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Wo der Himmel liegt

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29.12.2018
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Wo der Himmel liegt

Sein Fang bekannte sich erst zum Verlust seiner Freiheit, als er nicht mehr atmen konnte. Der Wasserspiegel zog die Grenze zwischen Kampf und Kapitulation.
Der geschwächte Fisch wog weniger als die Kraft, die es brauchte, um ihn aus dem Wasser zu ziehen. Er war Fischer, das nötige Zubehör einer Angel. Seine Sinne reichten bis in die eiserne Spitze des Hakens. Der Pulsschlag der Fische setzte sich in seinen Adern fort, der Körper krümmte sich unter ihrem letzten Atemzug, auf dem das Gewicht eines Lebens lag.
Die Augen der Fische waren nackt, an der Luft vor dem Betrachter entblößt. Eine einzige Träne auf der Netzhaut konservierte ihren Ausdruck. Ihr Blick erreichte ihn nicht, starr ins Unendliche gerichtet: Für die Fische war er Gott, der sie in den Himmel zog. Als er den Haken aus den Unterlippen löste, öffneten sich die stummen Mäuler zu einem Schrei. Er konnte ihn hören, hier, wo die Luft feucht genug war, die Stimmen der Fische zu tragen.
„Das ist nicht der Himmel,“ sagte er zu sich selbst und einem toten Fisch. Der Fischer hatte seinen Besitz an das Ufer des großen Teiches getragen, um zu verhandeln: Er bezahlte seinen Fang mit dem Tag. Den Gegenwert seiner Zeit bestimmte entweder Gott oder der Zufall. Er erkannte keine Notwendigkeit, darüber nachzudenken.
Sein Schatten löste sich von den Sohlen, um der Sonne zu folgen. Er hatte nicht gesehen, wie der Tag verging. Es sind die ersten Nächte im Herbst, sie kommen aus einem Hinterhalt und werfen sich über den wachen Tag. Bevor er ging, wusch er sich die Hände in dem Teich.
Er roch nach Fisch, dachte er. Er hatte sich daran gewöhnt, seine Gedanken mit den Lippen zu formen, ohne dabei zu sprechen. Es waren Eigenschaften der Fische, die an ihm haften blieben. Ihr nasser Atem sammelte sich in seiner Lunge, um seine Freiheit zu beschweren. Der Himmel spiegelte sich auf der Oberfläche des Teiches, bis die Sonne unterging.

Der Winter kam mit einer Schaufel Schnee, um das Jahr zu begraben. Dort, wo er herkam, legte sich der Dezember erst weiß auf den Himmel, bevor es zu schneien begann, die Welt schwieg unter seiner Vorherrschaft. Der Fischer fand die Spiegelung des letzten Sommers im Eis. Er blieb davor stehen und regte sich nicht, weil er nicht wusste, wie er den Tag an einer Bewegung fortsetzen sollte. Die Eisschicht verschloss ihm das Wasser, den Fischen bewahrte sie die Freiheit.
Er hörte das Flüstern unter dem Eis und schüttelte darüber den Kopf: Es brachte ihn um den Verstand. Die Kälte verglaste seine Netzhaut, er sah den Himmel aus der Sicht der Fische. „Und so gibt der Winter jedem seinen Raum zum Atmen,“ sagte er und stieg auf das Eis, um zu warten. Er wusste nicht, wie tief der Teich an dieser Stelle war.

 

Hallo @butterblume,

deine kleine Geschichte konnte mich leider nicht überzeugen.

Du taggst sie mit „seltsam“ und „Spannung“. Aber ist es nicht nur ein Fischer, der fischt, und ein Winter der kommt? Nur weil du etwas umständlich beschreibst, wird es noch nicht zu etwas Besonderem.

Vielleicht haben wir auch einfach andere Ansprüche an die Texte, die wir gerne lesen möchten. Ich will Bilder in meinem Kopf haben, in eine fremde Welt eintauchen, obwohl ich eingemummelt zu Hause sitze.

