da hat AWM schon was zu geschrieben und du hast auch schon konkretisiert. Dennoch stolpere ich. Was geht denn los? Die Milchzeit? Ich kann nur mutmaßen, flammt die Verbindung zu seiner Tochter auf? Das kommt mir zu kurz. Du schreibst dazu nur, der Stein gehörte der Tochter, that´s it. Mir reicht das so nicht, da gibt es doch bestimmt noch eine Erklärung, eine andere Ebene, warum der Stein für Tochter und Vater so bedeutsam war und ist?
„Da hängt mein Leben dran, verstehst du das?“
„Wenn ich den loslasse, dann kann ich nicht mehr da sein.“
Du fährst schon schwere Geschütze auf, aber heraus kommt nur ein Wölkchen. Da kannst du nachlegen und in die Tiefe gehen. Wofür steht der Stein? Welche Erinnerungen hängen an ihm?

Auch das Ende finde ich noch unbefriedigend. Warum? Weil der Twist, der Tausch Revolver gegen Stein so keinen Sinn ergibt, denn er ändert rein gar nichts. Außer, dass die Selbstmörderin sich anders umbringt, als geplant. Okay, sie lächelt, als sie springt, aber ganz ehrlich, das kratzt mich nicht, denn um da mitzugehen, bin ich zu weit von der Figur entfernt. Gib mir mehr Futter, vor allem mehr background, sonst bleibt der Text eine kleine traurige Geschichte, der trotz des vollzogenen Selbstmords die wirkliche Tragik fehlt. Vllt. wäre es hilfreich, die Tochter stärker mit reinzunehmen und die Parallelen zur Selbstmörderin zu verdeutlichen? Und möglicherweise wird der Tausch wirklich zum Twist, ändert etwas in beiden?

Peace, ltf.

 

Lieber @Peeperkorn ,

danke für deinen Kommentar. Die erste Überarbeitung ist fertig, das Ende weg. Fühlt sich wie ein Experiment an. Auch deshalb schön, dass du dabei bist.

Hitchcock (Rear window)

Das stimmt. Das ist ein guter Plot-Archetyp mit vielen eingebauten Faktoren, die da funktionieren. Ein Geheimnis um Beobachter und Beobachteten und jede Menge Ansatzmöglichkeiten für Exposition.

Ein sehr alter Herr mit riesengrossen Flügeln

Die Flügel sind ab. Als Himmelsbote hält jetzt höchstens noch der 'Taubenmann' her. Ich glaube, der magisch realistische Teil des Experiments ist fürs Erste abgeschlossen :D

Frau Hopper.

'Die Frau am Fenster'. Deswegen?

Das funktioniert meines Erachtens nicht. Das ist eine sehr seltsame und ohne Erklärung für den Leser nicht spürbare Einschränkung
Also, mich hat das extrem rausgeworfen und ich habe das so wahrgenommen wie AWM, als billigen Trick des Autors. Klar, dass du das reflektiert hast, aber wahrgenommen habe ich es trotzdem so. Ich würde einfach "Stein" schreiben.
Er befühlt den Gegenstand in seiner Hand, streicht mit den Fingerspitzen darüber.
Hier wird dein Problem nochmal zugespitzt. Denn der Protagonist widmet dem Stein ja jetzt seine Aufmerksamkeit. Deine Erzählperspektive ist nunmehr so, dass der Erzähler nur erzählen kann, was der Protagonist wörtlich so denkt. Das ist sehr schräg.

Ich glaube es funktioniert deshalb nicht, weil es zu wichtig ist. Das soll Spannung generieren und da werdet ihr zurecht aufmerksam und prüft das. Ich denke, dass es von der Logik der Erzählposition schon funktioniert. Aber es ist hier halt wirklich ein billiger Effekt. Auf jeden Fall geändert.

Gleich wird der Taubenmann erscheinen, dort unten beim Steinkreis.
Kann weg
Der Rollstuhl trägt ihn bis ans Fenster.
Seltsame Formulierung. "bringt ihn zum Fenster"?
Das Himmelgrau spiegelt sich in den Fenstern der gegenüberliegenden Fassade.
Tja. Wenn nun das aber so ist und es ist Vormittag und die Leute haben wahrscheinlich nicht alle das Licht angemacht (und selbst wenn):
Jetzt ist es soweit, er schwenkt nach oben.
Das habe ich nicht so recht verstanden. Er hätte sie ja schon früher beobachten können, denn nun sitzt sie schon auf dem Bett.

habe ich ausgetauscht, gestrichen, ersetzt. Danke dir!

Herr Kopfüber setzt den Feldstecher ab, reibt sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger. Die Jalousie am Fenster schräg gegenüber bewegt sich. Wieder schaut er durchs Fernglas. Sie wird geschminkt sein. Er sieht ihre Hände an der Kurbelstange, einen roten Pullover, zum Schluss das Gesicht. Sie schaut ihn an, schüttelt den Kopf. Das Veilchen unterm Auge ist gelb geworden und scheint unterm Make-up hindurch. Eine halbe Stunde lang beobachtet er sie beim Wischen und Staubsaugen, obwohl es in der Wohnung nicht unordentlich aussieht. Als sie fertig ist, schaltet sie den Fernseher ein, setzt sich mit geradem Rücken auf die Couch und schaut eine Gerichtssendung. Hier wird sie die nächsten zwei Stunden sitzen, sich gegen halb eins ein Brot schmieren, vielleicht wird er dann wieder hier sein, mit ihr fernsehen, bis um achtzehn Uhr der hinkende Mann nach Hause kommt und die Rolläden schließt.
Ich finde die Gewichtung ist noch nicht optimal.