Sein Fang bekannte sich erst zum Verlust seiner Freiheit, als er nicht mehr atmen konnte.
Wessen Fang? Was genau ist der Fang? Später erfahre ich, es geht um einen Fischer und einen Fisch. In dem ersten Satz sehe ich nichts davon. Mich persönlich schreckt so etwas ab.

„Das ist nicht der Himmel,“ sagte er zu sich selbst
Das Komma gehört hinter das Anführungszeichen.

Bevor er ging, wusch er sich die Hände in dem Teich.
Er roch nach Fisch, dachte er.
Du benutzt sehr oft „er“, dadurch werden die Bezüge manchmal unklar. Wer riecht nach Fisch? Vielleicht öfter mal „der Fischer“ schreiben.

Es passiert wenig in deiner Geschichte. Was ist der Konflikt? Dass der Winter kommt? Das hat der Fischer wohl schon öfters erlebt. Du beschreibst den Fischer, wie er sich zu den Fischen verbunden fühlt, dass er sie versteht, aber du machst nichts daraus, oder übersehe ich etwas?

Für mich müsste der Text radikal gekürzt werden, um sich als Einstieg in eine Geschichte zu eignen. Aber das ist ja nur meine Meinung. Vielleicht ist das Philosophische auch einfach an vorübergegangen und jemand anders liest den Text mit anderen Augen. ;)

Viel Spaß noch bei uns und liebe Grüße,

Nichtgeburtstagskind

 
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Hola @butterblume,

ich finde Deine Art des Schreibens sehr sympathisch, sehr durchdacht. Ich vermeine zu spüren, wie Du Dich um jeden Satz bemühst – so finde ich viel Schönes in Deinem Text, und dass mal ein Gedanke nicht so glücklich formuliert ist, bedeutet keinen Beinbruch. Es ist Deine Ernsthaftigkeit, die mich für Deinen Text einnimmt.
Ein paar Kleinigkeiten will ich trotzdem anmerken – als Feedback, nicht als Kritik:
Du verwendest häufig Doppelpunkte. Das ist unüblich, vielleicht genügen Dir Gedankenstriche, Kommas oder Semikolons?
Von den drei tags finde ich ‚Spannung’ unzutreffend. Und ‚Philosophisches’ beißt sich eh mit ‚Spannung’, oder?

Der geschwächte Fisch wog weniger als die Kraft, die es brauchte, um ihn aus dem Wasser zu ziehen.
Ein Satz wie das doppelte Rollengesetz. Vielleicht kannst Du den leichter zugänglich machen?
Er war Fischer, das nötige Zubehör einer Angel.
Soll das auf dem Kopf stehen: Der Fischer ist der Angel Zubehör?
Seine Sinne reichten bis in die eiserne Spitze des Hakens.
(Eigentlich) wunderbar. Nur sieht der Leser eher eine Hellebarde: ‚Die eiserne Spitze des Hakens’. Könntest Du eventuell bisschen graziler ausdrücken, ist ja nur ein (Angel)-Häkchen :) .
Die Augen der Fische waren nackt, an der Luft vor dem Betrachter entblößt. Eine einzige Träne auf der Netzhaut konservierte ihren Ausdruck.
Aus meiner Sicht schwierige Sache. Fischaugen haben keine Lider, sind also immer ‚nackt’, gleich ob im Wasser oder außerhalb – deswegen ist das ‚Entblößen’ schlecht vorstellbar.
‚Träne’: Können Fische weinen? Wäre ‚Tropfen’ besser?
Jedenfalls toll geschrieben, nur ‚konservierte’ stört mich durch seine Sachlichkeit.
Ihr Blick erreichte ihn nicht, starr ins Unendliche gerichtet: Für die Fische war er Gott, der sie in den Himmel zog. Als er den Haken aus den Unterlippen löste, öffneten sich die stummen Mäuler zu einem Schrei.
Er konnte ihn hören, hier, wo die Luft feucht genug war, die Stimmen der Fische zu tragen.
Das nenne ich literarische Arbeit, das begeistert mich (obwohl oder weil ich eine ganz andere Richtung ‚beschreibe’). Großes Kompliment!
Der Fischer hatte seinen Besitz an das Ufer des großen Teiches getragen, um zu verhandeln: Er bezahlte seinen Fang mit dem Tag. Den Gegenwert seiner Zeit bestimmte entweder Gott oder der Zufall. Er erkannte keine Notwendigkeit, darüber nachzudenken.
Das hat Klasse, liebe butterblume! Da macht das Lesen Freude.
Du hast das Format, aus unaufgeregten Gedanken einen brillanten Text zu machen – ich weiß, das ist viel Dickes, aber Dein Text ist auch wohltuend. Weil er entspannt ist, still und weise. Verzichtet auf all die Verrenkungen, um Aufmerksamkeit zu erheischen, verzichtet auf ‚angesagte’ Themen – und Dein Ringen um einen hervorragenden Text spürt nur derjenige, der selbst schreibt.
Sein Schatten löste sich von den Sohlen
, um der Sonne zu folgen.
Hier allerdings verstehe ich’s nicht, butterblume hilf!
Er hatte nicht gesehen, wie der Tag verging.
Das glaub’ ich nicht. Ein Naturbursche wie der hat immer den Stand der Sonne im Augenwinkel.
Es sind die ersten Nächte im Herbst, sie kommen aus einem Hinterhalt und werfen sich über den wachen Tag.
Wie befriedigend kann Lesen sein, wenn man den richtigen Text erwischt! Noch ’n Beispiel:
Sein Fang bekannte sich erst zum Verlust seiner Freiheit, als er nicht mehr atmen konnte. Der Wasserspiegel zog die Grenze zwischen Kampf und Kapitulation.
Großartig finde ich das! Literatur eben.

Beim letzten Abschnitt allerdings erschien mir Dein Text etwas holperig. Unter anderem gibt es diesen schönen Satz:

Die Eisschicht verschloss ihm das Wasser, den Fischen bewahrte sie die Freiheit.
doch auch:
Der Fischer fand die Spiegelung des letzten Sommers im Eis. Er blieb davor stehen und regte sich nicht, weil er nicht wusste, wie er den Tag an einer Bewegung fortsetzen sollte.
Hier fehlt mir der Zugang. Der Fischer hat ja schon ein paar Winter auf'm Buckel.
Die Kälte verglaste seine Netzhaut, er sah den Himmel aus der Sicht der Fische.
Gelungen.
„Und so gibt der Winter jedem seinen Raum zum Atmen,“ sagte er ...
... aber das tun die anderen Jahreszeiten doch auch – Raum zum Atmen geben?
... und stieg auf das Eis, um zu warten. Er wusste nicht, wie tief der Teich an dieser Stelle war.
Für mich unendlich schade, weil ich’s nicht kapiere. Höhere Philosophie?

Auf jeden Fall hab ich etwas Schönes, etwas Anspruchsvolles gelesen. Vielen Dank.
Lass Dich nicht beirren, bleibe Deinem Stil treu. Es gibt genug Leute, die für andere Leute schreiben, um denen zu gefallen.

Schöne Grüße!
José

PS:

Den Gegenwert seiner Zeit bestimmte entweder Gott oder der Zufall. Er erkannte keine Notwendigkeit, darüber nachzudenken.
Volltreffer!

 

Liebe @butterblume

mir ging es ähnlich wie José. Ich mochte auch die ruhige Erzählweise und die Sprache. Er hat ja schon viele Stellen zitiert und gelobt, da will ich jetzt nicht doppeln. Mir haben die Stellen auch sehr gefallen.