Das ist gekürzt. (Auch nochmal ein Dankeschön an AWM).

Jetzt will Herr Kopfüber wissen, was die Einwandererfamilie macht. Bei denen ist immer was los.
Das ist so furchtbar profan. Zuvor schreibst du nichts über die Motive und der Leser reimt sich das zusammen und da kommt auch eine gewisse Tiefe rein, Einsamkeit ist das erste, was einem einfällt.

Das habe ich nicht vorhergesehen. Also wie du da als Leser mit dieser großen Leerstelle umgegangen bist. Ein sehr wertvoller Eindruck. Habe ich natürlich geändert.

Sie streckt sich, öffnet eine Schublade. Nach einer Weile hat sie Stift und Zettel hervorgeholt, schreibt etwas auf und hält es ihm hin.
Nicht so laut!
„Wieso?“
Sie schreibt ein Wort dazu.
Anstrengend
„Warum sprichst du nicht?“, fragt er leiser und schaut ihr in die Augen. Die sind nicht grün, sondern braun.
Die junge Frau hält ihm denselben Zettel noch einmal hin.
Das fand ich die stärkste Stelle im Text. Ein wenig seltsam, aber auch berührend.

Dankeschön fürs Rausschreiben. Habe das, was danach kommt, in der Überarbeitung ein wenig verhunzt, aber jetzt wieder auf die Version davor zurückgesetzt. Ich habe ein bisschen Angst, vor allem wenn ich @linktofink s Kommentar (danke!) lese, dass die Story emotional auseinanderkracht. Ich versuche das nochmal mit ordentlich Spucke und Leim zu verkleben, mal sehen, ob mir das gelingt.

Was man mit einem Revolver so macht …, liest er.
Sie steckt sich zwei Finger in den Mund, drückt ab, lässt sich tot aufs Bett fallen.
Das Bild hattest du schon, sie hat es ja schon am Fenster gezeigt.

Habe es zuerst gestrichen und jetzt nochmal etwas abgewandelt wieder reingenommen, weil da irgendwie nochmal was passieren musste, was seine Reaktion rechtfertigt. Es ist ja auch so, dass sie super vertraut miteinander sprechen. Das hat sich eigentlich auf die 'märchenhaften' Wendungen in der Story gestützt. Ich glaube, jetzt da das raus ist, wirkt der Dialog sehr künstlich, ohne das man das noch auf einen märchenhaften Erzählton schieben könnte. Vielleicht auch nur ein Eindruck ...

Holzhammer. Ich würde da zumindest etwas reduzieren. Du hast einige irritierende Momente im Text, einiges, das nicht aufgeklärt wird. Und hier gehst du auf Nummer sicher. Das fand ich schade. (Übringens fand ich es auch schade, dass aufgeklärt wird, dass die andere Frau von ihrem Mann geschlagen wird, die Passage fand ich eh nicht so stimmig, aus den Gründen, die AWM genannt hat.)

Den Holzhammer muss ich bis zur nächsten Überarbeitung nochmal drin lassen; die Überarbeitung ist nämlich noch wesentlich schlimmer geraten ...
Das Gespräch zwischen der Frau mit dem Veilchen und dem Prot. ist geändert.

age vergehen und Herr Kopfüber steht am Fenster.
?

:D das sollte nicht passieren ...

In diesem Moment ist es, als stünde er unter einem tosenden Wasserfall, der jeden Gedanken mit sich reißt, jedes Wort im Rauschen erstickt. Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft. Eine fliegt mitten durchs Loch hindurch, schwebt vor seinen Augen. Die junge Frau gleitet zu ihm ans Fenster, die Flügel halten sie in der Luft. Sie streckt ihren Arm durchs Loch, nimmt seine zitternde Hand und lässt den blauen Stein hineinfallen.
„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.
Uff. Das Problem ist, dass diese Passage so gar nicht zum Rest des Textes passt. Nicht nur inhaltlich. Ich finde, diese Möglichkeit müsste vorbereitet sein, in der Sprache, im Geist des Textes. Da müsste mehr Poesie im Text sein, sodass das Ende nicht so angepappt wirkt.

Die Stelle ist raus. Mal sehen, ob ich da einen neuen Bogen hinkriege. Ziemliche Herausforderung, das zu retten. Wenigstens ist es kein umfangreicher Text. Aber das birgt auch seine Tücken. Gerade bei dem emotionalen Bogen im Verlauf des Gespräches zwischen dem Mädchen und ihm.

vielleicht weil du dem Text selbst nicht traust?

Ja, das kann sein. Vielleicht brauche ich auch so eine kleine Abreibung, um mich auf Wesentliches zu besinnen. Ich mach mal weiter.

Vielen Dank für den sehr guten Kommentar. Schön, dass du hier warst.
Lieben Gruß
Carlo

 

Danke @Silvita , dass du wieder dabei bist.

Der Text ist flüssig, es entsteht Kopfkino.

Freut mich, das ist schon mal wichtig.

Allerdings hab ich mich dauernd gefragt, warum der Prota "Herr Kopfüber" heißt.

Ich dachte, das wäre im Zusammenhang mit den übrigen märchenhaften Wendungen der Story ein guter Einfall. Hat sich leider nicht bestätigt. Herr Kopfüber heißt jetzt erstmal Herr Zimmer. Mal schauen, ob das bis zur nächsten Überarbeitung hält. Aber so ist es fürs Erste besser.

ob ich Herrn Kopfüber mag, der sich gerne als Voyeur betätigt, zusieht, was bei seinen Nachbarn schief läuft und nichts tut.

Die Gewichtung, was die Geschichte der Frau mit dem Veilchen angeht, hat sich geändert. Könnte sein, dass das jetzt nicht mehr ganz so ins Gewicht fällt. Auch der Dialog, als sie sich begegnen, ist anders.

Was halte ich von der Braunäugigen? Sie weiß genau, dass er sie beobachtet. Dennocht spielt sie mit der Waffe. Warum drückt sie nicht einfach ab?

Ist eine sehr gute Frage, auf die der Text aktuell keine wirklich bessere Antwort als deine gibt. Vielleicht fällt mir da noch was ein. Dadurch das diese ganzen Märchenelemente jetzt raus sind, wird das alles ziemlich auseinanderfallen. Etwas ähnliches ist mir bei meiner letzten Copywrite Geschichte (Am Achensee) passiert. Wenn ich das mal so ein bisschen meta-mäßig analysiere, merke ich schon, dass ich immer ziemliche Probleme bekomme, wenn ich versuche einen sehr dramatischen, emotionalen Plot zu erzählen.

Das Ende finde ich auch ein wenig kitschig.

Ist raus.

Ich hätte mir eher gewünscht, dass Du gefühlsmäßig mehr in die Tiefe gehst, mir die Protas noch näher bringst, ein richtiges Drama entwickelst, gerne mit Happy End - aber eher realistisch, nicht Fantasy.

Das ist auch ein sehr guter Punkt. Das versuche ich (auch nach Linktoflinks Hinweisen) in der nächsten Überarbeitung.

Auf ihrem Bett sitzt sie. In weißer Unterwäsche und weißem T-Shirt, auf das die schwarzen Haare fallen, bis knapp unters Schlüsselbein.
Das klingt ein wenig holprig.
Vorschlag: Sie sitzt auf ihrem Bett, trägt nichts als weiße Unterwäsche und ein weißes Shirt. Die schwarzen Haare fallen ihr bis knapp unters Schlüsselbein.

Schaue ich mal, wie ich das mache. Dein Vorschlag ist jedenfalls gut, finde ich.

Ob sie braune Augen hat oder grüne, ist schwer zu sagen. Mehr grün.
Vorschlag: Er tippt auf Grün.

Da bin ich mir noch nicht sicher. Das 'auf etwas tippen' ist schon ein sehr spezifischer Tonfall, bei dem ich mich frage, ob der so zu ihm passt.

„Lächel doch“, flüstert er und der Teppich verschluckt seine Worte.
Würde 2 Sätze draus machen.

Das mit dem Teppich ist raus. Ansonsten wäre auch das eine gute Idee gewesen

Sie öffnet die Lippen, schiebt sich den silbernen Lauf in den Mund. Den Finger hält sie ruhig am Abzug.
Das ist ein krasser Moment. Hier hätte ich mir mehr Emotionen von Herrn Kopfüber gewünscht. Ich würde gerne lesen, was er denkt, wie er sich fühlt. Die ganze Bandbreite. So ist mir das zu oberflächlich.

den silbernen Lauf finde ich momentan noch ein schönes Detail. Aber vielleicht kommt das auch noch raus. Das mit seinen Gefühlen ist natürlich wichtig, gehört da rein und folgt.

Die junge Frau schaut ihn unverändert aus ihren braunen Augen an.
Sie
Die braunen Augen würde ich hier nicht nochmal erwähnen. Das weiß der Leser schon.

Ist geändert. Danke.

„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.
Das ist mir zu abgehoben, zu phantastisch.

Ja, akzeptiere ich, wenn euch das zu viel ist. Habe ich gestrichen.

Danke, Silvita. Viele nützliche Hinweise mit dabei :-) bis bald!
Carlo

 

Hallo @Carlo Zwei,

ich hab gelesen, dass du überarbeitest hast. Die Ursprungsgeschichte hab ich nicht gelesen, daher kann ich keinen Vergleich ziehen und die Kommentare hab ich lediglich überflogen.