Aber ich bin auch bei Nichtgeburtstagskind und mir fehlt ein Konflikt. Der Fischer müsste m.E. ein Ziel haben, Hindernisse überwinden, sich entwickeln, Hinfallen und wieder Aufstehen und so Kram. Ich sehe den Fischer leider nicht vor mir. Dass er keinen Namen hat, macht es auch nicht einfacher für mich.

Weiß nicht, aber ich lese eine Geschichte zu Ende, weil ich primär an den Figuren interessiert bin. Eine schöne Sprache reicht mir nicht. Du kannst ja trotzdem deinem Stil treu bleiben (den mag ich) und müsstest nur ein wenig an der Figur und am Plot und vllt. an der Message feilen.

Liebe Grüße
Aurelia

 
Zuletzt bearbeitet:

Der Stil gefällt mir!

 

Hallo @Achim02,

eigentlich geht mich dein Kommentar nichts an, ist ja nicht meine Geschichte, aber er ist in meinen Augen polemisch und herablassend.

Als Erstes verwirrt mich deine Anwendung des Begriffes "Netzhaut". Daran merkt man, dass du noch in der Schule sein musst, da du diesen Begriff völlig falsch verwendest. Wie soll denn bitteschön ein Tropfen auf die Netzhaut gelangen? Bitte beachte die inhaltliche Korrektheit deiner "Kurzgeschichte", denn an dieser Stelle wäre "Hornhaut" angebracht. Indem du intellektuell wirken willst, merkt man dir deine Hoffnungslosigkeit an, wie der bekannteste deutsche Literaturkritiker Denis Scheck bestimmt sagen würde. Auch mein naturwissenschaftlicher Magen dreht sich im Kreis.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @butterblume,

deine Sprache gefällt mir. Man merkt die Sorgfalt, die hinter jedem einzelnen Satz steckt.
Vielleicht hast du aber bei den ersten Sätzen etwas zu viel geknobelt. Sie wirken auf mich wie einzelne kleine Kunstwerke, die überhaupt nicht zueinander gehören. Ich komme dadurch nicht wirklich in die Geschichte rein. Vielleicht liegt es auch daran, dass du sehr oft gleiche oder ähnliche Artikel benutzt.
Zu dem Plot sage ich nichts, da schließe ich mich @Aurelia vollkommen an.

Schönes Debüt, danke und herzlich willkommen!

Gruß Daeron

 

Hallo @butterblume,
hab die anderen Kommentare bloß überflogen, also sorry, falls sich was doppelt.

Mir gefällt der Text sehr. Für mich ist das Poesie, jeder Satz hat eine unglaubliche Bildkraft. Dies ist kein Text, der einen Plot braucht, sondern ein Stimmungsbild, und das ist für mich die Stärke und auch das Philosophische daran.
Ich kann die Einsamkeit dieses Fischers absolut nachempfinden, wie er die Verbindung zu den Fischen spürt, sie mit seiner eigenen Existenz vergleicht und sich letztendlich Gedanken um den Sinn des Lebens macht, auch wenn das jetzt etwas pathetisch klingt, wenn ich das so sage.
Jeder Satz geht mir direkt in den Bauch, deshalb fällt es mir auch schwer, hier die richtigen Worte zu finden.

Spannung würde ich rausnehmen, denn spannend finde ich den Text nicht im klassischen Sinne.


Er war Fischer, das nötige Zubehör einer Angel.
Den Übergang fand ich etwas holprig. Vorher sprichst du ja von den Fischen.

Der Wasserspiegel zog die Grenze zwischen Kampf und Kapitulation.
Toll!

Für die Fische war er Gott, der sie in den Himmel zog.
Das auch!

Er bezahlte seinen Fang mit dem Tag.
Und das!