Mir hat die Geschichte gut gefallen, insbesondere das Thema, deine Sprache, deine orginellen Ideen. Der Reiz lag für mich auch darin, dass ich durch die Augen des "Voyeurs" schaue und erwartete etwas Geheimes und Intimes zu beobachten. Und doch mit illegalen Mitteln (außer bei der Frau, die ja ihre Einwilligung gegeben hat) und dieses mehr oder weniger heimliche Beobachten macht den Prot für mich sehr unsympathisch. ImA könnten die anderen Szene, die er beobachtet gestrichen werden. Auch wenn ich die Szene mit der Frau, die das Veilchen hat, sehr gut geschrieben fand. Aber ich weiß nicht, wofür das für den Grundkonflikt relevant ist. Ich finde, das lenkt nur ab und bei den Einwanderern passiert noch nicht einmal etwas aufregendes. Allerdings hat deine Geschichte bei mir recht viele Fragezeichen hinterlassen. Dazu später mehr.

Ich schreib mal mit, was mir aufgefallen ist.

Auf seinem Schoß liegt der Feldstecher.
Der Begriff hat mich rausgehauen. Wird heutzutage ja selten verwendet. Ich würde es Fernglas nennen. Aber vllt. wolltest du damit auch etwas deutlich machen, in welcher Zeit das spielt oä.

Tatsächlich dauert es nicht lange.

Wozu brauchst du das Wort? Erschien mir nicht unwahrscheinlich, dass der Taubenmann kommt.

Die Matrone sitzt auf einem gepolsterten Stuhl am Esstisch, wiegt das Kind im Arm.

Ist für mich ähnlich zu behandeln wie "Feldstecher"

Sie schiebt die Gardine zur Seite, steigt auf ihr Bett. In weißer Unterwäsche und weißem T-Shirt, auf das die schwarzen Haare fallen, bis knapp unters Schlüsselbein.

Nur so am Rand erwähnt: Ich hab gedacht, dass jetzt irgendetwas sexuelles passiert. Das fette liest sich nicht ganz so geschmeidig. Vllt. kannst du da noch mal feilen.

Ohne abzusetzen trinkt sie den gesamten Liter aus,
Einen ganzen Liter?

In der Wohnung der jungen Frau riecht es säuerlich. Nach Milch, und das ist kein Wunder. Vom Flur aus erhascht er einen Blick in die Küche, wo sich die Milchkartons unterm Fenster stapeln. Sie führt ihn ins Zimmer.

Tut mir leid, aber ich versteh nicht, was es mit der Milch auf sich hat.

Sie notiert etwas, hält es ihm hin.
Warum immer in der Hand?

Woher weiß sie, dass er ihn immer in der Hand hält. Treffen sie sich doch zum ersten Mal, oder? Und er beobachtet sie und nicht umgekehrt, oder?

„Wenn ich dir den Stein gebe, werde ich sterben.“
Sie verzieht keine Miene, schreibt etwas auf.
H a h a
„Nicht lustig“, sagt Herr Kopfüber. Er denkt nach. „Hast du schon mal jemanden verloren, der dir alles bedeutet hat?“
Sie nickt.
„Dieser Stein ist von meiner Tochter und …“ Er holt Luft, wird den Teufel tun, hier vor ihr zu weinen. „Wenn ich den loslasse, sterbe ich.“
Etwas im Blick der jungen Frau hat sich verändert, aber was kann er nicht sagen.
„Mein Leben gegen deins.“
Sie starrt ihn an, scheint etwas sagen zu wollen. Stattdessen werden ihre Augen glasig. Eine Träne löst sich, rinnt zwischen Nase und Wange zu den Lippen hinab. Sie nickt, leckt die Träne mit der Zungenspitze auf. Dann reicht sie ihm den Revolver und er ihr den blauen Stein.

Den Teil verstehe ich leider auch nicht. Warum sollte er ohne den Stein sterben? Was war mit seiner Tochter? Warum ist sie plötzlich doch bereit zum Tausch. Wo sie ein paar Zeilen den Stein noch als wertlos bezeichnete? Das geht mir zu schnell und ich kann mir das nicht zusammenreimen. Aber vllt. bin ich auch zu kurzsichtig ...

Wenn du wüsstest …“, sagt Herr Kopfüber.
Die junge Frau sieht ihn prüfend an. Das ist der Moment, er kann es spüren.
„Wenn ich dir den Stein gebe, werde ich sterben.“
Sie verzieht keine Miene, schreibt etwas auf.
H a h a
„Nicht lustig“, sagt Herr Kopfüber. Er denkt nach. „Hast du schon mal jemanden verloren, der dir alles bedeutet hat?“

Herr Zimmer?

Die junge Frau schaut ihn an und ihre Blicke treffen sich. Er meint, sie lächeln zu sehen.

Die junge Frau scheint mir doch sehr manipulativ und mehr an Aufmerksamkeit interessiert als daran, sich umzubringen. Mir erscheint das fast wie ein Spiel, das sie mit ihm spielt. Er versucht sie zu retten und sie genießt die Aufmerksamkeit.

Wie gesagt, mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Nur weniger Fragezeichen hätte ich mir gewünscht.

Viele Grüße
Aurelia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Carlo Zwei,

An diesem Tag beobachtet Herr Kopfüber den Taubenmann. Drei Mal klatscht er in die Hände und die Vögel flattern los. Die Fassade hoch und hinauf zum Dach, auf dem jemand steht. Herr Kopfüber braucht einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie es ist, die er durchs Fernglas sieht. Die Tauben haben sich neben ihr aufgereiht, als wäre sie eine von ihnen.
Herr Kopfüber flucht, schmeißt den Feldstecher hin. Der Teppich verschluckt den Aufprall nicht. Er will ihr etwas zurufen, aber die Scheibe ist zu dick und das Fenster lässt sich nicht öffnen. Mit einem Schwung ist er beim Küchentisch, nimmt den Revolver und zielt. Es knallt und die Fensterscheibe splittert. Die Tauben schrecken auf, doch sie bleibt unverändert stehen. Mit dem Griff schlägt er das Loch ein, schreit hindurch, was seine Stimme hergibt. Die junge Frau schaut ihn an und ihre Blicke treffen sich. Er meint, sie lächeln zu sehen, als sie springt.
In diesem Moment ist es, als stünde er unter einem tosenden Wasserfall, der jeden Gedanken mit sich reißt, jedes Wort im Rauschen erstickt. Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft. Eine fliegt mitten durchs Loch hindurch, schwebt vor seinen Augen. Die junge Frau gleitet zu ihm ans Fenster, die Flügel halten sie in der Luft. Sie streckt ihren Arm durchs Loch, nimmt seine zitternde Hand und lässt den blauen Stein hineinfallen.
„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.
Ich finde dieses zitierte Ende wesentlich besser. Ich finde, in der jetzigen Version (Stand: 8.2., 10 Uhr) merkt man - von meinem Bauchgefühl her -, dass etwas aus der Dramaturgie geschnitten wurde, oder dass eben etwas fehlt. So wirkt der Dramaturgiebogen oder auchdie Prämisse runder und abgeschlossener erzählt.

Aus zwei/(drei) Gründen finde ich die alte Version besser:

1. Die Geschichte bekommt mehr Bedeutung. In der Mikrostruktur: Der Sprung des Mädchens und allgemein die Begegnung mit dem Mädchen bekommt mehr Bedeutung für den Prot.
In der jetzigen Version, und das ist eine Kritik auch bezüglich der kompletten Geschichte (so hart sich das anhört) fehlt mir das Gefühl beim Lesen, dass ich weiß, was die einzelnen Dinge, die passieren, für den Prot bedeuten. Was bedeutet es für den Prot, dass er tagtäglich aus dem Fenster guckt und Leute beobachtet? Macht es ihn traurig? Hilft es ihm, seine Traurigkeit oder Einsamkeit kurz zu vergessen? Was bedeutet es für den Prot, das Mädchen zu sehen? Das ist die Zutat, die mir in der Geschichte fehlt. In deinen anderen Geschichten hast du das immer sehr gut geschafft, finde ich, da weiß ich, was das Leicheverbuddeln für deinen Prot bedeutet oder was die Flucht nach Schweden für deinen Erzähler bedeutet; in den Fällen eine Flucht, etwas Positives oder Negatives. Hier fehlt mir diese Ebene, diese Einordnung, die ich als Leser spüre, was der Prot von gewissen Dingen hält. Das kann man natürlich Schreibtechnisch verschieden lösen. Aber - so finde ich - es muss letztendlich rüberkommen zum Leser, was einzelne Dinge einer Geschichte für den Prot bedeutet. Letztendlich geht es damit um Charakterisierung, darum, den Prot kennenzulernen und die Welt durch seine Augen zu sehen.
Wenn das Mädchen zum Schluss Flügel bekommt und ihm den Stein zurückgibt - wow Alter, der Sprung bekommt eine so krasse Bedeutung für den Prot, man weiß viel mehr, dass es um seine verstorbene Tochter geht (oder hab ich dad mit Sadkia falsch verstanden?) dass da auch ein innerer Konflikt geschlossen wird im Prot. Ich kann gar nicht genau beschreiben, was noch alles in dieser Bedeutung dieses Bilds drinnen steckt, und das ist ja gut, denn wenn man es schnell auserklären kann, wäre es plakativ.

2. Ich würde den inneren Konflikt des Prots mehr ins Zentrum der Geschichte stellen, dahingehend etwas umgewichten. Die Geschichte hat Potential und ich finde sie nicht schlecht, aber es liest sich für mich noch unfertig, noch nicht fertig überarbeitet und gewichtet. Lass uns wissen, dass die Tochter sich umgebracht hat, vllt. hat sie sich auch von einer Brücke gestürzt oder so. Und dann beobachtet er immer dieses Mädchen. Und sie will sich dann auch umbringen und dann bekommt sie Flügel und gibt ihm den Stein zurück. So würde ich persönlich die Prämisse oder eben die Handlung fokussieren; aber mach mal, wie du es für richtig hältst und sieh das nur als Anstoß. Wenn du da noch etwas nachschleifst und die Kernaussage der Geschichte fokussierst, wird das eine echt gute Geschichte, mMn.
Mir ist hier zu wenig Tochter im Text, dafür, dass der Text darauf hinausläuft, dass er eine Art Wiedererleben des Todes seiner Tochter hat, nur mit positivem Ausgang. Lass uns das Leiden des Mannes erfahren. Lass ihn nicht als Spanner rüberkommen, dem man durchaus was Sexuelles unterstellen könnte im ersten Teil des Textes, sondern als gebrochenen Mann, der nicht über Tod seiner Tochter hinweg kommt. Er könnte ein Bild in seiner Einzimmerwohnung von ihr stehen haben und man könnte ihn weinen sehen oder so, man könnte das ja szenisch zeigen. Als Beispiele und Inspriation! :)