Der Winter kam mit einer Schaufel Schnee, um das Jahr zu begraben.
Das ist so schön, dass ich es einfach nur auf mich wirken lasse, ohne groß drüber nachzudenken.

Ich höre jetzt mal auf mit den Zitaten, sonst müsste ich den ganzen Text kopieren.

Sehr sehr gern gelesen.

Viele Grüße,
Chai

 

Hallo @butterblume !

Toller Text! Ähnlich wie josefelipe habe ich das Gefühl, dass du dir um jeden Satz Gedanken machst, dass jeder Satz in sich abgeschlossen ist und für sich steht.

Dein Text ist - denke ich - keiner für jemanden, der eine präzise Sprache oder eine abwechslungsreiche Handlung bevorzugt, klar. Aber ich mag solche "plotarmen" Texte einfach (ganz platt gesagt), die Ruhe von Teich, Angler, Fischen, Winter kam bei mir sehr gut an.

Die Verortung der Szene in das transzendente System von Gott und Religion fand ich gut austariert - es wirkt nicht übertrieben, der Bezug zu Gott drängt sich nicht auf und lässt einen Interpretationsspielraum offen.

Ergänzend ein paar Stellen, die mir aufgefallen sind:


Er war Fischer, das nötige Zubehör einer Angel.

Schöner Satz, so ein typischer "Auf-den-zweiten-Blick-Satz"

Die Kälte verglaste seine Netzhaut...

Jetzt spiele ich den großen Klugscheißer und verweise auf die Lage der Netzhaut an der Innenseite des Augapfels - aber das kommt mir dann zu kleinlich vor.

Er roch nach Fisch, dachte er.

Nur ein Vorschlag!

Eine einzige Träne auf der Netzhaut konservierte ihren Ausdruck.

An dem Satz hing ich ein bisschen. Durch die Verwendung von "konservieren" sah ich den Fischer im weiteren Verlauf des Textes den Fisch in Salz oder in ein Gärfass oder in was auch immer einlegen. Da passt ein "konservieren" oder auch eine "Netzhaut" , trotz anatomischer Unmöglichkeit, in das Lebensumfeld eines Fischers gut hinein. Das "eine einzige Träne" empfinde ich als zu kitschig, da geht bei mir sofort die Helene-Fischer-Playlist an, aber: Subjektiver Eindruck, es ist deine Entscheidung.

Bevor er ging, wusch er sich die Hände in dem Teich.

Vielleicht besser "im" oder "am" Teich?

Den Gegenwert seiner Zeit bestimmte entweder Gott oder der Zufall. Er erkannte keine Notwendigkeit, darüber nachzudenken.

Ganz starker Satz, der bleibt hängen.

Sein Schatten löste sich von den Sohlen, um der Sonne zu folgen.

Auch das ein sehr schöner Satz, der gut in die "Passivität" des Fischers passt, hier schließt sich ein Kreis mit
Er war Fischer, das nötige Zubehör einer Angel.

So, das war's!

Lg
kiroly

 

Hallo @butterblume,

eingepackt in interessanten und unverbrauchten Formulierungen auf konstantem Niveau, begleitet der Leser deinen Fischer bei seiner täglichen Routine. Während die Jahreszeiten ihre Spuren in der Umgebung des Sees hinterlassen, zeigen Gestiken und Gewohnheiten (wie seine Fischsprache) den Charakter des Protagonisten - wie er durch seinen Alltag geprägt wird und sich verändert, sich den Fischen annähert. Und wie das Jahr seinen Lauf nimmt, sind auch seine Tage gezählt.
Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann die für mich etwas abgehackten Satzfolgen (Er hatte ...; Er blieb ...) Wenn du das fließender hinbekommst, könnte die melancholische Stimmung des Textes noch an Harmonie gewinnen.