Mit einem Schwung ist er beim Küchentisch, nimmt den Revolver und zielt. Es knallt und die Fensterscheibe splittert.
Das mit dem Revolver, dass er die Scheibe kaputt schießt, das finde ich etwas unorganisch. Würde ein Kerl wie er echt eine Scheibe mit einer Pistole kaputt schießen? Ihm wird klar sein, dass die Kugel jederzeit im Nachbarhaus in ein Fenster einschlagen könnte und ein anderes kleines Mädchen umbringen könnte, oder auch einfach jemand anderen stark gefährden könnte. Ich finde, jemand wie er, mit seiner Vergangenheit, würde impulsiv nicht so handeln, zumindest würde ihn das mehr kosten und er würde versuchen, die Kugel so abzufeuern, dass sie niemanden gefährden würde, oder möglichst wenige. Ich finde diesen Schuss an der Stelle nicht nötig, es braucht in dieser Story keinen Pistolenschuss, um Spannung und Action zu erzeugen, finde ich, du hast schon alles, was du brauchst auch so, in den Figuren.

Ich hab noch einen Vorschlag:

Sie streckt ihren Arm durchs Loch, nimmt seine zitternde Hand und lässt den blauen Stein hineinfallen.
„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.
Ich würde hier schreiben: "Danke, Papa", sagt sie, spannt die Flügel ...
Wäre einen Try wert.

Gerne gelesen.

Viele Grüße,
zigga

 

Hey @HerrLehrer ,

danke für deinen Kommentar. Gute Punkte, die du da ansprichst. Das meiste ist in die Überarbeitung eingeflossen. Da steht kaum noch ein Stein so wie vorher. Dein Kommentar hat da auch nochmal was zu beigetragen. Freue mich auf deinen Challenge Beitrag!

Er legt die Hände auf die Greifreifen. Der Rollstuhl trägt ihn bis ans Fenster.
Erste Irritation. Im ersten Satz machst du klar, dass er seinen Rollstuhl mit eigener Kraft antreibt. Im zweiten Satz klingt es dann so, als ob der Rollstuhl ihn von allein trüge.

Ist schon in der letzten Überarbeitung durch den Vorschlag von AWM ersetzt worden.
"Er legt die Hände auf die Greifreifen, gibt dem Rollstuhl einen Stoß, fährt ans Fenster."
Danke aber, dass du da nochmal eine Änderung mitmotiviert hast.

Etwas hält er in der hohlen Hand.
Warum die Geheimniskrämerei? Spielt dieses Etwas eine größere Rolle im Kontext der Geschichte? Ich lese weiter.

Ja, da stößt du dich zurecht dran. Das habe ich auch in der letzten Überarbeitung rausgenommen. Jetzt ist es sogar eher noch so, dass bereits früh klar wird, dass der Stein etwas mit einer Person zu tun hat, die er verloren hat.

Eine halbe Stunde lang beobachtet er sie beim Wischen und Staubsaugen, obwohl es in der Wohnung nicht unordentlich aussieht. Als sie fertig ist, schaltet sie den Fernseher ein, setzt sich mit geradem Rücken auf die Couch und schaut eine Gerichtssendung.
Ich frage mich: wie optimal ist die Perspektive von Herrn Kopfüber, dass er das alles sehen kann? Der Fernseher müsste ja gegenüber der Couch sein, der Bildschirm also nicht sichtbar. Es ist nicht unmöglich, aber ich halte es für sinniger, wenn du sie einfach Fernsehen schauen lässt, der Inhalt der Sendung ist ohnehin irrelevant.

Das ist ein guter Einwand. Ich denke, da hat man schon gewisse Freiräume. Aber nach Logikfehlern kann man da natürlich gut graben. Es spielt jetzt keine große Rolle mehr, weil sich die 'Einwandererfamilie' und die 'Frau mit dem Veilchen unterm Auge' komplett aus der Geschichte verabschiedet haben.

Im Flur riecht es nach kaltem Rauch. Er fährt den Rollstuhl bis ins Treppenhaus, wo ein Übergang in den Westflügel führt. Dazwischen liegen sechs Treppenstufen. Herr Kopfüber flucht. Er dreht den Rollstuhl um, greift mit einer Hand ans Geländer. Mit der Faust, die den Gegenstand umfasst, drückt er sich die Treppenstufen hoch.
Ich gehe davon aus, dass ein Rollstuhlfahrer seine Umgebung so gut kennt, dass er genau weiß, wie er ohne Treppensteigen an sein Ziel kommt.

Stimmt. Ich überlege noch, ob ich schreiben soll, dass es der schnellste Weg ist. Viele solcher Wohnkomplexe sind aber auch nach wie vor nicht barrierefrei. Trotzdem auch ein guter Hinweis auf die Logik des ganzen.

Er dreht den Rollstuhl um, greift mit einer Hand ans Geländer. Mit der Faust, die den Gegenstand umfasst, drückt er sich die Treppenstufen hoch.
Hier habe ich Schwierigkeiten, mir das bildlich vorzustellen, da ich nichts über die Beschaffenheit des Gegenstands weiß.