Danke fürs Teilen deiner Geschichte. Gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @butterblume

Ich kann mich dem Lob leider nicht anschliessen. Dafür ist mir der Text sprachlich zu ungenau und an einigen Stellen auch zu pathetisch, inhaltlich zu anthropomorph bis esoterisch. Vor allem finde ich problematisch, wie das Verhältnis von Tier und Mensch dargestellt und was damit impliziert wird. Meine Kritik bezieht sich vor allem auf den ersten Teil des Textes.

Sein Fang bekannte sich erst zum Verlust seiner Freiheit, als er nicht mehr atmen konnte.
Finde ich ungünstig. Als Leser suche ich hier einen Bezug (der tatsächlich erst einige Sätze später auftaucht) und weiss nicht, ob der Fang nicht mehr atmen konnte oder der Fischer. Ich komme dann natürlich schon zu einem Schluss, aber gestolpert bin ich dennoch. Mir scheint: "Der Fang ..." besser zu sein.
Sein Fang bekannte sich erst zum Verlust seiner Freiheit, als er nicht mehr atmen konnte.
Wie genau macht der Fisch das? Sich bekennen? Hört er auf zu zappeln? Und wenn ja, dann ist das als Bekenntnis zu interpretieren? Das ist sehr anthropomorph gedacht. Fische sind so was wie Menschen im Wasser, die sich auch mal zu etwas bekennen. Mir ist schon klar, dass man über meine Reaktion den Kopf schütteln kann - was sperrt der sich gegen poetische Formulierungen? Ich hoffe, der Grund wird im Folgenden noch klarer.
Gestolpert bin ich auch über den Begriff der Freiheit. Der Fisch wird in den nächsten Sekunden getötet. Und da bekennt er, ja, ich habe meine Freiheit verloren? Inwiefern ist das relevant? Liegt das daran, dass man Fische fängt und nicht erlegt? Freiheit ist ein Konzept, das man im Nachdenken über Tiere ausserhalb der philosophischen Diskussion häufig antrifft. Aber Freiheit ist für Tiere nur als Bewegungsfreiheit relevant. Solange sie ihr natürliches Verhalten zeigen können und solange genug zu fressen da ist, ist Tieren schlichtweg egal, wie viel Platz es um sie herum noch gibt.
Der Wasserspiegel zog die Grenze zwischen Kampf und Kapitulation.
Das klingt seltsam in meinen Ohren. "Ziehen" ist eine Tätigkeit. Der Wasserspiegel tut also was? Sich selbst als Grenze ziehen? Ist er nicht einfach die Grenze?
Der geschwächte Fisch wog weniger als die Kraft, die es brauchte, um ihn aus dem Wasser zu ziehen.
Wieviel wiegt denn die Kraft? Der Satz macht, so wie er hier steht, in meinen Augen keinen Sinn. Vielleicht: "Der geschwächte Fisch wog weniger, als die Kraft, die es brauchte, um ihn aus dem Wasser zu ziehen, vermuten liess."? Das klingt dann zwar nicht mehr so schön.
Seine Sinne reichten bis in die eiserne Spitze des Hakens.
"stählerne" fände ich besser, weil Angelhaken aus Stahl sind.
Der Pulsschlag der Fische setzte sich in seinen Adern fort, der Körper krümmte sich unter ihrem letzten Atemzug, auf dem das Gewicht eines Lebens lag.
Interessanterweise finde ich das sehr schön, dieser Pulsschlag, der sich in seinen Adern fortsetzt. Also ich habe nicht per se etwas gegen eine poetische Dehnung dessen, was tatsächlich möglich ist. Aber bei den für mich relevanten Stellen eben schon. Und eine davon ist die folgende:
Eine einzige Träne auf der Netzhaut konservierte ihren Ausdruck.
Puh. Es gibt zwei typische Umgangsweisen mit dem Anderen. Entweder man wähnt sich überlegen, sieht das Andere als das Fremde, das Niedere, das Unzivilisierte. Oder man glaubt, das Andere sei genau wie man selbst, damit man es respektieren und lieben kann. Beides ist m.E. verheerend. Muss man das Tier vermenschlichen, damit man dessen Empfindungsfähigkeit (in Bezug auf unseren hauptsächlichen Umgang mit dem Tier: dessen Schmerzen) als Tatsache akzeptieren kann? Ich hoffe nicht. Das ist daher eine Stelle, die ich nicht mehr als poetisch lesen kann, sondern als Ausdruck eines anthropomorphen Denkens. Es ist nicht ganz klar, ob der Erzähler das sagt, oder ob der Fischer das so wahrnimmt. In beiden Fällen ist das für mich schwierig zu lesen.
Für die Fische war er Gott, der sie in den Himmel zog.
Auch hier ist nicht ganz klar, wer das behauptet. Als Aussage an sich ist das ja völliger Nonsens. Wiederum werden Fische als kleine Menschen dargestellt, die eigentlich so sind wie wir, dummerweise aber - durch ihre physische Unterlegenheit in einem Verhältnis zu uns Menschen stehen, das vergleichbar ist mit unserem Verhältnis zu Gott. Das ist in meinen Augen eine unglaubliche Fehlkonzeption - gegen die übrigens seit einigen Jahrzehnten eine ganze Menge Tierphilosophinnen und Tierethiker anschreiben. Mich nervt halt auch der unpassende Tag: "Philosophie", das gebe ich zu.
Als er den Haken aus den Unterlippen löste, öffneten sich die stummen Mäuler zu einem Schrei.
Wieder dieser Anthropomorphismus. Der Schmerz des Tieres ist nur real, kann nur dann konzeptionell erfasst werden, wenn er sich in einem quasimenschlichen Verhalten ausdrückt. Interessant ist auch, dass der Akt des Tötens im Text nicht beschrieben wird.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Er hatte sich daran gewöhnt, seine Gedanken mit den Lippen zu formen, ohne dabei zu sprechen. Es waren Eigenschaften der Fische, die an ihm haften blieben.

Das Problem ist, dass dieser Text mehr Fragen aufwirft, als mir etwas zu erzählen. Fische sprechen nicht lautlos, sie formen ihre Gedanken nicht mit den Lippen - das sieht vielleicht so aus, aber sie tun es nicht. Diese Übertragung einer physiologischen Leistung ist nicht zulässig.

Mir ist das alles viel zu viel, es soll irgendwie "schön geschrieben" wirken, anspruchsvoll, aber im Grunde ist es nur dick aufgetragen und die Bilder in vielen Fällen haarsträubend schief. Es soll poetisch und klug wirken, aber man erzeugt Poesie nicht mit diesen affektieren, aufgeladenen Bildern. Poesie ist sowieso etwas, was viel durch eine gewisse Schlichtheit erkennbar wirkt; eben nicht konstruiert, sondern in den Dingen liegend, dann wirkt sie und kommt nicht mit dem Holzhammer.

Die Kälte verglaste seine Netzhaut, er sah den Himmel aus der Sicht der Fische.

Ich möchte das unbedingt mal erleben, wie mir Minusgrade die Retina verglasen, am besten noch mit Korrekturwerten. Woher weiß der Erzähler, wie die Fische den Himmel sehen? Peeperkorn hat da ja schon vieles gesagt, mir ist das auch viel zu vermenschlicht alles. Wenn du da jetzt eine Fantasy-Geschichte draus machst, sieht das anders aus, da gibt es sprechende und denkende und fühlende Fische, aber in der echten Welt ist eben fressen und gefressen werden. Mir wird auch nicht ganz klar: Was wird mir hier eigentlich erzählt? Ein Fischer, der fischt fängt und dann im Winter nicht mehr fischen kann? Fische, die ihn für Gott halten? Übrigens stimmt das nicht, es gibt auch noch das Eisfischen. Mehr fällt mir nicht ein.

Gruss, Jimmy

 

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