Er steckt ihn jetzt in die Hemdtasche. Danke!

Anstrengend
Hier fehlt ein Punkt.

Sie schreibt das ja auf ein Blatt Papier. Einen Punkt schreibt sie da wahrscheinlich nicht hin, also lasse ich ihn auch weg.

Er holt Luft, wird den Teufel tun, hier vor ihr zu weinen.
Hier würde ich zwei Sätze draus machen, den zweiten vielleicht kursiv setzen.

Er holt tief Luft. Einen Teufel werd ich tun, hier vor ihr zu weinen.

Geschmacksache.


ist auch komplett raus. Hat dann gar nicht mehr gepasst.

Da wird Herr Kopfüber Zeuge eines Wunders. Aus dem Rücken der jungen Frau brechen Flügel, Federn tanzen durch die Luft. Eine fliegt mitten durchs Loch hindurch, schwebt vor seinen Augen. Die junge Frau gleitet zu ihm ans Fenster, die Flügel halten sie in der Luft. Sie streckt ihren Arm durchs Loch, nimmt seine zitternde Hand und lässt den blauen Stein hineinfallen.
„Danke“, sagt sie, spannt die Flügel und steigt zum Himmel auf.
Naja. Auch das hier: Geschmackssache.

Und das auch. Obwohl ich es fast wieder reingenommen hätte. Aber ganz zufrieden bin ich mit dem aktuellen Ende auch noch nicht. Also vielleicht ...

Die Idee mit dem beobachtenden Rollstullfahrer finde ich gut. Hitchcock lässt grüßen. Aber: ich habe so meine Probleme mit der Plausibilität der Ereignisse (und damit meine ich nicht nur das Ende). Herr Kopfüber muss einen verdammt guten Platz haben, um das alles (auch mit Feldstecher) sehen zu können.

Ja, kann ich verstehen. Danke dir für deine vielen guten Hinweise.
LG
Carlo

 

Hallo,

Wenn er jetzt einen Herzinfarkt bekommt, werden sie zwei Leichen finden.

Musst du nicht erwähnen, das nimmt dem Ganzen so etwas die Seriösität. Erster Absatz, muss ich sagen, ist sehr konzentriert gearbeitet, super.

Einige Tage später, zur selben Zeit, macht Herr Grubner eine Entdeckung. Da liegt ein silbernes Ding auf dem Bett, wo sie normalerweise sitzt. Er braucht einen Moment, bis er begreift, dass es ist, wonach es aussieht. Ein Revolver.
Einen Revolver. Das ist halt schon sehr krass. Dort, wo Menschen viele Waffen besitzen, werden sich auch prozentual mehr zum Suizid gebraucht. In Deutschland ist es nicht so einfach, an eine Waffe zu kommen. Daher frage ich mich natürlich, woher sie den hat? Und warum versucht sie es direkt mit einem Revolver? Es gibt ein herzzerreißendes Buch, "Hand an sich legen", da geht es nur um den Freitod: Frauen vergiften sich eher, ist da das Resümee, wenn ich mich richtig erinnere. Viele Frauen legen sich ins Bett, machen sich eine Duftkerze an, beginnen eine Tafel Schokolade zu essen - als würden sie wieder aufwachen. Das fand ich beachtlich, aber auch irgendwie total nachvollziehbar. Es ist wohl auch so, dass viele Suizidäre wirklich Tage bevor sie sich dann wirklich für den Freitod entscheiden, richtig gut drauf sind. Das kann ich bestätigen. Eine meiner Auszubildenden hat sich vor über zehn Jahren vor den ICE bei Montabaur geschmissen, da war es sehr ähnlich. Ist eine andere Geschichte. Aber dieser Sache hier, da fände ich es wahrscheinlicher, sie würde es mit Schlaftabletten oder etwas anderem versuchen. Nicht direkt mit einem .357 er.
Er winkt ihr zu, will wissen, was los ist. Ohne ihn zu beachten, setzt sie sich aufs Bett, nimmt den Revolver in die Hand. Erst jetzt schaut sie ihn an, öffnet die Lippen, schiebt sich den silbernen Lauf in den Mund. Den Finger hält sie ruhig am Abzug. Herr Grubner hält den Atem an. Sie blinzelt. Da legt er das Fernglas weg, fasst nach den Greifreifen und gibt dem Rollstuhl einen Stoß, der ihn zur Tür bringt.

Ich sehe aus dem Fenster, da schiebt sich jemand den Lauf einer Waffe in den Mund. Ich glaube, ich würde erstmal die Fensterläden aufreißen, rauschreien, Hey, Nein!!!, oder andere versuchen, aufmerksam zu machen, auf jeden Fall diesen intimen Akt unterbrechen. Oft ist es ja so, dass Suizidäre bis zur letzten Sekunde unsicher sind, sich aber in einer Art Trance befinden, aus der man sie nicht mehr so leicht herausholen kann. Die, die es überlebt haben, sagen meistens, dass sie es sich in letzter Sekunde doch noch anders überlegt hätten. Also, ich empfinde seine Reaktion als nicht ganz nachvollziehbar. Ich meine, du musst dir das mal überlegen: Er sieht da einen Revolver! Wie viele Menschen sehen in ihrem Leben eine scharfe Waffe? Und das weiß er ja auch gar nicht in diesem Moment. Sie könnte da nur eine Art Variete für ihn aufführen, einen grenzwertigen Prank, weil er sie beobachtet hat und sie das genau weiß. Darüber sagt der Text ja nichts, er nimmt das ja von vorneherein als bitteren Ernst an: da könntest du auch noch mal mit den Erwartungen des Leser spielen, wo das alles immer nüchterner wird, zynischer, und dann am Ende: Huch, fuck, da ist ja wirklich ernst! Da spielen meiner Meinung nach auch noch andere Dinge ein Rolle: Ich glaube, er ist erstmal baff, sieht da eine Waffe, direkt in seiner Nachbarschaft, da würden mir auch durch den Kopf gehen: Wo hat sie die her, gefährde ich mich selbst, wenn ich eingreife, oder wird sie gar von anderen bedroht, gefangen gehalten, mißbraucht, und die könnten mir dann gefährlich werden?

Hat sie geblufft? Neben ihm öffnet sich eine Tür.

Das ist eine heikle, ethische Frage: Wenn du hier die Spannung anziehst, ist es natürlich eine extreme Manipulation. Hat sie sich nun den Schädel weggeblasen oder nicht? Das mit dem Bluff würde ich rausnehmen, denn das steckt da drin. Du nimmst das so etwas vorweg, weil du weißt, wie heikel das werden kann, oder?

Anstrengend
„Warum sprichst du nicht einfach?“, fragt er leiser. Ihre Augen sind nicht grün, sondern braun.
Die junge Frau hält ihm denselben Zettel noch einmal hin.
Herr Grubner zeigt auf den Revolver. „Und der funktioniert?“
Sie schreibt: Soll ich es Ihnen mal zeigen?
Er schüttelt den Kopf. „Warum machst du das?“
Die junge Frau mustert ihn.
„Du hast keine Antwort, oder?“

Ich weiß nicht, warum sie nicht spricht. Wenn sie gehörlos sein sollte, dann könnte sie sprechen, nur klingt es anders, als würde man Worte ausspucken, nicht wie Banane, sondern Pa-na-nee, so die Richtung, hart und unrhythmisch. Sie könnte wahrscheinlich auch von den Lippen ablesen. Ich glaube, sie würde auch mit Gesten antworten, bevor sie etwas notiert - ein Schulterzucken, so was. Aber mal zurück zur Psychologie dieser Szene: Eben noch Revolver im Mund, und dann ist sie aber plötzlich total handzahm und im Grunde direkt ansprechbar. Das ist doch irgendwie seltsam. Meinst du nicht, die steht irgendwie unter Schock? Ich denke, wenn du kurz davor bist, abzudrücken, dann kehrst du nicht so einfach wieder zurück zur Normalität. Das passiert schon sehr schnell, wie ich finde. Ich weiß gar nicht, wie man das darstellen kann, aber ich denke, da wäre erstmal großes Schweigen, Betroffenheit, Aussichtslosigkeit.

Er hätte nicht geglaubt, dass es so einfach sein würde, ein Leben zu retten.
Und ich glaube das, um ehrlich zu sein, auch nicht so ganz. Mir wird da auch der Revolver viel zu leicht hin und hergeschenkt. Er sitzt im Rollstuhl, rollt sich da mit der Knarre im Schoss zurück - nee, also, ich weiß nicht. Da beginnt eben auch die Plausibilität. Er müsste die Polizei anrufen, um die Waffe abzugeben, da er keine WBK hat oder sonstiges, die würde natürlich Fragen stellen, hier, woher stammt die denn? Also wenn er die jetzt in eine Plastiktüte verpackt und mit Steinen beschwert (dem Lapislaszuli zum Beispiel, oder wie der heißt :D) und in einen See oder Fluss schmeißt, könnte ich das eher kaufen.

Dass du den Stein so konkret mit Saskia verbindest, finde ich etwas problematisch, es wirkt ein wenig wie eine Hilfskonstruktion. Ich würde das vielleicht hier gar nicht so deutlich machen, sondern eher zeigen, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit er dem Stein widmet. Dadurch bekomm der Stein ja so eine Art Wirkung zugesprochen, es hat etwas von einem Ritual, wie ein Totem, aber der Leser weiß erstmal nicht, was ist das Geheimnis? Du könntest es ganz am Ende auflösen, dann erfährt der Leser, diesen Tausch hat ihn etwas gekostet, er musste eine handfeste Erinnerung aufgeben, um ein anderes Leben zu retten. Das würde sich dann häuten wie eine Zwiebel. So ist es erstmal nur der Name und eine vage Leerstelle.

Mit einem Schwung ist er beim Küchentisch, nimmt den Revolver und zielt. Es knallt und die Fensterscheibe splittert.

Schon auch recht radikal, der Gute. Das Projektil prallt irgendwo ab, und dann? Zack, hat er einen Unschuldigen auf dem Gewissen. Ich glaube auch, dieses Ende brauchst du gar nicht. Dieser Mittelteil, der ist schon heftig genug.

Gruss, Jimmy

 

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